DDR-Jugend der 80-er Jahre. Mode, Musik und politische Weltanschauung


Hausarbeit, 2017

20 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung

2. Gesellschaftliche Strukturen in der DDR

3. Walter Friedrich und das ZIJ

4. Ausgewählte Forschungsergebnisse zur DDR-Jugend
4.1. Mode
4.2. Musik
4.3. Politische Weltanschauung

5. Fazit

6. Bibliographie

1. Einführung

Die Jugend ist auch in Deutschland ein essentieller Bestandteil unserer Gesellschaft. Auf der einen Seite wird sie von dieser geprägt, auf der anderen Seite hat sie wiederum maßgeblich Einfluss auf das jeweilige Gesellschaftsbild. Die Jugend selbst wird beeinflusst von dynamischen und sich ändernden äußeren, sozialen, ökonomischen, geschichtlichen, national- sowie weltpolitischen Bedingungen und befindet sich stets im Wandel. So hat die heutige Jugend mit der von vor 2000 Jahren wohl nicht mehr allzu viel gemeinsam, denn sie ist geschichtlich bedingt und „historisch wandelbar“1. Dennoch gibt es zeitüberdauernde Parallelen, die sich beispielsweise im jugendlichen Verhalten manifestieren.

Schon der griechische Philosoph Sokrates soll seinem Schüler Platon gesagt haben, die Jugend habe schlechte Manieren und verachte Autoritäten. „Der Lehrer fürchtet und hätschelt, die Schüler fahren den Lehrern über die Nase und so auch ihren Erziehern. Und überhaupt spielen die jungen Leute die Rolle der Alten und wetteifern mit ihnen in Wort und Tat, während Männer mit grauen Köpfen sich in die Gesellschaft der jungen Burschen herbeilassen.“2 Sokrates hat sich, fast vier Jahrhunderte vor Christus, über gesellschaftliche Themen beklagt, die auch heute noch nichts von ihrer Aktualität eingebüßt haben.

Normalerweise sind Generationenkonflikte und jugendliche Emanzipation jedoch ganz natürliche Prozesse, die von statten gehen, wenn die jüngere Generation sich von der älteren abzugrenzen beginnt und mehr Rechte und Selbstständigkeit einfordert. Kompliziert wird es erst dann, wenn eine herrschende Gruppe existiert, die sich mit den anvisierten Rechten und Zielen der aufbegehrenden Generation nicht einverstanden erklärt und dies zu verhindern versucht. In der DDR war genau das der Fall.

Die am 7. Oktober 1949 gegründete DDR, die sich nach und nach vom westlichen Kapitalismus ab- und dem Sozialismus zuwandte, setzte unter anderem auf das Verbot von Jugendgruppen und -organisationen, in denen sich individualistisches und antistaatliches Gedankengut hätte bilden können. So befanden sich Gruppierungen, die nicht ausdrücklich den Vorgaben des Systems folgten, immer an der Grenze zur Illegalität, denn „Gruppengründungen waren nichts Offizielles, der Staat duldete keine Konkurrenz.“3

Dennoch schafften es die Jugendlichen in der DDR, sich hier und da den repressiven Maßnahmen des Staates zu entziehen und eigene Formen von Selbstverwirklichung und Gemeinschaftlichkeit zu schaffen, vor allem in den Bereichen der Mode und Musik, später auch in der Politik, so dass die Jugend in den ausgehenden 1980-er Jahren maßgeblichen Anteil an den weiteren gesellschaftlichen Entwicklungen des Staates hatte.

Auseinander gesetzt mit ebenjenen Themengebieten hat sich der Jugendforscher Walter Friedrich, der zwischen 1966 und 1990 das Leipziger Jugendforschungsinstitut leitete und auf dessen Forschungsergebnisse ich im Folgenden eingehen werde. Beginnend mit einer kurzen Darstellung der vorherrschenden politischen Strukturen in der DDR, werde ich daran anknüpfend auf die Person Walter Friedrich und seinen persönlichen Werdegang eingehen. Im Hauptteil untersuche ich, anhand ausgewählter Forschungsergebnisse des Zentralinstituts für Jugendforschung (ZIJ) mit den Schwerpunkten Jugend und Musik, Mode sowie Politik gegen Ende der 1980-er Jahre, die Rolle der Jugend in dem sozialistisch geprägten Land. Ergänzt werden diese Ausführungen durch von Walter Friedrich getätigte Aussagen, die aus einem autobiographisch und wissenschaftlich angelegten Interview aus dem Jahre 2014 stammen. Im abschließenden Fazit werde ich die erarbeiteten Ergebnisse unter dem Gesichtspunkt der Ausgangsfrage Angepasste Jugend? zusammenfassen.

