Böll, Heinrich - Die verlorene Ehre der Katharina Blum #


Presentation / Essay (Pre-University), 2001

8 Pages


Excerpt


Einleitung

In meiner Facharbeit beschäftige ich mich mit dem Schriftsteller Heinrich Böll und seiner Erzählung ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (Böll, 1974). Außerdem betrachte ich die darin behandelte Problematik um die Berichterstattung und die Methoden des ,,Boulevardjournalismus". Damit ist die besondere Art der Berichterstattung, wie sie von vielen Blättern der Tagespresse, speziell der Bild-Zeitung betrieben wird, gemeint.

In dem Buch ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" kritisiert Böll die Vorgehensweise des ,,Boulevardjournalismus". Er beschreibt anhand der Person Katharina Blum, die ,,Opfer" einer Sensationsstory wird, die Wirkung der Methoden des Sensationsjournalismus. Im Mittelpunkt steht die ZEITUNG, gemeint ist dieBild-Zeitung, die ohne Rücksicht auf die Ehre und Würde der Menschen ihre ,,Storys" veröffentlicht.

Heinrich Böll übt scharfe Kritik am Pressekonzern ,,Axel-Springer" und dessen ,,Vorzeigeblatt" Bild. B öll spürt die Wirkung und die Macht der Bild am eigenen Leibe: Im Anschluss an einen Artikel im Spiegel ger ät er selbst in das Schussfeld.

In dieser Arbeit gehe ich zunächst auf den Autor Heinrich B öll und sein Leben ein. Anschließend betrachte ich das Buch ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum", die Person Katharina und die Entstehungsgeschichte des Buches. Am Schluss beschäftige ich mich mit dem Problem ,,Boulevardjournalismus" und seinen Auswirkungen.

1. Biographie Heinrich Böll (1917 - 1985)

Heinrich Böll wird am 21.12.1917 in Köln geboren. Sein Vater ist Schreinermeister und Bildhauer, seine Mutter ist für den Haushalt zuständig. Sie ist eine intelligente, kritisch denkende Person. B öll wächst in einer soziologisch vielfältigen Gegend auf, in der man auf einen ungelernten Arbeiter ebenso wie auf einen Professor sto ßen kann. In seiner Kindheit spielt er meist mit den ,,Roten", seine Eltern verbieten ihm diesen Umgang nicht, wie die meisten Eltern. Als ,,Rote" bezeichnete man die Kinder, deren Eltern sozial-demokratischen oder kommunistischen Parteien nahe standen.

Von 1924 bis 1928 besucht er die Katholische Volksschule in Köln-Raderthal.

Von 1928 bis 1937 geht er auf das staatlich humanistische ,,Kaiser-Wilhelm-Gymnasium" in Köln. Er erlebt eine politisch und gesellschaftlich kritische Zeit, in der seine Eltern auf Grund einer Bankpleite ihr Haus verkaufen müssen und ins ,,Kleinbürgertum" absacken. Böll beginnt sich mit linken Parolen wie ,,Brot" und ,,Arbeit" anzufreunden, da sie ihm ehrlich erscheinen zur Zeit der Weimarer Republik, wo eine Regierungskrise die n ächste jagt und die Leute keine Arbeit haben. 1932 ist er für kurze Zeit Mitglied in einem katholischen Jugendclub, den er aber verlässt, sobald sie dort Gleichschritt üben.

Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum Böll bekommt die ersten Eindrücke des Nationalsozialismus zu spüren: 1933, zur Zeit der Machtergreifung von Hitler, ist er als Zuschauer beim ersten Aufmarsch der Nazis in Köln dabei und ihm wird der Ernst der Lage bewusst. Obwohl die Nazis die Überhand gewinnen und der Druck wächst, schließt er sich keiner nationalsozialistischen Vereinigung an. ,,Nicht nur aus moralischen Gr ünden (weil ich zu wissen glaubte, wohin die Entwicklung führte)", wie Böll später sagt, ,,nicht nur aus politischen Gründen, auch aus ästhetischen: ich mochte diese Uniform nicht, und die Marschierlust hatte mir immer gefehlt..."( B öll, Deutsche Literatur in West und Ost, S. 323 ff.) 1937 macht Böll sein Abitur mit ausreichenden Noten. Er beginnt eine Buchhändlerlehre, die er aber nach 9 Monaten abbricht, weil er zu wenig verdient. In dem folgenden Jahr hilft er seinem Vater in der Schreinerwerkstatt. 1939 beginnt er ein Studium der Germanistik und Philologie, welches er aber nur sporadisch durchführt, da ,,der Krieg einfach zu nahe bevorstand, das wusste jeder."(Böll, Eine deutsche Erinnerung, S. 123)

