Frank Seemann
Referat
Die Fränkischen Passionsspiele in Sömmersdorf
1. Die Allgemeine Geschichte der Passionsspiele
Das Passionsspiel ist der älteste Vertreter des geistlichen Schauspiels und spiegelt die Leidensgeschichte Jesu in sich wieder. Es läßt sich bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgen, wie zum Beispiel das Osterspiel „Visitatio sepulchri“, welches den Gang der drei Frauen zum Grab zeigt.
Die Person „Christi“ tauchte erst im 13. Jahrhundert auf und durfte zu der Zeit nur von Geistlichen dargestellt werden.
Von da an ergänzte sich das Spiel auch durch Szenen wie „Apostellauf zum Grab“ und „Erscheinung des Auferstandenen vor Maria Magdalena.
In manchen Kleinstädten und Märkten dürfte die Praxis der Karfreitagsprozessionen den Anlaß für ein späteres Passionsspiel gegeben haben. Zuerst gingen nur die Darsteller „Christi“ und „die Apostel“ mit, später entstanden Stationen mit zunehmendem Aufwand, die durch biblische Darstellungen, sogenannte Figurationen ( lebende Bilder auf mitgezogenen Wägen ) erweitert wurden.
Der älteste Text eines Passionsspiels wurde in Bayern gefunden und stammt aus der Zeit um 1300.
Im 14. Jahrhundert wurde die lateinisch gesungene Darstellung zunehmend durch Sprechtext in der Volkssprache ersetzt, die Spiele wurden immer szenenreicher und dauerten nun von Gründonnerstag bis Karsamstag. Da es nun auch mehr Darsteller gab, ging die Bühnenform von den Kirchen auf die Marktplätze über. Und so hatten die Passionsspiele eine Blütezeit bis ins 16. Jahrhundert.
Dann ging der Spieleifer mit der Reformation zurück, außer in katholischen Gegenden wie Süddeutschland und Österreich.
Damit das Interesse der Zuschauer nicht nachließ, wurden jetzt auch komische Passagen der volkstümlichen Rüpelspiele mit einbezogen. Zum Beispiel gingen die Soldaten und Pharisäer brutaler zur Sache und hielten obszöne Reden. Manchmal kamen die Soldaten auch betrunken zum Spiel und vollzogen dort die Geißelung, wobei in Landshut deswegen ein „Christus“ umkam.
Aus diesem Grund wurden dann 1770 die Spiele verboten, mit Ausnahme von Oberammergau und Waal.
1825 wurde das Verbot unter König Ludwig I. aufgehoben, worauf die Wiederbelebung der Spiele aber nur zaghaft von statten ging. Die Spiele wurden modernisiert und die Texte überarbeitet.
Heute werden in Europa mehr als 40 Passionen erfolgreich aufgeführt und es herrscht ein regelmäßiger Austausch der Bühnen durch die Europassion.
2. Die Fränkischen Passionsspiele in Sömmersdorf
2.1 Entstehung der Spiele
Die Passionsspiele in Sömmersdorf sind weder durch ein Gelübde wie in Oberammergau entstanden, noch haben sie eine uralte Tradition wie in Erl aufzuweisen. Sie sind vielmehr der Spielfreude einiger Laien und dem unermüdlichen Einsatz des Leiters dieser Spiele zu verdanken.
Schon nach den 1. Weltkrieg wurden im 280 Einwohner zählendem Sömmersdorf von Mitgliedern des Männergesangvereins „Sängerlust“ im Wirtshaussaal Theaterstücke aufgeführt.
Im Oktober 1929 kam der Lehrer Guido Halbig an die Schule im Ort und übernahm bald darauf die Leitung des Gesangvereins und damit der Theater- Gruppe. Nach mehreren Erfolgen der Theaterstücke kam die Idee eines Passionsspiels, bei dem Guido Halbig die Gesamtleitung übernahm.
