Euthanasie - der gute Tod


Trabajo Escrito, 2001

18 Páginas, Calificación: sehr gut


Extracto


EUTHANASIE- DER GUTE TOD?

Das Problemfeld ,,Euthanasie" und Sterbehilfe ist zweifellos komplex. Dies zeigt schon ein Blick auf die Begriffserklärung: ,,Euthanatos" kommt aus dem Griechischen und heißt wörtlich Übersetzt ,,guter Tod". Bei der ,,Euthanasie" geht es also um den ,,guten Tod" ,wobei man nicht weiß, ob damit das Eintreten oder die Herbeiführung des ,, guten Todes" gemeint ist. Mit dem Begriff Sterbehilfe gibt es ein ähnliches Problem, da sowohl die Hilfe beim Sterben (im Sinne von Sterbebegleitung) als auch Hilfe zum Sterben (im Sinne von ,,aktiver Euthanasie" ) gemeint sein kann.

In der Antike konnte folgendes mit ,,Euthanasie" bezeichnet werden:

1. Der leichte Tod ohne vorhergehende Krankheit (so haben Kratinos, Poseidippos und Philo den Begriff gebraucht).

2. Der schnelle Tod mit zwei unterscheidbaren Untergruppen

- der Leichte und Schmerzlose schnelle Tod (so der Wortgebrauch von Augustus Laut Sueton)
- der Schnelle Tod durch Feindeshand (so Josephus).

3. Der rechtzeitige Tod im Sinne eines frühzeitigen Todes, eines Todes in der Jugend (so der Wunsch eines Unbekannten in der Komödie ,,Der Wechselbalg" des Menandros).

4. Der Tod im übervollen Lebensgenus (ironisch gemeint, der ,,Wunsch" eines fetten Tyrannen in der Komödie ,,Die Fischer" des Menandros).

5. Der würdige Tod mit zwei unterscheidbaren Untergruppen:

- der Tod ,,nach tugendhafter Art" (so das stoische Idealkonzept des Todes eines Weisen);
- der ehrenvolle Tod im Kampf bzw. bewaffneten Aufstand ( das Ziel des Königs Kleomenes Laut Polybios, auch das ,,Ziel" Ciceros laut Atticus- von Atticus allerdings ironisch gemeint).

In der Antike drückte der Begriff ,,Euthanasie" ein Ideal, ein Wunschbild aus. ,,Euthanasie wurde nicht im Medizinischen Kontext -etwa in bezug auf die Handlung eines Arztes - gebraucht. Man bezeichnete Beihilfe zur Selbsttötung oder Tötung auf Verlangen in der Antike nicht mit dem begriff ,,Euthanasie".

Überblick über die Euthanasie- Problematik:

- Wer darf entscheiden? Auf wem liegt die Last der Entscheidung?
- Beim Patienten ist zu unterscheiden zwischen einem echten Todeswunsch und eine temporären seelischen Depression. Wer befindet darüber?
- Dürfen Angehörige entscheiden, falls der Patient nicht entscheidungsfähig ist?
- Muss / darf der Arzt sich dem Willen des Patienten oder der Angehörigen Beugen? Kann er lebensverlängernde Maßnahmen verweigern (zusätzliche Operation)? Kann er Wunsch auf Nicht- Behandlung befolgen? Sollte er einem dazu nicht mehr Fähigen Patienten beim Selbstmord helfen dürfen?
- Wer legt die Grenzen der Wissenschaft fest? Wann dürfen technische Möglichkeiten nicht mehr angewandt werden?
- Ist Sterbehilfe mit der Würde des menschlichen Lebens vereinbar? Oder umkehrt: ist es mit der Menschenwürde vereinbar, dass ein Mensch gegen seinen Willen am Leben gehalten wird? Was ist menschenwürdiges Leben?
- Soll man als Arzt im Sinne der Nächstenliebe handeln (dem Patienten Leiden ersparen) oder seine Ehrfurcht vor dem leben bewahren?
- Wie kann man für einen Arzt ein verbindliches Verfahrensschema finden, so dass er genau weiß, was er tun soll, ohne mit gerichtlichen Konsequenzen rechnen zu müssen?
- Wenn ein Arzt in irgendeiner Form Euthanasie ausführen dürfte, wie könnte man das Vertrauen des Patienten trotzdem erhalten?
- darf man z.B. bei missgebildeten Kindern auch die psychologische Belastung für die Eltern in Betracht ziehen?
- Das unbedingte Am- Leben- Erhalten von Schwerbehinderten widerspricht den
mangelnden Pflegemöglichkeiten und der sozialen Ausgrenzung von Patient und Angehörigen durch die Gesellschaft.
- Was ist ein Mensch? Ab wann ist jemand schon ein Mensch? Ab wann nicht mehr?
- Wäre die Legalisierung aktiver Sterbehilfe ein erster Schritt auf dem Weg, an dessen Ende keine Ehrfurcht vor menschlichem Leben mehr besteht?

Grundtatbestände der Sterbehilfe:

1. Aktive Sterbehilfe mit gezielter Lebensverkürzung ist strafbar.

Unter aktiver Sterbehilfe wird die Verkürzung eines verlöschenden Lebens durch eine aktive Einflussnahme auf den Sterbeprozess verstanden. Nicht jede aktive Sterbehilfe ist Strafbar. Vielmehr ist zu unterscheiden zwischen direkter und indirekter aktiver Sterbehilfe.

