Oppositionelle Strömungen der Jugend in der NS-Zeit - Edelweißpiraten und Swing-Jugend


Trabajo Escrito, 2000

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Extracto


Inhaltsverzeichnis

I. Der Begriff „Opposition“

II. Die oppositionellen Gruppierungen „Edelweißpiraten“ und „Swing-Jugend“
1. Die Edelweißpiraten
1.1 Soziale Herkunft der Edelweißpiraten
1.2 Motive der Edelweißpiraten für oppositionelles Verhalten
1.3 Formen oppositionellen Verhaltens der Edelweißpiraten
1.4 Bekämpfung der Edelweißpiraten durch das NS-Regime
2. Die Swing-Jugend
2.1 Soziale Herkunft der Swing-Kids
2.2 Motive der Swing-Jugend für oppositionelles Verhalten
2.3 Formen oppositionellen Verhaltens der Swing-Kids
2.4 Verfolgung der Swing-Jugend durch das NS-Regime

III. Resümee: Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Edelweißpiraten und Swing-Kids

I. Der Begriff „Opposition“

„Oppositionelle Strömungen der Jugend in der NS-Zeit“ lautet das Thema dieser Arbeit, und sofort fällt vielen Menschen spontan wohl die Widerstandsgruppe „Die Weiße Rose“ ein. Dies liegt u.a. daran, dass der Begriff „Widerstand“ traditionellerweise ein sehr eng umrissener ist. Dieser Widerstandsbegriff, der sich auf „Widerstandshandlung... als geplante Aktion gegen Einrichtungen und persönliche Repräsentanten des Regimes mit dem Ziel seiner/ihrer Beseitigung unter der Bedingung des Risikos für das eigene Leben“ (Hellfeld 1991, S. 10) bezieht, wurde in der Alltagsforschung zur Geschichte des Nationalsozialismus ergänzt durch die Begriffe Resistenz, Dissidenz und Nonkonformität. Mit Resistenz wird die mentale „Reserve, Zurückhaltung, Nichtbegeisterung einzelner und Gruppen“ (Hellfeld 1991, S. 9) bezeichnet, deren Ursprung in den Lebensbedingungen, im sozialen Umfeld und/oder in den Einstellungen zu Glaubensfragen liegt. (vgl. Hellfeld 1991, S. 9)

Dissidenz und Nonkonformität gehen einen Schritt weiter, über die innere Reserviertheit hinaus, indem diese Begriffe Handlungen umfassen, die der „Behauptung und Verwirklichung eines eigenen sozialen Raumes“ (Hellfeld 1991, S. 9), in unserem Sinne eines nicht-nazistischen Lebensraumes, dienen. Keim hält fest: „Im Unterschied zum Jugendwiderstand, der auf den Sturz des NS-Regimes hinarbeitete, ging es bei den verschiedenen Formen von Jugendopposition um ein sehr viel eingeschränkteres Ziel, nämlich um die Behauptung eines jugendgemäßen Lebensraumes außerhalb der HJ, ohne weitere Beachtung der nazistischen Ideologie.“ (Keim 1997, S. 346)

Nicht alle Jugendlichen waren also begeisterte Anhänger oder Mitläufer des NS-Regimes, „bei vielen jungen Leuten, die in das Dritte Reich hineinwuchsen oder in diesem aufwuchsen, 'misslang' die NS- und HJ-Sozialisation“. (Klönne 1986, S. 182) Bei den Jugendgruppen, die in dieser Arbeit untersucht werden sollen, spielen vor allem Resistenz, Dissidenz und Nonkonformität eine wichtige Rolle. Es geht also nicht um Widerstand im engeren Sinne, sondern um verschiedene Formen oppositionellen Verhaltens bei Jugendlichen während der NS-Herrschaft.

Keim konstatiert, dass „seit dem Ende der dreißiger Jahre neue oppositionelle Gruppierungen (entstanden, d. Verf.), mit denen sich junge Menschen den... Zwängen und Reglementierungen zu entziehen versuchten“ (Keim 1997, S. 358), die das NS-Regime den Jugendlichen auferlegten. Zu dieser Art von Jugendopposition zählen die Edelweißpiraten und die Swing-Jugend, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten nun erörtert werden sollen.

II. Die oppositionellen Gruppierungen „Edelweißpiraten“ und „Swing-Jugend“

1. Die Edelwei ß piraten

Die Bezeichnung 'Edelweißpirat' stammte nicht von den Jugendlichen selbst, sondern von den „nationalsozialistischen Verfolgungsorganen“ (Kenkmann 1991, S. 140), also von der Gestapo. Mit dem Etikett 'Edelweißpiraten' versah die Gestapo Jugendliche, „die sich außerhalb der HJ in ihrer Freizeit in Cliquen zusammenfanden, sich an bestimmten Plätzen allabendlich trafen, an den Wochenenden auf Fahrt gingen“ (Keim 1997, S. 359 zitiert nach Kenkmann 1991b, S. 83). Warum ausgerechnet die Bezeichnung 'Edelweißpirat' verwendet wurde, wird in einem Bericht der Stapoleitstelle Düsseldorf von Anfang 1943 deutlich: „Verschiedene Angehörige dieser Gruppen trugen... als äußeres Erkennungszeichen ein Edelweiß...“ (Klönne 1982, S. 246). Die Fremdetikettierung 'Edelweißpirat' wurde dann von den Jugendlichen als Selbstetikettierung übernommen (vgl. Kenkmann 1991, S. 140). Rusiner merkt an, dass die „negativ gemeinte Außenbezeichnung der sozialen Kontrolleure für Gruppen außerhalb der HJ... als Selbstbezeichnung übernommen“ wurde (Rusiner 1991, S. 281 zitiert nach Lindner 1983, S. 202, Anm. 33). Die „wilden Cliquen“, wie die spontan außerhalb der HJ entstehenden Gruppen Jugendlicher im NS-Jargon genannt wurden, bildeten sich zwar schon vor dem Krieg, hatten aber besonders während des Krieges großen Zulauf (vgl. Klönne 1986 S. 201; Klönne 1982, S. 241).

