Bichsel, Peter - Holzwolle #


Presentation / Essay (Pre-University), 2001

3 Pages, Grade: 1-


Excerpt


Peter Bichsel - Holzwolle

Die Geschichte Holzwolle von Peter Bichsel erzählt von einer Person die bei einem Diavortrag in Kindheitserinnerungen versinkt.

Während Bekannte von ihr Bilder aus ihren Urlauben präsentieren, erinnert sie sich an ihren Teddybär, den sie einmal aufgeschnitten und dabei festgestellt hat, dass in ihm nur Holzwolle ist.

Im eigentlichen Sinn thematisiert die Kurzgeschichte die langweilige Welt der Erwachsenen und kehrt zu dem Zeitpunkt zurück, der den Bruch mit der Kindheit und „Erwachsen sein“ verursachte.

Die Kurzgeschichte läßt sich im wesentlichen in zwei Teile unterteilen.

Der erste beschäftigt sich mit der Vorbereitung des Diavortrags und dessen Ablauf(Z.1 - 29), und der zweite präsentiert die Erinnerungen an die Kindheit. (Z.30 - 60)

Die Kindheitserinnerungen setzten ein mit einem Wechsel der Erzählperspektive. Während die Beschreibung des Diavortrags von einem auktorialen Standpunkt aus gehalten wird, wird im zweite Teil der personale Erzähler, der Erinnerungen aus seiner Kindheit preisgibt, verwendet. Auffällig ist, dass, obwohl es sich offensichtlich um Aussagen über die eigene Kindheit handelt, kein persönlicher hergestellt, sondern durchweg das unpersönliche Pronomen „man“ verwendet wird. (Z. 33 - 34, „Als man ihm den Bauch aufschnitt...“) Dies läßt auf eine Distanz zwischen Erzähler und Geschehenem schließen.

Im Kontrast dazu steht ein kurzer Abschnitt mit wörtlicher Rede, dem jedoch nur ein eindeutiger Sprecher zugeordnet ist. Bei genauerem Lesen zeigt sich, dass es sich um ein Gespräch zwischen Mutter und dem Erzähler als kleines Kind handelt, die im Bewußtsein des Erzählers auftaucht. (Z. 34 - 36 „... sagte die Mutter: ,Jetzt ist er kaputt.‘ ,Es ist etwas darin.‘ ,Das ist nur Holzwolle.‘ “) Dieser Gesprächsausschnitt ist der Ausgangspunkt für den weiteren Verlauf der Erinnerung. Nachdem die Hauptperson, „man“ (Z.33), ihrem Teddybär den Bauch aufgeschnitten hat, erklärt die Mutter ihr den Inhalt; die Holzwolle. Im Kopf des unverständigen kleinen Kindes entsteht folgendes Bild: „Holzwolle entsteht in den Bären, in geschlachtete Bären verpackt man Glaswaren.“ (Z.36 /37) dieses Unverständnis führt zur heutigen Assoziation des Protagonisten von Teddybären mit Glaswaren. (Z. 39/40 „erst Jahre später..., und oft in Glaswarenhandlungen bereut man den Mord.“) was er als kleines Kind nicht verstand, ist ihm heute klar: die Desillusionierung des Teddys führt zu einem entscheidenden Einschnitt in sein Leben: Der Teddy hat für ihn an Wert verloren(Z.42 „heute sind die Teddybären viel kleiner.“) wogegen er früher etwas Wertvolles, Geheimnisvolles besaß.(Z.42 - 44; „Sie waren groß und gelb, und sie hatten etwas, das man in der Holzwolle suchte.“)

Dieser unterschied wird betont durch den direkten Gegensatz zwischen Präsens und Imperfekt. Die positive Erinnerung an die unabänderliche Vergangenheit wird eingerahmt durch das ernüchternde Präsens. (Z.45 ; „Jetzt ist er kaputt.")Trotz dieses Einschnitts ist dem Protagonisten ein Stück seiner kindlichen Phantasie geblieben. Er sieht die Wertähnlichkeit zwischen Teddybär und Schneemann. (Z.46, „in Schneemännern muß es auch etwas haben.“) er zeigt jedoch mit der Erkenntnis eines Erwachsenen deutlich, dass die Suche danach vergeblich ist, da sonst der „Schneemann keiner mehr [ist]“ und seinen Zauber verloren hat. (z. 46 - 48)

Die Auswahl des Wortes „Schnee“ unterstützt hierbei den Gedanken der Vergänglichkeit.

Die Schlusserkenntnis über die andere Herstellung von Teddybären symbolisiert den entgültigen Abschluß mit seiner Vergangenheit. (Z. 56 - 58; „Heute machen sie Teddybären ohne Holzwolle. Bald werden die Glaswaren in Besseres verpackt.") Durch die Neuerung in der Herstellung und dem Verpacken von Glaswaren wird ihm bald die Assoziationsmöglichkeit zu seiner Kindheit fehlen. Das Wort „Glaswaren“ hat eine doppelte Bedeutung: neben der Assoziation zu den Teddybären symbolisiert es gleichzeitig die zerbrechlichen und schutzbedürftigen Kinderphantasien.