- Unter direkter aktiver Sterbehilfe versteht man die gezielte Tötung des Patienten, zum Beispiel um seine unerträglichen Schmerzen zu beseitigen. Erfolgt dies Tötung, wenn auch aus Mitleid, ohne ein verlangen des Patienten, so macht sich sowohl der Arzt als auch das Pflegepersonal eines Tötungsdelikts (Totschlag) schuldig. Bittet der Patient um Tötung, weil er nicht mehr imstande ist, die unerträglichen Schmerzen oder sonstigen Qualen, die mit seinem Sterben verbunden sind, zu ertragen, so macht sich der Arzt, der diesem Verlangen aus Mitleid nachkommt, der ,,Tötung auf Verlangen" schuldig. Kein Patient wird einem Arzt zumuten können, seine Laufbahn und seine Familie zu ruinieren, nur um einem leidenden Patienten zu helfen.
- Die indirekte aktive Sterbehilfe besteht darin, dass der Arzt dem Kranken eine hohe Dosis schmerzlindernder Mittel gibt, die eine lebensverkürzende Wirkung zur Folge haben können. Der Arzt will vorrangig dem Patienten den Schmerz nehmen. Er will ihn nicht töten, er nimmt aber eine - ungewollte - Lebensverkürzung mit Zustimmung des Patienten in Kauf, um diesem ein menschenwürdiges Sterben zu ermöglichen. Soweit die Lebensverkürzung unbeabsichtigte Nebenwirkung bleibt, macht sich der Arzt bei dieser Art der Sterbehilfe nicht Strafbar. Papst PiusXII. Hat diese Art der Hilfe im Sterben bereits 1957 ausdrücklich gebilligt.

2. Passive Sterbehilfe durch Verzicht auf technisch mögliche Lebens- und Leidensverlängerung, wie zum Beispiel Wiederbelebung, künstliche Ernährung, Dauerbeatmung oder Operation.

Verzichtet der Arzt beim sterbenden Patienten auf letztlich überflüssige lebensverlängernde Maßnahmen, so greift er nicht aktiv in das Behandlungsgeschehen ein. Er unterlässt eine an sich mögliche und vielleicht sogar medizinisch notwendige Behandlungsmaßnahme. Dieses passive Sterben lassen ist für den Arzt keineswegs unproblematisch. Er darf von sich aus und möglicherweise sogar gegen den Willen des Patienten niemals auf lebensverlängernde oder lebenserhaltende Maßnahmen verzichten. Seine Garantenstellung und die ärztliche Hilfspflicht gebieten, dass er dem Patienten die optimale Ärztliche und pflegerische Behandlung angedeihen lässt.

Menschenbilder - "Was ist der Mensch?"

Wie alle ethischen Fragen hängt insbesondere die Frage der Euthanasie stark vom Menschenbild eines jeden ab. Denn kaum einer zweifelt an, dass man einen Menschen nicht töten darf, doch bestehen erhebliche Differenzen, was denn nun ein Mensch sei. Ist der Mensch eine biologische Maschine oder Gottes Geschöpf? Ist eine befruchtete Eizelle bereits menschliches Leben, ist ein Gehirntoter, der an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen ist, dies noch? Was ist mit Säuglingen ohne Gehirnfunktion? Von diesem Menschenbild hängt sogar ab, wann ein Mensch tot ist, was Sterben bedeutet, aus ihm leiten sich Rechte und Pflichten von Ärzten, unserer Rechtsordnung, die Rechte der Patienten und der Angehörigen. Was sind Kriterien für den Menschen?

Materialistisch-naturwissenschaftliches Menschenbild

Grundlagen:

- Der Mensch ist wie Pflanzen und Tiere denselben Naturgesetzen unterworfen und muss unter denselben (naturwissenschaftlichen) Gesichtspunkten betrachtet werden. Besondere Privilegien müssen an bestimmten Eigenschaften festgemacht werden. Deshalb sucht man nach Kriterien, die nur dem Menschen eigen sind, dazu gehören: Rationalität ("der Mensch ist ein animal rational"), Autonomie, Selbstbewusstsein, Empfindungsfähigkeit, Gewissen, aber auch die Kommunikationsfähigkeit mit anderen (Mensch als ein Gemeinschaftswesen). Es wird also zwischen der Zugehörigkeit zur Spezies Homo Sapiens als biologische Größe und dem Menschsein als "distinkte" Qualität innerhalb der gesamten Natur differenziert.
- Diese besondere Stellung hat der Mensch evolutionsgeschichtlich aufgrund seines Gehirnes inne. Dies lässt dem Gehirn eine außerordentliche Stellung zukommen und legt nahe, menschliches Leben nach der Gehirntätigkeit zu beurteilen (die moderne Medizin definiert den Tod als den Gehirntod). Für dieses Menschenbild ist also die Fragestellung typisch: "Wann ist jemand schon/noch ein Mensch?"
- Dieses Menschenbild ist insofern materialistisch, da es annimmt, es kann dort nichts geben, wo materiell nichts ist, d.h. wenn kein funktionsfähiges Gehirn vorhanden ist, ist dieses Wesen auch zu keinem Bewusstsein, und damit zu keinem Menschsein, fähig. Ebenso gilt - vereinfacht gesprochen -, was nicht messbar ist, ist nicht vorhanden. Innerhalb dieses Menschenbildes gibt es die unterschiedlichsten Färbungen.

