Ethnische Konflikte. Auswirkungen des Beispiels der Ostprovinzen der Demokratischen Republik Kongo und ihrem Umland


Seminararbeit, 2016

23 Seiten, Note: 1.2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

ETHNISCHE KONFLIKTE: AUSWIRKUNGEN DES BEISPIELS DER OSTPROVINZEN DER DEMOKRTISCHEN REPUBLIK KONGO UND IHREM UMLAND

1. ZUSAMMENLEBEN DER ETHNIEN IM VORKOLONIALEN GEBIET DER GROSSEN SEEN

2. EUROPÄISCHE NEUORDNUNG DER ETHNIEN WÄHREND DER KOLONIALZEIT
2.1 Soziale Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung im Freistaat Kongo
2.2 Rassentheorien und ethnische Spaltung der Bevölkerung in Belgisch-Kongo

3. ZUNAHME DER INTERETHNISCHEN KONFLIKTE ZWISCHEN 1960-1965
3.1 Die Rolle der Ethnien bei der Unabhängigkeit des Kongos
3.2 Ethnisierung der Machtkämpfe während der Kongo-Krise

4. DER KONGO UNTER DER DIKTATUR MOBUTUS
4.1 Entwicklung des Kongo zur Hochburg der Korruption
4.2 Der gescheiterte Versuch eines Neuanfangs
4.3 Radikale Ethnisierung in den Ostprovinzen

5. ZWEI KRIEGE UM DIE MACHT IM KONGO
5.1 Der Erste Kongokrieg – Das Ende für die Ära Mobutu
5.2 Der Zweite Kongokrieg – Der Osten und Westen im Stellungskrieg
5.3 Der turbulente Übergang zur Demokratie zwischen 2003-2006

6. ENTWICKLUNGEN VOM DRITTEN KONGOKRIEG BIS HEUTE
6.1 Dritter Kongokrieg – Die ostkongolesischen Tutsi im Zweifrontenkrieg
6.2 Trotz Kriegsende kein Frieden
6.3 Die M23-Rebellion – Der vierte große Krieg im Osten

7. VORAUSSICHTLICHE ENTWICKLUNG UND PERSPEKTIVEN FÜR DIE ZUKUNFT
7.1 Prognosen und Perspektiven für die Region
7.2 Hilfsprojekte der internationalen Gemeinschaft

LITERATURVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

MATERIAL: ABKÜRZUNGEN

ETHNISCHE KONFLIKTE: AUSWIRKUNGEN DES BEISPIELS DER OSTPROVINZEN DER DEMOKRTISCHEN REPUBLIK KONGO UND IHREM UMLAND

Im Rahmen von Protesten der Opposition gegen die verfassungswidrige erneute Kandidatur des seit 2001 regierenden Präsidenten Joseph Kabila bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen und durch den Ausbruch von Gewalt zwischen den Anhängern der verschiedenen politischen Lager auf Demonstrationen in der Hauptstadt Kinshasa rückte die Demokratische Republik Kongo kurzzeitig auch hierzulande wieder in das Rampenlicht der Medien. Mindestens zwei Tote und mehrere Festnahmen war die Bilanz als die Opposition am 26. Mai zu Protesten gegen die Regierung aufrief, welche mit dem Einsatz von Tränengas, einem Militäraufgebot und zahlreichen Warnschüssen den Machtkampf in den Straßen der Hauptstadt auflöste1 ). Obwohl der Kongo über eine riesige Menge an Rohstoffreserven insbesondere Kupfer, Coltan und Colombo-Tantalit verfügt zählt er zu den ärmsten Ländern der Welt und belegte 2015 im internationalen Vergleich des Human Development Index nur Platz 176 von 188.2 ) Eine völlig zerfallene Infrastruktur, immer weiter steigende Auslandsschulden und ganz besonders die im Osten des Landes immer noch herrschenden kriegerischen Auseinandersetzungen destabilisierten den Staat und seine Zentralregierung über Jahre hinweg und machen ihm auch heute noch zu schaffen3 ). Bemerkenswert ist hierbei, dass in fast jedem Konflikt der in den letzten Jahrzehnten in dieser Region ausgebrochen ist verschiedene Ethnien und tiefsitzende Feindschaften zwischen diesen eine Hauptrolle in der Entstehung und im Verlauf dieser Kriege spielten. Die vorliegende Arbeit soll nicht nur die Auswirkungen der ethnischen Konflikte auf die heutigen Ostprovinzen der Demokratischen Republik Kongo und ihr Umland aufzeigen, sondern es soll auch erklärt werden wie diese Konflikte entstehen und sich verbreiten konnten sowie welche inländischen als auch ausländischen Gruppierungen und Länder Einfluss auf die Geschehen im Kongo nahmen. Neben den demographischen, ökonomischen und politischen Auswirkungen auf die Gegenwart sollen am Ende der Arbeit auch verschiedene Einschätzungen für die zukünftige Entwicklung sowie Prognosen und Entwicklungen für die Region dargestellt werden. Ziel der Arbeit soll es sein die in der Vergangenheit häufig mystifizierten Konflikte der Ethnien im Gebiet der Großen Seen rund um die Ostprovinzen der Demokratische Republik Kongo in der Zeitspanne von der Vorkolonialzeit bis heute zu erklären und dabei besonders deren Auswirkungen auf sowohl die dort lebenden Menschen als auch den Staat darzulegen.

1. ZUSAMMENLEBEN DER ETHNIEN IM VORKOLONIALEN GEBIET DER GROSSEN SEEN

Zunächst ist zu bemerken, dass es den Kongo als solchen vor der Kolonialzeit nicht gab.4 ) Auf dem Gebiet der heutigen Provinz Nord-Kivu siedelten sich neben dem dort bereits lebenden Volk der Nande ab dem 19. Jahrhundert auch noch die Banyarmulenge an, welche meist aus dem heutigen Uganda oder Ruanda kamen. Die Region hatte dabei das Glück nie in die Fänge des afrikanischen Sklavenhandels geraten zu sein, was sie vorerst vor Verwüstung und Entvölkerung schützte.5 ) Erst gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam Kivu unter die Kontrolle des Königreichs Ruanda. König Kigeri IV Rwaburigi band bei seinem Versuch sein Herrschaftsgebiet in einer Reihe von Kriegen Richtung Westen auszudehnen einen Großteil der Bevölkerung in Klientelverhältnisse ein und so kamen weitere, heute Banyarwanda genannte Ruander in den Ostkongo. Es folgten Wirtschaftsreformen, welche die Konkurrenz zwischen Viehzucht und Ackerbau bezüglich der Landnutzung klären sollten.6 ) Da beide Aktivitäten aufeinander angewiesen waren stellten die nun häufiger auftretenden Bezeichnungen Hutu und Tutsi keineswegs Ethnien oder Machtbezeichnungen dar, sondern konnten eher als soziale Gruppen oder Stände verstanden werden. Als Tutsi galt dabei Mitglieder einer sehr mächtige Schicht von Viehzüchtern, während die im Dienstverhältnis stehenden Bauern als Hutu bezeichnet wurden.7 ) Damit waren die Begriffe natürlich von Anfang an politisch belastet, doch zu diesem Zeitpunkt lag die Macht noch bei den verschiedenen Clans, in denen es sowohl Hutu als auch Tutsi gab. Da die Viehzucht bei territorialer Ausdehnung als eine Form der Landnahme dienen kann wurde ihr jedoch schnell ein höherer Stellenwert zuteil und so waren der König und seine Familie alsbald Angehörige der Tutsi.8 )

Abbildung 1: Gemälde europäischer Entdecker im Kongo um 1888 Quelle: www.galerie-napoleon.com

Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt

2. EUROPÄISCHE NEUORDNUNG DER ETHNIEN WÄHREND DER KOLONIALZEIT

2.1 Soziale Unterdrückung und wirtschaftliche Ausbeutung im Freistaat Kongo

Abbildung 2: Sklaven auf einer belgischen Kautschukplantage um ca. 1905 Quelle: www.morganhampden.com

Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt

Auf der Kongo-Konferenz am 23.2 1885 wurde fast das gesamte heutige Gebiet der DRK zum Privatterritorium des belgischen Königs Leopold II erklärt, welcher durch koloniale Expansion innere Krisen lösen zu versuchte.9 ) Man konnte zwar nicht wie vermutet die Quelle des Nils im Kongo finden, doch dafür fand man in Kivu wie auch Katanga riesige Kupfer- und in Kasai sowie Mbuji-Mayi Diamantenvorkommen.10 ) Monopole an diesen natürlichen Ressourcen ebenso wie Elfenbein und Kautschuk wurden an Privatfirmen übertragen und so wurde fast die komplette Landfläche wurde abgegeben, denn es zählte allein der Profit.11 ) Leidtragenden dieser ökonomischen Aneignung und Ausbeutung des Landes war größtenteils die ansässige Bevölkerung, welche oftmals unter Androhung von Gewalt zur Arbeit in den Minen gezwungen wurde und insbesondere in der Hauptstadt der sozialen Unterdrückung der Belgier ausgesetzt war.12 ) Man schätzt heute, dass als Resultat dieser Arbeits- und Lebensbedingungen 3 bis 10 Millionen Kongolesen in der frühen Kolonialzeit allein starben.13 )

2.2 Rassentheorien und ethnische Spaltung der Bevölkerung in Belgisch-Kongo

1908 wurde der Freistaat schließlich nach internationalem Druck an die belgische Regierung übergeben, welche zunächst versuchte eine auf die Bevorzugung bestimmter Volks- und Gesellschaftsgruppen aufgebaute Klassengesellschaft einzuführen. Die Belgier unterstützten hierbei gezielt die Bildung ethnischer Parteien und heizten ethnische Spannungen zwischen bestimmten Gruppen an um diese gegeneinander aufzuspielen und eine Vereinigung der gesamten Bevölkerung zu verhindern.14 ) Ursprünglich wurde zwar das Ziel gesetzt Belgisch-Kongo auch ein Stück weit zu vereinigen und das Land nicht nur auszubeuten, doch die Einheimischen kamen in dieser Vorstellung nur als Arbeitskräfte vor und so wurden vermehrt Arbeitskräfte aus Kasai und Ruanda nach Katanga gebracht, um dort im weiterhin wichtigsten Teil der Kolonialwirtschaft, dem Kupferbergbau zu arbeiten.15 ) Im Ersten Weltkrieg schließlich eroberte Belgien aus dem Kongo heraus Ruanda-Urundi und gliederte es in Belgisch-Kongo ein, wie zuvor auf der Kongo-Konferenz wurden also völlig unabhängige Gebiete Afrikas miteinander verbunden und unterworfen.16 ) Wie alle Kolonialmächte ignorierten die Belgier die Vielfalt der Gesellschaften in ihrem Kolonialgebiet, was besonders in Ruanda zum Ausdruck kam. Hier fanden die Europäer bei der Ankunft das Bild einer exklusiven, kriegerischen Tutsi-Elite vor und kamen daher zu dem Schluss, dass diese intelligenter sowie entwickelter sein mussten als die Hutu und folglich keine normalen Afrikaner, sondern Einwanderer aus Abessinien, also sogenannte Hamiten waren. Die Hamitentheorie war allerdings eine allein auf Vorurteilen und kolonialen Rassismus basierende Neuschreibung der afrikanischen Geschichte, für welche es keinerlei empirischen Grundlagen gab.17 ) Mit einer Reihe von Reformen zwischen 1926 und 1931 erstellten die Belgier eine neue Gesellschaftsordnung in der die Tutsi zu einer eigenen, höheren Rasse erklärt wurden und die vielen vorkolonialen Herrschaftsverhältnisse auf genau ein einziges reduziert wurden: Tutsi kommandierten Hutu. Tutsi und Hutu wurden ab diesem Zeitpunkt als Rassen auf den Personalausweisen eingetragen und auch die Banyarwanda im Ostkongo wurden nun in Tutsi und Hutu unterteilt, wobei bei einer Volkzählung 1931 nur etwa 14 % der Bevölkerung genug Kühe hatte um als Tutsi zu gelten.18 ) Da jeder Kongolese einem Stammesgebiet angehören musste, die Regierung aber bis 1955 die Migration von mindestens 85.000 Ruandern, die meisten von ihnen Hutu, für den Ausgleich der dezimierten Bevölkerung des Kongo förderte, wurden neue, fiktive Stammesgebiete geschaffen, welche aus bereits bestehenden Gebieten ausgegliedert wurden.19 ) Viele Siedlungsgebiete der Banyarwanda im Osten waren nun beispielsweise als Hutu-Gebiete definiert und die dort seit Jahrzehnten lebenden Tutsi galten plötzlich als in ihrer Region als Fremde. 1959 folgte nach dem Sturz der Tutsi-Monarchie in Ruanda eine Flüchtlingswelle, da die an die Macht gelangte Gruppe intellektueller Hutu in den Gegensätzen zwischen Hutu und Tutsi ein Grundproblem sahen, welches nur mit einer brutalen Herrschaft einer Hutu-Mehrheit gelöst werden konnte. Mit der UNAR als Tutsi- und der MDR-Parmehutu als Hutu-Partei gab es bereits 1959 in Ruanda auf ethnische Zugehörigkeiten reduzierte Parteien, welche durch die Flüchtlinge auch im Kongo einen immer größeren Einfluss gewannen.20 )

