Kafka, Franz - Die Verwandlung


Exposé / Rédaction (Scolaire), 2001

14 Pages, Note: 1


Extrait


Einleitung

„Die Verwandlung“, die längste Erzählung Kafkas, entstand zwischen dem 17.11.1912 und dem 6.1.1913.

Sie erschien erstmalig in der Monatszeitschrift „Die weißen Blätter“ im Jahr 1915.

Der Autor korrespondiert in dieser Zeit mit seiner Verlobten Felice Bauer. Von Anfang bis Ende der Niederschrift der Geschichte teilt er ihr seine Gedanken, Zweifel und Gefühle in allen Abschnitten mit.

In der vorliegenden Arbeit habe ich versucht, „Die Verwandlung“ allgemein und im zweiten Teil die Familienverhältnisse und die Arbeit Kafkas darzustellen, die von ihm mit dem Leben von Gregor in der Geschichte in Verbindung gesetzt wird.

Im letzten Teil erläutere ich noch kurz Kafkas Schreibstil bzw. -form.

Der Autor

Franz Kafka wurde am 3.Juli 1883 als ältestes Kind des Kaufmanns Hermann Kafka und seiner Ehefrau Julie, geborene Löwy in Prag geboren.

Seine Familie stammte väterlicherseits aus Südböhmen und übersiedelte dann nach Prag. Seine Mutter stammte aus einer reichen und gebildeten deutsch-jüdischen Familie.

Obwohl der Vater in einem tschechisch-jüdischen Milieu aufgewachsen war, orientierte sich die Familie im Verlauf der Prager Zeit - wie die meisten dort lebenden Juden - an der deutschen Sprache und Kultur.

Kafka hatte noch drei jüngere Geschwister Valli (1890), Ottla (1892) und Elli(1899).

Alle Kinder wurden in deutsche Schulen geschickt und beherrschten die deutsche Sprache vorrangig vor der tschechischen.

Ab 1893 besuchte Kafka das staatliche Gymnasium auf dem Altstädter - Ring und machte dort das Abitur.

Anschließend studierte er Jura an der Prager Universität und hörte sich auch Vorlesungen in den Fächern Germanistik und Kunstgeschichte an. 1906 schloß er das Rechtsstudium mit der Promotion zum Doktor der Rechte ab und begann am 30. Juli 1908 in der Arbeiter - Unfall - Versicherungs - Anstalt zu arbeiten, wo er bis zum Ausbruch seiner Krankheit blieb.

Ab 1907 begann er zu schreiben und 1910 erschien eine Auswahl kürzerer Prosatexte unter dem Titel „Betrachtungen“.

Er besuchte gelegentlich Theatervorstellungen, bei denen er seine besten Freunde Marx Brod, Felix Weltsch und Oskar Baum kennenlernte.

Das Jahr 1912 gehörte zu den produktivsten Jahren in Kafkas Leben. Zu dieser Zeit wurde er mir Felice Bauer bekannt, verlobte sich mit ihr und löste diese Verlobung aber wieder.

Schwankend, wie seine Beziehungen zu Frauen waren, wiederholte er die Verlobung mit Felice Bauer später noch einmal; aber auch sie endete in der Trennung. So ging es mit allen Beziehungen, die Kafka mit Frauen anknüpfte, auch mit der später wieder gelösten Verbindung mit Julie Wohryzek. Anders war es nur mit der Lebensgefährtin seiner letzten Jahre, Dora Diamant.

Im Herbst 1912 entstanden Kafkas erste große Werke:

Die Erzählung „Das Urteil“, das Romanfragment „Der Verschollene“ und die Erzählung „Die Verwandlung“.

Außerdem begann er mit der Niederschrift des Romans „Der Prozeß“. 1919 veröffentlichte er „Ein Landarzt“ und „In der Strafkolonie“.

Im Laufe der Jahre schrieb er „Das Schloß“ und „Ein Hungerkünstler“, um die u.a. wichtigsten Niederschriften zu erwähnen.

Am 1. Juli 1922 wurde Kafka pensioniert, und 1923 siedelte er von Prag nach Berlin.