Auswirkungen:

- Alles, was den oben genannten Kriterien nicht entspricht, wird einem Tier gleichgesetzt und darf als solches behandelt werden (Tötung ist kein Verbrechen; keine Behandlungspflicht durch den Arzt).
- Die Vorstellung eines Gottes und Schöpfers wird weitestgehend ignoriert oder sogar bewusst aus der Argumentation verdrängt.

Materialistisch-utilitaristisches Menschenbild (Singer)

- Dieses Menschenbild hat als geistesgeschichtliche Grundlage das naturwissenschaftliche Menschenbild, wahrt aber nicht dessen bemühte Wertneutralität und wendet eine rationalistische Betrachtungsweise rigoros an.
- Zentral für dieses Menschen- und Weltbild ist der Grundsatz des Utilitarismus: "das größtmögliche Glück der größtmöglichen Zahl". Der Mensch wird nach seinem sozialen Nutzwert beurteilt (ökonomisch, emotionell,...). Ein kranker Mensch ist weniger wert als ein gesunder Mensch.
- Dieser Utilitarismus existiert in verschiedenen Abschwächungen. Allen gemeinsam ist folgender Grundsatz (für Wiederbelebungsversuche oder das Am-Leben-Lassen von missgebildeten Säuglingen): entscheidend für den Wert eines menschlichen Lebens ist die zu erwartende Qualität menschlichen Lebens: wird in der Glücksbilanz das Glück gegenüber dem Unglück überwiegen? In seiner milden Form (nach Singer: "Vorausgesetzte Existenz") wird hier nur die Glücksbilanz des Betroffenen betrachtet, in der radikalen hingegen die Gesamtglücksbilanz seiner Umwelt.
- Daraus folgt, dass Menschen (insbesondere Säuglinge) ersetzbar sind.

Darwinistisches Menschenbild

- Das (sozial) darwinistische Menschenbild sieht den Menschen als nichts Anderes als ein Tier. Es gelten für ihn die gleichen Prinzipien wie die in Natur, also die natürliche Zuchtwahl (Selektionsprinzip) im Kampf ums Dasein. Nur die Stärksten (eigentlich: Bestangepassten) werden überleben.
- Dieses Menschenbild wird in reflektierter Weise heute nicht mehr vertreten, hauptsächlich angesichts des Nationalsozialismus, der seine Rassenlehre und seine "Tötung lebensunwerten Lebens" daraus ableitete. Es würde nämlich die Tötung von Kranken und Behinderten legitimieren. Doch unterschwellig finden sich Ansätze in naturwissenschaftlichen Menschenbildern, wenn davon die Rede ist, dass der Mensch (wegen seines technischen Fortschritts) an die Stelle der Natur treten muss, um die nicht mehr stattfindende Selektion selbst zu übernehmen.
- Zur Klärung von Problemfällen wird besonders häufig auf Naturprinzipien abgehoben.

Traditionelles Menschenbild

- Das traditionelle Menschenbild wurde nie mit den heutigen Grenzfällen konfrontiert, z.B. Gehirntote, da es die moderne Apparatemedizin nicht gab.
- Für dieses Menschenbild galt fraglos: Mensch ist, was von Menschen geboren ist. Jedes menschliche Leben ist heilig, es gibt keine Grenzen.
- Dementsprechend ist der ärztliche Heilauftrag dahingehend zu verstehen, dass er Leben um jeden Preis verlängert.

Christlich-religiöses Menschenbild

- Das christlich-religiöse Menschenbild ist eng mit dem traditionellen Menschenbild verbunden, hat aber versucht, seine Ansichten von Gott und Jesus Christus aus zu begründen.
- Gott hat dem Menschen das Leben geschenkt. Damit steht dem Menschen steht kein Recht zu, über Leben und Tod zu entscheiden. Jedes Leben ist gottgewollt. Und Gott kümmert sich um jeden; für einen Christen gibt es keine Hoffnungslosigkeit, deshalb kann niemand sterben wollen. Gott hat den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen; und so wie Gott heilig ist, ist damit auch der Mensch heilig.

Der Wert menschlichen Lebens

Im Zusammenhang mit der Euthanasiediskussion hört man immer wieder den Ausdruck "Tötung lebensunwerten Lebens" oder den Begriff "Minderwertige". Dies lässt den Rückschluss zu, dass die Frage nicht nur allein vom Menschenbild abhängt, sondern auch vom Wert, den man dem Individuum beimisst, vor allem dem Kranken, Behinderten und Missgebildeten. Natürlich ist auch die Wertung eng verknüpft mit dem Menschenbild. Durch die nationalsozialistische Ideologie (»Herrenrasse« o.ä.) ist die Wertung menschlichen Lebens bereits entscheidend vorbelastet.

mögliche Kriterien für den Wert eines Menschen:

- sozialer Nutzwert
- Intelligenz
- physische Stärke

Bei hochgradig Querschnittsgelähmten wird z.B. häufig argumentiert, dass das Leben eines intelligenten, eher geistig orientierten Menschen, der ein solches Schicksal erleidet, menschenwürdiger ist, als das eines weniger Intelligenten, eher sportlichen Menschen. Unterbewusst wird also auch hier eine Wertung vorgenommen.