Zur Zeit des 2. Weltkrieges von 1939 bis 1945 ist Böll Soldat und kämpft an der West - sowie an der Ostfront. Böll sagt über den Krieg: ,,Der Krieg selber in all seiner blutigen Langeweile (ist) gar nicht so wichtig als Erfahrung gewesen; nicht so wichtig wie das, was vorher war, (...) die Drohung des Krieges, des Nazi -Terrors..."(Böll/Linder, S. 39 f.) ,,Ich wollte auch den Krieg an der Front kennenlernen. Ich war jung und sehr neugierig, nicht begeistert, auch nicht fähig, nicht geeignet, aber das sogenannte Fronterlebnis (...) war eigentlich das, worüber ein deutscher Mann sprach."(Böll, Eine deutsche Erinnerung, S. 133)

Am 9. 4. 45 gerät er in amerikanische Gefangenschaft und wird nach Belgien verlegt. Nach 5 Monaten kehrt er nach Köln zurück zu seiner Freundin, der Lehrerin Annemarie Cech, die er heiratet.

Nach seinen Erlebnissen und Erfahrungen im Krieg, beginnt 1945 sein schriftstellerisches Wirken. Er schreibt vom Elend der Menschen nach dem Krieg, den entwurzelten und heimatlosen Menschen, die ohne Geld, Arbeit und Wohnung dastehen und oft Familienangeh örige oder Freunde im Krieg verloren haben.

1949 liest Böll erstmals in der Gruppe 47, einer Versammlung von verschiedenen bekannten Schriftstellern mit Autoren wie Günter Grass, Else Eichinger oder Ingeborg Bachmann, die im Jahr 1947 gegr ündet wurde.

Böll macht das Schreiben zu seinem Hauptberuf und veröffentlicht 1950 seine ersten Werke. Sie werden als ,,Trümmerliteratur" bezeichnet. Es sind erfolgreiche Werke wie ,,Wanderer, kommst du nach Spa..." (Böll, 1950) oder ,,Wo warst du, Adam" (Böll, 1951). Günter Grass schreibt über Bölls ersten Sammelband ,,Wanderer, kommst du nach Spa...": ,,Er schrieb im Namen einer verführten und geschundenen Generation, im Namen der Humanität. So fand das Schicksal jener Jugend, die von der Schulbank in das Grauen des Krieges gesto ßen wurde, in der unbestechlichen, prägnanten Darstellung der Titelgeschichte seinen gültigen Ausdruck." (Grass, S. 428) 1954 fährt Böll nach Irland, um dem Schriftstellerrummel, der mittlerweile um ihn herrscht, zu entgehen. Er verfasst die Sozialreportage ,,Irisches Tagebuch" (Böll, 1961), welches ,,einen realistischen Einblick in die politischen Gegebenheiten des Landes" (Encarta Enzyklop ädie) gewährt und zu einem seiner erfolgreichsten Werke überhaupt avanciert.

In den darauf folgenden Jahren schreibt Böll u. a. die Bücher ,,Und sagte kein einziges Wort" (Böll, 1953), in dem er eine Kirche fordert, die sich stärker um die hilfsbedürftige Bevölkerung kümmert sowie ,,Billard um halb zehn" (Böll, 1959), in dem er sich mit dem Faschismus in Deutschland vor dem 2. Weltkrieg und mit dem Widerstand gegen die Diktatur auseinandersetzt.

1963 schreibt Böll seinen wohl erfolgreichsten Roman ,,Ansichten eines Clown" (Böll, 1963). Er beschreibt und kritisiert in ihm aus Sicht eines Clown, der aus der Gesellschaft ,,aussteigt", die sogenannte Wohlstandsgesellschaft und die von B öll ,,als heuchlerisch empfundene Moral der katholischen Kirche" (Encarta Enzyklopädie) 1967 erhält er den Georg-Büchner-Preis.

Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum Zwischen 1970 und 1972 leitet er als Präsident das deutsche PEN-Zentrum, von 1971 bis 1974 den internationalen PEN-Club.