Kafka starb am 3. Juni 1924 nach bereits einigen vorausgegeangen Kliniksaufenthalten in einem Sanatorium an Tuberkulose und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Prag - Straßschnitz bestattet.

Viele von Kafkas Werken sind nicht erhalten geblieben; ein Teil der Handschriften wurde auf seine Anordnung von Dora Diamant verbrannt. Max Brod hingegen rettete einen großen Teil von Kafkas Schriften und begründete als Herausgeber der Werke seines Freundes dessen Weltruhm.

Inhaltsangabe

Der Reisende Gregor Samsa lebt mit seinen Eltern und der jüngeren Schwester Grete zusammen in einem kleinen Haus.

Eines Morgens wacht er auf und stellt fest, daß er sich in ein Ungeziefer verwandelt hat. Da er der „Ernährer“ der Familie ist und auf Grund seines käferartigen Zustandes nun nicht mehr arbeiten kann, müssen die anderen mittlerweile schon faulen und alten Familienmitglieder für den Unterhalt sorgen.

Gregor zieht sich immer mehr in sein Zimmer zurück und nur seine Schwester kümmert sich noch um ihn und stellt ihm etwas zu essen bereit. Seine Eltern ekeln sich vor ihm, ja sein Vater bewirft ihn sogar einmal mit Äpfeln, um ihn aus dem Wohnzimmer zu vertreiben und fügt ihm dabei eine schwere Wunde zu.

Auch Grete lässt ihn immer mehr im Stich und beschließt mit der Mutter zusammen Gregors Zimmer auszuräumen, da sie ihn ebenfalls nicht mehr dulden möchte. Letztlich ist sie es, die davon spricht „es“ zu beseitigen. Während eines Violinenspieles der Schwester für die drei Untermieter des Hauses wagt sich Gregor aus seinem Zimmer hinaus um zuzuhören. Wieder wird er unter heftigen Vorwürfen zurückgetrieben und stirbt schließlich hinter der zum Schutz verschlossenen Tür an seinen Wunden.

Charakterisierung der Personen

Gregor: Die Verwandlung

Die Verwandlung ist nicht gleich von Anfang an abgeschlossen, obwohl sich seine Gestalt bereits in einen Käfer umgewandelt hat. Allerdings gewöhnt er sich erst im Laufe der Zeit daran, seine Fühler zu gebrauchen und auch zu akzeptieren, dass er Dinge immer undeutlicher sieht.

Ebenso passen sich die Eßgewohnheiten der neuen Gestalt erst langsam an.

Anfangs hofft Gregor noch, die alte Situation wieder herstellen zu können, muss dann aber einsehen, dass das auf Grund seiner äußerlichen Verwandlung nicht möglich ist.

Zuerst dominiert die Verdrängung („er war gespannt, wie sich seine heutige Vorstellungen allmählich auflösen würden“) doch dann beschließt er, seine Umwelt mit der Käfergestalt zu konfrontieren („er war begierig zu erfahren, was die anderen...bei seinem Anblick sagen würden“).

Die Umwelt reagiert nämlich nur auf die aüßere Verwandlung, die innere bleibt ihr vorenthalten.

Vater: 2. Kapitel:

Der Vater ist sehr faul und außerdem auch träge. („Öfters fragte die Schwester, ob er Bier haben wolle, und herzlich erbot sie sich, es selbst zu holen.“) Er genießt das „arbeitsfreie“ Leben („Nun aber war der Vater ein zwar gesunder, aber alter Mann, der schon seit fünf Jahren nichts gearbeitet hatte“), da er sich ausschließlich auf das Einkommen Gregors verlassen hat. Dieser „verdiente so viel Geld, daß er den Aufwand der ganzen Familie zu tragen imstande war und auch trug“.

Gregor ist für ihn nur ein „Mittel zum Zweck“.(„Man hatte sich eben daran gewöhnt, nahm das Geld dankbar an...aber eine besondere Wärme wollte sich nicht mehr ergeben“) Allerdings ändert sich der Vater nach Gregors Verwandlung zusehends und „verwandelt“ sich beinahe selbst. Vielleicht ist es bei ihm aber eher eine Art Rückverwandlung.