Als Ort wurde der Wirtshausgarten gewählt, in dem die Ortsbewohner eine Bühne bauten. Ein älterer erworbener Text wurde so gestaltet, daß er dem neuen Testament entsprach und szenenreicher wurde, wobei ein Passionsspiel mit 3 ½ Stunden Länge entstand . Bärte und Perücken wurden ausgeliehen und da die Bühne im Freien stand, mußte die auch dekoriert werden. Kreuze, Tische und Stühle für die Abendmahlszene wurden selbst angefertigt und es wurden Bänke geliehen, so daß etwa 1000 Sitzplätze zur Verfügung standen. Zur Werbung wurden auch Plakate in anderen Ortschaften verteilt und andere Kirchengemeinden wurden durch Briefe informiert.
Die Rollenbesetzung legte der Spielleiter Halbig selbst fest und schulte die Sprache der Darsteller durch regelmäßige Sprechübungen, weil er größten Wert auf die richtige Aussprache und Betonung legte. Zur Umrahmung einiger Spielszenen, wie „Einzug in Jerusalem“, „Jesus am Ölberg“ und „Auferstehung“ wurden Kirchenlieder eingeübt die die aktiven Spieler im Hintergrund sangen.
Und so wurden 1933 und 1934 die Passionsspiele aufgeführt bis zum Verbot der Spiele 1935.
2.2 Verbot des Spiels
Angeregt durch den anhaltenden Erfolg und die große Besucherzahl plante die Spielgemeinde auch für 1935 ein Passionsspiel. Doch die damalige Situation machte das Vorhaben unmöglich. Aufgrund einer Anordnung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda mußte eine Genehmigung der Reichstheaterkammer in Berlin eingeholt werden.
Dieser Antrag wurde im Februar 1935 gestellt. Darüber hinaus wurde noch um die Erstattung eines Gutachtens gebeten, „ob gegen den Veranstalter und das zur Aufführung gelangende Werk Passion Bedenken politischer Art geltend gemacht werden“.
Dieses Gutachten viel negativ aus und so wurde das Passionsspiel in Sömmersdorf wegen einigen ungeklärten Gründen verboten.
Da die Bühnenaufbauten und Kostüme verkauft wurden und Guido Halbig aus beruflichen Gründen nach Bayreuth zog, hatten die Sömmersdorfer keine Hoffnung mehr wieder ein Passionsspiel zu veranstalten.
2.3 Das Spiel nach dem 2. Weltkrieg
Nach dem 2. Weltkrieg, der das Vereinsleben zum Erliegen gebracht hatte, schlossen sich in Sömmersdorf wieder ein paar Interessengruppen zusammen und es wurde auch wieder in kleinen Rahmen Theaterstücke gespielt, aus derren Begeisterung der Wunsch wuchs 1957 wieder ein Passionsspiel aufzuführen.
Als Spielleiter kam nur Guido Halbig in Frage, der trotz der vielen Schwierigkeiten die Leitung wieder übernahm.
So standen sie vor einem völligem Neubeginn, da nicht einmal der Text mehr vorhanden war auf den man hätte bauen können. Ein weiteres Problem war, das viele Spieler gestorben oder im Krieg gefallen waren. Außerdem wurden ein neues Gelände und neue Gewänder benötigt. Da die im Januar gegründete Passionsspielvereinigung keine Unterstützung von den Banken verlangen konnte, spendeten die einzelnen Familien in der Ortschaft das erforderliche Darlehen, um die für das Spiel nötigen Anschaffungen tätigen zu können. Ein von der Gemeinde bereitgestelltes Grundstück wurde hergerichtet, worauf eine Bühne, gegliedert in Innen- und Außenbühne, und ein Zuschauerraum angelegt wurde, auf dem 2000 Sitzplätze bereitstanden. Ebenso wurden die Kleider nach einigen Büchern von den Dorfbewohnern selbst gefertigt. Bärte und Perücken wurden gekauft und bereits im Frühjahr 1957 fingen die Sprech- und Stellproben an.