3. ZUNAHME DER INTERETHNISCHEN KONFLIKTE ZWISCHEN 1960-1965

3.1 Die Rolle der Ethnien bei der Unabhängigkeit des Kongos

Schon in den 50er Jahren kämpfte Patrice Lumumba als Führer der von ihm gegründeten MNC für ein Ende der Kolonialherrschaft, den Aufbau einer Demokratie und die Beseitigung aller westlichen Einflüsse.21 ) Diese Ziele betonte er nochmals am 28.12.1958 auf der ersten legalen politischen Demonstration in der Hauptstadt und während den schweren Unruhen in der darauffolgenden Woche. Doch erst am 30.6 1960 wurde Belgisch-Kongo schließlich völlig unvorbereitet und überraschend unabhängig.22 ) Obwohl einige westliche Staaten bereits vor der Unabhängigkeit damit begonnen hatten den prowestlichen Antagonisten Joseph-Desire Mobutu aufzubauen, konnte sich dieser bei den ersten Wahlen im Mai 1960 nicht gegen Lumumbas MNC durchsetzen, welche zwar als stärkste, aber nicht als dominante Kraft hervor ging.23 ) Lumumba hatte nach der Übernahme der Staatsmacht in der neuen Republik allerdings keine Chance die Differenzen zwischen ihm und dem Staatspräsidenten Joseph Kasavubu zu klären. Während Lumumba als junger Intellektueller aus dem Volk der Tetela als Premierminister gerade in seinen Reden die Entschlossenheit zum Ausdruck brachte ein neues, eigenständiges Land aufzubauen ging es dem 50 Jahre alten Kasavubu viel mehr um die Rückbesinnung auf das vorkoloniale Alte und besonders um die Würde seines Bakongo-Volkes.24 ) Wenige Tage nach der erlangten Unabhängigkeit stürzte das Land am 5.6 1960 bereits durch meuternde und unzufriedene Soldaten in den Bürgerkrieg. Gerade als der Konflikt zwischen Gegner und Anhängern Lumumbas zu eskalieren drohte, erklärten sich am 1. Juli die Provinzen Katanga und Süd-Kasai, geführt von Moise Tshombe und unterstützt von Belgien für unabhängig, woraufhin im Osten des Landes erste Kämpfe ausbrachen.25 ) Besonders in Kivu wurde die Rolle der Ethnien in diesem Konflikt deutlich, da dieser mehr zwischen verfeindeten Ethnien als politischen Gegnern geführt wurde. So hatte die lumumbistische MNC-L gerade im Westen Kivus bei dem Volk der Tetela und der Shi Rückhalt, wobei die Provinzregierung, gebildet durch die CEREA, entschlossen gegen Lumumba war und somit besonders von den Banyarwanda unterstützt wurde.26 )