Er wird aktiver, weil er ebenfalls wie die beiden anderen Familienmitglieder Geld verdienen muss. Dadurch ist er wieder selbstbewusster geworden und verkörpert ein bisschen den dominanten, strengen Vater, den Gregor aus seiner Kindheit kennt.

Die Strenge spiegelt sich in seiner angewandten Gewalt gegenüber Gregor wider. Man kann aber vermuten, dass, die Gewalt nur ein Schutzschild seiner Angst ist.

Er ist also vollkommen in seine frühere Autoritäts - Rolle zurückgefallen.

Mutter: 2. Kapitel

Gregors Mutter macht sich große Sorgen um die Gesundheit ihres Sohnes. Sie unternimmt alles, dass Gregor gesund wird. Sie hat die typischen Gefühle, die eine Mutter ihrem Kind gegenüber empfindet. (z.B. will sie sofort den Arzt rufen) Ihrem Mann gegenüber ist sie gehorsam und ordnet sich unter, da sie sich vor ihm fürchtet.

Den Grund für die Verwandlung ihres Sohnes in einen Käfer sieht sie darin, dass ihr Sohn Probleme mit dem Geschäft hat und hofft, nach einer gewissen Zeit werde sich sein Zustand verbessern. („Wenn er wieder zu uns zurückkommt, alles unverändert findet und um so leichter die Zwischenzeit vergessen kann.“)

Nach Gregors Verwandlung ist die sonst so ruhige und sanfte Frau selbstbewußter und eigenständiger geworden. („Laßt mich doch zu Gregor, er ist ja mein unglücklicher Sohn! Begreift ihr denn nicht, daß ich zu ihm muß?“) Grete und der Vater erlauben ihr nicht, Gregor zu sehen, weil „sie an Asthma litt,... und jedem zweiten Tag in Atembeschwerden auf dem Sopha beim offenen Fenster verbrachte“. Gregors Anblick könnte ihren Zustand (nämlich) verschlechtern. Allerdings ist sie doch immer relativ machtlos gegenüber ihrem Mann und Grete. („Und so ließ sie sich von ihrem Entschluß durch die Mutter nicht abbringen.“)

Dem Dienstpersonal gegenüber ist sie jedoch die Stärkere.

Schwester: 2. Kapitel

Die Tochter der Eheleute Samsa ist die siebzehnjährige Grete. Sie ist ziemlich verwöhnt d.h. „ihre bisherige Lebensweise...die daraus bestanden hatte sich nett zu kleiden, lange zu schlafen, in der Wirtschaft mitzuhelfen, an ein paar bescheidenen Vergnügungen sich zu beteiligen und vor allem Violine zu spielen“ ist nicht sehr arbeitsreich.

Allerdings ist sie ansatzweise aber auch intelligent und entwickelt nach Gregors Verwandlung einen ausgeprägten Egoismus. („Aber die Schwester war leider anderer Meinung; sie hatte sich...angewöhnt, bei Besprechungen der Angelegenheiten Gregors als besonders Sachverständige gegenüber den Eltern aufzutreten.“)

Sie hat ihre Angst vor Gregor überwunden und kümmert sich als Einzige um ihn, indem sie ihm jeden Abend etwas zu essen bringt und versucht, ihn nicht ganz zu isolieren.

Auch sie macht eine deutliche Wandlung durch, da aus diesem „etwas nutzlosen Mädchen“ plötzlich ein eigenständiger und vor allem selbstsicherer Mensch wird.

Alle zusammen: 3. Kapitel

Gregor macht sich viele Gedanken um seine jetzige Situation. Er möchte der Schwester keine Angst machen und ebensowenig der Mutter, obwohl er fast überhaupt nicht mehr wahrgenommen wird.