Die Gliederung der neuen Bühnenauflage ermöglicht ein fast pausenloses Spiel und die Übergänge zwischen der einzelnen Szenen wurde durch Tonbandaufnahmen ausgefüllt.
Am ersten Spieltag am 30.Juni 1957 kamen zwar nur 120 Zuschauer, doch ab der 4. Aufführung konnte man den Andrang von 3000 Besuchern nicht mehr bewältigen und mußte viele auf den nächsten Sonntag vertrösten. Am Ende des Spieljahres betrug die Gesamtbesucherzahl dann 20.000, die sich bis 1993 auf 30.000 steigerte. Die nächsten Spiele wurden 1958,1961,1967 und 1968 aufgeführt und dann ging es mit 5 jährigen Pausen weiter.
1973 wurde neben dem Passionsspielplatz eine Mehrzweckhalle erbaut. Durch die Münsterhalle wurde auch die Versorgung der Zuschauer erleichtert. 1993 wurde sie noch um weitere verbesserte sanitären Anlagen erweitert.
Mit dem Tod von Guido Halbig, dem ,,Vater der Sömmersdorfer Passion“, ging 1988 eine 50 jährige erfolgreiche Regiearbeit zu Ende. Im gleichen Jahr übernahmen der Schauspielpädagoge und Regisseur Prof. Paul Sonnen- drücker und Frau Barbara Zorn die Spielleitung. Durch Ergänzungen und Einbau neuer Szenen gewann das Spiel weiter an Dynamik und Dramatik. Nachtvorstellungen führten 1993 zu weiterer Attraktivität der Aufführung.
Bis heute haben über 200.000 Zuschauer aus Nordbayern und der angrenzenden Gebieten die Sömmersdorfer Passion besucht. Schirmherr ist seit 1983 der Bischof von Würzburg, Dr. Paul-Werner Scheele.
3. Das Passionsspiel 1998
1998 finden wieder vom 21.6.- 22.8. 16 Aufführungen statt, am 21.6. werden die Passionsspiele mit einem Festgottesdienst durch den Bischof eröffnet. Die Spiele finden an 11 Sonntagen um 14.30 und an 5 Samstagen um 20.00 in 3 ½ stündiger Länge statt. Diesmal sind 350 Mitwirkende an den Spielen beteiligt. Die Vorbereitungen laufen schon seit Oktober 1997. Festschriften wurden erstellt, Plakate und Info-Plättchen gedruckt und an anderen Gemeinden und Bistümer verteilt. Außerdem wurde die Bühne um einige Räume erweitert, in denen die Requisiten und Kostüme gelagert werden können und die Darsteller geschminkt werden.
Ab Februar fing dann die Einteilung der Rollen an. Gruppen, wie zum Beispiel „die Soldaten“ und „die Händler, wurden eingeteilt, die dann ab März intensiv zu Sprechproben kommen. Bei schönem Wetter fangen dann die Proben auf der Freilichtbühne an. Schon jetzt lassen die meisten ihre Haare und Bärte wachsen und nur die wenigsten lassen sich einen Bart ankleben.
Bis zum 1. März, an dem das Verkaufen der Karten sonst erst anfing, sind schon über 5000 Karten verkauft worden. Für 1998 werden dann etwa 30.000 Zuschauer erwartet.
„Im Kreuz ist Heil - im Kreuz ist Leben - im Kreuz ist Hoffnung“ - eine Botschaft, die auch nach fast 2000 Jahren noch bestand hat. Den Zuschauern etwas von dieser Hoffnung zu vermitteln, das ist auch 1998 wieder das Ziel der Fränkischen Passionsspiele.