Am 10.12.1972 bekommt er in Stockholm den Nobelpreis für Literatur verliehen. Im gleichen Jahr veröffentlicht er den Artikel ,,Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?" (B öll, 1972) im Spiegel, in dem er die Bild-Zeitung und ihre Methoden scharf kritisiert. Er beschuldigt die Bild -Zeitung, sie würde Thesen aus reinen Vermutungen aufbauen und zur Lynchjustiz aufrufen: ,,Wo die Polizeibeh örden ermitteln, vermuten, kombinieren, ist ,,Bild" schon bedeutend weiter: ,,Bild" weiß. (...) Die Überschrift ,,Die Baader-Meinhof-Bande mordet weiter" ist eine Aufforderung zur Lynchjustiz. Millionen, für die die ,,Bild" die einzige Informationsquelle darstellt, werden auf diese Weise mit verfälschten Informationen versorgt." (Ebenda) Böll muss sich in den folgenden Jahren mit vielen Anschuldigungen auseinandersetzen. Er bekommt Drohanrufe und -briefe in denen er als ,,Rote Sau" hingestellt wird. 1974 schreibt er dann das Buch ,,Die Verlorene Ehre der Katharina Blum"(Böll, 1974). In diesem Buch zeigt er anhand der rechtschaffenden K. Blum, wie die Bild-Zeitung sie als ,,rotes Räuberliebchen" hinstellt, ihre Ehre zerst ört und sie zur Mörderin werden lässt.

1975 erscheint ein umfangreiches Interview von C. Linder mit Böll unter dem Titel ,,Drei Tage im März" (Böll/Linder, 1975). In diesem spricht Böll erstmals ausführlich über seine Kindheit, sein Elternhaus, die Wirtschaftskrise, seine erste Schreibmotivation und das Problem mit der Gewalt, das ihn zu dieser Zeit sehr stark beschäftigt und mit dem er sich künstlerisch (z. B. Katharina Blum) und journalistisch (z. B. Ver öffentlichungen im Spiegel) auseinandersetzt.

Böll engagiert sich politisch, u. a. um die Freilassung eines Schriftstellers in Vietnam, sowie die des sowjetischen Nobelpreisträgers Andrej Sacharow in der Sowjetunion.

1979 erkrankt Böll an einer Gefäßverengung im rechten Bein, er muss mehrmals operiert werden.

Am 16. Juli 1985 stirbt B öll. Er wird unter großer Anteilnahme der Bevölkerung beigesetzt. Nach seinem Tod benennen sich viele Schulen nach seinem Namen und die Heinrich -Böll- Stiftung wird ins Leben gerufen. (Kicherer, S. 9 - 20)

2. Inhaltsangabe ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" (1974)

Alle Zitate der Kapitel 2 und 3 beziehen sich auf Böll, ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum".

Katharina Blum ist Hausangestellte des Rechtsanwalts Dr. Blorna und seiner, ebenfalls promovierten, Frau Trude. Katharina hat eine Eigentumswohnung und fährt einen VW, das Geld hat sie sich von den Blornas geliehen und zahlt es monatlich ab.

Auf einer Karnevalsparty lernt sie den polizeilich gesuchten Verbrecher Ludwig G ötten kennen und verliebt sich spontan in ihn. Sie verbringen eine ,,Liebesnacht" bei ihr zu Hause und Katharina zeigt ihn am n ächsten Morgen den Weg durch die Hintertür hinaus. Damit macht sie sich eines Verbrechen schuldig, weil sie einem Verbrecher zur Flucht verhilft. Die Polizei, die Götten schon den ganzen Tag davor und in der Nacht beobachtet hat, verliert seine Spur und geht davon aus, dass Katharina eine Komplizin von ihm ist, die ihm zur Flucht verholfen hat.

Sie wird aufs Polizeipräsidium abgeführt und verhört. Sie berichtet von ihrer spontanen Bekanntschaft mit dem Verbrecher Götten und dass sie sich in ihrem Leben noch nichts zu schulden hat kommen lassen. Sie wird wieder frei gelassen, aber weiterhin beobachtet.

Die Polizei befragt die Hausbewohner, die nichts Wesentliches au ßer gelegentlichen ,,Herrenbesuchen" bei Blum bemerkt haben, Katharina möchte dazu aber nichts sagen.