Die kirchliche Tradition und das Christentum als ganzes hat sich stets gegen eine unterschiedliche Bewertung menschlichen Lebens geweigert. Der Schritt von der Herabwertung eines Menschen zum legitimierten Verbrechen an diesem ist zu allen Zeiten nicht weit. Der Gott des Christentums war nie ein Gott der Starken, der Fehlerlosen, der Gesunden, sondern immer auch ein Gott der Kranken, der Schwachen, der Ausgestoßenen. Gerade am Handeln Jesu kann man erkennen, dass er die Herabwertung von Menschen konterkarierte.

Nicht nur in der Abtreibungsdiskussion (die ja - strenggenommen - auch als eine Frage der Euthanasie betrachtet werden kann) ist es von entscheidender Bedeutung, wann man noch bzw. schon von menschlichem Leben sprechen kann. Extreme reichen von der Stellung der katholischen Kirche (Möglichkeit der Entstehung menschlichen Lebens aus Sperma und Ovum), so dass selbst Verhütungsmittel verboten sind, bishin zur nationalsozialistischen Ideologie, dass bei "minderwertigen Rassen" nicht mehr von Menschen zu sprechen sei.

Aus der Notwendigkeit heraus, ein verbindliches Kriterium für den Tod zu finden, hat sich die internationale Medizin darauf geeinigt, den Hirntod als Kriterium des Todes anzuerkennen, was aber selbst unter Medizinern nicht unumstritten ist. Auch hier weiß die Medizin zuviel, um sich aus der Verantwortung zu stehlen, aber zuwenig über das Sterben, um ethisch abgesichert zu sein. Hinzu kommt sicherlich an dieser Stelle die latente Furcht vor dem eigenen Tod, nenne man sie Selbsterhaltungstrieb oder nicht. Legt man an den Menschen spezielle Kriterien an, die ihn zu einem Menschen machen, so hilft das für die Frage, ob jemand schon oder noch ein Mensch ist, nur in sofern weiter, als dass es den momentanen Zustand des Patienten charakterisiert. Säuglinge z.B. erfüllen kaum Kriterien der Autonomie und des Selbstbewusstseins. Man führte also das Hilfsmittel einer möglichen Entwicklung zur Erfüllung der Kriterien an. Wird aus dem Säugling einmal ein Wesen, das die Kriterien erfüllt. Kann der Kranke je wieder diese Bedingungen erfüllen? Heute ist es in der internationalen Medizin üblich, den Tod vom Gehirn her zu definieren. Somit handelt es sich bei einem Menschen, dessen Großhirn abgestorben ist oder nie funktionierte, kein Mensch. demgegenüber gibt es aber auch die Position, dass das Sterben ein Prozess ist, wo es keine scharfe Trennlinie zwischen Leben und Tod gibt und wozu selbst die Verwesung des Leichnams noch zählt. Man darf dem Menschen auch in dieser Phase das Menschsein nicht absprechen und muss ihn dementsprechend behandeln.

Christliche Positionen

- Synode der EKD vom 17.2. 1961: "Das Wort Jesu von den Geringsten seiner Brüder schließt jede Geringachtung auch der Schwächsten und Elendsten aus. Die Kirche bezeugt der Welt mit Wort und Tat die Unantastbarkeit allen menschlichen Lebens. Das Amt des Arztes ist es, zu heilen und Leben zu erhalten, aber nicht zu vernichten. Allen Werturteilen und Scheingründen der selbstherrlichen Vernunft der Menschen steht das klare Verbot Gottes entgegen: Du sollst nicht töten!"

- Dt 30,19:

Ich nehme Himmel und Erde heute über euch zu Zeugen: Ich habe euch Leben und Tod, Segen und Fluch vorgelegt, damit du das Leben erwählst und am Leben bleibst, du und deine Nachkommen.

- Pred 6,10:

Was da ist, ist längst mit Namen genannt, und bestimmt ist, was ein Mensch sein wird. Darum kann er nicht hadern mit dem, der ihm zu mächtig ist.

- Jesus Christus ging gerade auf die Schwachen und Aussätzigen zu, nahm sie in Gottes Reich auf und kehrte damit die gesamte Wertordnung eines Leistungs- und

Nutzwertsdenken um. Er trat als Heiler der Kranken auf.

- Aber: Daraus lässt sich jedoch nicht unmittelbar darauf schließen, dass unsere heutigen Grenzfälle im Geiste Jesu Christi am Leben gehalten werden müssen.

Christliche Sterbehilfe

Unter Christen ist es weitestgehend unbestritten, dass aktive Sterbehilfe oder zumeist auch Beihilfe zum Selbstmord außer Frage stehen. Aber gerade wenn man die Liebe Gottes leben will, kann man das Leid von Sterbenden nicht ignorieren. Kann der christliche Glaube Alternativen bieten, einen neuen Weg weisen?