Diese Jugendlichen, die nicht nur dem gleichen sozialen Milieu angehörten, sondern im selben Stadtviertel wohnten, versammelten sich abends an bestimmten Treffpunkten in ihrem Viertel, unternahmen gemeinsame Fahrten und Wanderungen und hatten einen eigenen Kleidungsstil. In einem Vernehmungsprotokoll eines 15jährigen Schiffsjungen heißt es dazu: „(...) Als Kleidung sollen die Mädels tragen weiße Blusen, blaue Röcke, weiße Söckchen. Die Jungens sollen kurze Hosen tragen, blau- oder rotkarierte Hemden, Schaftstiefel und weiße Kniestrümpfe...“ (Klönne 1982, S. 251). Auch bei den noch zu behandelnden Swing-Kids findet man einen spezifischen Kleidungsstil, der einerseits die Gruppenzugehörigkeit nach außen demonstrieren soll, andererseits auch zur Abgrenzung von der HJ mit ihrer braunen Uniform dient.

Als besonders anstößig empfanden die NS-Anhänger die Tatsache, dass es sich bei den 'Edelweißpiraten' um gemischtgeschlechtliche Gruppen handelte. Ein lockeres Beisammensein von Mädchen und Jungen war für viele Jugendlichen sicherlich anziehender war als die straff organisierten und streng nach Geschlecht getrennten Gruppen der HJ bzw. des BDM. In einem Bericht der Stapoleitstelle Düsseldorf von Anfang 1943 heißt es dazu: „(...) Zwischen den beiden Geschlechtern herrschte ein Umgangston und eine Umgangsform, die jeglichen Anstandes entbehrte. Vielfach lagerten und badeten die Jugendlichen beiderlei Geschlechts völlig nackt zusammen (...)“ (Klönne 1982, S. 246).

1.1 Soziale Herkunft der Edelwei ß piraten

Anders als die Swing-Jugend oder die Bündische Jugend, rekrutierten sich die Anhänger der Edelweißpiraten nicht aus höheren Gesellschaftsschichten, sondern aus dem Arbeitermilieu. Außerdem waren die Edelweißpiraten ähnlich wie die Swings ein typisches Großstadtphänomen. In Kleinstädten oder auf dem Lande „ließ sich ein vergleichbares Phänomen jugendlicher Opposition nicht feststellen.“ (Kenkmann 1991, S. 140). Gegen Mitte des Krieges ging die Zahl der Edelweißpiraten z.B. in Köln „in die Tausende“ (Kenkmann 1991, S. 139). Ihren Schwerpunkt hatten die Edelweißpiraten in den Industriezentren und den Großstädten im Rhein-Ruhr-Gebiet, wo sich Kinder und Jugendliche der Arbeiterschicht traditionellerweise zu Stadtteil-Cliquen zusammentaten. Derartige Kinder- und Jugendcliquen entstanden nicht erst im Dritten Reich, sondern gehörten laut Kenkmann „zur proletarischen Alltagskultur im Rhein-Ruhr-Gebiet“ (Kenkmann 1991, S. 139). Empirische Untersuchungen zum Phänomen 'Edelweißpiraten' deuten darauf hin, „dass fast neunzig Prozent der Cliquenangehörigen Jungarbeiter waren“ (Kenkmann 1991, S. 142).

Klönne konstatiert: „Die Gruppen vom Typ der 'Edelweißpiraten' können gewiss nicht als Fortsetzungen der früheren Arbeiterjugendverbände angesehen werden; sicher ist aber, dass sie den Schwerpunkt ihrer Rekrutierung nicht in mittelständisch-bildungsbürgerlichen Schichten, sondern in den Arbeiterwohnquartieren hatten“ (Klönne 1986, S. 202) .

1.2 Motive der Edelwei ß piraten f ü r oppositionelles Verhalten

Spätestens seit der Einführung der Jugenddienstpflicht im Frühjahr 1939 verlor die HJ ihre anfängliche Attraktivität für viele Jugendlichen, für ein wildromantisch-ungebundenes Eigenleben war innerhalb der HJ kein Platz mehr. Jugenddienstpflicht bedeutete, dass von nun an alle Jugendlichen der HJ zwangsweise beitreten mussten und zum Dienst herangezogen wurden. Bei Verstößen drohten den Eltern Geld- bzw. Haftstrafen, die Jugendlichen selbst wurden mit „polizeilicher Vorführung zum Dienst, Zwangsgeld und Jugendarrest“ (Klönne 1982, S. 236) bestraft. Es wurden weitere Bestimmungen erlassen, welche die Freiheiten der Jugendlichen immer mehr beschnitten, so z.B. 1940 die „Polizeiverordnung zum Schutze der Jugend“. Diese beinhaltete, dass sich Jugendliche unter 18 Jahren während der Dunkelheit nicht auf öffentlichen Straßen und Plätzen oder an anderen öffentlichen Orten aufhalten durften. Der Besuch von Lokalen, Kinos u.ä. war Jugendlichen nach 21.00 Uhr generell verboten, ebenso der „Genuss von Tabakwaren in der Öffentlichkeit“. (Klönne 1982, S. 234) Die immer stärker werdende staatliche Kontrolle und Überwachung des jugendlichen Freizeitverhaltens rief immer mehr Unmut bei den Jugendlichen hervor. Diese Tendenz verstärkte sich während der Kriegsjahre. Im Laufe des Krieges war eine zunehmende Renitenz der Jugendlichen gegen den Drill in der HJ, gegen die staatlich vorgeschriebene Kriegsdiensthilfe und allgemein gegen die Maßnahmen, welche die jugendlichen Bedürfnisse nach einer autonomen Freizeitgestaltung und Lebensführung unterdrückten, festzustellen (vgl. . Klönne 1982, S. 230). Die Aufzeichnungen eines Kölner Jugendrichters vom November 1943 verdeutlichen diese Tatsachen:

„Nach Kriegsbeginn verstärkte sich das Erscheinungsbild der Edelweißpiraten... Die Jugend der Altstadt... war sich jetzt noch mehr selbst überlassen... Diese Jungens, von Haus aus leichtsinnig, charakterlich schwach und disziplinlos, erlebten auf der Arbeit eine einschneidende Wendung. Die in immer steigendem Maße in Köln und Umgebung untergebrachten Ostarbeiter und Ostarbeiterinnen führten, obwohl zum Ziel noch jugendlich, ein Leben, das ihnen mehr Freiheiten erlaubte als einem gleichaltrigen deutschen Jungen. Denn sie durften auch noch bei Dunkelheit auf der Straße herumstehen, dürfen auf der Straße rauchen und treiben sich paarweise in den Anlagen herum... Der Hitler-Jugend- Streifendienst und die Jugenddienstpflicht brachten hierin aber einen neuen Gesichtspunkt. Denn diejenigen, die hier Disziplin und Ordnung forderten und das wilde Wandern außerhalb der HJ-Formationen unterbinden wollten waren Altersgenossen... Diese Jungens folgen allem, nur nicht dem Zwang. Sie wollen 'wilde Fahrten' machen und nicht eine geordnete Wanderung in Formation. Hierin liegt die Wurzel der oppositionellen Einstellung gegen die Hitler-Jugend und damit gegen den Staat...“ (Klönne 1982, S. 247f.)

Die Jugendlichen versuchten sich diesen Zwängen zu entziehen, indem sie sich „wilden Cliquen“ wie den Edelweißpiraten anschlossen. Es waren also die repressiven Kontroll- und Überwachungsmaßnahmen selbst, die bei den Jugendlichen erst ein oppositionelles Verhalten hervorriefen. (vgl. Kenkmann 1991, S. 147) Keim betont „... die Kompromisslosigkeit, mit der die Nazis alle nicht-nazistischen Verbände und Organisationen bekämpften und zur Eingliederung in die HJ zwangen...“ (Keim 1997, S. 355) als Ursache für oppositionelles Verhalten. Von Haus aus eher unpolitisch, erzeugte „erst die verfolgerische Praxis des NS-Staates, die jugendlichen Gesellungen abseits der HJ eine politische Qualität gab“ (Müller 1986, S. 183) systemgegnerische Einstellungen bei den Jugendlichen.

Besonders der Streifendienst der Hitlerjugend war den Edelweißpiraten verhasst. Kenkmann stellt fest: „Gegen den Streifendienst der Hitlerjugend richtete sich der Hauptunmut der jugendlichen Cliquenangehörigen“. (Kenkmann 1991, S. 146) Bei diesem Streifendienst waren es Gleichaltrige, die „über die Einhaltung der staatlichen Reglementierungen jugendlichen Freizeitlebens“(Kenkmann 1991, S. 147) wachten. „Das ließen sich die jugendlichen Edelweißpiraten nicht bieten“ (ders. 1991, S. 147).

Die jugendlichen Edelweißpiraten hatten keine Lust auf die militärisch geordneten Wanderungen bei der HJ, sondern wollten ohne Zwang und Reglementierungen Fahrten und Wanderungen unternehmen und ein ungezwungenes Zusammensein mit ihresgleichen genießen. Mit der Einführung des sogenannten Fahrtenscheins wurde aber eben dieses freie Wandern außerhalb der HJ verboten. So mussten die Jugendlichen zu allerlei Tricks greifen, um sich der Kontrolle des Streifendienstes zu entziehen. Die Fahrten wurden mündlich verabredet, man traf sich zur Abfahrt nicht mehr in Gruppen, sondern verteilte sich unauffällig in den Eisenbahnwagen (vgl. Kenkmann 1991, S. 144).

1.3 Formen oppositionellen Verhaltens der Edelwei ß piraten

Aus heutiger Sicht dienten zunächst die meisten Verhaltensweisen der Edelweißpiraten lediglich der Verwirklichung eines freiheitlichen jugendlichen Lebensstils, die erst vor dem Hintergrund der repressiven Gesetze der NS-Herrschaft einen oppositionellen Charakter bekamen. Freies Zelten und Wandern, Singen und Gitarre spielen, ein eigener Kleidungsstil, gemischtgeschlechtliche Gruppen - all dies galt im Dritten Reich bereits als oppositionell. „Der oppositionelle Charakter solcher Jugendgruppen bestand laut Gestapo- Berichten zunächst einmal in ihrer betont lässigen Kleidung und Haltung, die Anstoß erregten, ebenso in der 'allgemeinen sittlichen Verwahrlosung'...“ (Keim 1997, S. 359). „Die 'Edelweißpiraten', so klagte die Reichsjugendführung, zögen im Revier in Trupps in Stärke bis zu 30 Mann singend und klampfespielend durch die Städte..'“ (Müller 1986, S. 202). Zur Freizeitgestaltung der Edelweißpiraten gehörten abendliche Treffen an bestimmten Plätzen im Viertel, bei denen geraucht und Alkohol konsumiert wurde. Der Alkohol- und Zigarettenkonsum sowie Glücksspiele zeigt eine deutliche Abgrenzung zu den traditionellen Jugendbünden, bei denen dies verpönt war (vgl. Kenkmann 1991, S. 143). Diese Tatsache sowie die Herkunft aus dem Arbeitermilieu verdeutlichen, dass die Edelweißpiraten keineswegs in der Tradition der Bündischen Jugend standen, gleichwohl sie vom NS- Regime als bündisch bezeichnet und verfolgt wurden. Zu den oppositionellen Verhaltensweisen der Edelweißpiraten zählten auch gemeinsame Fahrten an den Wochenenden, die - wie bereits erwähnt - verboten waren, da sie außerhalb der HJ stattfanden. In dem Bericht der Stapoleitstelle Düsseldorf von Anfang 1943 heißt es dazu: „... Sie führten auf ihren Wanderungen Klampfen mit, sangen Fahrten- und bündische Lieder und übernachteten draußen in Zelten oder bei Bauern in Scheunen...“ (Klönne 1982, S. 246). All dies war verboten und galt als oppositionell. Die „wilden Fahrten“ sollten durch Kontrollen des HJ-Streifendienstes unterbunden werden, was die oppositionelle Haltung der Edelweißjugendlichen weiter verstärkte. Es kam daher häufig zur Konfrontation mit der HJ und dem verhassten Streifendienst. Dies führte auch zu handgreiflichen Auseinandersetzungen zwischen HJ-Angehörigen und Edelweißpiraten. So kam es zu Schlägereien, zu regelrechten Überfällen auf den Streifendienst und sogar zur Zerstörung von HJ-Heimen. (vgl. Keim 1997, S. 359). In der Denkschrift der Reichsjugendführung vom September 1942 heißt es: „... HJ-Führer werden überfallen, angepöbelt und sogar angeschossen...“ (Klönne 1982, S. 250). Weiteres Kennzeichen ihrer oppositionellen Haltung war die „(...) bewusste Missachtung von Anordnungen, beispielsweise von Ausgangssperren am späten Abend oder von Kontaktverboten zu 'Fremdarbeitern' und 'Fremdrassigen' “ (Keim 1997, S. 360).

Bei einzelnen Angehörigen von Edelweißpiraten-Gruppen bekamen die oppositionellen Verhaltensweisen verstärkt politischen Charakter. Dies zeigt sich in antinazistischen Flugblättern, Anti-Hitler-Parolen und Sabotageakten (vgl. Kenkmann 1991, S. 151; Müller 1982, S. 203).

1.4 Bekämpfung der Edelwei ß piraten durch das NS-Regime

Ziel des NS-Regimes war es, alle Jugendlichen in die HJ zu integrieren, zu kontrollieren und in den Dienst des Staates zu stellen. Sukzessive wurden nach der Machtergreifung alle Jugendverbände wie die Bündische Jugend oder die konfessionellen Jugendgruppen usw. verboten. Illegale Gruppierungen wie die Edelweißpiraten, die außerhalb der HJ standen, galten als gefährlich, da sie Verdacht standen, einen negativen Einfluss auf die Jugendlichen zu haben oder gar als Keimzelle oppositioneller Verbindungen zu fungieren. Daher galt es, diese Gruppen systematisch zu bekämpfen und zu zerschlagen. Um Freizeitaktivitäten wie Wandern und Zelten außerhalb der HJ zu unterbinden, wurden sogenannte „Fahrtenerlaubnisscheine“ ausgegeben, die jedoch nur HJ-Gruppen bekamen. Die Gendarmerie und der HJ-Streifendienst musste alle Jugendlichen, die in Gruppen auftraten, wanderten oder zelteten, kontrollieren (vgl. Müller 1982, S. 302). Nach dem Verbot der Bündischen Jugend 1936 konnten Angehörige informeller Jugendgruppen unter Strafe gestellt werden, wenn man ihnen eine Fortsetzung der Bündischen Jugend nachweisen konnte (vgl. Kenkmann 1991, S. 148 f.). Der Begriff „bündisch“ wurde immer mehr ausgeweitet. „Nach einem Urteil des Sondergerichts Dortmund vom 24. /25. Februar 1938 lag eine verbotene bündische Gruppe auch dann vor, 'wenn nur ein lockerer Zusammenschluss (...) festgestellt werden kann (...) Die Freude an dem ungebundenen Fahrtenleben ist ein wesentliches Merkmal'.“ (Kenkmann 1991, S. 149). Die Edelweißpiraten wurden zumeist wegen „bündischer Umtriebe“ verfolgt und bestraft. In Anbetracht der Tatsache, dass es sich um zumeist minderjährige Jugendliche handelte, waren die Strafen unverhältnismäßig hoch. Ein Beispiel: „Sondergerichte verurteilten zwölf Jugendliche in den Sitzungen vom 15. September 1943 und 9. April 1944 wegen jugendbündischer Betätigung, einige von ihnen auch wegen zusätzlich begangenen Einbruchdiebstahls zu Gefängnisstrafen zwischen sechs Monaten und vier Jahren und drei Monaten.“ (Kenkmann 1991, S. 139). Noch drastischer waren die Strafen gegen Edelweißpiraten, die antinazistische Flugblätter und Parolen verbreiteten. Gegen sie wurde wegen Landes- und Hochverrats ermittelt. Selbst vor Hinrichtung von Minderjährigen scheuten die NS-Verfolger nicht zurück: „Dreizehn Deutsche, darunter sechs Jugendliche von 16 -18 Jahren, wurden am 10.11.1944 in Köln-Ehrenfeld vor einer großen Menschenmenge von der Gestapo als Angehörige einer 'Terrorbande', der SteinbrückGruppe1, umgebracht“ (Rusiner 1991, S. 271).

2. Die Swing-Jugend

Eine sogenannte Swing-Jugend gab es in den vierziger Jahren in vielen Großstädten der westlichen Welt. Die Musikrichtung Swing mit der dazugehörigen Mode und einem ausgelassenem Tanzstil war einer der ersten Trends, der aus Amerika kommend in Europa mit Begeisterung von den jungen Leuten aufgenommen wurde. In Deutschland war besonders Hamburg eine Hochburg der Swing-Kids. Die anglophilen Swings waren enthusiastische Jazz-Liebhaber, die ihre Zugehörigkeit zur Swing-Jugend auch durch äußere Attribute deutlich machten. Die Länge der Haare war und ist bis heute ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen des Protests und der Opposition (z.B. auch bei den Beatniks und Hippies). Männliche Swings trugen im bewussten Gegensatz zur herrschenden Mode des akkuraten Kurzhaarschnitts der HJ ihre Haare relativ lang. Auch die Kleidung spielte eine wichtige Rolle. Die Jungen kleideten sich nach dem lässig eleganten Vorbild des amerikanischen Dandys der dreißiger Jahre. Erkennungszeichen waren extrem lange Sakkos mit auffälligem Karomuster, weit geschnittene Hosen, Schuhe mit dicken Kreppsohlen, Hut und ein langer Staubmantel oder Trench Coat. Nicht fehlen durfte ein schwarzer Regenschirm, der jedoch bei keinem Wetter aufgespannt wurde, wie ihn auch der englische Außenminister trug, und eine in der Jackentasche getragene Zeitung, die nach Möglichkeit eine ausländische sein sollte. (vgl. Keim 1997, S. 361 und Kurz 1995, S. 76). Auch die Mädchen unterwarfen sich nicht dem nazistischen Grundsatz „eine deutsche Frau schminkt sich nicht“, sondern „... orientierten sich an einem Typus modisch gestylter, geschminkter und gekleideter junger Frauen, ebenfalls mit weit geschnittenen Hosen, auffälligem Sakko oder aber - auf der Tanzfläche - mit kurzgeschnittenem Kleid“ (Keim 1997, S. 361).

Zu der lässigen Kleidung kam auch eine ebensolche Körperhaltung dazu, die der betont antimilitärischen Einstellung der Jugendlichen Ausdruck verleihen sollte: „Oft waren in Hamburg Gruppen von Swings zu sehen, die sich mit kleinen, schwingenden Schritten und leicht vornübergebeugt durch die Straßen bewegten“ (Kurz 1995, S. 79f. zitiert nach Pohl 1986, S. 21).

Dieser äußere Habitus, sowie der von den Nazis als 'undeutsch', als 'Niggerjazz' und als 'anglojüdische Pest' verurteilte Swing (vgl. Keim 1997, S. 361), war bei den NS-Anhängern verpönt, und es dauerte nicht lange, bis die Swing-Bewegung von deutschem Boden verbannt werden sollte. Die Swing-Kids wurden wie die Edelweißpiraten verfolgt und bestraft, weil sie sich nicht in den Dienst des Staates und der HJ stellen wollten, sondern einen eigenen jugendspezifischen Lebensstil entwickelten, der sich nicht an den nazistischen Dogmen orientierte. Ihr oppositionelles Verhalten war also nicht politisch motiviert, sondern sollte der Schaffung persönlicher Freiräume innerhalb der NS-Diktatur dienen. Ähnlich wie die Edelweißpiraten wurden die Swings erst durch die repressiven Gegenmaßnahmen des NS-Staates politisiert und in die Opposition gedrängt.

2.1 Soziale Herkunft der Swing-Kids

Was die soziale Herkunft der Swings anbelangt, so kamen sie aus einem gänzlich anderen Milieu als die Edelweißpiraten. Jene stammten aus der Arbeiterschicht, die Swings jedoch hatten „ihren Boden eher im großstädtischen Gewerbebürgertum“ (Müller 1986, S. 202), sie waren meist Gymnasiasten und kamen aus den vornehmen und teuren Wohnvierteln ihrer Stadt. Dies ist sicherlich auch dadurch zu erklären, dass sie ja zum einen Englischkenntnisse zum Verständnis der Swing-Text zum anderen Geld für ihren exklusiven Kleidungsstil und die teuren Swing-Platten benötigten. (vgl. Keim 1997, S. 362). Pohl stellt fest: „Stilbildend für diese 'Swing-Jugend' waren in Hamburg Freundeskreise aus dem gehobenen Bürgertum, die allerdings keinerlei 'Organisation' darstellten...“ (Pohl 1991, S. 244). Die mittelständisch sozialisierten Swings mit ihrer liberalistischen Grundhaltung lehnten die meisten Werte der NS-Erziehung ab und stellten ihnen eigene Ideale entgegen. Der Forderung Hitlers, der deutsche Junge müsse „hart wie Kruppstahl“ sein, setzten sie den Wert des „Lotterns“ entgegen. Das Idealbild eines „Lotterlebens“ wird in einem Brief eines Swing-Boys an einen Freund auf Urlaub plastisch dargestellt: „Dass Du mir Kiel auch würdig vertrittst, also: Ganz lässig, ewig englische Schlager singend oder pfeifend, total besoffen und immer umwiegt von den tollsten Frauen.“ (Kurz 1995, S. 67 zitiert nach: „Cliquen- und Bandenbildung“, Kiel).

Ähnlich wie die Edelweißpiraten waren die Swings nicht in der Provinz zu finden, sondern ein typisches Großstadtphänomen. „...sie orientierte sich nicht an Traditionen der Jugendbewegung, sondern an 'westlichen' Mustern eines freien Jugendlebens“(Müller 1986, S. 202).

2.2 Motive der Swing-Jugend f ü r oppositionelles Verhalten

Die Swings interessierten sich zunächst nicht sonderlich für Politik. Sie begeisterten sich für Swing und Jazz, für alles was englisch und nicht deutsch war, und orientierten sich an den modernen Werten von individueller Freiheit und Selbstentfaltung, die sich aus Amerika kommend auch in Europa verbreiteten. Sie lehnten die Formationserziehung der HJ ab, da diese sie in ihren Entfaltungsmöglichkeiten stark behinderte. Ein 1941 verhafteter Swing- Boy gibt zu Protokoll:

„Unsere Auffassung ging dahin, dass wir durch den HJ-Dienst in unserer Freizeit zu sehr beschnitten wurden; wir sahen ihn als Zwang an und etwas Gezwungenes tut man nicht gerne. Auch der kommenden Arbeitsdienstzeit sahen wir ungern entgegen... Mir persönlich schwebte als Ideal ein Leben voller Freiheit ohne Zwang mit viel Abwechslung und Vergnügen vor... Um meiner Gedankenwelt entsprechend auftreten zu können, war ich bestrebt, mir Manieren englischer Art anzugewöhnen. Sie sollten mir für später den nötigen

Schliff verleihen. Die übrigen zur Clique zählenden Jungen hatten wohl die gleichen Gedankengänge.“ (Kurz 1995, S. 47 zitiert nach Bundesarchiv Koblenz NS 18/507)

Schwänzen des HJ-Dienstes war Ehrensache und anstelle der „Treue zur Volksgemeinschaft“ setzten sie die Treue zu ihrer freiwillig gewählten Gruppe und zum Individualismus. Durch die Rückbesinnung auf ein elitäres Standesbewusstsein wollten sie sich „von dem braunen Einheitsbrei in Kleidung und Gedanken“(Kurz 1995, S. 84) distanzieren: „... Die auf der anderen Seite waren für uns Proleten. Das waren Säufer, Schlächter und Haudegen. Die konnten nicht mal richtig Deutsch. Es war ein ganz elitäres Moment dabei, das uns dazu brachte, uns von denen abzusetzen...“ (Kurz 1995, S. 84 zitiert nach: Jens, Über den Kanal, in: Polster, „Swing Heil“. S. 157f.). Die nationalsozialistische Ideologie wurde von den individualistisch-liberalistische Swings schlichtweg abgelehnt. „Dass die anglophilen Swings als enthusiastische Jazz-Liebhaber gegenüber den Riten und Botschaften des NS-Regimes weitestgehend 'renitent' waren bzw. das in Anbetracht der nationalsozialistischen Schule sogar erst wurden, steht außer Zweifel“ (Pohl 1991, S. 267).

Aus heutiger Sicht waren die Swings ganz normale Jugendliche, die Spaß haben, ausgelassen sein wollten und ein selbstbestimmtes freiheitliches Jugendleben führen wollten. Keim konstatiert, dass ihre Art von Opposition „... weithin auf den privaten Bereich beschränkt blieb und Politik Politik sein ließ“(Keim 1997, S. 362). Es waren die Nazis selbst, die aus der Swing-Bewegung ein Politikum machten. „Durch Verbot und Verfolgung gewann der Swing für unangepasste Jugendliche erst Recht an Reiz.“ (Keim 1997, S. 361) Ein ehemaliger Swing-Boy stellt fest: „Die Swingjugend an sich... war unpolitisch. Doch ich bin über sie politisiert worden“ (Keim 1997, S. 362 zitiert nach Prückner 1989, S. 228).

2.3 Formen oppositionellen Verhaltens der Swing-Kids

Das oppositionelle Verhalten der Swing-Jugend bestand primär aus dem Beharren auf einem eigenen Kleidungs- und Lebensstil. Zunächst waren es reine Äußerlichkeiten der Swings, die bei den Nazis Anstoß erregten. Der lässige Kleidungsstil, die langen Haare der Jungs und das Make-up der Mädchen war ein Affront für den NS-Staat. In dem Bericht des Kreisschulungsamtes der NSDAP Eichstätt vom 15. März 1944 heißt es: „'... So ist es für die Hitlerjugend untragbar, dass es u.a. noch Jungen gibt, die das Erscheinungsbild der deutschen Jugend dadurch verunglimpfen, dass sie mit einer weiblichen Tangofrisur oder einer sog. Künstlermähne herumlaufen...“(Klönne 1982, S. 239f.).

Als dann die Tanzfeste der Swings überwacht wurden, stieß das Verhalten und der Tanzstil bei den NS-Anhängern auf völliges Unverständnis und wurde als abnormal und undeutsch angesehen. Aus der Denkschrift der Reichsjugendbildung von September 1942: „Der Anblick der Tanzenden war verheerend. Kein Paar tanzte normal, es wurde in übelster Weise geswingt. Teils tanzten zwei Jünglinge mit einem Mädel, teils bildeten mehrere Paare einen Kreis, wobei man sich einhakte und in dieser Weise dann herumhüpfte, mit den Händen schlug, sogar mit den Hinterköpfen aneinander rollte und dann in gebückter Stellung, den Oberkörper schlaff nach unten hängend, die langen Haare wild im Gesicht, mit den Beinen herumschlenkerte...“ (Klönne 1982, S. 242 f.). Auch der Hitlergruß war bei den Swings verpönt. Man redete sich mit „Swing-Boy“ bzw. „Swing-Girl“ an und statt eines zackigen „Heil Hitler“ wurde mit „Swing-Heil“ gegrüßt. (vgl. Klönne 1982, S. 242 f.) Das Swing-Tanz-Verbot der Reichsmusikkammer wurde ignoriert, „so war es keine Seltenheit, dass etwa im Hamburger 'Cafe Heinze' regelmäßig geswingt wurde unter dem gut sichtbaren Schild der Reichsmusikkammer: ' Swingtanzen verboten! ' (Pohl 1991, S. 249). Auch die Tatsache, dass der Besitz von amerikanischen Swing-Platten, die ja zumeist von Schwarzen wie z.B. Duke Ellington aufgenommen wurden, verboten war, hielt die Swings nicht von ihrer Leidenschaft ab. Die verbotenen Schallplatten wurden ebenso angehört, wie der Feindsender BBC London. Dies stellte ein hohes Risiko dar, denn sollte man dabei erwischt werden, musste man mit drastischen Strafen rechnen. (vgl. Keim 1997, S. 361). Doch es gab auch bewusstere Gesten der Verweigerung. Diese reichten von beißenden Spottliedern bis hin zum Vervielfältigen der BBC-Nachrichten. „In manchen Hamburger Lokalen sangen die Swings ihren Spott auf die nationalsozialistische Tagespresse zur Melodie von 'Sweet Sue':

Lest das Mittagsblatt,

Lest das Tagesblatt

Alles Lüge, alles Dreck!“ (Pohl 1991, S. 244 f.)

Auch kam es vor, dass jugendliche Swings Flugblätter, die von alliierten Bombern abgeworfen wurden, aufsammelten und weiter verbreiteten: „Der Schüler der Oberschule für Jungen... hat meinem Lehrling H. vor einigen Tagen ein englisches Flugblatt gebracht... Er gab dabei an, er sei Swing-Boy und gegen die Regierung eingestellt. Er hat das Mädchen aufgefordert, das Flugblatt ihrem Vater zu zeigen, damit dessen Inhalt bekannt würde... „ (Kurz 1995, S. 122, zitiert nach: Schreiben an die Schulverwaltung vom 16. Dezember 1942 - STA Hamburg, Oberschulbehörde VI, F VIII a 2/3/1).

Die Verfolgung der Swing-Anhänger durch den NS-Staat führte dazu, dass einzelne SwingJugendliche den totalitären Staat zu bekämpfen versuchten. Vereinzelt wurde Kontakt zu Widerstandskämpfern der Hamburger Weißen Rose aufgenommen. „Junge Leute aus der sogenannten 'Swing-Jugend' arbeiteten mit der Hamburger Gruppe der 'Weißen Rose' zusammen.“ (Müller 1986, S. 203f.).

2.4 Verfolgung der Swing-Jugend durch das NS-Regime

Die Swing-Kids waren wie die Edelweißpiraten eine Gruppierung, die der HJ und der NSIdeologie ablehnend gegenüberstanden und sollten daher ausgeschaltet werden. Der NSStaat verbot die Swing-Musik und das Swing-Tanzen. Zu Kriegsbeginn wurde ein generelles Tanzverbot erlassen. „... Daraufhin waren Spitzel des Sicherheitsdienstes der SS (SD) u.a. auch damit beauftragt, die Hamburger Tanzbars auf die Einhaltung dieses Verbotes hin zu observieren.“ (Pohl 1991, S. 247).

Gegen die Angehörigen der Swing-Jugend wurde ermittelt, sie wurden in der Denkschrift der Reichsjugendbildung von September 1942 als „illegale Vereinigung staats- und parteifeindlich eingestellter Jugendlicher“ (Klönne 1982, S. 242 f.) entlarvt. Swing-Anhänger wurden verhaftet und in Gefängnisse und KZ eingewiesen. Dort wurden sie als sogenannte Schutzhäftlinge zu schweren Arbeiten herangezogen (vgl. Pohl 1991, S. 255). In einem Schreiben von Himmler vom 26. Januar 1942 heißt es:

„... Meines Erachtens muss jetzt aber das ganze Übel radikal ausgerottet werden... Alle Rädelsführer... sind in ein Konzentrationslager einzuweisen. Dort muss die Jugend zunächst einmal Prügel bekommen und dann in schärfster Form exerziert und zur Arbeit angehalten werden... Der Aufenthalt im Konzentrationslager für diese Jugend muss ein längerer, 2-3 Jahre sein. Es muss klar sein, dass sie nie wieder studieren dürfen... Nur, wenn wir brutal durchgreifen, werden wir ein gefährliches Umsichgreifen dieser anglophylen Tendenz in einer Zeit, in der Deutschland um seine Existenz kämpft vermeiden können...“ (Kurz 1995, S. 140 zitiert nach BA Koblenz NS 19/219) Auch gewalttätige Haarschuren stellten eine Gegenmaßnahme des NS-Staates dar. Aus dem Bericht des Kreisschulungsamtes der NSDAP Eichstätt vom 15. März 1944: „Der Bannführer... erließ an sämtliche Friseure der Stadt Eichstätt folgendes Schreiben: ... Ich habe deshalb angeordnet, dass im Bann Eichstätt ab sofort jeder Jugendliche kurzen Haarschnitt zu tragen hat. Wer sich dieser Anordnung widersetzt, wird nach der Kriegsdienstanordnung der Hitler-Jugend wegen Befehlsverweigerung bestraft'(...)“. (Klönne 1982, S. 239f.)

III. Resümee: Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Edelweißpiraten und Swing-Kids

Obgleich die Swing-Jugendlichen und die Edelweißpiraten aus unterschiedlichen sozialen Milieus kommen, finden sich in ihren Motiven und Zielen übereinstimmend das Bestreben nach einem selbstbestimmten freiheitlichen Leben und die Ablehnung der nationalsozialistischen Vorstellungen. Beide Gruppierungen entwickelten einen eigenen Lebensstil und eigene Wertvorstellungen, die in deutlichem Kontrast zu den Werten und Normen der NS-Ideologie standen. Dennoch war ihre oppositionelle Haltung zunächst nicht politisch motiviert, sondern diente in erster Linie der Schaffung privater Freiräume innerhalb eines totalitären Systems. Erst durch Verbote, Verfolgung und Unterdrückung seitens des NS-Staates entwickelten Angehörige der Swing-Jugend bzw. der Edelweißpiraten eine bewusstere oppositionelle Haltung gegenüber dem Regime, dessen Organe und Ideologie. Während jugendliche Edelweißpiraten auch gewalttätige Akte wie z.B. die Zerstörung von HJ-Heimen oder Sabotageakte durchführten, hielten sich die gutbürgerlichen Swings mehr zurück und lebten ihre oppositionelle Haltung eher im Privaten. Beide Bewegungen wurden vom NS-Regime als staatsfeindlich betrachtet, der „Zersetzung der Staatsjugend“ verdächtigt und massiv verfolgt. Dadurch wurden diese jugendspezifischen sozialen Bewegungen politisiert und eine politische Opposition der Betroffenen forciert. Nur die wenigsten jedoch wurden zu wirklichen Widerstandskämpfern. Immerhin zeigen Swing-Jugend und Edelweißpiraten, dass es auch innerhalb eines totalitären Staates immer mehrere Möglichkeiten für eigenes Verhalten gibt. Das Argument der Mitläufer und damit indirekt Unterstützer des menschenverachtenden NS-Regimes, man habe sich doch nicht anders verhalten können, wird durch das Beispiel der Swings und Edelweißpiraten zumindest teilweise entkräftet.

Literatur:

Breyvogel, W (Hrsg.).: Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn 1991

Hellfeld, M.: Bündischer Mythos und Bündische Opposition. Zu einer Neubewertung der Bündischen Tradition und ihrer kulturellen Praxis. In: Breyvogel, W. (Hrsg.): Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn 1991

ders.: Edelweißpiraten in Köln. Jugendrebellion gegen das 3. Reich. Das Beispiel Köln- Ehrenfeld. Köln 1981

ders.: Bündische Jugend und Hitlerjugend. Zur Geschichte von Anpassung und Widerstand 1930-1939. Köln 1987

Keim, W.: Erziehung unter der Nazi-Diktatur. Band II: Kriegsvorbereitung, Krieg und Holocaust. Darmstadt 1997

Kenkmann, A.: Navajos, Kittelbach- und Edelweißpiraten. Jugendliche Dissidenten im „Dritten Reich“. In: Breyvogel, W.: Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn 1991

Klönne, A.: Jugend im Dritten Reich. Die Hitler-Jugend und ihre Gegner. München 1982

Klönne, A.: Jugendliche Opposition gegen Hitler-Jugend und NS-Staat. In: Müller, K-J.: Der deutsche Widerstand 1933 - 1945. Paderborn 1986

Kurz, Jan: „Swinging Democracy“. Jugendprotest im 3. Reich. Münster 1995

Müller, Klaus-Jürgen: Der deutsche Widerstand 1933 - 1945. Paderborn 1986

Pohl, Rainer: „Schräge Vögel, mausert euch!“ Von Renitenz, Übermut und Verfolgung der Hamburger Swings und Pariser Zazous. In: Hellfeld, Matthias ~von: Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn 1991

Polster, B. (Hrsg.): „Swing Heil“. Jazz im Nationalsozialismus. Berlin 1989

Prückner, U.: Wilde Jahre. Begegnungen mit Hamburger Swings. In: Polster, B. (Hrsg.): „Swing Heil“. Jazz im Nationalsozialismus. Berlin 1989

Rusiner, B..: Desintegration und gesteigerter Zwang. Die Chaotisierung der Lebensverhältnisse in den Großstädten 1944/45 und der Mythos der Ehrenfelder Gruppe. In:Hellfeld, M.: Piraten, Swings und Junge Garde. Jugendwiderstand im Nationalsozialismus. Bonn 1991

[...]


1 Die Steinbrück-Gruppe war eine Gruppe von Edelweißpiraten aus Köln-Steinbrück.

Final del extracto de 18 páginas

Detalles

Título
Oppositionelle Strömungen der Jugend in der NS-Zeit - Edelweißpiraten und Swing-Jugend
Calificación
1,3
Autor
Año
2000
Páginas
18
No. de catálogo
V101901
ISBN (Ebook)
9783640003099
Tamaño de fichero
370 KB
Idioma
Alemán
Notas
Gegen Ende der dreißiger Jahre entstanden in der Jugend neue oppositionelle Gruppierungen, mit denen sich junge Menschen den Zwängen und Reglementierungen zu entziehen versuchten, die das NS-Regime den Jugendlichen auferlegten. Zu dieser Art von Jugendopposition zählen die Edelweißpiraten und die Swing-Jugend, deren Unterschiede und Gemeinsamkeiten hier erörtert werden solle! n.
Palabras clave
Oppositionelle, Strömungen, Jugend, NS-Zeit, Edelweißpiraten, Swing-Jugend
Citar trabajo
Miriam Lauerbach (Autor), 2000, Oppositionelle Strömungen der Jugend in der NS-Zeit - Edelweißpiraten und Swing-Jugend, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101901

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