Am nächsten Morgen berichtet zum ersten Mal die ZEITUNG: ,,Räuberliebchen Katharina Blum verweigert Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum Aussage über Herrenbesuche"(S. 32) Der Reporter schreibt über die vereitelte Festnahme, Spurenverwischung und ermöglichte Flucht des Banditen und Mörders Götten durch seine Geliebte, Katharina Blum. Sie sei laut Polizei ,,schon seit längerer Zeit in die Verschwörung verwickelt"(S. 33). Dr. Blornas Aussage, Katharina sei eine ,,sehr kluge und kühle Person" (S. 32), die er am vorigen Tag dem ZEITUNG-Reporter gemacht hat, wird mit den Worten sie sei ,,eiskalt und berechnend" sowie ,,durchaus eines Verbrechens fähig" (S. 33) wider gegeben. Weiterhin schreibt die ZEITUNG Katharinas Wohnung sei ein Konspirationszentrum und ein Bandentreff und stellt die Frage, ob Blum an der Beute, die Götten bei einem Banküberfall gemacht haben soll, beteiligt sei, weil sie sich eine eigene Eigentumswohnung leisten kann und es wird versprochen: ,,DIE ZEITUNG BLEIBT WIE IMMER AM BALL!" (S. 33)

In den nächsten Tagen erscheinen weitere anschuldigende Berichte der ZEITUNG, mit Aussagen ihres geschiedenen Ehemanns, der mit der Scheidung nicht zurechtgekommen ist. Er bezichtigt sie, dass ihr ,,die Zärtlichkeiten eines Mörders und Räubers lieber waren als meine unkomplizierte Zuneigung" (S. 37) Außerdem berichtet ein Pfarrer, der ihre Mutter beim Trinken des Messweins erwischt hatte und somit kein sehr gutes Bild aller Blums hat.

Die Blornas brechen ihren Urlaub ab um Katharina zu helfen. Alois Sträubleder, ein erfolgreicher, attraktiver, verheirateter Schauspieler, der sich heimlich in Katharina verliebt hat und ihr bei einem seiner ,,Herrenbesuche", den Schlüssel für seine Wochenendwohnung gegeben hat, bittet Blorna ihn zu unterst ützen, da er nicht in Schwierigkeiten geraten will, falls Götten in seiner Wohnung ist.

Katharina bekommt in der nächsten Zeit Drohanrufe und ihr sonst so leerer Briefkasten quillt über von Beschimpfungen, Belehrungen und Androhungen.

Der ZEITUNG-Reporter Werner Tötges, der sich den Fall der Katharina Blum ,,vorgenommen" hat, geht unerlaubt zu Katharinas Mutter die nach einer Operation auf der Intensivstation liegt und fragt diese unverhohlen über ,,räuberische Machenschaften" ihrer Tochter aus. Die stark geschwächte Mutter stirbt als Folge dieses ,,Überfall- Interviews".

Katharina fasst den Entschluss Werner Tötges zu töten. Ihre Ehre wurde von der ZEITUNG zerst ört, sie kann sich ,,nicht mehr auf der Straße blicken lassen" (S. 76).

Sie verabredet sich mit Tötges zu einem Interview. Sie erschießt ihn in ihrer Wohnung, nachdem dieser das Gespräch mit den Worten: ,,Ich schlage vor, dass wir jetzt erst einmal bumsen." (S. 120) anfangen will.

Katharina stellt sich freiwillig der Polizei.

3. Charakteristik der Katharina Blum

Katharina wächst ohne Vater und mit einer Mutter, die st ändig arbeitet und kaum Zeit für sie hat, auf. Sie ist sehr hilfsbereit. Katharina ist Hausangestellte bei den Blornas und hilft beim Haushalt des Rentnerehepaars Diepertz sowie bei Empfängen und sonstigen Anlässen als Kellnerin. Sie ist sehr korrekt und ordentlich. Männern gegenüber ist sie eher schüchtern und abweisend, man bezeichnet sie oft als ,,Nonne". Dies resultiert aus ihrer gescheiterten Ehe und einer früheren Arbeit, wo jeweils Ehemann und Arbeitgeber, ihrer Meinung nach, ,,zudringlich" waren.