- Der Hilfeschrei nach Euthanasie erschallt besonders laut, weil in unserer modernen Welt das langsame Sterben zu etwas Grausamen geworden ist. Auch mit aller - unbedingt notwendigen - Technik ist im Sterben das Wichtigste die menschliche Nähe, kleine Liebesbeweise, die Geborgenheit statt Verlorenheit vermitteln. Wo dies möglich ist, ist auch ein Sterben zu Hause in vertrauter Umgebung zu empfehlen, wo der Sterbende Liebe empfangen kann. In einer solchen Umgebung ist es viel leichter, Schmerzen zu ertragen.

- Wer im Sinne der christlichen Botschaft einem Sterbenden beistehen will, der muss das Amt des Trostes übernehmen (vgl. 2 Kor 1,3+4: "Gelobt sei Gott [...], der uns tröstet in all unserer Trübsal, damit wir auch trösten können, die in allerlei Trübsal sind, mit dem Trost, mit dem wir selber getröstet werden."). Dieses Amt muss über das bloße Zuhören (das natürlich auch dazu gehört!) hinausgehen. In den schweren Stunden muss man sich für den Sterbenden zum Sprachrohr für das Wort Gottes machen, das alles überdauert, auch den bevorstehenden Tod (vgl. Mk 13,31: "Himmel und Erde werden vergehen; meine Worte aber werden nicht vergehen."). Dafür ist ein gewisses Feingefühl nötig, den richtigen Moment abzuwarten (vgl. Jes 50,4: "»Gott der Herr hat mir eine Zunge gegeben, [...] dass ich wisse, mit den Müden zur rechten Zeit zu reden.").

- Die Hauptaufgabe besteht darin, Hoffnung zu vermitteln, wie sie z.B. in Psalm 23 zum Ausdruck kommt , ganz im Sinne von 1 Thes 4,13-18:

Wir wollen euch aber, liebe Brüder, nicht im Ungewissen lassen über die, die entschlafen sind, damit ihr nicht traurig seid, wie die anderen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, so wird Gott auch die, die entschlafen sind, durch Jesus mit ihm einher führen. Denn das sagen wir euch mit einem Wort des Herrn, dass wir, die wir leben und übrigbleiben, bis zur Ankunft des Herrn, denen nicht zuvorkommen werden, die entschlafen sind. Denn er selbst, der Herr, wird, wenn der Befehl ertönt, wenn die Stimme des Erzengels und die Posaunen Gottes erschallen, herabkommen vom Himmel, und zuerst werden die Toten, die in Christus gestorben sind, auferstehen. Danach werden wir, die wir leben und übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden auf den Wolken in die Luft, dem Herrn entgegen, und so werden wir bei dem Herrn sein allezeit. So tröstet euch mit diesen Worten untereinander.

- Ein wichtiger Aspekt dabei ist auch die aktive Seelsorge; der Sterbende muss die Last der Schuld von sich genommen bekommen und ihn der Vergebung zuführen (Luther: »Wo Vergebung der Sünde ist, da ist auch Leben und Seligkeit.«), so dass nichts zwischen dem Sterbenden und dem ewigen Leben steht, das ihn erwartet. · Neben dieser konkreten Sterbehilfe am Sterbenden, kann es für den einzelnen nie zu früh sein, sich über den eigenen Tod Gedanken zu machen. Wenn man damit konfrontiert wird, darf man es nicht verdrängen, sondern muss Position beziehen. Man muss sich der Frage stellen: Was ist mein Leben vom Tode und der Ewigkeit her gedacht? Um die Angst vor dem Sterben zu überwinden, ist neben der Hoffnung auf die Ewigkeit auch wichtig, das Loslassen können von der Welt zu erlernen. Man muss soviel Vertrauen auf Gott besitzen, dass man ihm das eigene Leben in die Hände legt. (vgl. Psalm 118).

Rechtliche Grundlagen

Schmerzlindernde Maßnahmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Töten auf Wunsch

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tötung ohne Verlangen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auszug aus dem StGB

- §211

(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.

(2) Mörder ist, wer

- aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebes, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
- heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
- um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken einen Menschen tötet.

- §212

(1) Wer einen Menschen vorsätzlich tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft
(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

- §216

(1) Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche Verlangen des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(2) Der Versuch ist strafbar.

- §229

(1) Wer vorsätzlich einem anderen, um dessen Gesundheit zu beschädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren bestraft.
(2) Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung verursacht worden, so ist auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren und, wenn durch die Handlung der Tod verursacht worden ist, auf Freiheitsstrafe nicht unter zehn Jahren oder auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.

- §330c

Wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not nicht Hilfe leistet, obwohl dies erforderlich und ihm den Umständen nach zuzumuten, insbesondere ohne erhebliche eigene Gefahr und ohne Verletzung anderer wichtiger Pflichten möglich ist, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.

Medizinische Grundlagen

Der Arzt hat seinen Beruf im Dienste der Menschlichkeit auszuüben. Er muss Ehrfurcht vor menschlichem Leben von der Empfängnis an zeigen. Oberstes Gebot seines Handelns ist der Erhalt und die Wiederherstellung menschlichen Lebens. Gleichzeitig ist er bei der Anwendung seiner ärztlichen Kunst dazu angehalten, nicht im Widerspruch zur Menschlichkeit oder zur ärztlichen Sitte zu handeln.

In der Euthanasie-Frage ist die Rolle des Arztes aber besonders problematisch. Er ist unmittelbar mit dem Leid der Patienten konfrontiert, an ihn werden eventuelle Tötungswünsche von Patienten und Angehörigen herangetragen. Ihm stehen die technischen Möglichkeiten zur Verfügung, Menschen am Leben zu erhalten, und ihm obliegt es im Einzelfall, wie er seine begrenzten Kapazitäten verantwortungsvoll einsetzt und wo er besser darauf verzichtet. Heute ist technisch mehr möglich, als dem ethischen Gewissen unbedenklich erscheint. Er ist an seinen ärztlichen Heilauftrag und das gültige Recht gebunden, das en détail jede Leidverminderung für Kranke zu einem Balanceakt macht. Zusätzlich hat auch sein Vertrauensverhältnis zu den Patienten an sich seine Bedeutung; er darf nichts tun, was dieses unbedingt notwendige Vertrauen zerstört.

Ärztliches Gelöbnis (hippokratischer Eid)

Bei meiner Aufnahme in denärztlichen Berufsstand gelobe ich feierlich, mein Leben in den Dienst der Menschheit zu stellen. Ich werde meinen Beruf mit Gewissenhaftigkeit und Würde ausüben. Die Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit meiner Patienten soll oberstes Gebot meines Handelns sein. Ich werde alle mir anvertrauten Geheimnisse wahren. Ich werde mit all meinen Kräften die Ehre und die edle Ü berlieferung desärztliches Berufes aufrechterhalten und mich in meinenärztlichen Pflichten nicht durch Religion, Nationalität, Rasse, Parteipolitik oder soziale Stellung beeinflussen lassen. Ich werde jedem Menschenleben von der Empfängnis an Ehrfurcht entgegenbringen und selbst unter Bedrohung meineärztliche Kunst nicht in Widerspruch zu den Geboten der Menschlichkeit anwenden. Ich werden meinen Lehrern und Kollegen die schuldige Achtung erweisen. Dies alles verspreche ich feierlich auf meine Ehre.

Berufsordnung

(1) Der Arzt ist zum Dienst an der Gesundheit des einzelnen Menschen und der Gesamtheit berufen und erfüllt damit eine durch Gesetz und diese Berufsordnung geregelte öffentliche Aufgabe. Der ärztliche Beruf ist seinem Wesen nach ein freier Beruf. Er ist kein Gewerbe. Der ärztliche Beruf verlangt, dass der Arzt seine Aufgabe nach seinem Gewissen und nach den Geboten der ärztlichen Sitte erfüllt.
(2) Aufgabe des Arztes ist es, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu mildern. Der Arzt übt seinen Beruf nach den Geboten der Menschlichkeit aus. Er darf keine Grundsätze anerkennen und keine Vorschriften oder Anweisungen beachten, die mit seiner Aufgabe nicht vereinbar sind oder deren Befolgung er nicht verantworten kann.

Die Grenzen der Möglichkeiten

Der technische Fortschritt des letzten Jahrhunderts und die wachsenden Kenntnisse über die biologischen Zusammenhänge hat uns die Möglichkeit beschert, das Entstehen und das Ende eines Menschen zu beeinflussen. Und mit der Möglichkeit müssen wir auch die Verantwortung für ihre Anwendung und ihre Nicht-Anwendung gleichermaßen übernehmen. Durch die drastische Erhöhung der Lebenserwartung von Behinderten, Missgebildeten und Kranken stehen wir heute vor Problemen, die in früheren Zeiten von der Natur selbst geregelt wurden. Damals hatte der Mensch keine Möglichkeit; heute hat er sie, weiß aber nicht wo die Grenzen ihrer Anwendung sind. Man kann heute den Körper eines Menschen am Leben erhalten, obgleich keine Gehirntätigkeit mehr vorhanden ist. Soll man einen Hirntumorkranken für ein paar Monate mehr Leben operieren und schwerste psychische Schäden in Kauf nehmen? Soll man einem Unfallopfer mit völliger Unbeweglichkeit der Gliedmaßen das Leben mit künstlicher Beatmung verlängern? Soll man Kinder ohne menschlich-geistige Regung und ohne Möglichkeit zu deren Entwicklung am Leben erhalten? Gehört die künstliche Verlängerung eines Sterbevorgangs noch zum ärztlichen Heilauftrag? Dieses Problem gewinnt noch an Brisanz, wenn es nicht nur um die Frage geht, in einem speziellen Einzelfall die zur Verfügung stehende Technik einzusetzen oder nicht, sondern man von den begrenzten Kapazitäten (Personal; Apparate) eines Krankenhauses ausgehen muss. Dann gibt es keine andere Möglichkeit als einen Menschen auf Kosten eines anderen zu versorgen, d.h. zu entscheiden, wer lebt und wer sterben muss. In einer solchen Situation muss es dem Arzt freistehen, über das Leben von Patienten zu entscheiden.

