Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Generationenvertrag


Dossier / Travail, 2020

19 Pages, Note: 1,0

Anonyme


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen
2.1. Aktuelle Situation des demografischen Wandels in Deutschland
2.2. Generationenvertrag
2.3. Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland

3. Herausforderungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland

4. Ansatzpunkte zur Bewältigung der Herausforderungen
4.1. Erhöhung des Beitragssatzes
4.2. Senkung des Rentenniveaus
4.3. Anpassung des Renteneintrittsalters
4.4. Veränderung der Bevölkerungsstruktur

5. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Vorausberechnung des Altenquotienten von 2000 bis 2050

1. Einleitung

„Die Rente ist sicher“ – diese Aussage traf der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm erstmalig während des Wahlkampfes im Jahr 1986.1 Betrachtet man jedoch die verabschiedeten Rentenreformen der letzten dreißig Jahre, so entstehen begründete Zweifel an dieser These.

Das deutsche Rentensystem, welches auf dem sogenannten Generationenvertrag beruht, wird durch die Veränderungen der Bevölkerungsstruktur im Zuge des demografischen Wandels stark beeinflusst. Die sinkenden Geburtenraten und die steigende Lebenserwartung zwingen sowohl die Politik als auch die Bürger der Bundesrepublik Deutschland zum Handeln.

Die Zielsetzung dieser Seminararbeit besteht darin, die Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Generationenvertrag der Rentenversicherung zu untersuchen. Hierbei wird die Frage gestellt, ob das deutsche Rentensystem in seiner aktuellen Form zukünftig weiterhin bestehen kann.

2. Grundlagen

2.1. Aktuelle Situation des demografischen Wandels in Deutschland

Das Wort Demografie setzt sich aus den griechischen Begriffen demos (das Volk) und graphein (schreiben) zusammen. Als Demografie wird die Lehre der Bevölkerungswissenschaften bezeichnet. Diese beschäftigt sich mit den Veränderungen in der Bevölkerung. Hierbei wird zum Beispiel die Altersstruktur der Bevölkerung, das Verhältnis zwischen den Geschlechtern oder allgemein die Einwohnerzahl untersucht. Faktoren für demografische Veränderungen sind die Geburtenrate, die Sterberate sowie die Migration. Die Summe dieser einzelnen Veränderungen wird als demografischer Wandel bezeichnet.

Der demografische Wandel ist ein weltweites Phänomen, welches jedoch nicht alle Länder gleich stark betrifft.2 Im weltweiten Vergleich zählt Deutschland zu den Ländern, die am stärksten vom demografischen Wandel betroffen sind.3 Das Statistische Bundesamt veröffentlichte im September 2019 eine Statistik zur Entwicklung der Einwohnerzahl in Deutschland von 1990 bis 2018. Hieraus geht hervor, dass die Einwohnerzahl in diesem Zeitraum um gute drei Millionen von 79,75 auf 83,02 Millionen gestiegen ist.4 Der Zuwachs der letzten Jahre lässt sich von allem durch die aktuell hohen Zuwanderungsraten erklären. Dieser Trend wird sich jedoch nicht ewig fortsetzen. Da die Geburtenrate in Deutschland seit nunmehr fast 40 Jahren die Sterberate unterschreitet, ist davon auszugehen, dass die deutsche Bevölkerung zukünftig nicht mehr weiter wachsen wird.5 Die niedrige Geburtenrate kann nämlich nicht dauerhaft durch Zuwanderung ausgeglichen werden. Das Statistische Bundesamt prognostiziert in diesem Zusammenhang, dass im Jahr 2050 nur noch ca. 70 Millionen Menschen in Deutschland leben werden.6

Der erwartete Rückgang der Einwohnerzahl beeinflusst auch maßgeblich die Altersstruktur der Bevölkerung in Deutschland. Diese wiederum ist essenziell für das Funktionieren der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung. Aufgrund der niedrigen Geburtenrate hat sich das Durchschnittsalter in Deutschland bereits signifikant erhöht. Betrachtet man den sogenannten Altenquotient, also das Verhältnis zwischen Erwerbspersonen und Rentnern, werden diese Auswirkungen besonders deutlich. Im Jahr 2000 finanzierten 100 Personen im Erwerbsleben die Rentenzahlungen für ungefähr 43 Rentenempfänger. Im Jahr 2010 ist die Zahl der Rentner, die von 100 Erwerbspersonen finanziert werden müssen, bereits auf 48,3 gestiegen. In Zukunft wird sich der Altenquotient noch einmal drastisch verändern, so dass nach Vorhersagen im Jahr 2050 100 Erwerbspersonen mehr als 90 Personen im Rentenalter gegenüberstehen werden.7 Diese Entwicklung zeigt deutlich, welche Herausforderungen auf die gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland zukommen.