Nach der ernüchternden Feststellung, dass keine weiteren Kindergenerationen diese Erfahrungen und Assoziation mehr mit ihm teilen werden, was sprachlich von einem eindeutigen „niemand“ bestärkt wird (Z. 59 - 61; „niemand wird dann Teddybären sezieren, in der Holzwolle wühlen und die Finger in ihre Wärme tauchen, niemand:“) kehren seine Gedanken zurück in die Realität. (Z. 62; „und jetzt noch einige Bilder von Madelaine.“)

Auffällig ist der Realitätsbschnitt von Anfang an durch eine Art Aufzählungscharakter gekennzeichnet ist. (Z. 1, „Nun zeigte er...“, Z.7, „dann holte er...“, Z.10 „Dann schob er...“, Z.17/18, „Dann stellte man...“) Dies symbolisiert die Langeweile der Situation. Man erkennt, dass die Gäste keine Begeisterung entwickeln, sondern den Mann nur gewähren lassen. („die Gäste schienen damit einverstanden.“,Z.1/2) Im Kontrast hierzu steht das Ehepaar, welches von der Idee des Vortrags sichtlich begeistert zu sein scheint. („...er [erklärte] den Herrn die Vorzüge seiner Kamera und sie schwärmte vom Meer.“,Z.5 - 7) Sprachlich manifestiert sich dies durch die Tatsache, dass rund um dieses Zitat mit dem Passiv ( „Während die Polstergruppe umgeordnet wurde“, Z. 4/5) oder dem unpersönlichen Pronomen „man“( „...dann suchte man noch“, Z.15) gearbeitet wird, was das Ehepaar in seiner Aktivität aus der Menge herausstechen läßt.

Mit dem Übergang zum eigentlichen Vortrag tritt jedoch wider erwarten keine Handlung ein. Die Monotonie wird durch gleichbleibend kurze Satzkonstruktionen erhalten. (Z.22 - 25, „Madelaine lacht und behauptet, sie sehe schrecklich aus auf den Bildern. Dann stellt man fest, daß die da romanisch und die vordere gotisch sei.“) Anstelle von wörtlicher Rede ist hier indirekte Rede gesetzt die ihrerseits die Eintönigkeit unterstützt.

Hinzu treten eindeutige Äußerungen, wie „Dann sind es immer dieselben Bilder“ (Z.18) und „...alle Lichtbilder sehen gleich aus“ (Z.25/26), die auf eine häufige Wiederholung dieser Vorträge schließen läßt. Entscheidend ist aber der Tempuswechsel, mit dem der Vortrag einsetzt.(Z.18) Der Autor wechselt ins Präsens, was hier für eine Allgemeingültigkeit und Zeitlosigkeit des Geschehens steht. (Z.18 - 20, „Sehr blauer Himmel, Wolken wie Wattebäusche und hier noch einige Aufnahmen mit Madelaine.) Der „Zuschauer“, auf der Suche nach einer Beschäftigung, beginnt wie typisch für Erwachsene, das Gesehene zu deuten und zu analysieren, (Z.23 - 25 „Dann stellt man fest, dass die eine romanisch die vordere gotisch sei.“) hofft aber dennoch auf ein baldiges Ende. (Z. 27/28, „Nach der Vorführung wird einen das Licht blenden.“)

Auffällig ist, dass es sich bei diesem Beisammensein ebenfalls um Erinnerungen handelt (“Immer eine schöne Erinnerung“, Z.3/4) jedoch mit wesentlich weniger Ausdruck beschrieben werden als die Kindheitserinnerungen der personalen Erzählers. (vgl. Z.42 - 44, „Sie waren groß und gelb, und hatten etwas, das man in der Holzwolle suchte.“) Der Aufwand mit dem sie betrieben werden ist dagegen jedoch wesentlich höher. (Z.4 - 17, „... die Polstergruppe umgeordnet, ein Verlängerungskabel war notwendig,...“) Hinzu tritt der unterschiedliche materielle wert eines Teddybären und einer Kamera samt Projektor. Im Kontrast dazu steht der unterschiedliche Umgang mit den Erinnerungen: wo auf der einen Seite mit Wehmut der Veränderung gedacht wird (Z. 45, „Jetzt ist er kaputt.“), erwecken die Bilder nur bloße Gleichgültigkeit bis hin zur Langeweile. (Z.18, „Dann immer wieder dieselben Bilder.“) Hinzu tritt die Tatsache, dass diese Erinnerung nicht ihrem eigenen Zweck der Erinnerung, sondern zur Belustigung anderer auf einer größeren Veranstaltung dienen. Sie sind bloße Bestätigung für das Ehepaar.

Dies zeigt den Unterschied zwischen Kindheit und Erwachsensein und die Intention des Autors: der Enthusiasmus, die Phantasie und die Freude der Kinder an einfachen Dingen ist mit der Erkenntnis der Wirklichkeit, dem Erforschen des Inneren des Teddys, verlorengegangen und hinterläßt eine oberflächliche, desillusionierte Erwachsenenwelt, die trotz bzw. gerade wegen ihrer vielen „Forschungsarbeiten“ unglücklich und unzufrieden ist. In diesem Zusammenhang läßt sich auch die Überschrift deuten. Bichsel wählt hier nicht den Teddybären und auch nicht den Diavortrag, sondern die Holzwolle als den entscheidenden Bruch zwischen Kindheit und Erwachsenenwelt.

Excerpt out of 3 pages

Details

Title
Bichsel, Peter - Holzwolle #
Grade
1-
Author
Year
2001
Pages
3
Catalog Number
V100844
ISBN (eBook)
9783638992664
File size
362 KB
Language
German
Notes
Anmerkung meines Deutsch-Lehrers: Ihre Analyse ist in sich schluessig und greift auf die Vorlage zurueck. Der sorgfältige Umgang mit den jeweiligen Wechsel der Erzaehlhaltung, Tempora und Erinnerungsebenen schafft ein Gerüst, das zu einem nachweisbar klaren Textverständnis führt und die wesentlichen sprachlichen Merkmale angemessen berücksichtigt.
Keywords
Bichsel, Peter, Holzwolle
Quote paper
Maike H. (Author), 2001, Bichsel, Peter - Holzwolle #, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/100844

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