Grete erledigt die Reinigung seines Zimmers nur noch flüchtig und später werden der Abfall und unnütze Möbelstücke bei ihm deponiert. („...infolge des Staubes, der in seinem Zimmer überall lag und bei der kleinsten Bewegung umherflog, war auch er ganz staubbedeckt ; Fäden, Haare, Speiseüberreste schleppte er auf seinem Rücken und an den Seiten mit sich herum;“)

Gregor nimmt nur „wenig Rücksicht auf die anderen; früher war diese Rücksichtnahme sein Stolz gewesen.“

Dieses Verhalten zeigt, dass er mehr und mehr an seinen nahenden Tod denkt, da er sich durch solche „Aktionen“ in Gefahr begibt und diesen auch nicht scheut.

Während des Violinenspieles will er die Musik „nicht mehr aus seinem Zimmer lassen, wenigstens nicht, solange er lebte“, denn er ist der Einzige, der die Musik versteht.

Der Vater stimmt seiner Tochter zum ersten Mal zu, als sie sagt:“...so geht es nicht weiter. Wenn ihr es nicht einseht, ich sehe es ein. Ich will vor diesem Untier nicht den Namen meines Bruders aussprechen, und sage daher bloß: Wir müssen versuchen, es loszuwerden. Wir haben das Menschenmögliche versucht, es zu pflegen und zu dulden, ich glaube, es kann uns niemand den geringsten Vorwurf machen.“

Mit der Zustimmung des Vaters rechnet Grete nicht, aber es beweist, dass der Vater wieder in seine alte Rolle verfällt und nicht mehr der alles bestimmende Tyrann ist.

Die Mutter hat zwar immer noch Gefühle für ihren Sohn, ist aber wie immer den beiden anderen unterlegen. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich sogar, weil sie alles nicht mehr ertragen kann.

„Die Mutter ist generell Reagierende; die Reaktionsmuster, denen sie dabei gehorcht, sind die typischen bürgerlichen des späten 19. Jahrhunderts.“

Nur der Vater und Grete sind erleichtert über den Tod.

Gregor beobachtet Gretes Änderung ihrer bisherigen Lebensweise mit einer gewissen Schadenfreude. „...verkörpert Grete doch ganz selbstverständlich all das, was Gregor - als Ernährer der Familie immer unter Leistungsdruck - nicht sein durfte. Hat Gregor an den Vater die Macht über die Familie rückübertragen, so an Grete den Zwang der Nützlichkeit; und damit an beide die Verantwortung.“

Grete trägt ihren Hals „seitdem sie ins Geschäft ging, frei ohne Band oder Kragen“ d.h. alles Kindliche ist von ihr abgefallen.

Gleichzeitig entwickelt sie aber auch die gleiche Herrschsucht, die Gregor als „Ernährer“ der Familie ausgezeichnet hat.

Auseinandersetzung mit einem Problem

Die Verwandlung in einen Käfer bzw. Ungeziefer ist für Gregor nur sehr schwer zu akzeptieren und er gewöhnt sich auch nur langsam an das „anstrengende kriechen...und die immer undeutlicheren Dinge“, die er sieht. Da Gregor nicht mehr verständlich sprechen kann, ist es ihm unmöglich, seine Gefühle und Gedanken mitzuteilen. Das führt letztendlich zum Entschluss der Familie „es“ zu beseitigen, „wenn er uns verstünde...wäre vielleicht ein Übereinkommen mit ihm möglich. Aber so - Er kann sich deshalb nicht wehren, als Grete und seine Mutter das Zimmer ausräumen wollen. „...daß der Mangel jeder unmittelbaren Ansprache, verbunden mit dem einförmigen Leben inmitten der Familie, im Laufe dieser zwei Monate seinen Verstand hatte verwirren müssen, denn anders konnte er es sich nicht erklären, daß er ernsthaft danach hatte verlangen können, daß sein Zimmer ausgeleert würde.“

Sie nehmen ihm sogar seinen einzigen Erinnerungen an sein menschliches Leben, indem seine Möbel weggeschafft werden.

Die Familie kann und will nicht mit Gregors neuer Identität umgehen. Jeder geht ihm aus dem Weg bzw. besucht ihn nicht in seinem Zimmer, in das er eingesperrt ist.

Langsam aber sicher stirbt Gregor.

Er ist nichts mehr und die Wunde, die ihm sein Vater durch das Bewerfen mit Äpfeln zugefügt hat, entzündet sich immer heftiger.