Auch in Hinblick auf Sprache und Umgangston ist sie sehr empfindlich und sensibel: Als der Protokolllist bei ihrer Vernehmung aus ,,zudringlich" ,,zärtlich" machen will, widerspricht sie vehement und besteht auf dem Begriff ,,zudringlich", denn ,,Zärtlichkeit sei eben eine beiderseitige und Zudringlichkeit eine einseitige Handlung, (...) (ihr Mann) sei eben nie zärtlich, sondern immer zudringlich gewesen". (S. 27) Bei einer Faschingsfeier lernt sie den Verbrecher Ludwig Götten kennen und verliebt sich spontan in ihn und nimmt ihn am selben Abend mit zu sich und verbringt eine ,,Liebesnacht" mit ihm. Sie beschreibt dies ,,er war es eben, der da kommen soll, und ich hätte ihn geheiratet und Kinder mit ihm gehabt..." (S. 53) Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum Umso empfindlicher und gereizter reagiert sie deshalb auf die ZEITUNGs-Berichte. Hier wird mit einer rüden und harten Sprache über sie hergezogen. Sie wird als ,,Räuberliebchen" hingestellt und ihr werden ,,Herrenbesuche" nachgesagt, was ihrer Natur überhaupt nicht entspricht, da sie Männern gegenüber eher abweisend ist. Umso gereizter und ausfälliger wird sie am Telefon, als man sie dort beschimpft. Sie bezeichnet den Anrufer als ,,verdammt feige Sau". (S. 68)

Katharina ist außerdem eine sparsame und zielstrebige Person. Sie schafft es, mit dem Geld einer Hausangestellten, sich eine Eigentumswohnung und einen Volkswagen zu unterhalten.

Insgesamt kann man sie als ordentliche, sensible, wenig selbstbewusste, zielstrebige, ruhige und sachliche Person charakterisieren, deren Ehre durch die ZEITUNG zerst ört wird und die schlie ßlich, um mit der ZEITUNG abzurechnen, die sie vorher ,,fertig" gemacht hat, den Sensationsreporter Tötges erschießt.

4. Entstehungsgeschichte

Dem Grundgedanken des Buches, nämlich die Berichterstattung der Boulevardpresse, in diesem Fall der Bild - Zeitung aufzuzeigen, gehen einige Ereignisse aus den späten Sechzigern und frühen Siebzigern voraus: Im Jahr 1972 verfasst Böll im Spiegel einen Bericht über die ,,Baader-Meinhof-Bande" unter dem Titel ,,Will Ulrike Gnade oder freies Geleit?".

Er schreibt in dem 3-seitigen Artikel erstmals über die Vorgehensweise und Berichterstattung der Bild -Zeitung und kritisiert diese scharf: ,,Das ist nicht mehr kryptofaschistisch, nicht mehr faschistoid, das ist nackter Faschismus: Verhetzung, Lüge, Dreck...Aufforderung zur Lynchjustiz." (Böll, 1972) Er bezieht sich hierbei auf einen Artikel, der in der Bild-Zeitung unter dem Titel ,,Baader-Meinhof-Bande mordet weiter" (Bild, 23.12.1971) erschienen ist. Böll kritisiert, was die Bild-Zeitung mit den Fakten in ihrem Bericht macht: ,,Wo die Polizeibehördenermitteln, vermuten,kombinieren, ist ,,Bild" schon bedeutend weiter: ,,Bild"weiß. (...) Die Überschrift ,,Die Baader- Meinhof-Bande mordet weiter" ist eine Aufforderung zur Lynchjustiz. Millionen, für die die ,,Bild" die einzige Informationsquelle darstellt, werden auf diese Weise mit verf älschten Informationen versorgt." (B öll, 1972, S. 54 f.) ,,Im wesentlich kleiner gedruckten Bericht über den Kaiserslauterer Bankraub liest man dann von vier maskierten Gangstern, unter denen ,,vermutlich" eine Frau war; im Verdacht, (...) stehe ,,unter anderem" die Gruppe um Ulrike Meinhof. Indizien: Informationen der Polizei über den Aufenthalt der Gruppe, ein roter Alfa Romeo, beim Überfall benutzt, Tage zuvor in Stuttgart gestohlen, schon einmal bei einer Fahndung nach der Gruppe beobachtet; weitere Indizien: die ,,brutale Art" des Überfalls und die ,,generalstabsmäßige Planung." (Ebenda) Böll unterstellt der BILD, dass sie Indizien zu Tatsachen mache: ,,Baader-Meinhof-Bande mordet weiter", obwohl die Polizei ,,unter anderem" die Gruppe um Ulrike Meinhof im Verdacht hat. Vermutungen werden als Fakten dargestellt, es werden Menschen beschuldigt, ohne dass es gen ügend Schuldbeweise gibt. Böll kritisiert dieses Vorgehen als öffentlichen Aufruf zur Lynchjustiz.