Selbstbestimmungsrecht des Menschen

Gibt es so etwas wie ein Selbstbestimmungsrecht des Menschen? In einer Welt, wo menschliche Autonomie, Eigenverantwortung und Individualismus zu unverzichtbaren Tugenden werden, scheint es auch fast selbstverständlich, dass man über den eigenen Tod entscheiden will. So verständlich dieser Wunsch ist, so schwierig ist er auch durchzuführen. Denn wo sind Kriterien dafür? Würde man jedem Menschen das Recht auf Tod einräumen, dürfte man keinen Selbstmörder mehr davon abhalten, sich umzubringen. Verminderte Zurechnungsfähigkeit würde hier das Argument sein. Aber wer stellt fest, ob es sich um Depressionen handelt, um Kurzschlussreaktionen, um Flucht, um den sog. philosophischen Selbstmord oder schließlich um diesen Wunsch, endlich sterben zu dürfen, ohne von Ärzten und Apparaten daran gehindert zu werden?

- Selbstmordgedanken von depressiven Menschen darf man nicht hinsichtlich eines Wunsches nach Sterbehilfe interpretieren.
- Wer sollte einen Wunsch nach Sterbehilfe von einer vorübergehenden Depression unterscheiden? Wo verzehrt das soziale Umfeld mehr den Lebenswillen als die Krankheit oder Behinderung selbst?
- Gibt es das vielfach postulierte Recht auf Sterben? Sollte dem Individuum die Verfügungsgewalt über den eigenen Tod eingeräumt werden?
- Darf man das Recht auf Sterben einem Patienten verweigern? Darf man das eigene Menschenbild jemandem aufzwingen? Muss man als ein mitfühlender Mensch bei der Verwirklichung des Wunsches nach Sterben helfen, ihn vielleicht sogar ausführen, wenn der Patient zu schwach ist? Darf man oder muss man sich verweigern?
- Als Vorsorgemaßnahme kann man beim Notar eine Erklärung hinterlegen, in der man bestimmt, ob man in derartigen Grenzfällen ein Weiterbehandlung wünscht oder diese ablehnt. Dabei wäre die geistige Zurechnungsfähigkeit gewährleistet.

Rolle der Angehörigen

Die Rolle der Angehörigen ist in der Euthanasiefrage vielgestaltig und vielschichtig. Will man sie in die Entscheidung miteinbeziehen, muss man zur Kenntnis nehmen, dass hier die unterschiedlichsten Motivationen hineinspielen.

- Richtig ist, dass ein Kranker - und noch viel mehr ein behindertes Kind - eine beträchtliche emotionelle wie auch finanzielle Last darstellt. Viele Schwerstkranke werden von Angehörigen gepflegt, tagein, tagaus. Dieses Engagement führt zu einer sozialen Isolation (keine Zeit zum Pflegen von Beziehungen) und zu einer sozialen Isolierung (Behinderte sind in unserer Gesellschaft alles andere als Prestigeobjekte). Soll man solchen Menschen, die sich in voller Hingabe um die Kranken kümmern, das Recht absprechen, in einem hoffnungslosen Fall, wenn ihre eigene Kraft aufgezehrt ist und noch mehr Opfer keinen Sinn machen, in der Frage der Lebensverkürzung kein Mitspracherecht einräumen?
- Leider ist es auch so, dass eine große Zahl von Angehörigen mehr von Besitzgier als von Nächstenliebe getrieben wird. Hinter dem Wunsch nach Euthanasie steckt dann der Wunsch nach baldigem Erbe. P

Vor allem angesichts des Pflegenotstandes und der explodierenden Kosten im Pflegewesen muss man sich den Vorwurf gefallen lassen, dass man sich solche Pflegefälle nicht unbedingt durch extensive und intensive Behandlung selber schafft. Weiterhin führen mangelnde Anstaltsplätze für geistig behinderte Kinder dazu, dass Eltern die gesamte Last der Pflege tragen müssen. Darf man Eltern das zumuten?

Mobbing-Effekt

Das Verhältnis zu Kranken und vor allem Behinderten und Missgebildeten ist nicht von vorneherein unverkrampft. Was im Verlauf der Evolutionsgeschichte dazu diente, kranke Tiere aus der Gruppe auszuschließen, damit gesunde Tiere überleben und krankes Erbmaterial sich nicht weiter fortpflanzt, das prägt auch heute noch - zumindest instinktiv - unsere Einstellung gegenüber Missgebildeten und Geisteskranken. Der gesunde Mensch verspürt eine Abneigung gegenüber Kranken, und aus dieser bloßen Abneigung wird in gruppendynamischen Prozessen schnell die Ausgrenzung. Dies ist z.B. schon daran zu sehen, dass Behindertenkliniken meistens ziemlich abgelegen gebaut werden und oft sogar Bürgerproteste sich gegen solche Einrichtungen formieren. Der Nationalsozialismus nutzte dies propagandistisch aus, so dass schließlich das entstand, was unter dem Namen "Tötung lebensunwerten Lebens" bekannt ist. Dieser Effekt ist übrigens in allen Bereichen wiederzufinden, wo Menschen sind, die von dem Normalbild äußerlich abweichen, z.B. durch eine andere Hautfarbe.

Diese instinktive Ablehnung von Behinderten darf man nicht verdrängen, sondern man muss sie sich im Gegenteil ins Bewusstsein rufen, sie in die Relativierung der eigenen Gefühlswelt miteinbeziehen, um vernünftig damit umzugehen. Wer aus diesen Instinkten heraus jedoch eine Rechtfertigung für die Euthanasie ableiten will, der muss sich die Frage gefallen lassen, ob er den Menschen nur als ein instinktgelenktes Tier versteht.

