Koalitionskonflikte aus der Sicht von Bundestagsabgeordneten

Eine qualitative sozialpsychologische Untersuchung


Bachelorarbeit, 2019

100 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

1.Einleitung

2. Kontextualisierung
2.1 Einleitung
2.2 Politikwissenschaftliche Kontextualisierung
2.3 Psychologische und Sozialwissenschaftliche Kontextualisierung
2.4 Phasenmodell der Eskalation nach Friedrich Glasl

3. Methodische Grundlagen und Forschungsvorgehen

4. Auswertung
4.1 Vorstellung der InterviewpartnerInnen
4.2 Induktive Auswertung
4.3 Auswertung anhand des Phasenmodells der Eskalation nach F. Glasl

5. Fazit
5.1 Selbstreflexion
5.2 Abschließende Darstellung

6. Literaturverzeichnis

7. Anhang
Anhang 1: Interviewleitfaden
Anhang 2: Anschreiben
Anhang 3: demografischer Fragebogen
Anhang 4: Transkripte
Anhang 5: Reduktionstabellen nach Mayring
Anhang 6: Auswertungstabelle Phasenmodell der Eskalation nach F. Glasl

1.Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Konfliktpotential zwischen den Parteien der deutschen Bundesregierung. Dazu wird sich des Eskalationsmodells nach Friedrich Glasl bedient, um einzuschätzen auf welcher Stufe der Konflikt zwischen den Regierungsparteien sich aktuell befindet. Es wird hauptsächlich die aktuelle Regierungskoalition betrachtet, ergänzend dazu aber auch wie die Situation für die vergangene Legislaturperiode eingeschätzt wurde, um so ein möglichst vollständiges Bild zu gewinnen. Dazu werden Daten aus ExpertInneninterviews mit zwei Bundestagabgeordneten einer Regierungspartei verwendet, die in leitfadengestützten Interviews gewonnen wurden. Die Relevanz des Themas ergibt sich aus der Ausgangslage für die aktuelle Regierungskoalition. Nach einer vorherigen großen Koalition in der Legislaturperiode von 2013 – 2017, schnitten die beteiligten Parteien SPD, CDU und CSU bei der darauffolgenden Bundestagswahl schlechter ab. In der Pressemitteilung vom 12.10. 2017 gab der Bundeswahlleiter folgende Prozente an Zweitstimmen an: die SPD fällt um 5,2% auf 20,5 %, die CDU verliert 7,3% und landet damit bei 26,8% und die CSU erreicht nur noch 6,2% von vorher 7,4%. Alle Beteiligten schienen also von den Wählern für die vorangegangene Regierungskoalition abgestraft wurden zu sein. Die Tagesschau betitelte auf ihrer Online Präsentation schon am 25.09. die Darstellung der Wahlergebnisse mit der Überschrift „Das krachende Ende der GroKo“. Noch am Wahlabend selbst tritt der ehemalige Spitzenkandidat der SPD, Martin Schulz, mit der Aussage vor die Kameras, die SPD würde sich nicht nochmals an einer Regierung beteiligen, sondern die Opposition vorziehen. Betrachtet man die Stimmverteilung blieben somit nur noch zwei Optionen für die Regierungskoalition übrig: eine Minderheitenregierung oder eine Jamaika – Koalition aus der Unions – Fraktion, der FDP und den Grünen. Die FDP bricht die Verhandlungen zur Jamaika Koalition im November ab. Kanzlerin Merkel äußert sich öffentlich ablehnend gegenüber einer Minderheitsregierung. Damit steht Deutschland also theoretisch vor Neuwahlen. Doch die SPD tritt nun doch noch in Koalitionsverhandlungen mit der Unions-Fraktion ein, um eine erneute große Koalition zu bilden. Der Spiegel titelte am 01.12. „Die riskante Operation GroKo“. Vor allem innerhalb der SPD war der Widerstand gegen eine große Koalition stark, da man aus der letzten so geschwächt herausgegangen war und auch bereits die Oppositionsrolle angekündigt hatte. Bezieht man auch die Sondierungen über eine Jamaika – Koalition mit ein, hat die Regierungsbildung laut der online Plattform statista insgesamt 172 Tage gedauert, und ist somit die längste Regierungsbildung in der deutschen Geschichte. Bereits zu diesem Zeitpunkt fragte ich mich als Wähler wie stabil ein Bündnis sein kann, das unter solch widrigen Umständen gebildet wurde.

Zum Zeitpunkt der Interviewführung gab es außerdem gerade eine deutliche Zuspitzung der Konflikte innerhalb der Regierung, im speziellen innerhalb der Unions – Fraktion aus CDU und CSU. Der Konflikt um die Flüchtlingspolitik, in der vor allem die CSU einen sehr radikalen Standpunkt vertrat, schien zu eskalieren. Zunächst drohte die CSU der CDU damit, die Unions – Fraktion aufzulösen und Kanzlerin Merkel das Vertrauen zu entziehen, schließlich sogar mit dem Rücktritt ihres Innenministers Horst Seehofer. War also die komplizierte Regierungsbildung noch nicht aussagekräftig genug, um das Konfliktpotential innerhalb der Regierungskoalition als relevantes Forschungsthema zu betrachten, so macht spätestens dieser öffentlichkeitswirksame Streit es deutlich. Um das Thema zu erschließen, wird es zunächst in einen umfassenden Kontext eingebettet. Dann wird die vorliegende qualitative Arbeit methodisch beleuchtet. Anschließend werden die interviewten Experten vorgestellt und die Interviews anhand einer Inhaltsanalyse ausgewertet und auf das Phasenmodell von Friedrich Glasl angewendet. Abschließend folgt noch ein Fazit über die gesamte Arbeit.

2. Kontextualisierung

2.1 Einleitung

Im folgenden Abschnitt der Arbeit findet die Kontextualisierung des Forschungsgegenstandes statt. Diese dient dazu, die Untersuchung des Konfliktpotentials in seine thematisch angrenzenden Fachgebiete einzubetten. Die Schwerpunkte liegen hierbei in den Politikwissenschaften, den Sozialwissenschaften und der Psychologie. Es werden sowohl empirische Studien, als auch grundlegende Theorien beleuchtet und ihre Bedeutung für das Thema dieser Arbeit erörtert. Dabei fällt auf, dass es sehr wenig an empirischer Forschung zu Koalitionskonflikten gibt. Dies war auch der Grund entgegen den üblichen Standards wissenschaftlicher Arbeit keine Unterteilung in Forschungsstand (empirische Studien) und theoretischen Hintergrund vorzunehmen. Obwohl einige AutorInnen argumentieren, dass es gerade im Bereich der Koalitionsforschung einen guten Forschungsstand gebe, gelang es mir trotz intensiver Recherche nicht diesen aufzudecken. Stattdessen stößt man auf verschiedene Koalitionstheorien, welche diesen Zweck erfüllen sollen. Diese sind aber kaum und wenn, dann nur mit sehr alten Studien untermauert und haben meist Modell - Charakter, sodass sie eher in den theoretischen Hintergrund einzuordnen sind. Ein exemplarisches Beispiel dafür, wie der Begriff Forschungsstand hier verwendet wird, findet sich in den Ausführungen von Bertz (2014). Ihre Wiedergabe des Forschungsstandes entspricht dem, was in dieser Arbeit als Kontextualisierung wiedergegeben wird. Aufgrund dessen scheint die Kontextualisierung am besten geeignet ein geschlossenes und vollständiges Bild des nötigen Hintergundwissens für den/die LeserIn zu generieren. Gleichzeitig begründet ein solch auffälliger Mangel an Empirie die Relevanz der Untersuchung dieser Arbeit.

2.2 Politikwissenschaftliche Kontextualisierung

Zum besseren Verständnis des Konfliktpotentials in Regierungskoalitionen, werden zunächst einmal grundlegend der Aufbau und die Arbeitsweise der Regierung Deutschlands dargestellt. Die Ausführungen beziehen sich auf Horst Pötzschs Werk „Die deutsche Demokratie“, das 2005 in der 4. Auflage durch die Bundeszentrale für politische Bildung herausgegeben wurde.

Der Bundestag arbeitet nach den Grundsätzen der repräsentativen Demokratie, dies ist in Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes festgelegt. Das heißt, dass das Volk seine Staatsgewalt indirekt über die Wahlen von Körperschaften ausübt (S.52). Der Bundestag ist das Parlament der nationalen Ebene. Die Fraktionen organisieren und steuern die Arbeit im Parlament (S.55). Im Sinne einer Arbeitsteilung besetzen die Abgeordneten themengebundene Arbeitskreise und Arbeitsgruppen und spezialisieren sich so auf verschiedene Sachgebiete. Entsprechend dieser Spezialisierung bereiten sie Anträge, Gesetzesvorlagen, und Entscheidungen vor, wobei die Fraktionen in der Regel der Meinung ihrer sachverständigen Abgeordneten folgen (S.56). Auch für den Bundestag als Ganzes gilt ein arbeitsteiliges Prinzip, ähnlich dem der Fraktionen: die eigentliche parlamentarische Arbeit findet in Ausschüssen statt. Diese richten sich nach den Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen der Fraktionen und die Mitglieder fungieren meistens auch als VertreterInnen ihrer jeweiligen Fraktion. Auch hier werden wieder Gesetzesentwürfe und sonstige Initiativen bearbeitet, diese werden dann anschließend dem Plenum zur Abstimmung vorgelegt. Die Zusammensetzung der Ausschüsse erfolgt entsprechend dem Stärkeverhältnis der Fraktionen (S.57). Die Ausschüsse entsprechen inhaltlich den Bundesministerien, nur der Haushalts- und der Petitionsausschuss arbeitet ungebunden (S.58). Das Plenum mit seinen öffentlichkeitswirksamen Debatten wird meist als das Zentrum der Arbeit des Bundestages betrachtet, dies ist aber irreführend. Die überwiegende Arbeit findet in den Ausschüssen, Fraktionen, Arbeitskreisen und Arbeitsgruppen statt. In wochen- und monatelangen Beratungen wird debattiert und die Standpunkte werden geklärt, sodass viele Beschlüsse im Plenum ohne Debatte oder nach kurzer Diskussion gefasst werden können. Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, eben diese Konfliktkultur in der politischen Arbeit zu explorieren. Ein weiteres Organ ist die Bundesregierung. Im Allgemeinen sind ihre Aufgaben: den politischen Willen der parlamentarischen Mehrheit in praktische Politik umsetzen und die inneren Verhältnisse sowie die auswärtigen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland aufrechtzuerhalten und auszugestalten. Außerdem trägt sie die Verantwortung für die Umsetzung der Gesetze durch die einzelnen Bundesbehörden. Der Begriff Bundesregierung bezeichnet eigentlich das Kabinett aus BundeskanzlerIn und MinisterInnen, sowie dem jeweils dazugehörigen Stab an MitarbeiterInnen. Der Bundestag wählt auf Vorschlag des/der BundespräsidentIn den/die BundeskanzlerIn, wobei dieser traditionell der stärksten Fraktion entstammt. Aus der an der Regierungskoalition beteiligten Parteien werden die BundesministerInnen auf Vorschlag des/der BundeskanzlerIn vom BundespräsidentIn ernannt (S.82).

Nun folgt noch eine kurze Erläuterung, wie die beiden eben beschrieben Instanzen zusammenarbeiten, um ein funktionierendes Regierungssystem zu bilden. Diese Darstellung beruft sich auf Volker Busses Werk „Bundeskanzleramt und Bundesregierung“ von 2005. Sowohl der Bundestag als Organ der Legislative und die Bundesregierung als Organ der Exekutive haben eine staatsleitende Aufgabe, dennoch gibt es keine „Bedeutungshierarchie“ zwischen Bundestag und Bundesregierung (S.99). Der Bundestag und die Bundesregierung scheinen sich formal gegenüberzustehen, allerdings beschreibt Busse sie als „rechtlich und politisch miteinander „verflochten“ “ (S.100). Eine Bundesregierung kann nur funktionieren, wenn sie von einer Mehrheit des Bundestages legitimiert wird, daher ist die Zusammenarbeit dieser beiden Instanzen wichtig für die politische Handlungsfähigkeit Deutschlands (S.101). Da selten eine Partei die absolute Mehrheit im Bundestag gewinnt, bilden sich üblicherweise Regierungskoalitionen aus mehreren Fraktionen. Direkt zu Beginn einer Legislaturperiode legt eine solche Regierungskoalition ihre politischen Richtlinien in einem gemeinsamen Arbeitsprogramm, dem Koalitionsvertrag, fest (S.101). Aber: „Zusammenarbeit zwischen Bundesregierung und der sie tragenden Parlamentsmehrheit erfordert nicht nur eine Koalitionsvereinbarung zu Beginn der Legislaturperiode, sondern laufende Gesprächskontakte“ (S.103). Solche Gespräche finden in der Regel themengebunden unter Mitwirkung der Vorsitzenden der Arbeitskreise der an der Regierungskoalition beteiligten Parteien, der Fachleute der Fraktionen und MinisterInnen oder StaatssekretärInnen des zuständigen Bundesministeriums statt (S.80). Für Grundsatzfragen, die kein spezielles Gebiet betreffen, gibt es seit 1998 den Koalitionsausschuss. Dieser setzt sich zusammen aus den Spitzen der Regierungsparteien und – fraktionen, dem/der ChefIn des Bundeskanzleramtes und einzelnen BundesministerInnen oder ExpertInnen aus den Fraktionen. Den Vorsitz übernimmt der/die BundeskanzlerIn. Sowohl die Koalitionsgespräche, als auch der Koalitionsausschuss tagen vertraulich und informell (S.103).

Zum Untersuchungszeitpunkt bestand die Regierung aus einer großen Koalition aus SPD, CDU und CSU, wobei die beiden letzteren auf Bundesebene als eine Fraktion auftreten. „Die CDU versteht sich als interkonfessionelle, klassenübergreifende Partei“, die dem Prototyp einer Volkspartei entspricht (Schmid, 2009, S.122). Die politische Ausrichtung der CDU ist auffallend beständig, Modernisierungstendenzen haben es schwer sich durchzusetzen (Schmid, 2009, S.126). Ihr Bündnispartner ist die CSU. Sie bildeten seit 1949 zunächst eine lockere Arbeitsgemeinschaft, und dann eine feste Fraktionsgemeinschaft auf Bundesebene. Dabei gilt, dass CDU und CSU auf Länderebene keine konkurrierenden Wahlkämpfe führen dürfen und die CSU besteht seither auf ihrer Unabhängigkeit und Eigenständigkeit von der CDU. Die CSU nimmt eine Doppelrolle als Bundespartei und bayrische Landespartei ein (Mintzel, 2009, S.128). Sie beeinflusst aus diesem Selbstverständnis als bayrische Staatspartei heraus die Bundespolitik in starkem Eigeninteresse und strapaziert damit immer wieder ihre Fraktionsgemeinschaft mit der CDU (Mintzel, 2009, S.129). Die andere Seite der Koalition bildet die SPD. Historisch betrachtet war die SPD „primär eine soziale Bewegung: eine Vereinigung und Organisation vornehmlich gelernter Arbeiter, die sich am Arbeitsplatz konstituierte, aber alle Bereiche der proletarischen Existenz umfasste“, mit einem „vielfältige[n] und komplexe[n] Netzwerk von Freizeit-, Kultur- und Wirtschaftsorganisationen“ als „institutionelles Rückgrat“ (Lösche, 2009, S.632). Programmatisch und ideologisch durchlief die Partei eine Phase der Orientierungslosigkeit, die in der Agenda 2010 unter Kanzler Schröder endete, welche einen ideologischen Wechsel darstellen sollte, der sich aber gegen die eigene Stammwählerschaft richtete und zu einer Welle an Austritten aus der SPD führte (Lösche, 2009, S.635f.). 2007 folgte eine programmatische Neuausrichtung. Das Wählerklientel ist breiter aufgefächert als bei den anderen deutschen Parteien (Lösche, 2009, S.636).

Die Untersuchung der Bildung und Funktion von Koalitionen hat sich in den Politikwissenschaften zu einem eigenen Feld, der Koalitionsforschung, entwickelt. Switek stellt in dem Kapitel „Koalitionsregierungen“ aus dem Handbuch Regierungsforschung von 2013 die Grundzüge dieser Forschung dar. Sie fußt darauf, dass im politischen System Deutschlands die Notwendigkeit einer Koalition für Regierungsbildung herrscht. Dies leitet sich aus der zentralen Stellung von Parteien und der parlamentarischen Demokratie ab, die in der Exekutive und Legislative miteinander verknüpft sind. Jegliche Regierungen seit der Wiedervereinigung Deutschlands waren Koalitionsregierungen. Eine Koalition ist immer zweck-orientiert zur Durchsetzung eines gemeinsamen Regierungsprogrammes, wobei die Regierungsparteien gleichzeitig unabhängig bleiben und weiter in Konkurrenz stehen. Um diese Spannung zu bewältigen, ist ein gutes Koalitionsmanagement von Nöten (S. 277). „Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Koalitionen kennt im Wesentlichen zwei Forschungsrichtungen“ (S.278): ein ökonomisches Paradigma, das der Spieltheorie entstammt und ein qualitativer Ansatz, in welchem den Kontexten viel Gewicht beigemessen wird. Der spieltheoretische Ansatz betrachtete zuerst nur die Wahlergebnisse und Ämter-Verteilung innerhalb von Koalitionen (office – seeking), später trat die politische Ausrichtung und Zielsetzung der an der Regierungskoalition beteiligten Parteien hinzu (policy – seeking). Demgegenüber stehen die qualitativen Einzelfallanalysen, die den spezifischen Kontext wie z.b. Charakteristika des politischen Systems miteinbeziehen. Die beiden Forschungsstränge nähern sich mittlerweile aber immer weiter an (S.278). Switek betont für ein erfolgreiches Koalitionsmanagement vor allem die Bedeutung der informellen Koalitionsausschüsse (S.281). Die Gründe für das Beenden einer Koalition argumentiert er mit den Annahmen von Sturm (2013), die im Folgenden dargestellt werden. Beim vote – seeking wird mit einer Koalition gebrochen, weil sich ein Akteur davon wahltaktische Vorteile erhofft. Diese Taktik kommt auch beim Streben nach mehr Ämtern (office – seeking) zur Anwendung. Genau so kann es darum gehen einen innerparteilichen Streit zu befrieden (identity – seeking) oder es kann zum Bruch kommen, weil die Koalitionspartner inhaltlich zu weit voneinander abgerückt sind (policy – seeking) (S.282). Hinzu können immer situative Belastungsfaktoren kommen, wozu auch Konflikte zwischen leitenden ProtagonistInnen zählen (S. 283).

Auch Buzogany und Kropp geben ein umfassendes Bild der bisherigen Erkenntnisse in dem Kapitel „Koalitionen von Parteien“ im „Handbuch Parteienforschung“ von 2013 wieder. Es gibt grob drei Perspektiven die Koalitionsforschung zu betrachten: es können die Koalitionsbildung, die Koalitionsstabilität oder die Regierungspraxis Ausgangspunkt der Betrachtung sein, wobei alle drei eng miteinander verbunden sind (S.262). Für die vorliegende Arbeit sind vor allem die Theorien zur Stabilität und Regierungspraxis von Koalitionen interessant, da eine bereits bestehende Koalitionsregierung untersucht werden soll. Der bisherige Forschungsstand legt nahe, dass Koalitionen am stabilsten sind, wenn sie nur knapp die parlamentarische Mehrheit erlangen, wohingegen Minderheitenregierungen oder Regierungen mit mehr Parteien als für eine Mehrheit nötig wären, schneller zerbrechen. Außerdem ist die Gefahr des Zerbrechens einer Regierungskoalition in Deutschland zu Beginn der Legislaturperiode am höchsten, wenn der Regierungschef einmal durch das Parlament legitimiert wurde, steigt die Stabilität wieder. Regierungen, die diese Hürde zu Beginn nicht nehmen müssen, bleiben instabiler. Da anstehende Wahlen die Konkurrenz zwischen den Parteien erhöhen, ist die Zeit außerdem ein Einflussfaktor auf die Koalitionsstabilität (S.266 f.). Weiterhin führen die AutorInnen das Vorhandensein eines Koalitionsvertrages und von informellen Koalitionsausschüssen zur Schlichtung von Streit als positive Wirkfaktoren für die Koalitionsstabilität an (S.267). Dezentralisierte Parteistrukturen innerhalb der Regierungsparteien können hingegen eine Koalition schwächen (S.268). Hinzu kommt der eher überraschende Effekt, dass Koalitionen aus Parteien mit heterogenen Grundidealen stabiler sind, als solche mit sehr ähnlichen Wertvorstellungen. Dieser Effekt lässt sich dadurch erklären, dass heterogene Parteikoalitionen ihre Einflussbereiche besser voneinander trennen können und nicht um die gleiche Wählerschaft werben müssen (S.283). Wendet man diese Kriterien auf Deutschland an, zeigt sich, dass Koalitionen in der Bundesregierung vergleichsweise stabil sein müssten. Dies bestätigt auch der Vergleich mit anderen europäischen Ländern (S.273). Insgesamt gehören zu den Einflussfaktoren auf die Koalitionsstabilität die Struktur des politischen Systems (z.B. Wahl des Regierungschefs), Charakteristika der Koalition (Koalitionstypus, Ideologien der Koalitionspartner etc.) und exogene Effekte, wie z.b. wirtschaftliche Krisen (S.282). Auf das Funktionieren der Regierungspraxis wirken sich ebenfalls Koalitionsverträge positiv aus. Sie „tragen dazu bei, den in Regierungsbündnissen internalisierten Wettbewerb zwischen den Parteien in ein kooperatives Verhältnis zu überführen und Unsicherheiten zu reduzieren“ (S.276). Genauso verhält es sich mit den Koalitionsausschüssen, die in Koalitionsregierungen für das Konfliktmanagement unabdingbar geworden sind. Am effektivsten wirken solche Gremien, wenn sie die verschiedenen Ebenen Kabinett, Partei und Parlamentsmehrheit miteinbeziehen. Weiterhin ist die Handlungsfähigkeit einer Regierungskoalition davon abhängig, dass sich auch auf Länderebene ähnliche Koalitionen bilden, da sonst die föderale Struktur (Bundesrat als Länderkammer hat Veto-Rechte) einschränkend wirkt (S.277).

In seiner 2012 verfassten Diplomarbeit über die Inszenierung politischer Konflikte hat Robert Schafleitner ausführlich die Rolle von Konflikten für die Politik dargestellt. Seine Ausführungen eignen sich auch, um Koalitionskonflikte zu verstehen. Ein erster Erklärungsansatz für die Entstehung von Konflikten in der Politik sind konfligierende Ideologien. Gekoppelt ist diese Vorstellung daran, dass Ideologien mit dem Ziel verbunden sind, die implementierten Werte in gesellschaftlich – politische Realität umzusetzen, worin die Parteien in einem Wettbewerb stehen (S.48). Das Cleavage – Modell als zweiter Ansatz nimmt die soziokulturelle Struktur als Ansatzpunkt für politische Konflikte. „Cleavage kann dabei sowohl als „Spannungslinie“, als auch als „Spaltung“ interpretiert werden“ (S. 51). Nach dem Cleavage – Modell sind politische Konflikte von dauerhafter Natur, da sie in der Sozialkultur verankert sind und über das Parteiensystem ausgedrückt werden. Die ursprünglichen vier Spannungslinien des Modells nach Lipset und Rokkan waren Peripherie – Zentrum, Kirche – Staat, Landwirtschaft - Industrie und Eigentümer – Arbeiter. Die Konfliktlinien sind allerdings variabel und können sich in der modernen Demokratie um zahlreiche andere Spannungsverhältnisse drehen (S.51). Als letzter Erklärungsansatz dient die Vorstellung vom Nutzen politischer Konflikte für die Parteien. Strategische Politik kann Konflikte bedürfen, um eigene Ziele umzusetzen. Die beiden traditionellen Ziele sind dabei wieder das „office – seeking“ (Streben nach Ämtern) und das „policy – seeking“ (Umsetzen der eigenen Politik in der Realität) (S.53). Konflikte können also als strategische Verfahren gewertet werden, mit denen Konkurrenz produziert werden soll oder aus denen ohne Umweg direkter Nutzen gezogen werden soll (S.54). Am wahrscheinlichsten scheint dem Autor eine Mischung der drei Ansätze als Grundlage politischer Konflikte (S.55). Er differenziert außerdem zwei Konfliktdimensionen, die des politischen Kampfes und der politischen Konkurrenz. Politischer Kampf existiert in der Moderne nur noch als verbale Auseinandersetzung und bezieht sich vor allem auf den Wahlkampf, also den Kampf um Mehrheiten (S. 61). Die politische Konkurrenz hingegen ist ein dauerhaftes, längerfristiges Phänomen (S.62). Die deutlichste Konkurrenz findet sich im Parteienwettbewerb, wobei dieser im weitesten Sinne auch nicht nur die großen politischen Akteure, sondern auch Ideologien und deren Anhänger mit einbezieht (S.63). Ein politischer Konflikt ist also gleichzeitig „gewaltloser Kampf (Wahlkampf)“ und „manifeste Konkurrenz (Parteienkonkurrenz)“ (S.63).

In seinem Beitrag „Die Stabilität von Koalitionsregierungen im europäischen Vergleich: Empirische Befunde und institutionelle Erklärungsansätze“, der in dem 2010 erschienenen Werk „Analyse demokratischer Regierungssysteme“ veröffentlicht wurde, überprüft Thomas Saalfeld den koalitionstheoretischen Ansatz des Lupia – Strom – Modells empirisch. Das Lupia – Strom – Modell geht davon aus, dass die drei Faktoren, Präferenzen der Akteure, institutionelle Anreize und exogene Schocks, im Zusammenspiel mit der fortwährenden Kosten-Nutzen-Analyse der Regierungsparteien während der gesamten Legislaturperiode das Bestehen oder Zerbrechen einer Koalition bestimmen. Das Fortschreiten der Legislaturperiode dient als einer der wichtigsten Prädiktoren zur Vorhersage des Scheiterns einer Regierungskoalition (S.514). Es steht damit also im Einklang mit den bisher erläuterten koalitionstheoretischen Ausführungen. In die Analyse gingen Daten aus 15 europäischen Demokratien von 1945 – 1999 ein. Saalfeld stellt vier Modelle zur Testung. Das erste Modell untersucht die minimum winning Koalition, das zweite untersucht reine exogene Schocks, das dritte bezieht neben den exogenen Schocks die Nähe zur nächsten regulären Wahl mit ein und im vierten Modell werden neben den bereits genannten Variablen zusätzlich noch weitere „parteiensystembezogene und institutionelle Variablen“ überprüft (S.517). Es wird eine Hazardrate (Zerfallsrate eines Gegenstandes im Zeitverlauf) des Koalitionszerfalls als Baseline berechnet und im Anschluss der Einfluss der Variablen der verschiedenen Modelle als Kovariate überprüft. Es wird ein Shared – Frailty – Modell angewandt, das länderspezifische Unterschiede konstant hält. Außerdem werden aus der Analyse solche Koalitionen ausgeschlossen, die aus technischen Gründen, z.B. Tod des Regierungschefs oder reguläre Neuwahlen, beendet werden (S. 519). Es werden dann die Hazard – Ratios berechnet, die angeben ob eine Variable den Zerfall beschleunigt (Hazard – Ratio >1) oder verlangsamt (Hazard – Ratio <1), sowie die Signifikanzen dieser Ergebnisse. Für Modell 1 zeigt sich, dass minimum winning Koalitionen signifikant seltener scheitern als die anderen Koalitionsformen (S.518). In Modell 2 hat nur eine höhere Inflationsrate einen Einfluss auf das Scheitern einer Koalition und auch nur, wenn sie in dem Jahr vor Beginn dieses Scheiterns einsetzt. Die Aussagekraft des zweiten Modells ist insgesamt am Niedrigsten. In Modell drei wird dann, entsprechend den Vorannahmen, das Ergebnis wieder aussagekräftig, da Interaktionseffekte mit dem Ende der Amtszeit auftreten. Sowohl steigende Arbeitslosigkeit als auch eine höhere Inflation beeinflussen das Scheitern einer Koalition in Modell 3 signifikant. Werden in Modell 4 weitere Kontextfaktoren hinzugefügt, so verlieren die beiden Variablen teilweise ihre Signifikanz. Es scheint also verschiedene Faktoren im politischen System zu geben, die die Wahrscheinlichkeit des Zerbrechens einer Koalition trotz exogener Schocks und dem Ende einer Legislaturperiode verringern können. Ausführlicher ist dies in Saalfelds Auswertung dargestellt (S.519). Für sich allein genommen bleibt der Einfluss der Zeit aber signifikant, bei einem Hazard – Ratio von nahezu 1. Demgegenüber verringern Koalitionsvereinbarungen als Kontextfaktoren die Scheiternswahrscheinlichkeit signifikant um fast die Hälfte. Die Variable des positiven Parlamentarismus bezeichnet Koalitionen von ideologisch benachbarten Parteien und wirkt sich signifikant beschleunigend auf das Ende einer Koalition aus (520 f.).

Da die große Koalition kein neuartiges Bündnis auf Bundesebene ist, haben sich bereits einige AutorInnen damit auseinandergesetzt. So auch Miller und Müller, die in dem Herausgeberwerk „Die zweite große Koalition“ von 2010 das Kapitel „Koalitionsmechanismen in einer großen Koalition: Das Beispiel der Regierung Merkel“ beitragen. Sie wenden die drei bereits erläuterten Koalitionsmechanismen des office – seeking, policy – seeking und das vote – seeking auf die Bedingungen in einer großen Koalition an. Bereits das office – seeking gestaltet sich in einer großen Koalition problematisch, da sie keine minimum winning Koalition ist. Die beiden Partner sind außerdem annähernd gleich groß, sodass sie im Vergleich zu minimum winning Koalitionen mit einem kleinen Partner auf Ämter verzichten müssen und eine Seite trotz ihrer Stärke das Amt des Regierungschefs nicht einnehmen kann (S.157f.). Auf der Dimension der policys liegen SPD und CDU so weit auseinander, dass eine Kompromissbildung erschwert ist und teilweise sogar strategisch ungünstig zur Differenzierung der eigenen Politik sein kann (S.158). Betrachtet man das vote – seeking laufen die Partner der großen Koalition durch den Zwang zur Kompromissbildung Gefahr, WählerInnen an Oppositionsparteien zu verlieren, die ihre Linien deutlicher und uneingeschränkter vertreten können (S. 159f.). Hinzu tritt das Problem, dass die große Koalition 2005 weder Ziel der SPD noch der CDU/CSU war. Im Wahlkampf hatten sich beide Parteien deutlich voneinander distanziert und andere Bündnisse favorisiert, die letztendlich aber an den anderen Partnern scheiterten (S.162). Um diese Differenzen zu überbrücken wurde ein sehr langer Koalitionsvertrag ausgehandelt, in welchem auch eine strikte Koalitionsdisziplin festgelegt wurde (S.164f.). Weiterhin wurde im Kabinett jeder Koalitionspartei Veto – Recht zugestanden, was die eigentliche Richtlinienkompetenz der Bundeskanzlerin stark einschränkte. Auch der Koalitionsausschuss wurde als Instanz zum Konfliktmanagement bereits im Koalitionsvertrag festgeschrieben (S.165). Die Autoren können anhand einer statistischen Analyse belegen, dass sich der Koalitionsausschuss öfter traf, wenn auch in der Zeitung häufiger über Koalitionskonflikte berichtet wurde. Dementsprechend kann er als zentrale Instanz für das Konfliktmanagement gewertet werden (S.174). Allerdings stellen die Autoren fest, dass das Konfliktmanagement nicht immer erfolgreich verlief. Sie suchen einen Grund dafür in der hohen öffentlichen Aufmerksamkeit (S.176).

Ergänzend dazu seien noch Patrick Horsts Ausführungen über „Das Management der dritten großen Koalition in Deutschland 2013 bis 2015: unangefochtene Dominanz der drei Parteivorsitzenden“ aus der Zeitschrift für Parlamentsfragen dargestellt. Insgesamt finden sich in seiner Darstellung die gleichen Mechanismen und Probleme wieder, die schon für die zweite große Koalition charakteristisch sind (S.873). Daher wird sich darauf beschränkt, ausschließlich die Unterschiede im Koalitionsmanagement wiederzugeben. Der Autor betont besonders deutlich, dass große Koalitionen nur eine „Notlösung“ sind (S. 862) und die dritte große Koalition auch nur als Bündnis auf Zeit gedacht war (S. 872). Am Koalitionsmanagement ist besonders der Verfall der Bedeutung des Koalitionsausschusses auffällig, der durch eine enge Zusammenarbeit und „Zentralisierung [der] Entscheidungsprozesse“ der Parteivorsitzenden Merkel, Seehofer und Gabriel kompensiert wurde (S.872). Ein besonderes strukturelles Problem ist die Begründungsbedürftigkeit der großen Koalition von den Regierungsparteien gegenüber ihren Mitgliedern, das insbesondere bei der SPD zu finden ist (S. 873).

2.3 Psychologische und Sozialwissenschaftliche Kontextualisierung

Wie bereits in der Einleitung zu dieser Kontextualisierung beschrieben gibt es wenig empirische Forschung über Konflikte zwischen Koalitionspartnern. Eine Ausnahme bildet die Studie von Kirchler, Hofman, Mühlbacher und Berti aus dem Journal „der markt“. Sie stellen eine Analyse von Einflusstaktiken in Konflikten in Organisationen vor. Kirchler hat eine Reihe von Untersuchungen zu Einflusstaktiken in Konflikten im privaten Haushalt durchgeführt (S.80) und versucht, diese nun im Hinblick auf wirtschaftliche Organisationen anzuwenden. Den Befragten wurden Fragebogen vorgelegt, in denen ein Konflikt zwischen Arbeitskollegen beschrieben wurde und sie sollten anschließend die Wahrscheinlichkeiten von 16 möglichen Einflusstaktiken mit jeweils drei Items beurteilen. Die Taktiken ließen sich drei Gruppen zuordnen. Zu den Persuasionstaktiken gehören 13 Taktiken: 1 Positive Emotionen, 2 Negative Emotionen, 3 Hilflosigkeit, 4 körperlicher Druck, 5 Angebot von Ressourcen, 6 Entzug von Ressourcen, 7 Beharren, 8 Rückzug, 9 Sachverhalte offen darlegen, 10 falsche Tatsachen vorspielen, 11 indirekte Koalition, 12 direkte Koalition. Zu den Verhandlungstaktiken gehören Taktik 16 Trade – offs und Taktik 17 integrative Verhandlung. Die Sachliche Argumentation ist Taktik 18. Taktik 13 ist die Beendigung der Meinungsverschiedenheit über vollendete Tatsachen (S.81). Die dargestellten Konflikte wurden nochmal in drei Typen unterteilt: Sachkonflikte (81 Personen wurden befragt), Wertekonflikte (80 Personen wurden befragt) und Verteilungskonflikte (88 Personen wurden befragt). Das Geschlechterverhältnis der Probanden lag bei 60 zu 40, wobei die männlichen Probanden in der Überzahl waren. Das durchschnittliche Alter lag bei 38,5 Jahren. Für alle 48 Items wurden Mittelwert und Standardabweichung berechnet, und anschließend für die drei Items, die zu einer Einflusstaktik gehören eine Faktorenanalyse durchgeführt. Mit Ausnahme der Taktiken 5,11 und 17 erreichen alle Faktoren einen akzeptablen Reliabilitätswert bei cronbachs alpha von .53 bis .88. Die gleichen Items fielen auch bei der Trennschärfe heraus, der Rest hatte eine hohe Itemtrennschärfe von r >.5. Die Befragten gaben an die Taktiken 18, 9, 17, 11 am wahrscheinlichsten einzusetzen (S.83). Eine multivariate Varianzanalyse zum Zusammenhang von Konflikttyp und Einflusstaktik ergab keinen signifikanten Zusammenhang. Die 16 Taktiken wurden außerdem noch einer Korrespondenzanalyse unterzogen, welche ergab, dass erwartungsgemäß in Verteilungskonflikten eher Verhandlungstaktiken angewendet werden, während bei Wertekonflikten die Persuasionstaktiken und bei Sachkonflikten die sachliche Argumentation im Vordergrund steht. Die Dimensionen haben allerdings geringe Inertia-Werte, sodass sie nur eine Tendenz darstellen können (S.86).

Da das Konfliktpotential, das in dieser Arbeit untersucht werden soll, durch die Verständigung von Koalitionspartnern bedingt ist, muss auch die Ebene der Kommunikation betrachtet werden. Werner Holly hat sich in seinem 1990 erschienen Buch „Politikersprache“ mit der theoretischen Verbindung von Sprache und Politik auseinandergesetzt. Holly unterstützt die Annahme, dass Sprache und Politik unvermeidlich zusammengehören, er beschreibt aber auch, dass diese Verbindung sehr verschieden betrachtet wird. Es gibt zwei Pole, zwischen denen sich die Theorien bewegen: die eine Seite betrachtet Sprache als grundlegendes Kriterium und Medium der Politik, während die andere Seite davon ausgeht, dass Sprache eine untergeordnete Rolle gegenüber dem politischen Handeln inne hat (S.4f.). Außerdem beschreibt er zwei Arten auf die Sprache verwendet werden kann: kommunikativ vs. funktional (S.10). Beim kommunikativen Sprechen will der/die SprecherIn, dass sein Adressat seine Äußerung, seine Intention und alle Implikationen vollständig versteht und äußert sich deshalb so offen wie möglich (S.11). Beim funktionalen Sprechen geht es nicht um das offenlegen der eigenen Intentionen, sondern die Sprache wird lediglich als Instrument verwendet um ein Ziel zu realisieren. Dazu muss der/die AdressatIn aber nicht zwangsläufig verstehen worin dieses Ziel besteht, es kann verschleiert oder verdeckt werden oder der/die AdressatIn kann getäuscht werden. Wendet man kommunikatives Sprechen auf Politik an, so wäre diese ein Prozess der Entscheidungsfindung durch verschiedene sprachliche Auseinandersetzungen mit dem Ziel Streit zu regeln (S.13). Letztendlich widerspricht der Autor aber dieser Betrachtungsweise von Kommunikation in der Politik und sieht in der Realität stattdessen eher „das Gegenmodell“ (S.14). Sprache werde in der Politik zweckmäßig und ohne Verständigungsideale genutzt, da sie der Machterlangung und – erhaltung diene. Allerdings versteht Holly darunter nichts Unethisches (S.15f.). Er geht davon aus, dass durch reines Diskutieren nie ein echter Konsens erreicht werden kann, sondern immer nur ein Interessenausgleich verhandelt wird (S.18). Für die Akzeptanz der öffentlichen Meinung ist kommunikatives-ethisches Sprechen und Konsensbildung aber grundlegend, deshalb muss eine äußere Fassade davon aufrechterhalten bleiben (S.19).

Die Unterteilung der Sprache in kommunikativ und funktional ähnelt Habermas Theorie des kommunikativen Handelns aus dem Jahre 1981. Diese wird im Folgenden dargestellt. Die Ausführungen beziehen sich auf die 1987 erschienene vierte Auflage seines Werkes. Habermas bezeichnet mit dem Begriff des kommunikativen Handelns einen Verständigungsprozess zwischen Individuen, die kommunizieren, „indem sie sich auf eine Welt beziehen, [und] gegenseitig Geltungsansprüche erheben, die akzeptiert und bestritten werden können“ (S.148). Er klassifiziert Kommunikation nach zwei Schemata, nämlich ob sie nicht-sozial vs. sozial und erfolgsorientiert vs. verständigungsorientiert ist (S. 384). Da in der vorliegenden Arbeit die Zusammenarbeit zwischen Menschengruppen in Koalitionsbündnisse untersucht werden soll, sind nur die zwei Formen der sozialen Kommunikation von Interesse. Demnach bleiben die zwei Formen erfolgsorientiert und verständigungsorientiert zur genaueren Betrachtung bestehen. Für erfolgsorientierte soziale Kommunikation verwendet Habermas den Begriff strategische Kommunikation und definiert sie als Beeinflussung eines rationalen Gegenübers durch die Anwendung bestimmter rationaler Regeln und Methoden (S.385). Das Gegenteil dazu ist die verständigungsorientierte, soziale Kommunikation, die er als kommunikatives Handeln bezeichnet. Beim kommunikativen Handeln steht nicht der egozentrische Erfolg im Vordergrund, sondern die gemeinsame Verständigung und Abstimmung mit dem/der KommunikationspartnerIn (S.385). Der zentrale Unterschied ist nach Habermas, dass strategische Kommunikation „die wechselseitige Beeinflussung von zweckrational handelnden Gegenspielern“ (S.385) ist, wohingegen er unter kommunikativ den „Prozeß der Verständigung zwischen Angehörigen einer Lebenswelt“ (S.386) versteht. Beides kann als Typ einer Handlung vorliegen, aber auch als Einstellung der Handelnden zueinander (S.385-386). Das strategische Handeln kann in die zwei Unterformen offen und verdeckt differenziert werden. Auf Seiten des verdeckt-strategischen Handeln gibt es wiederum noch zwei weitere Unterformen (S.446). Eine Unterform ist die Manipulation, wo sich der/die Manipulierende seiner strategischen Absichten bewusst ist, den/die andere KommunikationsteilnehmerIn aber im Glauben lässt, es würde sich um rein verständigungsorientiertes-kommunikatives Handeln halten (S. 445). Das Gegenstück dazu ist die systematisch verzerrte Kommunikation, bei der zumindest ein/eine KommunikationsteilnehmerIn auch sich selbst unbewusst darüber täuscht, dass er/sie strategisch kommuniziert und nicht kommunikativ (S.446).

Einen weiteren Ansatzpunkt zur Betrachtung dieses Themas bietet die Gruppenpsychologie. Eine gute Einführung in diese Herangehensweise stellt das Kapitel „Gruppenpsychologie: grundlegende Prinzipien“ von Nijstad und van Knippenberg im Springer Lehrbuch der Sozialpsychologie von 2007 dar. Zunächst muss einmal definiert werden, was eine Gruppe ist, sodass überprüft werden kann ob die Parteien einer Regierungskoalition in dieses Schema passen. Die Autoren entscheiden sich für eine sehr offene und weitgefasste Definition des Begriffs Gruppe: eine Gruppe existiert im Prinzip schon dann, wenn sich zwei oder mehr Individuen als eine solche fühlen. Sie betonen also das gemeinsame Identitätsgefühl einer Gruppe, das sich auch daraus ergibt, dass Nicht - Gruppenmitgliedern identifiziert werden können (S.411). Dieses Bild ergänzen sie um die Funktionen einer Gruppe, wobei sie als solche das Bindungs- bzw. Zugehörigkeitsbedürfnis, die Erweiterung der eigenen kognitiven Fähigkeiten (S.412) und die Austauschtheorie aufzählen. Die Austauschtheorie bzw. die instrumentelle Auffassung von Gruppen geht davon aus, dass Gruppenbildung zu dem Zweck erfolgt, „materielle[] Güter […] oder interpersonelle Hilfe […], aber auch psychologische Güter, so wie Liebe, Freundschaft oder Zustimmung“ (S.413) miteinander auszutauschen, um gegenseitig davon zu profitieren. Das Geben und Nehmen muss dabei ausgeglichen sein, damit ein Individuum bei seiner Gruppenzugehörigkeit bleibt und sie nicht auflöst oder nach besseren Alternativen sucht (S.413). Diese Auffassung wird darum intensiver dargestellt, als die anderen beiden, weil sie meines Erachtens nach die zutreffendste Variante im Hinblick auf Regierungskoalitionen als Gruppen ist und die zuerst angeführte sehr allgemeine Definition gut ergänzt.

Kessler und Mummendey behandeln in einem anderen Kapitel desselben Buches explizit „Vorurteile und Beziehungen zwischen Gruppen“. Dazu ziehen sie zuerst Sherifs Theorie des realistischen Gruppenkonfliktes von 1966 heran. Nach dieser Theorie sind es die strukturellen Bedingungen zwischen Gruppen, die einen Konflikt entstehen lassen können. Negative Interdependenzen beschreiben, dass sich Ziele nur durch Überwindung der anderen Gruppe als Hindernis oder auf deren Kosten erreichen lassen, wodurch diese Gruppe automatisch abgewertet und abgelehnt wird. Positive Interdependenzen sind das Gegenteil dazu. Die Ziele der eigenen Gruppe lassen sich nur mit Hilfe der anderen Gruppe oder unter Erreichung der Ziele der anderen Gruppe realisieren, was ein positives Verhältnis der beiden Gruppen begünstigt (S.495). Sherif überprüfte diese Hypothese in mehreren Feldstudien in Kinderferienlagern für Jungen in den USA. In der bekanntesten dieser Studien schuf Sherif zwei Gruppen von Jungen, die voneinander nichts wussten, sondern zunächst nur ihre eigene Gruppe kannten und Zeit hatten sich in dieser einzuordnen und sie zu verfestigen (S.496). Danach schuf er zuerst äußere Umstände, die negative Interdependenzen (Wettkämpfe zwischen den Gruppen) förderten und im Anschluss analog dazu solche, die positive Interdependenzen erzeugten (gemeinsame Bewältigung eins externen Hindernisses). Nach der Theorie des realistischen Gruppenkonfliktes sind also die Zielbeziehungen von Gruppen entscheidend für ihr Verhalten zueinander, wobei sowohl Intergruppenkooperation als auch Intergruppenkonflikte rational sind, da jeweils der Erfolg der eigenen Gruppe maximiert werden soll (S.498). Auffällig an Sherifs Experiment war, dass die Mitglieder der Gruppe selbstständig und von allein nach Kenntnis über die Existenz der Fremdgruppe Wettkämpfe mit dieser forderten. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch keine interdependente Zielbeziehung zwischen den Gruppen. Dies rückte später in den Fokus der Forschung. Tajfel und Kollegen stellten daraufhin 1971 das Paradigma der minimalen Gruppen auf. In einem Experiment wurden die TeilnehmerInnen nach einem willkürlichen, bedeutungslosen Kriterium in zwei Gruppen eingeteilt, ohne die anderen Gruppenmitglieder zu kennen. Sie sollten zwischen ihrer und der Fremdgruppe Ressourcen verteilen, konnten davon aber keinen persönlichen Nutzen ziehen. Das überraschende Ergebnis war, dass, neben der Fairnessorientierung, die TeilnehmerInnen vor allem danach strebten, den Unterschied zwischen ihrer und der anderen Gruppe zu maximieren, auch wenn das insgesamt eine Reduktion des Profits der Eigengruppe bedeutete. Dies zeigte sich auch vielen weiteren Studien. Dementsprechend bedingt „die bloße Kategorisierung [..], dass es zu einem kompetitiven Intergruppenverhalten kommt“ (S.499). Aus diesem Untersuchungsergebnis entwickelten Tajfel und Turner 1986 die Theorie der sozialen Identität. Diese Theorie geht davon aus, dass Menschen sich selbst und andere vor allem in ihren sozialen Kategorien (z.B. Ethnie, Religion etc.) wahrnehmen. Aus den Zugehörigkeiten zu seinen Kategorien bildet das Individuum seine soziale Identität. Da Personen im Allgemeinen nach einem positiven Selbstkonzept streben vergleichen sie ihre Gruppen mit anderen Gruppen hinsichtlich verschiedener Dimensionen wie beispielsweise dem Prestige oder Einkommen einer Arbeitsstelle (S.500). Das Intergruppenverhalten dient dazu das Bedürfnis nach einem positiven Abheben (positive Distinktheit) der eigenen von den Fremdgruppen zu erfüllen. Bei den Experimenten zum minimalen Gruppenparadigma wurden also deshalb die Ressourcen nach einem maximalen Unterschied verteilt, weil es die einzige Möglichkeit für die TeilnehmerInnen war, ihre eigene Gruppe positiv von der Fremdgruppe abzuheben (S.501).

Leidner, Tropp und Lickel ergänzen dies in ihren Ausführungen zum Kapitel „Politische Psychologie von Gruppen“ (aus Politische Psychologie, Band 1, 2015) um weitere gruppendynamische Prozesse. Sie beschreiben die Gruppenpolarisation, bei der Neigungen und Einstellung eines Individuums durch und in der Gruppe verschärft werden, das Gruppendenken, „wenn die Notwendigkeit einer Einigung unter den Gruppenmitgliedern über die Motivation zum Einholen genauer Informationen und das Treffen angemessener Entscheidungen gestellt wird“ (S. 239), sowie den Eskalationseffekt. Dieser beschreibt, dass eine Gruppe einen beschlossenen Kurs nicht mehr ändert, auch wenn er nicht zu funktionieren scheint (S.239). Betrachtet man die Parteien der Regierungskoalition als Gruppen, so könnten die soeben beschriebenen gruppenpsychologischen Prozesse auch auf sie zu treffen und einen Konflikt bedingen.

2.4 Phasenmodell der Eskalation nach Friedrich Glasl

Die für diese Arbeit relevanteste Theorie ist das Phasenmodell der Eskalation nach Friedrich Glasl von 1980. Im konkreten beziehen sich die Ausführungen auf die 9. Auflage (2010) seines Werkes Konfliktmanagement. Bevor das Modell ausführlich dargestellt werden kann, wird kurz Glasls Definition eines sozialen Konfliktes wiedergegeben. Glasl betrachtet zunächst die Definitionsansätze anderer AutorInnen (S.15 -16). Letztendlich entscheidet er sich für folgende sehr umfassende Definition:

„Sozialer Konflikt ist eine Interaktion zwischen Aktoren (Individuen, Gruppen, Organisationen usw.), wobei wenigstens ein Aktor eine Differenz bzw. Unvereinbarkeiten im Wahrnehmen und im Denken bzw. Vorstellen und im Fühlen und im Wollen mit dem anderen Aktor (den anderen Aktoren) in der Art erlebt, dass beim Verwirklichen dessen, was der Aktor denkt, fühlt oder will eine Beeinträchtigung durch den anderen Aktor (die anderen Aktoren) erfolge“ Besonders betont er, dass es um Kommunikation an sich geht, es muss also noch keine Gewalt vorliegen (S.17).

Nun folgt die Darstellung des Phasenmodells der Eskalation, da anhand dieses Modells auch die Eskalationsstufe der Regierungskoalition eingeschätzt werden soll. Glasl hält insgesamt neun Stufen fest, die ein Konflikt durch seine Eigendynamik immer weiter durchläuft. Dabei kennzeichnet ein höherer numerischer Wert zwar ein Fortschreiten der Eskalation, Glasl spricht dennoch aber von einer „Abwärtsbewegung“ und betont damit den eskalativen und immer schlechter kontrollierbaren Charakter des Geschehens (S.233). Die neun Stufen können zu drei Oberkategorien geordnet werden, die sich nach dem Ausgang des Konfliktes richten. Stufe 1-3 gehören zu win – win Situationen, Stufe 4 – 6 zu win – lose Situationen und bei Stufe 7 – 9 ist man schließlich bei den lose – lose Situationen angekommen. Er erläutert weiter, dass mit jedem Schritt in Richtung der neunten Stufe eine kritische Schwelle überschritten wird. Das Verhalten, das Wahrnehmen, die Motive und die Ziele der Konfliktparteien schränken sich immer weiter ein und entsprechen nicht mehr dem reifungsangemessenen Verhalten (S.234). Um die Stufen voneinander abzugrenzen, beschreibt Glasl jeweils die Veränderungen auf der Ebene der Perzeptionen, Einstellungen und Intentionen, Interaktionen und Beeinflussungsmethoden. Analog dazu werden auch hier diese Ebenen berücksichtigt.

Die erste Stufe der Eskalation wird als Verhärtung bezeichnet und befindet sich noch in der Nähe alltäglicher Formen der Spannungen durch Uneinigkeiten. Die Perzeptionen sind dahingehend verändert, dass Verzerrung der Wahrnehmung zu Gunsten der eigenen Gruppe und stärkere Konzentration auf Unterschiede zwischen den Konfliktparteien auftreten. In den Einstellungen und Intentionen kommt es zur Verhärtung von Standpunkten, zur Reduktion der Offenheit und Beeinflussbarkeit gegenüber abweichenden Standpunkten und zu spontaner Gruppenbildung durch Zuordnung der Einzelnen zu einem Standpunkt. Bei den Interaktionen ist die Verteilung von Rollen und Rollenerwartungen innerhalb der Gruppen zu bemerken, die das Verhalten der jeweiligen Personen einschränken (S.235). Es ist noch keine dauerhafte Versteifung, aber es besteht die Tendenz dazu, diese Rollen in erneuten Krisen wieder einzunehmen. Bringt dieses Lösungsverhalten Erfolg, dann verfestigt es sich zu einem Verhaltensmodell. Dies birgt aber auch die Gefahr, dass Konflikte normaler werden, da ja ein bewährtes Verhaltensmodell für ihre Lösung existiert (S.236). Das häufigere Auftreten wird auch als Energie- und Zeitverlust registriert (S.237) und die Aufmerksamkeit wird auf die Gegensätzlichkeiten fokussiert, sodass die Parteien nicht mehr unbefangen miteinander umgehen können. Je häufiger Meinungsverschiedenheiten auftreten, desto eher tritt der Verdacht auf, dass es tiefer liegende Ursachen dafür geben muss (S.238). Die Beeinflussungsmethoden sind der Einsatz rationaler Mittel, wie verbale Auseinandersetzung. Je größer die Anspannung wird, desto eher entstehen aber Missverständnisse, die eine sachbezogene Lösung verzerren können (S.238).

Stufe zwei trägt den Titel „Debatte und Polemik“. „Das ganze Klima der weiteren Auseinandersetzung“ hat sich „grundlegend veränder[t]“ und die Konfrontationen werden härter (S.239). Der Übergang bzw. die Schwelle zur zweiten Stufe besteht darin, bewusst Beeinflussungsmethoden zu wählen, die nicht mehr nur rational sind und eine Polarisierung deutlich begünstigen, anstatt ihr entgegenzuwirken. Dennoch ist das Interesse am Aufrechterhalten der Beziehungen auf dieser Stufe noch groß genug, um der Gegenseite ihr Recht auf Erwiderung und Rechtfertigung weiterhin zu lassen (S.248). Die Wahrnehmung fokussiert sich nicht mehr nur darauf wessen Standpunkt der richtige ist, sondern auch wer seinen Standpunkt besser verteidigen kann (Prestige). Dies verringert die Chance, dass auf sachlicher Basis nachgegeben wird, da Nachgeben auch scheinbare Folgen für die soziale Position z.B. das Machtverhältnis haben könnte (S.240). In den Einstellungen und Intentionen herrscht ein labiles Gleichgewicht zwischen den gemeinsamen, kooperativen und den konkurrierenden Interessen und Zielen. Es gibt eine andauernde Anspannung, die zu leichter Reizbarkeit in beiden Parteien führt. Außerdem entsteht ein erhöhtes Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb einer Partei, das bis zu Überheblichkeit führen kann, bei gleichzeitiger Betonung der Unterschiede zwischen den Gruppen. Die Verteidigung des eigenen Standpunktes findet auch auf der nichtsachlichen Ebene statt, da sie als Prestige verstanden wird (S.239). Hinsichtlich der Interaktionen hat sich das soziale Klima dahingehend verändert, dass die Parteien einander mehr Misstrauen und voreinander auf der Hut sind. Keine Partei will sich der anderen unterlegen fühlen, sodass „die Interaktion zwischen den Parteien zu einer Frage des Behauptens“ wird (S.240). Dazu wird Konfrontationen nicht mehr aus dem Weg gegangen, was langfristig die Spannung zwischen den Parteien erhöht. Den Parteien selbst ist dieser Zusammenhang allerdings nicht bewusst und über soziale Lernprozesse wird stereotypes Verhalten produziert. Dies führt dann auf die Dauer wiederum dazu, dass die Gegenparteien sich typische Verhaltensweisen zuschreiben, welche das Misstrauen begünstigen. Das gesteigerte Eigenwertgefühl wird von dem Bedürfnis begleitet, der Gegenseite zu imponieren, sie soll aber noch nicht beherrscht werden. Gespräche entwickeln sich auf dieser Stufe zu Debatten, bei denen versucht wird, dem Konfliktpartner so viele eigene Fehler und Unzulänglichkeiten wie möglich nachzuweisen, sogenannte Du – Botschaften. Durch solche Angriffe wird die gegenseitige Ablehnung weiter gesteigert. (S.241). Die Parteien sprechen sich gegenseitig nicht mehr als gleichwertig an, sodass auch die Symmetrie ihrer Beziehung verschoben ist (S.242). Es handelt sich um sogenannte gekreuzte Transaktionen, da die eine Seite die andere von oben herab anspricht, die andere Seite sich aber gar nicht in einer unterlegenen Position fühlt und dementsprechend anders reagiert. „Die Rollenbilder der beiden Parteien korrespondieren dann nicht miteinander“, was die Komplexität des Konfliktes steigert. (S.243). Als Beeinflussungsmethoden werden hauptsächlich noch verbale, rationale Methoden angewendet. Allerdings scheinen diese oft nur äußerlich logisch und beinhalten gewollte Denkfehler, zum Beispiel das Herstellen bewusst falscher Kausalität durch zeitliche Abfolge (S.244). Die Parteien selbst rationalisieren ihre Absichten, sie sind sich ihres Täuschungsverhaltens nicht immer bewusst. Auch der Ton ist geprägt von Überheblichkeit und Zurechtweisung und fördert die Polarisierung der Gruppen. Hinzu kommen noch weitere Beeinflussungsmethoden, die auf die Gefühle der Gegenseite abzielen, wie emotionelles Ablenken. Das bedeutet, dass „unbedeutende Aspekte aus dem Verhalten oder der Argumentationskette der Gegenseite […] über Gebühr aufgebläht und dann angegriffen [werden]. Mit dem Entkräften der angegriffenen Punkte wird dann vorgetäuscht, dass die Gegenseite auf der ganzen Linie geschlagen sei“. Auch hier kennt Glasl noch weitere Methoden (S.245). Die Kommunikation wird dadurch undurchsichtiger und Fehlinterpretationen somit wahrscheinlicher (S.246).

Stufe drei überschreibt Glasl mit „Taten statt Worte!“. Mit dieser Überschrift wird der wichtigste Unterschied zur zweiten Stufe bereits deutlich. Das Erscheinungsbild des Konfliktes ändert sich von rein verbalen Auseinandersetzungen zu Handlungen. (S.249). Die Schwelle zur dritten Stufe besteht in der deutlichen Intensivierung des Konfliktes durch den Einsatz gezielter Handlungen, wovor man auf der zweiten Stufe noch zurückgeschreckt wäre. Noch herrscht der Glaube das Problem gemeinsam mit den anderen Konfliktparteien lösen zu können, allerdings kommen bereits deutliche Zweifel daran auf (S.256). Auf der Ebene der Perzeptionen engt sich die Wahrnehmung auf typische zu erwartende Verhaltensweisen der Gegenseite ein (S.251). Für die Einstellungen und Intentionen gilt: Wo vorher noch ein Gleichgewicht geherrscht hat, verschiebt sich der Schwerpunkt der Motive nun zum Konkurrenzverhalten. Dabei geht jede Partei paradoxerweise davon aus, dass die andere Partei vor der Entschlossenheit der Gegenseite weichen wird, obwohl dies in den eigenen Denkmustern nicht zur Debatte steht. Das Ziel ist, die andere Partei in ihrem Vorankommen zu bremsen. Das Gefühl des eigenen Vorankommens trügt aber. Es entsteht durch die Verlagerung des Konflikts von der intellektuellen auf die intentionelle Ebene, von Worten zu Handlungen, obwohl die Parteien sich eigentlich weiterhin unbeweglich gegenüberstehen und blockieren. Durch dieses gegenseitige Blockieren wird den Parteien auch ihre Abhängigkeit voneinander deutlich, die jede Seite versucht in eine einseitige Abhängigkeit zu ihren Gunsten zu kehren. Die Geschlossenheit innerhalb einer Gruppe steigt weiter, wird aber zunehmend zu einem Druck zur Konformität, der abweichende Meinungen nicht zulässt (S.250). Eigene individuelle Gefühle werden zu Gunsten der Gruppe zurückgestellt, wodurch auch die Fähigkeit zur Einfühlung in die Gegenseite verloren geht. Dies bildet den Nährboden für die Ausbildung von Klischees. Jede Gruppe entwickelt für die Interaktion ihre eigene Sprache mit charakteristischen Ausdrücken, wie z.B. Fachtermini. Insgesamt rückt die verbale Kommunikation aber in den Hintergrund, sie scheint nicht mehr funktional zu sein (S.251). Durch die mangelnde Kommunikation haben die Gruppen keine andere Möglichkeit, als das Verhalten der Gegenseite zu deuten, wobei es aber oft zu Fehlinterpretationen kommt. Dies treibt die Polarisierung voran, weil die Parteien in einem Konflikt ihrer Gegenseite immer eher negative Absichten zuschreiben und dies durch Kommunikation nicht mehr korrigiert wird (S.252). Daher wirkt non-verbales Verhalten auch immer aggressiver, als es zwingend gemeint ist (S.254). Ein großer Teil der Kommunikation dient schließlich nur noch der post-factum Rechtfertigung (S.256). Dies spiegelt sich auch in den Beeinflussungsmethoden. Die Gruppen sind überzeugt mit Handlungen der Gegenseite die Richtigkeit ihrer Standpunkte demonstrieren zu können und den Konflikt so deutlich beschleunigt lösen zu können (S.251). Es kommt zu abwechselnden Drohgebärden, da keine der Seiten die Aktionen der anderen Seiten unbeantwortet lassen kann (S.252).

Stufe vier dreht sich um die Sorge um Image und Koalition. Mit dieser Stufe wird auch die Oberkategorie der win – win Situationen verlassen und zu den win – lose Situationen übergegangen (S.256). Die Perzeptionen beschreibt Glasl wie folgt: „Was die Gegenpartei ist, was sie denkt, fühlt und will, wird als Negativform zum eigenen Sein gesehen“ (S.257). Entsprechend dieser Wahrnehmung wird alles andere vernachlässigt, was nicht in das vorgefertigte Konzept hineinpasst. Die Wahrnehmung läuft verzerrt, wie durch einen Filter ab (S.259). So wird auch der Fokus der Wahrnehmung verschoben: Das Problem befindet sich nicht mehr auf sachlicher Ebene, sondern das Problem besteht in dem anderen Akteur an sich (S.264). Die Einstellungen und Intentionen auf Stufe vier sind nun nicht mehr die gemischten kooperativen und kompetitiven Einstellungen, sondern das Sichern der eigenen Existenz und Standpunkte durch die Niederlage des Gegners. „Die Einstellungen der Parteien werden in jeder Hinsicht rigoroser, starrer und aggressiver“ (S.256). Das Denken verläuft nach typischen schwarz-weiß Dualitäten (S.256). Dieses Denkmuster kann sich bis zum Fanatismus hin ausprägen. Die auf den vorigen Stufen entworfenen Ideen von typischen Verhaltensweisen der Gegenseite werden zu einem Gesamtbild von ihr zusammengesetzt, es entsteht ein fixierter Stereotyp. Dieser wird undifferenziert auf alle Mitglieder der Gruppe angewendet, den Individuen werden die kollektiven Eigenschaften der Gruppe zugeschrieben. Demgegenüber steht das eigene Selbstkonzept, die Parteien sind um ihre eigene Reputation sehr besorgt und bemüht. Dabei findet ein Prozess der Selbstüberhöhung statt, der das eigene Selbstbewusstsein stärken soll (S.257). Allerdings zielt sowohl die eigene Selbstbewertung als auch die Abwertung des Gegners noch nicht auf moralische Qualitäten ab, sondern nur auf Fähigkeiten, Stärken etc. Die Intentionen der Konfliktparteien sind auf dieser Stufe auf die Wahrung ihres Selbstbildes und ihren guten Ruf ausgerichtet (S.258). Die Interaktionen beziehen sich auf die auf Stufe zwei erläuterten gekreuzten Transaktionen. Diese werden verstärkt, da sich die beiden Gruppen durch ihr überhöhtes Selbstbild und das abgewertete Fremdbild noch deutlich weiter voneinander weg befinden und sich aus viel entfernteren Rollen ansprechen (S.259). Die Parteien drängen sich gegenseitig in bestimmte Rollen und fordern unbewusst Verhaltensweisen der anderen heraus, welche dann das Rollenbild bestätigen. Durch die aufgezwungenen Rollen fühlen sich beide Parteien in ihren Verhaltensmöglichkeiten eingeschränkt, die Rollenarrangements zu durchbrechen gelingt aber nur noch selten. Die Parteien sehen sich selbst in der Rolle des Reagierenden und machen den jeweils anderen für das eigene Verhalten verantwortlich, da ihnen keine andere Wahl gelassen wurde (S.260). Auf dieser Stufe wird in den Interkationen bereits nach Möglichkeiten gesucht, bestehende Normen zu durchbrechen. Zu den Interaktionen zwischen den streitenden Gruppen, kommen Interaktionen mit der Umwelt hinzu, denn auf dieser Stufe beginnt die aktive Image – Werbung der Parteien. Es werden Sympathisanten außerhalb des Konfliktes gesucht, die das eigene Selbstbild bestätigen sollen und vom Feindbild überzeugt werden sollen (S.262). Die eigene Gruppe soll durch Symbiosen (Befriedigung von Bedürfnissen, starke emotionale Bindung), Koalitionen (langfristige Nutzenmehrung) und Allianzen (kurzfristige Bündnisse bei akuter gemeinsamer Bedrohung) mit vorher neutralen Personen oder Gruppen vergrößert werden. Die Symbiosen stellen hierbei die häufigste Bündnisform dar (S.263). Bei den Beeinflussungsmethoden ist wichtig, dass der Gegner selbst beeinflusst wird, und erst im zweiten Schritt eine Klärung in Sachfragen angestrebt wird. „Weil die Glaubwürdigkeit einer Quelle die Glaubwürdigkeit eines Argumentes bestimmt, richten sich die Angriffe auf die Quelle, d.h. die Glaubwürdigkeit der Gegenspieler“. Allerdings werden auf dieser Stufe noch keine offenen Gesichtsverluste der Gegenseite provoziert (S.264).

Stufe fünf setzt an genau dieser Beeinflussungsmethode an. Das Hauptcharakteristikum, nach welchem Glasl diese Stufe sogar benennt, ist der Gesichtsverlust (S.266). Dieser Schritt macht den Weg zurück so gut wie unmöglich. Stattdessen wird dadurch die eskalative Abwärtsdynamik des Konfliktgeschehens beschleunigt. Gab es vorher noch teilweise Ambivalenzen gegenüber den Gegnern, können diese nun gar nicht mehr gehalten werden. Der Schritt zu Stufe fünf gehört zu den einschneidensten Schritten von Glasl Eskalationsphasen (S.277). Auf der Ebene der Perzeption bedeutet der Gesichtsverlust, dass man das wahre Wesen des Gegners aufdeckt. Man demaskiert ihn und seine eigentlichen Absichten und Intentionen (S.266). Die gesamte Identität der Gegenpartei wird in Frage gestellt, seine moralische Glaubwürdigkeit und Integrität eingeschlossen. Dies hat auch einen rückwirkenden Effekt, sodass bereits vergangene Erfahrungen neu gedeutet werden, und somit das Gefühl suggeriert wird, schon jahrelang von einer vorgegebenen falschen Identität der Gegenseite absichtlich getäuscht wurden zu sein (S.267). Diese Wahrnehmung kann sich zu einer „verschwörungstheoretischen Mythenbildung von der grundsätzlichen Immoralität des Gegners“ ausweiten (S.268). Positive Erinnerungen aus der Vergangenheit werden vollständig überlagert und das Selbst- und Fremdbild entfernt sich noch weiter voneinander. Auf die Transaktionsanalyse bezogen entfernen sich daher auch die Ebenen, von denen die Parteien zueinander sprechen nochmal weiter voneinander. Die moralischen Dimensionen, in denen man sich und die Gegenparteien wiederfindet, sind auf dieser Stufe völlig übersteigert (S.268). Damit geht auch eine Ideologisierung des Konfliktgeschehens einher. Die Weltbilder der Parteien, ihre Werte, Ideen und Ideale scheinen unvereinbar geworden zu sein (S.269). In den Einstellungen und Intentionen zeigt sich, dass zwischen den Konfliktparteien jegliches Vertrauen verloren gegangen ist. Sie erwarten voneinander nur noch Negatives und es bedarf mehrfacher Beweise um einer positiven Absicht des Gegners Glauben schenken zu können. Die Einstellungen aller Parteien lassen sich wie folgt charakterisieren: die eigene Gruppe hat in der Vergangenheit bereits oft genug Kooperationswillen gezeigt, nun sei es am Anderen Wohlwollen zu zeigen. Somit trägt auch die Gegenseite die Schuld am Stagnieren der Situation. Diese Frustration hat einen Vergiftungseffekt, der lange nachwirkt und einer Lösung des Konfliktes entgegensteht (S.270). Die empfundene Ablehnung für die Gegner kann so weit gehen, dass die Parteien körperliches Unwohlsein in der Gegenwart der Gegner empfinden. Sie wird dadurch weiter gesteigert, dass die Konfliktparteien sich in einer „Echo – Höhle“ befinden. Die direkte Kommunikation zu den anderen Gruppen ist nach dem Gesichtsverlust abgeschnitten, so hört jeder nur das eigene Klagen und das seiner eigenen Anhänger, welches wie eine Bestätigung von außen erscheint. Außerdem wird der Wertekonflikt, der sich in der vergangenen Stufe ausgebildet hat, weiter gesteigert (S.271). Für die Interaktion und Kommunikation nach außen ist die Rehabilitation des Gesichtsverlustes das Wichtigste. (S.271). Die Außenstehenden werden zur richterlichen Instanz, welche Partei sich angemessen und welche sich unangemessen verhalten hat. Es wird deutlich verlangt Stellung zu beziehen. Der soziale Rahmen des Konfliktes erweitert sich dadurch (S.276). Innerhalb der Gruppen entsteht durch die starken Gesichts – Kämpfe eine „Schuld – Symbiose“. Man hat sich in der Auseinandersetzung und zur Degradierung des Gegners nicht nur annehmbaren, fairen Mitteln bedient und ist somit innerhalb der Gruppe zu Komplizen geworden (S.274). Die Beeinflussungsmethoden bestehen aus weiteren Gesichtsangriffen, vor allem von den Parteien, welche sie schon erlitten haben. Allerdings gehen hier alle Seiten das Risiko ein, bei einem solchen Versuch entlarvt zu werden, was ihre Immoralität in der Öffentlichkeit beweisen würde. Daher wird oft die Methode angewandt den Gegner durch Provokation soweit zu bringen, dass er sein Gesicht in einer Art Wutanfall selbst verliert (S.272).

Stufe sechs ist nach ihren Beeinflussungsmethoden betitelt: Drohstrategien und Erpressung. Sowohl Gewaltdenken, als auch Gewalthandeln werden zu normalen Charakteristika des Konfliktes und alle Seiten bedienen sich erpresserischer und extremer Drohstrategien um einander zu beeinflussen (S.277). Beide Parteien verlieren zunehmen die Kontrolle über das Konfliktgeschehen (S.289). Drohmanöver werden insgesamt nur solange eingesetzt, wie es beiden Seiten im Grunde noch darum geht Gewalt zu verhindern, denn ansonsten würden sie ohne Drohungen direkt handeln (S.292). Die Perzeptionen sind auf die Bedeutung der Drohung für die eigene Gruppe beschränkt, die Fähigkeit, die Situation aus dem Blickwinkel der anderen Gruppe zu betrachten, ist verloren gegangen. Das Konfliktgeschehen löst auf dieser Stufe starken Stress bei den Beteiligten aus, sie fühlen sich durch die Drohungen gegenseitig unter Druck gesetzt, reagieren zu müssen. Irrationale, vorschnelle Entscheidungen nehmen daher zu (S.279). Gleichzeitig ist aber der soziale Konfliktrahmen bereits so groß, dass die Folgen einer Handlung für den/die Ausführenden gar nicht mehr überschaubar sind (S.280). Die Selbst- und Fremdbilder bleiben so, wie auf Stufe fünf beschrieben. Das wahrnehmbare Verhalten des Gegners rückt in den Vordergrund, da es auf der sechsten Stufe besonders aggressiv ist. Dabei bleibt auch die Rollenzuschreibung (aktiv/passiv) wie auf Stufe fünf erläutert (S.281). Die Einstellungen und Intentionen ändern sich weiter. Die beteiligten Parteien haben im Laufe des Konfliktes schon so viel Frustration erfahren, dass nun die Überzeugung vorherrscht, sich nur mit Unbeugsamkeit durchsetzen zu können. Sie stellen dabei aber gleichzeitig gegenseitig extreme ja-nein-Forderungen, die keine Zwischenlösung zulassen (S.282). Dem Drohen liegt ein paradoxes Denkmuster zugrunde. Der eigentliche Zweck einer Drohung ist, den/die GegnerIn von einer Gewalthandlung abzuhalten. Es wird Gewalt in Aussicht gestellt, um eigentlich eben jene Gewalt nicht nutzen zu müssen. Außerdem dienen Drohungen oft dazu, Aggressionen zu legitimieren, da der/die GegnerIn ja vermeintlich die Chance hatte sich zu fügen und nun ein Angriff gerechtfertigt werden kann. Im Empfinden des/der Bedrohten steckt dieses Motiv hinter jeder Drohung. Die Antizipation ist von Pessimismus geprägt und der/die Bedrohte meint, deutlich größere Aggression auf der Gegenseite zu bemerken, als zwangsläufig vorliegt und reagiert dementsprechend mit noch mehr Härte. Irrationalität wird dabei auch bewusst eingesetzt, um zu demonstrieren, dass man nicht mehr beeinflussbar ist und nicht nachgeben wird (S.284). Auch die Interaktionen sind vom Drohverhalten der Beteiligten bestimmt. Die Interaktion verläuft dabei wechselseitig: auf Drohung folgt Gegendrohung und immer so weiter (S.278). Innerhalb der Gruppen findet eine gegenseitige Verstärkung statt, weshalb Gruppenreaktionen immer heftiger ausfallen, als einzelne Individuen reagieren würden. Genau so läuft auch die Koalitionsbildung schneller und radikaler ab (S.290). Für die Beeinflussungsmethoden gibt es mehrere Optionen. Eines der beliebtesten Drohmanöver, vor allem für die unterlegene, machtlosere Seite, ist das Einschalten der Öffentlichkeit, um dem/der GegnerIn einen Image – Schaden zuzufügen (S.282). Das weitreichendste Problem an Drohmanövern ist, dass ihnen immer mit einer noch stärkeren Drohung geantwortet werden muss. Dies wird durch die Ohnmacht unterstützt, die der/die Bedrohte fühlt, wenn er einem radikalen Ultimatum ausgesetzt ist. Ohnmacht bewirkt Angst und irrationale Wut und es entsteht das Ziel, sich um jeden Preis aus dieser Ohnmacht zu befreien (S.283). Damit eine Drohung wirkt, muss sie in der Wahrnehmung des/der Bedrohten proportional zur diskutierten Sache und seinen Handlungsmöglichkeiten sein. Die Glaubwürdigkeit der Drohung und des/der Drohenden sind der wichtigste Aspekt eines Drohmanövers. Um diese zu steigern gibt es verschiedene Möglichkeiten der Selbstbindung des/der Drohenden an seine Drohung, wie zum Beispiel die öffentlichkeitswirksame Festlegung auf konkrete Sanktionen. Der/ die Bedrohte prüft außerdem die Sanktionsfähigkeit und – kapazitäten des/der Drohenden, sowie seine/ihre Bereitschaft eigenen Schaden in Kauf zu nehmen. Zur Orientierung nutzt er/sie dabei vor allem das Verhalten des/der BedroherIn in der Vergangenheit (S.288).

[...]

Ende der Leseprobe aus 100 Seiten

Details

Titel
Koalitionskonflikte aus der Sicht von Bundestagsabgeordneten
Untertitel
Eine qualitative sozialpsychologische Untersuchung
Hochschule
Universität Bremen
Note
1,7
Autor
Jahr
2019
Seiten
100
Katalognummer
V1012506
ISBN (eBook)
9783346407184
ISBN (Buch)
9783346407191
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Koalitionskonflikte Bundestag Qualitative Forschung Mayring Glasl
Arbeit zitieren
Master of Science Christien Budde (Autor:in), 2019, Koalitionskonflikte aus der Sicht von Bundestagsabgeordneten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1012506

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