Gregor war der Einzige der Familie Samsa, der Geld verdiente und die Kosten für den Haushalt übernahm.

Durch sein Ausfallen im Beruf ist die Familie dazu gezwungen, selber für Geld zu sorgen.

Der Vater ist Diener in einem Bankinstitut, die Mutter arbeitet als Schneiderin und seine Schwester verdient Geld als Verkäuferin „lernte am Abend Stenographie und Französisch, um vielleicht später einmal einen besseren Posten zu erreichen".

In einer gewissen Weise haben diese drei Personen also auch eine „Verwandlung“ erfahren müssen. (s. auch „Charakterisierung der Personen“) Gregor hört das Gespräch zwischen den Eltern und der Tochter, als sie beschließen „ihn zu beseitigen“.

Für ihn gibt es kein weiteres Überleben außerhalb seiner geliebten Familie. „Er hatte zwar Schmerzen im ganzen Leib, aber ihm war, als würden sie allmählich schwächer und schwächer und würden schließlich ganz vergehen. Den verfaulten Apfel in seinem Rücken und die entzündete Umgebung, die ganz von weichem Staub bedeckt waren, spürte er schon kaum. An seine Familie dachte er mit Rührung und Liebe zurück. Seine Meinung darüber, daß er verschwinden müsse, war womöglich noch entscheidender, als die seiner Schwester Dann sank sein Kopf ohne seinen Willen gänzlich nieder, und aus seinen Nüstern strömte sein letzter Atem schwach hervor.“

Gregors Tod erleichtert die Familie.

Diese macht einen Ausflug und den Frühling erleben die drei als eine bürgerliche Ausfahrt ins Freie vor die Stadt.

„Diese Fahrt ins Freie ist also grade keine Fahrt in irgendeine Freiheit, sondern die feierliche Bekräftigung der wiederhergestellten allgemeinen Selbstzufriedenheit.“

Das Kafka Gregor in ein Ungeziefer verwandelt hat autobiographische Hintergründe:

Kafkas Vater bezeichnete z.B. seinen Freund, den Schauspieler Löwy als Ungeziefer.

„Ohne ihn zu kennen, verglichst Du ihn in schrecklicher Weise, ...mit Ungeziefer, und wie so oft für Leute, die mir lieb waren, hattest Du automatisch das Sprichwort von den Hunden und den Flöhen bei der Hand.“

Gregors Verwandlung ist kein Verlust der Identität, denn die Familie erkennt den Käfer weiterhin als Gregor an. Er ist zwar in ein widerwärtiges Tier verwandelt, er verändert also seine physiologische Gestalt, nicht aber seine Psyche.

Leider erkennen diese Tatsache weder seine Eltern noch seine Schwester.

Walter H. Sokel sieht die Ursachen in Gregors Verwandlung als die Vermittlung in seinem inneren Widerstreit, d.h. „die Vermittlung zwischen dem Auflehnungswunsch und dem Drang nach sofortiger Bestrafung dieses Wunsches. Am meisten, vermutet er, aber schützt die Verwandlung Gregor vor der Selbsterkenntnis, da er überhaupt nicht versucht die Ursachen herauszufinden, sondern das Ganze auf sich beruhen lässt.“ Dadurch erscheint die Verwandlung als ein rätselhaftes, unerklärliches Ereignis.

Aussage des Autors bzw. des Buches

„Die Verwandlung“ trägt autobiographische Züge und kann als poetische Verarbeitung der problematischen Beziehung Franz Kafkas zu seinem Vater verstanden werden.

Ich beziehe mich hier auf den von Kafka verfassten „Brief an den Vater“.

Auf Grund der „verfehlten Erziehung“ seines Vaters gegenüber ihm, empfindet dieser nur noch Angst und Abscheu vor diesem.

Er stellt die „Furcht vor dem Vater“ als Hauptthema dar und bezeichnet die Vater - Sohn Beziehung als gestört.