Geschichte der Euthanasie

Sozialdarwinismus und Eugenik

Darwins Veröffentlichung der Evolutionstheorie etablierte biologische Grundprinzipien des Lebens - natürliche Zuchtwahl (Selektion) im Kampf um das Dasein -, die schon bald auch auf die menschliche Gesellschaft übertragen wurden. Sie trafen den Zeitgeist, der von Kolonialisierung (Unterwerfung primitiver Völker) und Industrielle Revolution (Kampf um das nackte Überleben des Proletariats; Klassengesellschaft; Fortschrittsoptimismus) geprägt war. So entstand die Bewegung des Sozialdarwinismus, deren Ideen aber erst im Elend und angesichts der Zukunftsangst nach dem I. Weltkrieg Fuß fassen konnte. Namhafte Ärzte, Juristen und auch Theologen traten hervor und äußerten Gedanken über die "Vernichtung lebensunwerten Lebens". Dies verhalf der Erbgesundheitsbewegung (Eugenik) zum Durchbruch. Kranke und Behinderte wurden als Bedrohung für die Volksgesundheit angesehen und darwinistische Argumente aus der Natur angeführt sowie auf andere, nicht- christliche Kulturen verwiesen. Diese Weltanschauung war zu dieser Zeit nichts spezifisch Nationalsozialistisches, sondern sie entsprach der Stimmung in der Bevölkerung, dem Konsens, dass man in Kranken und Behinderten "Minderwertige" sah.

Euthanasie im Dritten Reich

Die Euthanasie war vermutlich von Anfang an eingeplant. Kurz nach der Machtergreifung wurden die Pflegesätze für psychiatrische Anstalten drastisch gekürzt, was die ohnehin schlechte Situation der Kranken noch verschlimmerte. 1938 gingen mehrere Gesuche für den Gnadentod für Kinder ein, was zur Bildung eines dafür zuständigen Reichsausschusses führte. Hitler wollte wegen der möglichen Reaktion des Auslands kein Euthanasiegesetz erlassen, ordnete aber in einer kurzen Euthanasieermächtigung (die selbst unter NS-Richtern nicht unumstritten war) die Tötung an. Schon Anfang 1939 gingen die ersten Meldeformulare für missgestaltete Kinder an Kliniken in Süddeutschland, im August wurde die Meldepflicht eingeführt. Vielen Ärzten war bekannt, dass die Angaben auf dem Fragebogen für eine Verlegung ausschlaggebend waren. Derweil dehnte der Reichsausschuss, der auf Meldung (und in Abwesenheit der Betroffenen) über Leben und Tod entschied, die "Aktion Gnadentod" auf Erwachsene aus. Für die Durchführung wurden gesinnungstreue Ärzte eingestellt. Die ersten Tötungen fanden in Westpreußen, Pommern und Polen statt. Die Eltern wussten von den Tötungsplänen nichts; ihnen wurde eine Verlegung wegen einer neuen Behandlung vorgetäuscht und dann eine fingierte Todesursache mitgeteilt. Diese Euthanasiewelle traf nicht nur staatliche Anstalten, sondern - selbst nach Bekannt werden - auch kirchliche Einrichtungen. 1941 wurde auf Druck der Bevölkerung ein Euthanasiestopp proklamiert, der Wirklichkeit nur eine bessere Tarnung der Aktion bedeutete. Vielmehr wurden die Methoden und auch die Organisationsstrukturen der "Aktion Gnadentod" auf gesunde politische Häftlinge oder "minderwertige Rassen" (Polen, Juden) ausgedehnt. Im Rahmen der Euthanasie wurden rund 75.000 Menschen ermordet - erschossen, vergast, vergiftet oder sogar ausgehungert. Rolle der Kirchen Mitarbeit bei den Formalien Zustimmung zur Tötung bei gravierenden Fällen von Behinderung Hilfsdienste bei der Erfassung, beim Transport und bei Zwischenaufenthalten von Kranken Proteste lediglich einzelner Pfarrer und Bischöfe keine grundsätzliche Ablehnung des gesamten Programms

Gründe für diese Haltung

- Angst vor Repressionen des Staates
- Kirche hat die propagandistische Anknüpfung an den mobbing-Effekt nicht durchschaut
- Jahrhundertlange Zusammenarbeit von Kirche und Staat (insbesondere evangelische Landeskirchen)
- Furcht, von dem völkischen Aufbruch abgehängt zu werden, wenn man nicht mitschwimmt
- fehlendes einheitliches christliches Menschenbild der Kirchen in der Euthanasiefrage verhinderte gemeinsames Handeln

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
Euthanasie - der gute Tod
Calificación
sehr gut
Autor
Año
2001
Páginas
18
No. de catálogo
V101400
ISBN (Ebook)
9783638998178
Tamaño de fichero
452 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Euthanasie
Citar trabajo
Barbara Stromberger (Autor), 2001, Euthanasie - der gute Tod, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101400

Comentarios

  • visitante el 21/10/2002

    danke.

    danke du rettest mir den arsch

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Título: Euthanasie - der gute Tod



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