Die Reaktionen auf seinen Artikel sind heftig: Politiker, vor allem die der CDU (welche ein traditionell gutes Verhältnis zur Bild-Zeitung hat), kritisieren Böll als ,,Sympathisanten des Linksfaschismus, (...) nicht einen Deut besser als die geistigen Schrittmacher der Nazis, die schon einmal soviel Ungl ück über unser Land gebracht haben."(Löwenthal, 1972) Böll bekommt in der darauffolgenden Zeit Drohanrufe und -briefe, wird offen auf der Straße angepöbelt bis schließlich die Polizei sein Landhaus in der Eifel durchsucht in der Hoffnung auf Hinweise auf Terroristen aus der linken Szene, mit denen man Böll in Verbindung bringt.

Nach dieser journalistischen Auseinandersetzung mit dem Thema der ,,Macht der Medien" und den Methoden des ,,Boulevardjournalismus", ist die Erzählung ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" die literarisch-künstlerische Bearbeitung dieses Themenbereichs.

Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum Böll zeigt in ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum", was mit jemandem passiert, nachdem eine Zeitung wie die ,,Bild" über ihn ,,hergefallen" ist. ,,Schauspielerin X hat gestern mit Regisseur sowieso geschlafen, Ehemann hat sie ertappt, und so weiter. Die übelste Art von Kolportage, meistens mit Namen oder Bild. Und da habe ich mir überlegt, was wird aus diesen Menschen? Irgend jemand steht in so einem Boulevardblättchen, wird plötzlich für ein, zwei Tage zur Sensation, und keiner weiß, was mit dem Leben dieser Menschen danach passiert." (Böll/Linder, S. 68 f.)

5. Eigener Kommentar über den ,,Boulevardjournalismus" - Schlussteil

Das Buch ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" von Heinrich B öll zeigt die Methoden und Auswirkungen des ,,Boulevardjournalismus" am Beispiel der Katharina Blum. Man muss sich dabei, denke ich, noch mal verdeutlichen, was hinter dem Begriff ,,Boulevardjournalismus" oder Sensationspresse eigentlich steckt. Der ,,Boulevardjournalismus" will Leser durch eine betont-populistisch-sensationelle Aufmachung (Balkenüberschriften, Fotos, usw.), mit aufregenden, ansprechenden, schockierenden, skandalösen ,,Stories" (sex, crime, war), ansprechen. Die Sprache ist meist vulgär-betont und sehr direkt, um bei den Lesern Neugier und ,,Sensationsgier" zu wecken. Die Artikel sind kurz geschrieben, damit die Leser nicht zu viel lesen brauchen, und von einer ,,Sensation" zur nächsten gehen können.

Tatsachen und Fakten werden oft aus Vermutungen konstruiert, mit ,,wahrscheinlich" und ,,vielleicht" lassen sich keine ,,Skandale" machen. Dass dies auf Kosten der wahren und ehrlichen Berichterstattung geht, interessiert hier nicht.

Böll aber greift in diesem Punkt ein. Das Verdrehen und Verfälschen von Tatsachen, die Verbreitung eines voreingenommenen Meinungsbild und die Verbreitung von Lügen darf seiner Meinung nach nicht stattfinden.

Er ist der Meinung, dass die Presse die Wahrheit schreiben soll und keine Lügen verbreiten darf. Sie darf nicht zensiert werden und die Pressefreiheit muss gewährt sein, aber die Presse ihrerseits darf auch nicht Personen in ihrer Privatsphäre und Ehre verletzen. Die Meinungsfreiheit muss gewährt sein, aber auch die Privatsphäre eines jeden Menschen darf nicht verletzt werden, beides steht so im Grundgesetz. B öll kritisiert somit das Verletzen der Privatsphäre durch meinungsbildende Medien, nämlich den ,,Boulevardjournalismus".

Er schreibt deshalb erst den journalistischen Bericht über Ulrike Meinhof im Spiegel und später die Erzählung ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" um sich aktiv einzumischen und diesen ,,Missstand" aufzuzeigen.

Böll geht es jedoch nicht um den ,,Boulevardjournalismus", den es überall auf der Welt gibt, es geht ihm konkret um den ,,Springerschen Medienkonzern". Der Medienkonzern der Axel Springer AG ist der gr ößte des europäischen Kontinents. Er ist Hausgeber der gr ößten überregionalen deutschen Tageszeitung (,,Bild -Zeitung"), der größten Abendzeitung (,,Hamburger Abendblatt"), der beiden gr ößten Sonntagszeitungen (,,Bild am Sonntag" und ,,Welt am Sonntag"). Zum Springerkonzern geh ören ebenfalls die Tageszeitungen ,,Die Welt", ,,BZ" und ,,Berliner Morgenpost", usw., um hier nur einige Beispiele zu nennen. Die oft wenig objektive Berichterstattung der Springer-Medien, in denen konservative Positionen vertreten werden, haben liberale Standpunkte keine Chance. Es wird nicht jede Meinung akzeptiert und aufgeführt, es wird vielmehr Meinunggemacht. (Graefe/Vogel, S. 46)

Böll wollte gegen diese ,,Volksverdummung" gegensteuern. Dies war sehr schwierig, denn nicht nur ein sehr gro ßer Bevölkerungsanteil, nämlich die ,,Springer-Leser" (alleine ca. 10 Mio. Bild-Leser), stand ihm gegenüber, sondern auch die Politik, die es sich nicht erlauben durfte, dem Springer -Konzern ,,ans Bein zu pinkeln", weil sonst der eben genannte Wählerkreis verloren ginge und riesige Negativzeilen in den gr ößten Tages-, Sonntags- und sonstigen Zeitungen stünden, was keine Partei verkraften würde.

Es war daher ein mutiger und m. E. sehr wichtiger Schritt von Böll, die Methoden und Machenschaften des ,,Boulevardjournalismus" am Beispiel der Springer-Presse aufzuzeigen.

Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum Zum Glück ist ja nicht die gesamte Bevölkerung ,,Bild-Leser" und vielleicht haben auch ein Paar ,,Bild -Leser" dieses Buch gelesen, vielleicht...

Böll stand bei seinem Versuch gegen den ,,Springerschen-Medienkonzern" vorzugehen aber nicht allein. Auch Günter Wallraff, ebenfalls Autor und Journalist, mit B öll befreundet und in Köln wohnhaft, schrieb über die ,,Machenschaften" der Bild-Zeitung.

In seinem Roman ,,Der Aufmacher. Der Mann, der bei Bild Hans Esser war" (Wallraff, 1977), schreibt er ebenfalls über die Methoden bei Bild. Sein Roman zeigt diese noch drastischer auf als B öll, da Wallraff sich als Hans Esser verkleidet ,,live" bei Bild gearbeitet hat. Höhensonnengebräunt, in Anzug und Krawatte, mit Siegelring und Herrenparfüm sprach "Esser" (Wallraff) bei der Bild vor und wurde als Journalist eingestellt.

Er arbeitete 4 Monate lang im Jahr 1977 ,,verdeckt" bei der Bild -Zeitung. Er stellte eine strenge Hierarchie unter den Angestellten fest, schlecht bezahlte Redakteure lieferten vor ,,Superlativen strotzende Geschichten" ab, die nur dann politisch sein durften, wenn diejenigen, dieBildunterstützten, es wollten. Soziale Missstände passten nicht ins ,,Bild" und wurden spätestens auf dem Schreibtisch des Redaktionsleiters aussortiert.

Was nicht sensationell genug war, wurde verfälscht oder "aktualisiert". Denn auch Sachverhalte, die sich vor Jahren ereigneten, waren inBildimmer brandaktuell. Wallraff kam zu dem Schluss, dass Deutschlands ,,einflussreichste Zeitung lügt, fälscht und hetzt" (Wallraff, S. 104).

Seine Meinung über die Bild deckte sich somit mit der B ölls.

Das Thema dieses Sensationsjournalismus, bei dem Bild sprichwörtlich ,,über Leichen geht" um an Stories zu gelangen und diese zu verfälschen, ist heute immer noch aktuell. Es ist sogar hochaktuell, wenn man den ,,Fall Joschka Fischer" betrachtet, bei dem die Bild -Zeitung in der Vergangenheit ,,rumwühlt" und Skandale über die Person Joschka Fischer sucht.

Abschließend möchte ich sagen, dass man anhand des Buches ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" sehr gut die Methoden, die Sprache und die Wirkung des ,,Boulevardjournalismus" nachvollziehen kann. Nach der Lekt üre des Buches kommt man bei der t äglichen Zeitungslektüre, aber auch beim ,,zappen" durch die Programme im Fernsehen, wo man auf etliche ,,Boulevardmagazine", ,,Daily-Soaps" ,,Talk-shows"oder sonstigen volksverdummenden Schwachsinn stößt, ins Nachdenken und überlegt, was eigentlich mit den Personen geschieht die einem vorgeführt werden und wie die Berichterstatter an die Informationen gelangt sind und ob diese wirklich so hundertprozentig stimmen. Man soll nicht alles glauben, was in der Zeitung steht...

Das Buch ,,Die verlorene Ehre der Katharina Blum" von Heinrich B öll, sowie ,,Der Aufmacher. Der Mann, der bei Bild Hans Esser war." von Günter Wallraff sind ein ,,Muss" für jeden, der sich kritisch mit dem ,,Geschäft" der Medien beschäftigen möchte.

Hausarbeiten.de - Heinrich Böll - Die verlorene Ehre der Katharina Blum

6. Quellenverzeichnis

1. "Böll, Heinrich",Microsoft®Encarta®98 Enzyklopädie.© 1993-1997 Microsoft Corporation

2. Böll, Heinrich: Ansichten eines Clowns, Köln 1963

3. Böll, Heinrich: Billard um halb zehn, München 1959

4. Böll, Heinrich: Deutsche Literatur in West und Ost - In: Böll, Heinrich: Aufsätze, Kritiken, Reden, Köln und Berlin 1967

5. Böll, Heinrich: Die verlorene Ehre der Katharina Blum, München 1974

6. Böll, Heinrich: Eine deutsche Erinnerung, Interview mit René Wintzen, Köln 1979

7. Böll, Heinrich: Irisches Tagebuch, München 1961

8. Böll, Heinrich: Und sagte kein einziges Wort, Köln und Berlin 1953

9. Böll, Heinrich: Wanderer, kommst du nach Spa..., Erzählungen, Köln 1967

10. Böll, Heinrich: Will Ulrike Gnade oder freies Geleit ? - In: Der Spiegel, Heft 3/1972

11. Böll, Heinrich: Wo warst du Adam?, Köln 1951

12. Böll, Heinrich / Linder, Christian: Drei Tage im März. Ein Gespräch. Interview mit Christian Linder, Köln 1975

13. Graefe, Gerhard / Vogel, Klaus: Massenmedien als Unterrichtsgegenstand, Ravensburg 1980

14. Grass, Günter: Aspekte - In: Pigge, Karl Rudolf: Akzente, Band VIII, 1974 bis 1976, München 1976

15. Kicherer, Friedhelm: Analysen und Interpretationen mit didaktisch-methodischen Hinweisen zur Unterrichtsgestaltung, Hollfeld 1981

16. Löwenthal, Gerhard: ZDF-Magazin vom 28.2.1972, 20.15 Uhr

17. Pater, Siegfried: Heinrich Böll bei einer Friedensdemonstration im Bonner Hofgarten am 10. Oktober 1981, Archiv Erbengemeinschaft Heinrich Böll

18. Wallraff, Günter: Der Aufmacher. Der Mann, der bei Bild Hans Esser war, Köln 1977

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Details

Title
Böll, Heinrich - Die verlorene Ehre der Katharina Blum #
Author
Year
2001
Pages
8
Catalog Number
V101069
ISBN (eBook)
9783638994903
File size
365 KB
Language
German
Keywords
Böll, Heinrich, Ehre, Katharina, Blum, Thema Die verlorene Ehre der Katharina Blum
Quote paper
Lutz Krönung (Author), 2001, Böll, Heinrich - Die verlorene Ehre der Katharina Blum #, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101069

Comments

  • guest on 4/14/2007

    Danke.

    hatte ein ähnliches thema zu bearbeiten und deine arbeit hat mir sehr geholfen

  • guest on 11/29/2006

    Achtung Fehler!.

    Bei der Charaterisierung ist ein Fehler! Nicht Katharina sagt am Telefon "feige Sau", sondern Frau Woltersheim.

  • guest on 4/27/2003

    Befriedigend.

    Sprachlich nicht ganz überzeugend, dafür aber gut eingearbeitete Zitate.
    Unvollständige Sätze, nicht vollendete Gedankengänge und zu freie Wortwahl stören die sonst differenzierte Betrachtung der Problematik.
    Gut erarbeitet ist auch die Inhaltsangabe und die Charakterisierung Katharinas.

  • guest on 3/24/2002

    Danke!.

    Hey Lutz!
    Du bist ein echter Schatz! Ohne dich wäe ich aufgeschmissen! Super Arbeit! (Ich hab das Buch nämlich für total doof geschrieben erklärt, als ich es gelsen hatte. Und mich nich weiter damit beschäftigt!) Also, alles Gute!
    S.

  • guest on 3/15/2002

    Sehr zu empfehlen.

    Respekt!Inhaltsangabe kommt auf den Punkt,kein bisschen langweilig und sehr emotional (am Ende),hat mir viel geholfen für die Klausur!Danke!

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