Eine kurze Beobachtung darüber, wie Frauen in zwei der berühmtesten Werke der Weltliteratur durch ihre Entscheidungen und Handlungen ihre Macht missbrauchen und versuchen, den Ehrgeiz ihrer Männer zu maximieren und damit das größte Unheil im Laufe der Narrative anrichten.
Essay zu Frauen mit Ehrgeiz in Shakespeares „Macbeth“
William Shakespeares berühmtes Stück „The Tragedy of Macbeth“ von 1605/1606 handelt von einem ehrgeizigen Krieger, der, angetrieben von einer Prophetie und einer entschlossenen Ehefrau, mit Mord und List den Thron Schottlands erringt. Gleichzeitig wird er immer wieder so von Unsicherheit und übernatürlicher Paranoia geplagt, dass er sogar seinen Freund und Mitstreiter Banquo tötet, weil diesem prophezeit wurde, dass seine Nachkommen den Thron erben würden. Als Lady Macbeth schließlich Suizid begeht, wird Macbeths Unsicherheit noch stärker und kann auch nicht mehr gebannt werden. Eine Prophetie nach der anderen geht in Erfüllung, bis schließlich sogar die letzte erfüllt ist und Macbeth von dem rechtmäßigen Thronerben Macduff getötet wird. Ehrgeiz ist hier ein zentrales Thema, und es lässt sich diskutieren, ob und wie dieser Ehrgeiz anders verwaltet hätte werden müssen, um dem Drama zu entgehen, das sich vor dem Publikum entfaltet.
Aber eigentlich ist dieses Stück eine hervorragende Anwendung des biblischen Prinzips, dass der Sünde Lohn der Tod ist (Römer 6, 23). Es mag nicht so sehr der Ehrgeiz sein, der die Sünde hier darstellt, trotz gegenteiliger Diskussionen, sondern vielmehr das Verwalten des Ehrgeizes. Von großer Wichtigkeit ist die Frage, wem man mit seinem Ehrgeiz Gehör schenkt. Denn noch bevor die Hexen im ersten Akt Macbeth mit „Thane of Cawdor“ begrüßen, befiehlt Duncan, König von Schottland, dass Macbeth mit diesem Titel begrüßt werden soll.1 Inwiefern das wiederum von den Hexen initiiert ist, bleibt unbekannt, denn das Stück beginnt mit einer rätselhaften Séance der Hexen, bevor es auf den König von Schottland schwenkt. Natürlich weiß Macbeth noch nichts davon, doch die Zukunft, die ihm in den Worten der „weird sisters“ geboten wird, reizt ihn mehr als jeder langsame Aufstieg durch die Ränke. Denn obwohl Macbeth mit den Worten „the Thane of Cawdor lives, / A prosperous gentleman; and to be King / Stands not within the prospect of belief” auf die Weissagung der Hexen antwortet, scheint diese doch ganz schnell „within the prospect of belief“ für ihn zu kommen.2 Das ist wahrscheinlich ausgelöst durch die schnelle Bestätigung der ersten Prophetie. Banquos Reaktion auf die Nachricht von Macbeths tatsächlicher „Beförderung“ lautet ganz treffend „What! Can the Devil speak true?“3, denn in echter Tradition der Verführung fängt die Verzauberung zuerst mit einem Körnchen Wahrheit und einer subtilen Ladung Zweifel an.
In der Geschichte des Sündenfalls des Menschen in Genesis 3 verführt die Schlange die Frau mit der Frage „Hat Gott wirklich gesagt: Ihr sollt nicht essen von jedem Baume des Gartens?“ (Gen. 3,1) und fährt fort mit der Wahrheit, die die Lüge vertuscht: „Mit nichten sollt ihr sterben! sondern Gott weiß, daß, welches Tages ihr davon esset, eure Augen aufgetan werden, und ihr sein werdet wie Gott, erkennend Gutes und Böses.“ (Gen 3, 4-5) Die Antwort auf Banquos Frage lautet hier also: ja, der Teufel kann die Wahrheit sagen, wenn man den Zusammenhang nicht beachtet, in dem er spricht. Denn obwohl in Genesis 3 die Folgen des Sündenfalls tatsächlich unter anderem sind, dass Mann und Frau plötzlich erkennen, dass sie etwas Böses getan haben – was vorher noch nie geschehen war – und dass sie ein neues Bewusstsein ihrer Nacktheit bekommen haben (Gen 3,7 und 10), wird die große Lüge oft außer Acht gelassen: Adam und Eva werden tatsächlich sterben. (Gen 3, 19)
Interessanter Weise sind es sowohl in der biblischen Geschichte des Sündenfalls als auch in Shakespeares „Macbeth“ die Frauen, die anscheinend den Ehrgeiz der Männer schüren und ihnen zu Entscheidungen und Handlungen verhelfen, die sie am Ende ins Verderben stürzen. Eva wird oft verteufelt und gleichzeitig als unglaublich naiv dargestellt, doch ist sie in dieser Narrative nicht mehr und nicht weniger beteiligt an dem Vergehen, die Lüge zu glauben und die Frucht des verbotenen Baumes zu essen. Adam, gleichfalls, wird immer wieder entweder als unterjochter, von der Frau verführter und betrogener Mann und dann wiederum als ungeheurer Patriarch dargestellt. Beide jedoch haben sich unabhängig voneinander entscheiden können, von der Frucht zu essen oder nicht. Dass aber die Frau eine essenzielle Rolle in beiden Narrativen spielt, lässt sich nur bestätigen. Meine Theorie ist jedoch, dass sowohl Lady Macbeth als auch Eva eine Position innehaben, die sie beide nur unzureichend ausfüllen. Zugegebener Maßen haben sie großen Einfluss auf die Männer. Doch anstatt mit Achtsamkeit diese Position einzunehmen und negativen Einfluss zu verhindern, werden Lady Macbeth und Eva beide zu Trägern dieser negativen, zerstörerischen Art und Weise, mit Ehrgeiz umzugehen, was am Ende ihrer aller Leben kostet.
Die Ausgänge dieser Geschehnisse sind eindeutig. Menschen werden ermordet, und selbst die unbarmherzige Lady Macbeth bleibt nicht unberührt davon. Im Schlafwandel durchlebt sie immer wieder die Nacht, in der sie und Macbeth den König Duncan ermordet haben, sie drischt verbal weiter auf Macbeth ein, auch wenn dieser es nicht hören kann. „Hell is murky. – Fie, my Lord, fie! a soldier, and afeard? – What need we fear who knows it, when none can call our power to accompt?”4 Schließlich bringt sie sich wegen ihrer Wahnvorstellungen um, sodass ein Macbeth zurück bleibt, der seine Machtposition alleine verteidigen muss – und scheitert. Sein „hereafter“ des Herrschens ist eingetreten, aber er kann nicht einmal die Königin betrauern kann.5 Er erkennt diesen Moment des „hereafter“ jedoch nicht, denn obwohl die Hexen ihn „hereafter“ zum König prophezeiten, lamentiert Macbeth, dass Lady Macbeth noch länger hätte durchhalten sollen. Denn seine Erwartung des „hereafter“ ist wahrscheinlich ein Punkt, in dem seine Position gefestigt und all seine eigenen Unsicherheiten und Ängste beseitigt sind.
Mit dem Tod der Lady Macbeth stellt sich die Frage, ob der Preis des Lebens den Gewinn der Macht wert war. Und ob man es tatsächlich als Gewinn werten kann, eine verbotene Frucht geschmeckt und Erkenntnis über Gut und Böse erlangt zu haben bzw. die Königsposition für eine kurze Zeit innezuhaben. Vor allem auch im Zusammenhang mit Banquo drängt sich immer wieder die Frage der Nachkommen auf. Denn dieser bekommt die Prophetie von den „weird sisters“, dass er „not so happy, yet much happier“ sein soll als Macbeth.6 Obwohl Macbeth „hereafter“7 König werde, sollen doch Banquos Kinder für Generationen diese Position einnehmen. Die Frage der „legacy“ bleibt im Zusammenhang mit Ehrgeiz immer bestehen: Was geschieht, wenn das Angestrebte erreicht ist? Wer wird das Königreich, durch Ehrgeiz errungen, einmal weiterführen? Was sind die Konsequenzen der eigenen Taten, mit denen die folgenden Generationen leben müssen?
[...]
1 Shakespeare, Macbeth. Erster Akt, Dritte Szene, Vers 50.
2 Ebd. Vers 72-74.
3 Ebd. Vers 108.
4 Ebd. Fünfter Akt, Erste Szene, Vers 34-36.
5 Ebd. Fünfter Akt, Fünfte Szene, Vers 16-17.
6 Ebd. Erster Akt, Dritte Szene, Vers 66.
7 Ebd. Vers 50
- Arbeit zitieren
- Josefine Stahl (Autor:in), 2019, Frauen mit Ehrgeiz in Shakespeares "Macbeth", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1012538