Quellen: Zulassungsarbeit von Christina Netter (1993)
Zulassungsarbeit von Elisabeth Ziegler (1978)
Jubiläumsheft - 50 Jahre Passionsspiele Sömmersdorf
Jubiläumsheft - 60 Jahre Passionsspiele Sömmersdorf
Häufig gestellte Fragen
Was sind die Fränkischen Passionsspiele in Sömmersdorf?
Die Fränkischen Passionsspiele in Sömmersdorf sind ein Laienschauspiel, das die Leidensgeschichte Jesu Christi darstellt. Sie haben keine so lange Tradition wie andere Passionsspiele, sondern entstanden aus der Spielfreude einiger Dorfbewohner und dem Engagement ihres Leiters.
Wie ist die Geschichte der Passionsspiele allgemein?
Passionsspiele sind eine Form des geistlichen Schauspiels, die bis ins 10. Jahrhundert zurückverfolgt werden kann. Sie entwickelten sich von liturgischen Darstellungen in der Kirche zu szenenreichen Aufführungen auf Marktplätzen. Nach einer Blütezeit bis ins 16. Jahrhundert erlebten sie im Zuge der Reformation einen Rückgang, wurden aber in katholischen Regionen wie Süddeutschland und Österreich wiederbelebt.
Wie sind die Passionsspiele in Sömmersdorf entstanden?
Nach dem Ersten Weltkrieg wurden in Sömmersdorf Theaterstücke aufgeführt. 1929 übernahm der Lehrer Guido Halbig die Leitung des Gesangvereins und der Theatergruppe. Auf seine Initiative hin wurde 1933 das erste Passionsspiel aufgeführt.
Warum wurden die Passionsspiele in Sömmersdorf 1935 verboten?
Die Passionsspiele in Sömmersdorf wurden 1935 durch eine Anordnung des Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda verboten. Der Antrag auf Genehmigung wurde aufgrund eines negativen Gutachtens abgelehnt, dessen genaue Gründe ungeklärt sind.
Wie wurden die Passionsspiele in Sömmersdorf nach dem Zweiten Weltkrieg wiederbelebt?
Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich in Sömmersdorf wieder Interessengruppen zusammen. Guido Halbig übernahm erneut die Leitung und organisierte 1957 die erste Aufführung nach dem Krieg. Da kein Text mehr vorhanden war, musste alles neu aufgebaut werden.
Wie hat sich die Spielstätte in Sömmersdorf entwickelt?
Anfangs wurden die Spiele im Wirtshausgarten aufgeführt. Nach dem Krieg wurde ein von der Gemeinde bereitgestelltes Grundstück hergerichtet und eine Bühne mit Innen- und Außenbühne sowie einem Zuschauerraum für 2000 Personen angelegt. 1973 wurde eine Mehrzweckhalle, die Münsterhalle, gebaut, um die Versorgung der Zuschauer zu erleichtern.
Wer waren die wichtigen Personen für die Passionsspiele in Sömmersdorf?
Guido Halbig, der Lehrer und Spielleiter, gilt als der „Vater der Sömmersdorfer Passion“. Nach seinem Tod 1988 übernahmen Prof. Paul Sonnen-drücker und Barbara Zorn die Spielleitung.
Wie viele Zuschauer besuchen die Passionsspiele in Sömmersdorf?
Bis heute haben über 200.000 Zuschauer aus Nordbayern und den angrenzenden Gebieten die Sömmersdorfer Passion besucht. 1998 wurden etwa 30.000 Zuschauer erwartet.
Was war das Ziel der Passionsspiele in Sömmersdorf?
Das Ziel der Fränkischen Passionsspiele in Sömmersdorf ist es, den Zuschauern etwas von der Hoffnung zu vermitteln, die die Botschaft des Kreuzes auch nach fast 2000 Jahren noch hat.
Wann fanden die Passionsspiele 1998 statt?
1998 fanden vom 21. Juni bis zum 22. August 16 Aufführungen statt.
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- Frank Seemann (Autor), 1998, Die Fränkischen Passionsspiele in Sömmersdorf, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101166