3.2 Ethnisierung der Machtkämpfe während der Kongo-Krise

Im September 1960 riefen die Lumumbisten in Stanleyville, Hauptstadt der Ostprovinz Orientale, nach dem Putsch des Armeechefs Joseph-Desire Mobutu in der Hauptstadt eine Gegenregierung aus, mit der sie die Kontrolle über ganz Kivu erlangen wollten.27 ) Lumumba konnte zwar aus dem ihm auferlegten Hausarrest fliehen, wurde aber im Dezember auf dem Weg nach Kisangani verhaftet und nach einem Flugzeugtransport am 17.1.1961 von Kongolesen und Belgiern in Katanga hingerichtet.28 ) Die internationalen Bemühungen bestanden währenddessen aber darin die Sezession Katangas zu beenden, was nach gescheiterten Verhandlungen nur mit einer bewaffneten UN-Mission erreicht wurde. Tshombe kapitulierte am 14.1 1963 und trat drei Monate später in eine Einheitsregierung mit der Hauptstadt ein.29 ) Immer größere Teile des Ostkongo kamen unter Rebellenkontrolle, sodass die Zentralregierung westliche Militärhilfe zugesichert bekam, um sich vor den als Kommunisten bezeichneten Rebellen zu schützen. Die auf Seiten der Lumumbisten kämpfende radikale Partei Balubakat unter Laurent-Desire Kabila bekam durch die Unzufriedenheit der Menschen nach der Unabhängigkeit und ihrer Überzeugung, dass es eine zweite, erkämpfte Unabhängigkeit brauchte, einen großen Mitgliederzuwachs.30 ) Sie waren es auch die am 7.9.1964 die Volksrepublik Kongo unter der Führung des CNL-Politikers Christophe Gbenye ausriefen, welche aber gegen die nun vereinte Schlagkraft von sowohl Mobutus als auch Tshombes Armeen keine Chance hatte. So endete die Rebellion bereits am 24.11.1964 mit der Eroberung Stanleyvilles durch Regierungstruppen.31 ) Die als Kongo-Krise bezeichnete Zeit von der Unabhängigkeit bis 1965 ließ eine kongolesische Gesellschaft voller Vielfalt und auch Wiedersprüchen sichtbar werden und besonders in der Politik kam es zu einer fast vollständigen Ethnisierung, in der jedem Menschen ausschließlich eine ethnische Identität zugeschrieben wurde, Mischungen oder gefühlte Ethnien zählten hierbei nicht.32 ) Diese Ethnisierung führte natürlich gerade in den östlichen Provinzen zu Spannungen. Als es 1960 zur Aufspaltung der MNC in die MNC-L von Lumumba und der MNC-K von Albert Kalonji, einem führenden Angehörigen der Ethnie der Luba kam, sicherte sich Lumumba die Unterstützung der mit den Luba verfeindeten Lulua, einer Ethnie welche einst von den Belgiern während der Kolonialzeit erfunden wurde. Nach blutigen Pogromen mussten

Abbildung 3: Lumumba kurz vor seiner Hinrichtung im Januar 1961 Quelle: www.taz.de

Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt

schließlich eine halbe Millionen Luba das Gebiet des Kongo verlassen.33 )