2. Gesellschaftliche Strukturen in der DDR

Wirft man einen Blick zurück auf die Anfänge der DDR, hat sich schon früh abgezeichnet, in welche Richtung die Entwicklung des unter Einfluss des Kalten Krieges gegründeten Staates gehen sollte. Als nämlich am 23. Mai 1949 die westlichen Besatzungszonen offiziell zur Bundesrepublik Deutschland deklariert wurden, fühlte sich die unter dem Einfluss der Sowjetunion stehende SED-Spitze um Walter Ulbricht unter Druck gesetzt die, kein halbes Jahr später, mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik antwortete. Die politische Grundlage des neuen Staates bildete die seit April 1946 existierende Staatspartei SED, auf deren marxistisch-leninistische Weltauffassung das Staatssystem fußen sollte.

Nach außen hin wurde zwar der Anschein politischer Pluralität erweckt, in Wahrheit wurden die Schlüsselpositionen jedoch von oben bestimmt und nicht von unten gewählt, so dass von demokratischen Merkmalen nicht viel zu erkennen war und das „politische System der DDR […] wesentliche Züge des Totalitarismus“4 aufwies. Die Staatspartei selbst definierte die vorherrschende Ordnung als realen Sozialismus5. Soziale Grundrechte, Absicherung und Schutzversprechen, vorgegebene Arbeitszeiten sowie die Verstaatlichung der Betriebe sollten dabei helfen, langfristig eine klassenlose Gesellschaft zu etablieren. In diese Bahnen wollte Erich Honecker, der 1971 Generalsekretär des Zentralkomitees der SED wurde, nach einigen Versäumnissen seines Vorgängers Walter Ulbricht und aufkeimenden Unruhen der Arbeiterschaft, wieder einlenken. So begann Honecker seine ökonomische Politik mit einer „Art „Rückbesinnung“ auf die sozialen Bedürfnisse der Arbeiter und breiter unterer Einkommensschichten“6, was auf Loyalität und Zustimmung der Bevölkerung abzielte und bis in die Achtziger Fortbestand hatte.

Das Ziel zur „Systemstabilisierung des Sozialismus“ 7, wie Walter Friedrich es nennt, bestand jedoch schon deutlich länger und setzte nicht erst bei der bereits existierenden, sondern bei der zukünftigen Arbeiterschaft an: der Jugend.

Friedrich nennt den Mauerbau im Jahre 1961 und die damit verbundenen gesellschaftlichen Veränderungen als einen der Hauptgründe, warum der Jugendforschung in der DDR nach und nach ein größerer Stellenwert beigemessen wurde. Das sozialistische System legitimierte sich größtenteils über die innere Geschlossenheit und gesellschaftliche Einheit, weshalb es notwendig erschien, schon die nachrückende Arbeitergeneration an die bestehenden sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse heranzuführen und mit den sozialistischen Tugenden der Arbeiterschaft vertraut zu machen. Das sollte durch ein striktes und vom Staat verordnetes Erziehungs- und Bildungswesen vom Kindergarten bis zum Studium erreicht werden.

Trotz aller Anstrengungen und der vorgelebten Geschlossenheit der SED-Führung, oder gerade deswegen, nahmen westliche Einflüsse in der DDR immer mehr zu. Es ist kein Zufall, dass, als in den Siebzigern die Wirtschaftsleistungen erstmals augenscheinlich zurückgingen, die Orientierung an westlichen Vorbildern in der Bevölkerung, insbesondere bei der Jugend, anstieg. Die Sehnsucht nach der „fiktiven Welt des Westfernsehens […], Kleidung, Unterhaltungsmusik, Lebensstil [wuchs und der Westen] wurde für sie zu einem Gegenbild zur grauen DDR-Wirklichkeit.“8 Gleichzeitig sank das Vertrauen der Jugendlichen in den Marxismus-Leninismus gegen Ende der Siebziger und Anfang der Achtziger bis zum Mauerfall stetig, was sich in Forschungsergebnissen deutlich widerspiegelte.

So zeigte die Vergleichsstudie Völker im Urteil der Jugend des ZIJ der Jahre 1968/89, dass statt 92% im Jahre 1968 nun nur noch 49% der DDR-Jugendlichen den gesellschaftlichen Fortschritt als positiv ansahen.9 Auch die Einschätzung der politischen Einsatzbereitschaft oder die emotionale Identitätsbereitschaft (z.B. Kameradschaftlichkeit, Hilfsbereitschaft) nahmen, im Vergleich zur ersten Erhebung, drastisch ab. Die Ursache dafür sah Dr. sc. Harry Müller, Leiter der Studie, in „der Bewunderung und Faszination bestimmter realer wirtschaftlich-technischer Stärken des Westens“10. Überhaupt „floss der Strom jugendkultureller Einflüsse von West nach Ost“11, so Friedrich. Müller prognostizierte, im schlimmsten Fall, einen Verfall von DDR-Identität.

Dieser gesellschaftliche und kulturelle Wandel war natürlich nicht erst gegen Ende der DDR auszumachen, weshalb sich das ZIJ Anfang der Siebziger dazu veranlasst sah, nach und nach neue Forschungsfelder sowie auf die Jugend spezialisierte Abteilungen zu schaffen. So stellten beispielsweise Jugend und Freizeit (Kultur- und Medienforschung) oder Jugend und Politik selbstständige Abteilungen dar, durch die, so das Ziel, eine differenziertere Betrachtung der Jugend ermöglicht werden sollte.

3. Walter Friedrich und das ZIJ

Walter Friedrich hatte dabei die leitende Position inne. Friedrich, der am 5.10.1929 in dem schlesischen Dorf Neuland in einer Handwerkerfamilie geboren wurde, kam schon vor dem Mauerbau bzw. -fall in Berührung mit gravierenden gesellschaftlichen Umbrüchen. So erlebte er als 10-Jähriger den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges und fünf Jahre später „sein Ende, den Zusammenbruch des faschistischen Systems.“12 Doch er selbst blieb, genau wie seine liberalen Eltern, ein Schuster und eine Landwirtin, der nationalsozialistischen Ideologie fern und konzentrierte sich auf die Schule, so dass sich aufgrund guter Ergebnisse schon früh eine Berufslaufbahn als Lehrer abzeichnete. Im Rahmen seiner Lehrerprüfung befasste er sich mit leistungsschwachen Schülern und besuchte einen Weiterbildungskurs in Psychologie, welcher die Grundlage für seine spätere Karriere in der Jugendforschung schuf.

In seiner Jugend war Walter Friedrich Student der Arbeiter- und Bauernfakultät in Leipzig und seinen eigenen Aussagen zufolge nicht unbedingt systemtreu, was aus Protest „gegenüber den Anfang der 1950er Jahre nun offensichtlich zunehmenden Disziplinierungsversuchen“13 resultierte. So wurden der Seminargruppe, der er angehörte, mehrmals ungenügende Disziplin und Ungehorsam vorgeworfen, was Sanktionen und beinahe die Exmatrikulation der Gruppe zur Konsequenz hatte. Es folgten ein Psychologiestudium an der Universität in Leipzig, während dem sich Walter Friedrich auf die Bereiche der Entwicklungs-, Sozial- und Persönlichkeitspsychologie spezialisierte und 1954 ein Praktikum, aus dem er schlechte Erfahrungen zog und sich deshalb auf die Theorie konzentrierte. Auch hier befand sich Friedrich gewissermaßen im passiven Widerstand, da er ein zu Lebzeiten Stalins verbotenes Lehrbuch zu seiner Studienlektüre zählte. Desweiteren äußerte er sich kritisch zu den Ereignissen während des Ungarnaufstands 1956, weshalb ihm ein Studium am Dresdner Institut verwehrt blieb. Es folgte eine Etappe an der Lomonossow-Universität in Moskau, wo er sowjetische Psychologie und Soziologie studierte und erstmals mit dem Gedanken spielte, ein auf Soziologie beruhendes Institut in der DDR zu gründen. Nachdem Friedrich im Jahr 1961 nach Leipzig zurückkehrte, leitete er eine Vorlesungsreihe über Kinder- und Jugendpsychologie und verfasste seine zweite Dissertation, die 1966 in Jugend heute veröffentlicht wurde und das ZIJ in den ersten Jahren theoretisch begleitete.

Ähnlich wie bei der Gründung der DDR spielte auch bei der Gründung des ZIJ die BRD eine entscheidende Rolle: Walter Friedrich nennt das im Jahre 1964 in München gegründete Deutsche Jugendinstitut dabei als ausschlaggebenden Faktor, in dessen Folge er die Anweisung erhielt, „die Arbeitsweise und Forschungsziele dieser Einrichtung in München kennen zu lernen […] [um] dem Klassengegner besonders auf diesem strategisch wichtigen Gebiet keinen Vorsprung zu überlassen.“14

Mit der Annahme der Stelle als Leiter des ZIJ in Leipzig verfolgte Friedrich neben den Forderungen der Führungsriege auch das persönliche Ziel, die Jugend der DDR interdisziplinär zu erfassen und die Forschungsergebnisse seiner Längsschnittstudien zur „Entwicklung der Jugend in der DDR“15 zu nutzen, um auf Defizite aber auch Möglichkeiten im kulturellen und beruflichen Bereich hinzuweisen.

[...]


1 Mitterauer, M.: Sozialgeschichte der Jugend. Frankfurt a. M. 1986, S. 10.

2 Platon: Politeia (übers. v. Prantl, K. v./ Schleiermacher, F.): Gesammelte Werke. Staatstheorie + Philosophie + Autobiografische Schriften. o. O. 2015, S. 811.

3 Wensierski, P.: Die unheimliche Leichtigkeit der Revolution. Wie eine Gruppe junger Leipziger die Rebellion in der DDR wagte. München 2017, S. 31.

4 Wagener, H.-J./ Schultz, H.: Ansichten und Einsichten. In: Schultz, H. (Hrsg.): Die DDR im Rückblick. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Berlin 2007, S. 14.

5 Vgl. ebd., S. 17f.

6 Schönhoven, K./ Mühlhausen, W.: Der deutsche Sozialstaat im 20. Jahrhundert. Bonn 2012, S. 177.

7 Braun, K.-H./ Schlegel, U.: Walter Friedrich und die Jugendforschung in der DDR. Autobiografische und wissenschaftsgeschichtliche Dialoge. Baltmannsweiler 2014, S. 35. [Im Folgenden zitiert als: Braun, K.-H./ Schlegel, U.: Walter Friedrich und die Jugendforschung in der DDR.]

8 Vollbrecht, R.: Ost-westdeutsche Widersprüche. Ostdeutsche Jugendliche nach der Wende und im Westen. Opladen 1993, S. 12.

9 Vgl. Müller, H.: Zentralinstitut für Jugendforschung (ZIJ) (Hrsg.): Völker im Urteil der Jugend. Eine historisch vergleichende Studie zu nationalen Stereotypen 1968/1989. Leipzig 1989, S. 13. [Im Folgenden zitiert als: Müller, H.: Zentralinstitut für Jugendforschung (ZIJ) (Hrsg.): Völker im Urteil der Jugend.]

10 Ebd., S. 14.

11 Braun, K.-H./ Schlegel, U.: Walter Friedrich und die Jugendforschung in der DDR, S. 150.

12 Braun, K.-H./ Schlegel, U.: Walter Friedrich und die Jugendforschung in der DDR, S. 2.

13 Ebd., S. 16.

14 Braun, K.-H./ Schlegel, U.: Walter Friedrich und die Jugendforschung in der DDR, S. 36.

15 Ebd., S. 39.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
DDR-Jugend der 80-er Jahre. Mode, Musik und politische Weltanschauung
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Veranstaltung
Aspekte deutscher Zeitgeschichte – Ereignisse, Perspektiven, Rezeption
Note
1,7
Autor
Jahr
2017
Seiten
20
Katalognummer
V1010953
ISBN (eBook)
9783346401113
ISBN (Buch)
9783346401120
Sprache
Deutsch
Schlagworte
jugend, ddr, ddr jugend, jugendkultur, wende, deutsche einheit, 1989, 1990, deutsche geschichte, punk, jeans, mode
Arbeit zitieren
Vincent Franck (Autor:in), 2017, DDR-Jugend der 80-er Jahre. Mode, Musik und politische Weltanschauung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1010953

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