„Liebster Vater, Du hast mich letzthin einmal gefragt, warum ich behaupte, ich hätte Furcht vor Dir. Ich wußte Dir wie immer nichts zu antworten, aus der Furcht, die ich vor Dir habe;...Du kannst ein Kind nur so behandeln, wie Dueben selbst geschaffen bist, mit Kraft, Lärm und Jähzorn, und in diesem Falle schien Dir das auch noch überdies deshalb sehr gut geeignet, weil Du einen kräftigen mutigen Jungen aus mir machen wolltest.“

Der Vater wird als „ein wirklicher Kafka an Stärke, Gesundheit, Appetit, Stimmkraft, Redebegabung, Selbstzufriedenheit, Weltüberlegenheit, Ausdauer, Geistesgegenwart, Menschenkenntnis, einer gewissen Großzügigkeit, natürlich auch mit allen zu diesen Vorzügen gehörigen Fehlern und Schwächen, in welche Dich Dein Jähzorn hineinsetzten“ beschrieben.

Er sitzt ähnlich wie Herr Samsa im Lehnstuhl und „regiert die Welt“ und seine „Meinung war richtig, jede andere war verrückt, überspannt, meschugge, nicht normal“.

Kafka hat also sehr stark unter der Autorität seines Vaters zu leiden.

„Ich winselte einmal in der Nacht immerfort um Wasser, gewiß nicht aus Durst, sondern wahrscheinlich teils um zu ärgern, teils um mich zu unterhalten. Nachdem einige starke Drohungen nicht geholfen hatten, nahmst Du mich aus dem Bett, trugst mich auf die Pawlatsche hin, ließest mich dort allein vor der geschlossenen Tür ein Weilchen im Hemd stehen.“ Diese Verhalten ist auch mit dem Einsperren von Gregor in seinem Zimmer zu vergleichen. „..., da gab ihm der Vater von hinten einen jetzt wahrhaftig starken erlösenden Stoß, und er flog heftig blutend, weit in sein Zimmer hinein. Die Tür wurde noch mit dem Stock zugeschlagen, dann ward es endlich still.“

Die Geschehnisse in der Kindheit haben bei Kafka einen „inneren Schaden“ verursacht.

Er schreibt, seine Gegenwart sei von seinem Vater nie richtig ernstgenommen worden.

„Das für mich selbstverständliche des Um-Wasser-Bittens und daß außerordentlich Schreckliche des Hinausgetragenwerdens konnte ich meiner Natur nach niemals in die richtige Verbindung bringen. Noch nach Jahren litt ich unter der quälenden Vorstellung, daß der riesige Mann, mein Vater, die letzte Instanz, fast ohne Grund kommen und mich in der Nacht aus dem Bett auf die Pawlatsche tragen konnte und daß ich also ein Nichts für ihn war.“

Kafka wird wegen einer solchen Kleinigkeit bestraft, ähnlich wie Gregor als er der Musik zuhören möchte.

„Gregor hatte, von dem Violinenspiele angezogen, sich ein wenig weiter vorgewagt und war schon mit dem Kopf im Wohnzimmer;“

Doch dann muss auch er erfahren, dass er ein „Nichts“ bzw. ein viel zu bedeutungsvolle Nichts ist. „Kaum war er innerhalb seines Zimmers, wurde die Tür eiligst zugedrückt, festgeriegelt und versperrt."

Auch das Herumrennen Gregors und seines Vaters im Wohnzimmer, bevor dieser von ihm mit Äpfeln beworfen wird, hat eine Verbindung zu einem Geschehnis, das Kafka folgendermaßen beschreibt:

„Schrecklich war es auch, wenn Du schreiend um den Tisch herumliefst, um einen zu fassen, offenbar aber gar nicht fassen wolltest, aber doch so tatest, und die Mutter einen schließlich scheinbar rettete.“

Auch das Haus von Familie Samsa weist viele Gemeinsamkeiten mit dem Haus von Familie Kafka auf.

Kafka wohnt in einem Durchgangszimmer im elterlichen Haus und fühlt sich als Störer der Familie.

In der Verwandlung ist Gregors Zimmer ebenfalls ein Durchgangszimmer. Es hat drei Türen, die jeweils zu einem anderem Raum führen. Jede dieser Türen öffnet sich zu einem der Familienmitglieder von Gregor, so dass jede dieser einzelnen Türen ein Symbol für Verständigung ist. Die Tür nach rechts führt zu seiner Schwester, die linke zu seinem Vater und die Tür am Kopfende zu seiner Mutter. Gregors Zimmer liegt in der Mitte. Er befindet sich im Mittelpunkt der Familie. Die Türen zu den anderen sind fast immer zugeschlossen und jeder besitzt somit ein „separates“ Zimmer und ist dann in diesem Zimmer auch isoliert.

Durch die Mutter erfährt Kafka auch keinen Schutz vor dem Vater. („Zu sehr liebte sie Dich und war Dir zu sehr treu ergeben, als dass sie in dem Kampf des Kindes eine selbständige geistige Macht für die Dauer hätte seien können.“)

Die Einzige, die zu ihm steht, ist seine Schwester Ottla, die fast im gleichen Alter ist wie Grete. Er möchte, dass seine Schwester die “Landwirtschaftliche Winterschule“ besucht, ist sogar bereit alle Kosten auf sich zu nehmen. Auch Gregor will, dass Grete auf ein Konservatorium geht; er ist genauso wie Kafka bereit, die Kosten zu übernehmen.

Die Beziehung von Grete zu Gregor ist differenzierter als eine gewöhnliche Bruder - Schwester Beziehung. Er möchte, dass seine Schwester immer bei ihm in seinem Zimmer bleibt. („Gregor würde sich bis zu ihrer Achsel erheben und ihren Hals küssen“)

Tatsache ist, dass Kafka ein Leben lang ein traumatisches Verhältnis zu seinem Vater hatte und versuchte, vor allem, was er mit ihm in Verbindung brachte zu meiden.

„Die autobiographische Züge tragende Darstellung einer gescheiterten Vater - Sohn Beziehung wird dabei über den lebensgeschichtlichen Bezug hinausweisend zu einer Parabel von Identitätskrise und menschlicher Entfremdung.“

Leseerfahrung

Ich habe die Novelle „Die Verwandlung“ dreimal gelesen. Allerdings nicht als „Bettlektüre“, sondern während des Tages.

Die Form:

Der Text ist außerordentlich streng aufgebaut. Die drei Teile der Geschichte sind auch grafisch - durch Absatz und Nummerierung betont; der Mittelteil ist der Längste, so dass Nabokov von der „Dreiheit von These, Antithese und Synthese“ spricht.

Kafkas Werke kann man nur schwer in eine Epoche oder Gattung einordnen, da er sich weitgehend seine eigene literarische Formensprache erschafft. Trotzdem kann man ihn vielleicht noch am ehesten zum Expressionismus zählen, da z.B. eher die Ausdrucks- als die Darstellungsfunktion betont wird oder keine alltagsrealistische oder gar naturalistische Beschreibung der Familie Samsa vorliegt.

Er lässt auch keine Traumbilder entstehen.

Es heißt, Kafka „entwickelt eine neue, radikal nüchterne Erzählrhetorik“.

Der Stil:

Kafka schreibt „eigentlich nur“ mit den Mitteln einer gehobenen Alltagssprache.

Der Expressionist Edschmid bewunderte z.B. die „strenge Sachlichkeit“. Diese neutrale Sprache entwickelt sich zu einer Unverwechselbarkeit, die man heute meint, wenn man „kafkaesk“ sagt.

„Die Häufung modaler Adverbien (vielleicht, möglicherweise, kaum) , die für Kafkas Prosa generell gilt, weist Schubiger nach und bemerkt, die Wirklichkeit erschiene durch diese als unzuverlässig, Misstrauen erweckend. Um diesen Effekt zu erreichen, kann Kafka sich , bei aller stilistischer Neutralität, nicht mit einfach strukturierten, kurzen Hauptsätzen begnügen, seine Sätze sind vielfach in sich untergliedert und verraten bei aller Eigenständigkeit des Stils... immerhin ein Vorbild: Kleist Ebenso belegt er die These, daß sich die kompakteste Gegenständlichkeit auflöst, wenn ein Text bzw. Satz von „gewiß“, „vielleicht“, „möglicherweise“ und „tatsächlich“, genauso wie „offenbar“, „wohl“, „voraussichtlich“, „wahrscheinlich“ und „kaum“ geprägt ist.

Die Erzählhaltung:

Man kann Kafkas Texte oft schon an der Erzählhaltung erkennen,.

Er hat die Vorliebe für die personale Haltung, d.h. es wird vom Bewusstsein bzw. der Wahrnehmung des Helden erzählt.

Der Leser erfährt schliesslich so gut wie nichts mehr, was er nicht als ständiger Begleiter des Helden hat erfahren können: Sehend mit seinen Augen, hörend mit seinen Ohren, seine Gedanken denkend.

Eigene Meinung:

Ich habe das Buch mit sehr viel Interesse gelesen, da ich mich gut mit dem Problem der Verwandlung auseinandersetzen konnte.

Ausserdem wurde ich während des Lesens neugierig, mehr über die Hintergründe und die Aussage des Buches zu erfahren.

Der Vater-Sohn-Konflikt hat auch heute nicht an Aktualität verloren. Es wird beschrieben wie der Mensch in seiner Gefühlswelt durch äußere Einflüsse bestimmt wird. Hierdurch können Beziehungen sogar in der Familie zerstört werden.

Einen viel zu hohen Stellenwert nimmt die Bedeutung des Geldes für den Menschen ein. Andere Dinge wie Musik, Kunst und Literatur werden dadurch weniger beachtet. Gerade in diesen Gebieten sollte man gefühlvoller und interessierter sein.

Die Novelle ist auch nicht schwer verständlich geschrieben ( s. „Stil“).

Betreffend des Inhaltes ist es sinnvoll, sich zuerst mit dem Autor - Franz Kafka- selbst zu beschäftigen bzw. das auf keinen Fall nach dem Lesen zu vernachlässigen.

Einen Teil der im Text aufkommenden Fragen wird bereits dort beantwortet, andere wiederum bleiben dem Leser offen.

Ein immer noch modernes und empfehlenswertes Werk!

Literaturverzeichnis

Franz Kafka: Die Verwandlung mit Materialien

Hg. Dietrich Steinbach, Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1998

Franz Kafka: Brief an den Vater

Hg. Michael Müller, Philipp Reclam jun., Stuttgart 1995

Ulf Abraham: Franz Kafka: Die Verwandlung

Moritz Diesterweg Verlag, Frankfurt am Main 1998

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Kafka, Franz - Die Verwandlung
Note
1
Auteur
Année
2001
Pages
14
N° de catalogue
V101334
ISBN (ebook)
9783638997515
Taille d'un fichier
366 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kafka, Franz, Verwandlung
Citation du texte
Carolin Seipp (Auteur), 2001, Kafka, Franz - Die Verwandlung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101334

Commentaires

  • invité le 18/9/2002

    naja naja.

    also deine charakterisieringen sind erschreckend kurz!! wenn ich das einem lehrer zeigen würde, der würde ne Null drunter setzen und schreiben " ist das alles??" . darum hättest du dir vielleicht mehr gedanken um die personen machen sollen, besonders um den sehr komplexen gregor. aber sonst ok.

  • invité le 7/2/2002

    Na ja.

    Na Ja es wäre schön noch was über die wahren eltern zu erfahren

  • invité le 18/12/2001

    HDL.

    Hab dich ganz doll lieb, weil du mir wahrscheinlich den Kopf gerettet hast... Naja vielleicht fügt uns das schicksal ja mal zusammen... ;) Viele Liebe Grüsse

  • invité le 19/5/2001

    Franz Kafka, Die Verwandlung.

    Auf der Suche nach weiteren Interpretationen zu diesem Werk, das Thema meiner Abschlußklausur ist, bin ich auf dieses Referat gestoßen. Ein Lob an die Autorin, ich habe noch weitere sehr interessante Ansätze mitnehmen können. Leider kommt das Thema Narzmuß ein wenig zu kurz. Trotzdem, eine schöne Arbeit, die auch sprachlich gut verfasst wurde, was leider nicht so oft vorkommt.

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