Auch die in Kivu lebenden Tetela nutzen die lumumbistischen Revolten immer wieder um Massaker an dem Volk der Kega zu begehen.34 ) Nicht mehr die politische Gesinnung, sondern die ethnische Zugehörigkeit entschied nun darüber ob man gegen- oder miteinander kämpfte. Nachdem es zwischen den mindestens 130.000 aus Ruanda in den Kongo geflüchteten Tutsi und den Einheimischen 1963 zu Massakern auf beiden Seiten kam und da bereits seit 1960 die Bahunde in Nord-Kivu gegen ihren König rebellierten, welcher die Ansiedlung von Ruandern während der Kolonialzeit zugelassen hatte, beschloss man am 18.5.1963 die Ostprovinz Kivu in Maniema, Nord- und Zentralkivu zu teilen.35 ) Doch erst Mobutus zweiter und diesmal endgültiger Putsch 1965 konnte die lokalen Konflikte, insbesondere eine Revolte der Banyarwanda im neu geschaffenen Nord-Kivu, bei der zahlreiche Tutsi starben, vorerst beenden, sodass nur noch der letzte im Süden noch kämpfende Rebellenführer Kabila übrig blieb, welcher nach Jahren im Untergrund schließlich 1984 ins Exil nach Tansania ging.36 )

4. DER KONGO UNTER DER DIKTATUR MOBUTUS

4.1 Entwicklung des Kongo zur Hochburg der Korruption

Abbildung 4: Mobutu mit seiner traditionellen Häuptlingsmütze aus Leopardenfell Quelle: www.dailymail.co.uk

Diese Abbildung wurde aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt

Als Mobutu am 24.11.1965 putscht, stößt dies in der breiten Bevölkerung, besonders im Osten, auf große Sympathie, schließlich beendet er die Konflikte und das neue starke Militärregime symbolisiert Stärke nach außen. Auch wenn die Koalitionen nicht lange hielten und die politische Lage instabil blieb, eroberte Mobutu schnell das Vertrauen des Volkers und versprach nur 5 Jahre an der Macht bleiben zu wollen um das Land zu sanieren.37 ) Er gründete die zukünftige Einheitspartei MPR, deren Emblem zur Staatsflagge wurde und führte eine Politik der Verstaatlichung ein. In den ersten Jahren wurden zwar regelmäßig wirtschaftliche Wachstumsraten von 10 % verzeichnet, doch gescheiterte Großprojekte wie der Staudamm Inga oder das Stahlwerk Maluku, welche das Land im Schnelldurchlauf zur Industrienation machen sollten, wurden entweder nie fertig gestellt oder erwiesen sich als für den Staat nicht profitabel, da beispielsweise nur Mobutu von den wirtschaftlichen Abläufen rund um das Inga-Geschäft mit Provisionen von bis zu 90 % profitierte, während der Staat sich zunehmend verschuldete.38 ) Im Dezember 1971 beschloss Mobutu, dass von nun an der gesamte Boden und alle seine natürlichen Produkte dem Staat gehörten, welcher als einziger Eigentumstitel vergeben konnte. Diese Reform war typisch, denn in der Praxis musste zwar nichts geändert werden, aber wer so weiter machen wollte wie vorher musste sich dies neu genehmigen lassen und neu zahlen.39 ) Unter der neuen autoritären Herrschaft war aktive Opposition nicht möglich und am 29.10.1971 kam zur politischen auch noch eine kulturelle Radikalisierung hinzu, indem Mobutu den Kongo in Zaire umbenannte, ein erster Schritt alles Europäische aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Belgische Kolonialnamen wurden abgeändert, europäische Anzüge durch traditionelle Kleider ersetzt, christliche Feiertage abgeschafft und alle ausländischen Namen verboten.40 ) In den 70er Jahren kam es schließlich zum Beginn des Staatskollaps, als MPR-Parteiorgane damit begannen die Gewaltenteilung auszuhebeln.41 )

Die als Zairianisierung bezeichnete Übergabe von Führungspositionen ausländischer Unternehmen an Staatsbürger führte nur noch dazu, dass die produktive Wirtschaft noch mehr ausgeplündert wurde, während sich zahlreiche Mittelmänner, meist Angehörige der Ngbandi Ethnie, bereicherten. Als Mobutu zunehmend versuchte seine Macht nur noch mit Korruption zu erhalten, befand sich die Wirtschaft bereits im freien Fall.42 ) Gerade in diesen Zeiten stützte sich Mobutu immer mehr auf seine Volkgruppe der Ngbandi aus dem äußersten Norden des Landes, deren Mitglieder er in seine Präsidialgarde rekrutierte.43 )

[...]