Abbildung 1: Vorausberechnung des Altenquotienten von 2000 bis 2050

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1Über 60-jährige auf 100 Menschen im Alter von 20 bis 60 Jahren

Quelle: In Anlehnung an Birg, H., Demografie, 2002, S. 181

Ein weiterer Aspekt, der das Rentensystem negativ beeinflusst, ist die steigende Lebenserwartung aufgrund des medizinischen Fortschritts. Im Jahr 2018 veröffentlichte die World Bank eine Statistik zu diesem Thema. Die durchschnittliche Lebenserwartung in Deutschland betrug im Jahr 1960, also nur wenige Jahre nach der Einführung des Generationenvertrags, 69,3 Jahre. Im Laufe der Zeit ist diese um mehr als elf Jahre gestiegen und beträgt im Jahr 2016 bereits 80,64 Jahre.8 Diese Zunahme bedeutet, dass auch die Rentenbezugsdauer sich deutlich erhöht.

Betrachtet man also die niedrige Geburtenrate in Verbindung mit der steigenden Lebenserwartung, so wird deutlich, dass diese Veränderungen nicht nur einen erheblichen Einfluss auf die umlagenfinanzierte Rentenversicherung haben, sondern deren Fortbestand sogar gefährden.

2.2. Generationenvertrag

Der Generationenvertrag ist kein Vertrag im juristischen Sinne, da dieser nicht niedergeschrieben und unterzeichnet wurde. Vielmehr handelt es sich um einen gesellschaftlichen Konsens in Form einer Solidarvereinbarung zwischen zwei Generationen, nämlich den Arbeitnehmern und den Rentenempfängern. Die Solidarität besteht darin, dass die arbeitende Generation durch ihre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung die Rentenzahlungen für die aktuellen Rentenempfänger finanziert. Daraus folgt die Erwartung an die nachfolgende Generation, dass diese sich ebenfalls solidarisch zeigt und dasselbe tut.9

Der Ursprung des Generationenvertrags geht auf den deutschen Wirtschaftstheoretiker Wilfrid Schreiber zurück. Er veröffentlichte im Jahr 1955 im Namen des Bundes Katholischer Unternehmen eine Schrift mit dem Titel „Existenzsicherheit in der industriellen Gesellschaft“. Dieses Werk, welches später als sogenannter Schreiber-Plan bekannt wurde, beeinflusste Konrad Adenauers Rentenreform und machte Wilfrid Schreiber bekannt.10

Der Schreiber-Plan beinhaltet einen Vorschlag zur Reform des Sozialversicherungssystems. Schreiber teilte die Auffassung, dass das bestehende Sozialversicherungssystem, vor allem die gesetzliche Rentenversicherung, aufgrund von Veränderungen in der Gesellschaftsstruktur reformbedürftig ist.11

Das bisherige Rentensystem basierte auf einem persönlichen Sparvertrag, vergleichbar mit einer privaten Lebensversicherung. Das bedeutet konkret, dass jeder einzelne Arbeitnehmer seine eigene Rente finanzierte. Die eingezahlten Beträge reichten aber aufgrund einer zu geringen Kapitaldeckung nicht für die Rentenzahlungen aus, weshalb der Staat Zuschüsse leisten musste. Aus diesem Grund schlug Schreiber ein umlagefinanziertes Rentensystem vor, welches auf einem Solidarvertrag zwischen allen Empfängern von Arbeitseinkommen beruht. Hierfür definierte er die drei Lebensphasen Kindheit und Jugend (vor Erreichung des 20. Lebensjahres), Arbeitsalter (20. bis 65. Lebensjahr) und Lebensabend (nach Vollendung des 65. Lebensjahres). Sein Vorschlag war, dass jeder Bürger im Arbeitsalter einen gewissen Prozentsatz seines Arbeitseinkommens als Beitrag in die Rentenkasse einzahlt. Mit diesen Beiträgen sollten dann direkt monetäre Zuwendungen in Form von Renten für die Menschen in den beiden Lebensphasen Kindheit und Jugend sowie Lebensabend finanziert werden.12 In der tatsächlichen Umsetzung der Regierung wurde die Rente für die Lebensphase Kindheit und Jugend allerdings nicht berücksichtigt.

Weiterhin enthält der Schreiber-Plan einen konkreten Vorschlag zur Berechnung der Renten. Dieser sieht vor, dass durch Beitragszahlungen Rentenanspruchspunkte erworben werden, welche später maßgeblich die Höhe der Rentenzahlungen bestimmen.13 Dadurch wird gewährleistet, dass ein höheres Arbeitseinkommen auch zu einer höheren Rentenzahlung führt.14 Zusätzlich hat Schreiber in seinen Ausführungen auch eine Anregung in Bezug auf das Recht der Vererbbarkeit der Rentenansprüche an Ehepartner und Kinder gegeben.15

Schreiber war sich bereits damals bewusst, dass das von ihm vorgeschlagene Rentensystem nur funktionieren kann, solange das Verhältnis zwischen beitragszahlenden Arbeitnehmern und Rentenempfängern konstant bleibt. Sollte dies nicht der Fall sein, schlug er zum Ausgleich eine temporäre Heraufsetzung des Rentenalters oder eine geringfügige Beitragserhöhung vor.16 Diese Maßnahmen werden in einem späteren Abschnitt dieser Seminararbeit noch eine genauere Betrachtung finden.

Die Inhalte des Schreiber-Plans wurden bei der Rentenreform im Jahr 1957 unter der Regierung von Konrad Adenauer größtenteils umgesetzt. Aus diesem Grund ist Wilfrid Schreiber auch als Vater der dynamischen Rente bekannt. Sein Vorschlag eines Solidarvertrages gilt als Basis für den bis heute gültigen Generationenvertrag der Deutschen Rentenversicherung.

2.3. Gesetzliche Rentenversicherung in Deutschland

Die gesetzliche Rentenversicherung ist einer der fünf wesentlichen Sozialversicherungszweige in Deutschland. Die Inhalte der Rentenversicherung sind im Sozialgesetzbuch VI (kurz: SGB VI) geregelt.

Für die gesetzliche Rentenversicherung gelten sechs Prinzipien, die vier wichtigsten hiervon werden im Folgenden erläutert. Das Prinzip der Versicherungspflicht besagt, dass für ca. 90 Prozent der Bürger eine Versicherungspflicht besteht. Lediglich einzelne Berufszweige wie Beamte oder Selbstständige unterliegen nicht der Versicherungspflicht und können daher eigenständig entscheiden, wie sie für das Alter vorsorgen möchten. Das Prinzip der Beitragsfinanzierung regelt, dass die Leistungen maßgeblich aus den Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern finanziert werden. Die Beitragshöhe hängt hierbei vom Bruttogehalt des Arbeitnehmers ab. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung beträgt im Jahr 2020 18,6 Prozent. Es werden jedoch nicht in unbegrenzter Höhe Beiträge erhoben, sondern nur bis zur sogenannten Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung. Diese liegt im Jahr 2020 bei 6.900,00 Euro im Monat. Konkret bedeutet dies, dass ein Arbeitnehmer mit einem Bruttomonatsgehalt von 10.000,00 Euro nur Rentenversicherungsbeiträge aus 6.900,00 Euro leisten muss. Ein weiteres Prinzip ist das Prinzip der Solidarität. Dies bedeutet, dass die Beiträge zur Rentenversicherung solidarisch von Arbeitnehmer und Arbeitgeber getragen werden. Bezogen auf den aktuellen Beitragssatz muss ein Arbeitnehmer also nur 9,3 Prozent von seinem Bruttogehalt für die Rentenversicherung berappen. Die zweite Hälfte in gleiche Höhe übernimmt der Arbeitgeber. Das Prinzip der Äquivalenz gehört ebenfalls zu den sechs Prinzipen der Rentenversicherung. Es sagt aus, dass sich die Höhe der Leistung nach den zuvor geleisteten Beiträgen berechnet. Daraus folgt, dass ein Arbeitnehmer mit einem höheren Einkommen zwar mehr Rentenversicherungsbeiträge zahlt, dafür später aber auch einen Anspruch auf höhere Leistungen hat.17

[...]


1 Vgl. Deutscher Bundestag, Rente, 2012.

2 Vgl. Prezewowsky, M., Demografischer Wandel, 2007, S. 25.

3 Vgl. Dorozalla, F., Demografischer Wandel, 2013, S. 2.

4 Vgl. Statistisches Bundesamt, Einwohnerzahl, 2019.

5 Vgl. Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Bevölkerungsentwicklung, 2011, S. 6.

6 Vgl. Troger, H., Bevölkerungsentwicklung, 2016, S. 4.

7 Vgl. Birg, H., Demografie, 2002, S. 181.

8 Vgl. World Bank, Lebenserwartung, 2018.

9 Vgl. Pollert, A. et. al., Versicherungsgeschäfte, 2016, S. 472.

10 Vgl. Hockerts, H., Schreiber, 2007, S. 533f.

11 Vgl. Schreiber, W., Generationenvertrag, 2004, S. 10f.

12 Vgl. Schreiber, W., Generationenvertrag, 2004, S. 24.

13 Vgl. ebd., S. 24f.

14 Vgl. ebd., S. 30.

15 Vgl. ebd., S. 27.

16 Vgl. ebd., S. 25f.

17 Vgl. Horn, S., Schuchardt, D., Rentenversicherung, 2015, S. 3ff.

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Generationenvertrag
Université
University of Applied Sciences Stuttgart
Cours
Wissenschaftliche Methoden - quantitative Datenanalyse
Note
1,0
Année
2020
Pages
19
N° de catalogue
V1008059
ISBN (ebook)
9783346396617
ISBN (Livre)
9783346396624
Langue
allemand
Mots clés
Rentenversicherung, Demografischer Wandel, generationenvertrag
Citation du texte
Anonyme, 2020, Auswirkungen des demografischen Wandels auf den Generationenvertrag, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1008059

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