1 ) http://www.zeit.de/politik/ausland/2016-05/kongo-kinshasa-proteste-wahlen-zusammenstoesse

2 ) http://hdr.undp.org/en/composite/HDI

3 ) https://www.liportal.de/kongo/wirtschaft-entwicklung/

4 ) Johnson 2014: S.11

5 ) A.a.O.: S.59

6 ) A.a.O.: S.60

7 ) A.a.O.: S.50

8 ) A.a.O.: S.61

9 ) Kudermann 2006: S.10

10 ) Johnson 2014: S.12ff.

11 ) A.o.O.: S.21

12 ) A.o.O.: S.13 und S.19

13 ) Kudermann 2006: S.10

14 ) A.o.O.: S.10 und S.34

15 ) Johnson 2014: S.25f.

16 ) A.o.O.: S.20 und S.61

17 ) A.o.O.: S.28 und S.61f.

18 ) A.o.O.: S.62

19 ) A.o.O.: S.62ff.

20 ) A.o.O.: S.63f.

21 ) Kudermann 2006: S.11

22 ) Johnson 2014: S.30f.

23 ) Kudermann 2006: S.12

24 ) Johnson 2014: S.31

25 ) Kudermann 2006: S.11

26 ) Johnson 2014: S.64

27 ) A.o.O.: S.64

28 ) Johnson 2014: S.32

29 ) A.o.O.: S.33f.

30 ) A.o.O.: S.37ff.

31 ) A.o.O.: S.34

32 ) A.o.O.: S.34f.

33 ) A.o.O.: S.36

34 ) Johnson 2014: S.37

35 ) A.o.O.: S.64

36 ) A.o.O.: S.65

37 ) A.o.O.: S.34 und S.41

38 ) A.o.O.: S.41ff.

39 ) Johnson 2014: S.43

40 ) A.o.O.: S.43f.

41 ) A.o.O.: S.44 und Kudermann 2006: S.6

42 ) A.o.O.: S.45f.

43 ) A.o.O.: S.48

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Ethnische Konflikte. Auswirkungen des Beispiels der Ostprovinzen der Demokratischen Republik Kongo und ihrem Umland
Veranstaltung
W-Seminar Geographie
Note
1.2
Autor
Jahr
2016
Seiten
23
Katalognummer
V1011635
ISBN (eBook)
9783346401687
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kongo, Ruanda, Völkermord, Belgisch-Kongo, Demokratische Republik Kongo, Kongokrieg, M23 Rebellion, Tutsi, Hutu, Mobutu, Kongo-Krise, König Leopold, Freistaat Kongo, Lumumba, Erster Kongokrieg, Zweiter Kongokrieg, Dritter Kongokrieg, Laurent Kabila, Joseph Kabila, MLC, RCD, AFDL, APCLS, BDK, CEREA, CNDP, CNL, DCF(-N), DRK, FARDC, FDLR, Mai-Mai, MNC, MONUC, MPR, Pareco, UDPS, UNAR, UNC, Königreich Ruanda, Patrice Lumumba, Stanleyville, Volksrepublik Kongo, Christophe Gbenye, Albert Kalonji, Luba, Lulua, Tansania, Etienne Tshisekedi, Kengo wa Dondo, Banyarwanda, Muvingi Nyanwisi, Nanda, Bahunde, Laurent Nkunda, Mbororo, Kuluna, United Nations, Weltbank, IWF
Arbeit zitieren
Dominik Heller (Autor:in), 2016, Ethnische Konflikte. Auswirkungen des Beispiels der Ostprovinzen der Demokratischen Republik Kongo und ihrem Umland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1011635

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ethnische Konflikte. Auswirkungen des Beispiels der Ostprovinzen der Demokratischen Republik Kongo und ihrem Umland



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden