Die Geschichte der Rechtssoziologie


Dossier / Travail, 2001

12 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

I. EINLEITUNG
1. Gegenstand und Aufgabe der Rechtssoziologie
2. Methoden der Rechtssoziologie
3. Beziehung zur Soziolgie

II. GESCHICHTE DER RECHTSSOZIOLOGIE
1. Rechtssoziologie vor dem 20. Jahrhundert
1.1. Vorläufer
1.2. Montesquieu
2. Rechtssoziologie im 20. Jahrhundert
2.1. Eugen Ehrlich
2.2. Max Weber
2.3. Niklas Luhmann

III. ZUSAMMENFASSUNG

IV. LITERATURANGABEN

I. EINLEITUNG

Seit 1950 hat sich die Soziolgie stark ausdifferenziert in sog. Bindestrich-Soziologien. Eine besondere Art davon ist die Rechtssoziologie, denn im Gegensatz zu solchen Soziologien, die sich jeweils mit einem sachlich umgrenzten Ausschnitt der Gesellschaft befassen (wie z.B. Kunst-Soziologie oder Militär-Soziologie), ragt das Recht in alle Lebensbereiche hinein. Somit ist die Rechtssoziologie ein ubiquitärer Bestandteil der Sozialstruktur.

1. Gegenstand und Aufgabe der Rechtssoziologie

Die Rechtssoziologie hat eine besondere Gattung von sozialen Erscheinungen zum Gegenstand, nämlich die Rechtserscheinungen. Das Wort Erscheinung ist von grundlegender Bedeutung, denn es besteht von vornherein die Absicht, sich an das "äußere Bild" halten zu wollen, ohne sich zu bemühen, das Wesen der Dinge zu erfahren.

Die Aufgabe der Rechtssoziologie besteht darin, alle in Recht angesammelten Erfahrungen und Erkenntnisse zu definieren und dabei alle störenden Einflüsse durch eigene Erkenntnisse zu ersetzen. Dabei soll die Bedeutung des Rechts auf alltägliche Praktiken und Rechtsgeschäfte sowie die außerordentliche Vielfalt dieser Dinge im Vordergrund stehen. Desweiteren ist auf eine Erklärung dieser Aufgaben und eine Definition von Gesetzen und deren Anwendung hinzuweisen.

Die Juristen fragen: Wie soll der Richter entscheiden und befragen dazu Gesetz und Recht. Die Rechtssoziologen dagegen hinterfragen und möchten wissen, warum die Richter gerade so und nicht anders entscheiden. Sie geben sich nicht damit zufrieden, daß die Urteile auf den bestehenden Gesetzen beruhen.

Aber nicht nur die Fragestellungen sind unterschiedlich, sondern auch die Methoden zu ihrer Beantwortung. Dennoch beruht die Methodologie der Rechtssoziologie auf die der empirischen Sozialforschung der allgemeinen Soziologie.

2. Methoden der Rechtssoziologie

Als empirische Wissenschaft muß die Rechtssoziologie ihre Theorien an Erfahrungen überprüfen. Dies geschieht mit Hilfe verschiedener Erhebungsverfahren, wobei die wichtigsten die Befragung, die Beobachtung und die Dokumentenanalyse sind. Das Ziel ist die Überprüfung einer Theorie. Die Methoden dabei sind, wie schon erwähnt, ähnlich die der Soziologie. Ziel jeder Empirie ist die Überprüfung einer Theorie. Meist sind solche Theorien schon da. Ansonsten ist ein Problem Anlaß, Theorien zu entwickeln. Daraus werden Foschungsfragen abgeleitet, die mit dem vorhandenen soziologischen Wissen abgestimmt werden. Erst dann kann die Frage präziser formuliert und eine Hypothese aufgestellt werden. Für verwendete Begriffe werden Indikatoren gesucht, die eine Messung auf verschiedenem Niveau ermöglichen. Im einfachsten sind es nur zwei Merkmalsausprägungen, die (dichotom) gemessen werden. Bei mehreren Ausprägungen, die nicht in eine Rangordnung gebracht werden können, wird nominal gemessen. Ist eine Rangordnung möglich, ist ordinales Messen möglich. Am genauesten jedoch sind Intervallskalen, die auch den Abstand zwischen den Merkmalen angeben.

Als nächstes müssen die Verfahren ausgewählt werden, mit deren Hilfe die Daten gesammelt werden sollen. Ist dies geschehen kann mit der Datenerhebung begonnen werden. Dabei sind einige Dinge, unter anderem die Variabilität und die Reliabilität, zu beachten. Diese Daten können dann mit mathematischen und statistischen Verfahren ausgewertet werden. Die beliebteste Methode ist die Beobachtung. Sie bietet wegen der Unmittelbarkeit und Nähe zum Untersuchungsfeld interessante Aufschlüsse besonders dann, wenn dieses Feld wenig strukturiert ist.

3. Beziehungen zur Soziologie

Wie schon angedeutet stehen die Rechtssoziologie und die allgemeine Soziologie in einem Austauschverhältnis - trotz ihrer Verselbständigung.

Die Methoden (z.B. Statistik oder Erhebungsverfahren) sind in soziologischen Gebieten entwickelt worden und wurden lediglich angepaßt.

Eine große Anzahl von Begriffen aus der Soziologie wurden übernommen. So z.B. sozialer Zwang, soziale Kontrolle, soziale Rolle oder der Status.

Man kann also sagen, daß zwischen Rechtssoziologie und allgemeiner Soziologie kein Wesensunterschied besteht, da die eine ja nur ein verselbständigter Zweig der anderen ist.

II. GESCHICHTE DER RECHTSSOZIOLGIE

1. Rechtssoziologie vor dem 20. Jahrhundert

Es ist schwierig, einen Ausgangspunkt für die historische Beschreibung zu finden.

Da die Rechtssoziologie ein Zweig der allgemeinen Soziologie ist, kann sie nicht älter sein als die Soziologie selbst.

An erster Stelle steht also die Entwicklung der Soziologie, die bald dem Recht als einem zentralen Phänomen der Gesellschaft besondere Aufmerksamkeit zuwendet, was zur Ausbildung der Rechtssoziologie als eine Sondersoziologie Anlaß gibt.

Als Begründer der Soziologie gilt Auguste Comte. In der Rechtssoziologie läßt sich die Begründung nicht ohne weiteres mit einem Namen verbinden.

Dennoch könnte man am ehesten bei Montesquieu von rechtssoziologischen Erörterungen sprechen, denen die großen Gesellschaftslehren des 19. Jahrhunderts, die sich auch mit dem Verhältnis Recht und Gesellschaft beschäftigten, folgten.

1.1. Vorläufer

Soziologische oder rechtssoziologische Fragen sind also keine Errungenschaften der Neuzeit. Solche Fragen wurden immer schon gestellt.

Zum Beispiel hat zweitausend Jahre vor Karl Marx Platon die Bedeutung des ökonomischen Hintergrundes für die politische Entwicklung hervorgehoben, und er entwickelte auch eine Art Klassentheorie. Sie enthält, neben anderen, ein Gesetz politischer Revolutionen, nach dem eine Revolution eine Spaltung der herrschenden Klasse voraussetzt.

Aristoteles (Platons Schüler) sah den Menschen als geselliges Wesen an. Er erarbeitete eine Theorie der Gerechtigkeit, die schon viele Elemente moderner Gerechtigkeitstheorien enthält. Allerdings war die Soziologie in dieser Phase ein Teil der allgemeinen philosophischen Betrachtung über die Gesellschaft, die sich auf den Staat, das Recht und die Moral konzentrierte. Soziologische Fragen waren noch ganz in ethische und politische Forderungen eingebettet.

Erst mit Montesquieu, ist eine soziologische Betrachtungsweise des Rechts zu finden.

1.2. Montesquieu (1689 - 1755)

Montesquieu wird oft als Vorläufer der Rechtssoziologie genannt.

In seinem Buch über den Geist der Gesetzte ("De l'esprit de lois", 1748) hat er die wechselseitige Abhängigkeit von Recht und Sozialleben gesehen, die ein Hauptthema der Rechtssoziologie bildet. Hier findet man auch die zwei entscheidenden Gesichtspunkte, die lange Zeit die soziologische Betrachtungsweise prägten: Relativismus und Determinismus. Zwar leugnete Montesquieu nicht die naturrechtlichen Vorstellungen, die seine Zeit beherrschten, aber soweit er konkrete Rechtserscheinungen beschrieb und beobachtete, geschah dies auf dem Standpunkt der grundlegenden Veränderlichkeit des Rechts in Raum und Zeit . Dies bezeichnete er als Relativismus.

Sehr anschaulich tritt Montesquieus Standpunkt hervor, wenn er in seinen Kapitelüberschriften Ausdrücke gebraucht, die für sozialen Wandel stehen; so z.B. "Über den Ursprung und die Umwälzung des Erbrechts", "Wechselnde Rechtssprechung" oder "Verfall von Grundlagen".

Noch deutlicher ist Montesquieus Determinismus. Er erkannte, daß soziale Ordnungen weder aus naturrechtlichen Prinzipien noch aus dem zweckrationalen Willen des Souveräns abgeleitet werden können. Sein Ziel war es, die Rechtsgesetze in Beziehung zu außerrechtlichen Tatsachen zu bringen. Er war der Auffassung, daß das Recht durch objektive Ursachen bestimmt ist und zwar durch andere soziale Phänomene (z.B. Regierungsformen, Religion, Handeln), durch demographische Merkmale (wie das Volumen der Bevölkerung) oder auch durch physikalische Gegebenheiten (z.B. Klima).

Gegner von Montesquieu griffen eine dieser Ursachen, die Theorie der klimatischen Verhältnisse, heraus. Sie sahen eine Blöße in der Darstellung des Rechts als ein "Produkt des Waltens blinder Mächte".

Montesquieu erklärte die Existenz sozialer Phänomene dadurch, daß sie in Beziehung gesetzt werden zu anderen gesellschaftlichen oder natürlichen Bedingungen.

2. Rechtssoziologie im 20. Jahrhundert

2.1. Eugen Ehrlich (1862 - 1922)

Ehrlich wird von vielen als der wahre Begründer der Rechtssoziologie gehalten. Dies geschieht wohl wegen seiner Vorrede zu seinem Werk "Grundlegung der Soziologie des Rechts". Darin faßt er zusammen: "... der Schwerpunkt der Rechtsentwicklung liege auch in unserer Zeit, wie zu allen Zeiten, weder in der Gesetzgebung, noch in der Jurisprudenz oder in der Rechtssprechung, sondern in der Gesellschaft selber. Vielleicht ist in diesem Satze der Sinn jeder Grundlegung einer Soziologie des Rechts enthalten."

Er enen will, sondern reiner Erkenntnis, die nicht von Worten handelt, sondern von Tatsachen" die Rechtssoziologie sei.

Er will den Juristen, der die Welt von Recht und Rechtszwang beherrscht sieht, die relative Bedeutungslosigkeit staatlichen Rechts vor Augen führen. Dies ist das Hauptthema in Ehrlichs Rechtssoziologie.

Außerdem ist noch ein Gedanke wesentlich und zwar der, daß es eine natürliche und nicht auf Zwang beruhende soziale Ordnung gibt, die durch freies Handeln von Einzelnen oder von gesellschaftlichen Verbänden gestaltet wird.

Die praktische Jurisprudenz ist für ihn lediglich eine Technik, das Recht den besonderen Bedürfnissen des Rechtslebens dienstbar zu machen und daher "etwas ganz anderes als die Wissenschaft vom Recht".

Deshalb ist die Rechtssoziologie die einzige Wissenschaft vom Recht, weil sie nicht bei den Worten stehen bleibt, sondern die Aufmerksamkeit auf die dem Recht zugrundeliegenden Tatsachen richtet; und weil sie, "wie jede echte Wissenschaft", mittels der induktiven Methode, d.h. "durch Beobachten von Tatsachen, Sammeln von Erfahrungen unsere Einsicht in das Wesen der Dinge zu vertiefen sucht".

Unter der Gesellschaft, die Ehrlich dem Staat gegenüberstellt, versteht er nicht eine Ansammlung von Individuen, sondern die Gesamtheit menschlicher Verbände. Die ursprünglichen Formen der Verbände sind die Familien, die Sippe und die Hausgemeinschaft. In der heutigen Zeit jedoch überwiegen Vereine, Gemeinden oder Parteien.

Recht ist ursprünglich nicht anderes als die innere Ordnung, die aus Regeln besteht, die jedem seine Stellung und seine Aufgaben im Verband zuweist. Zur Durchsetzung dieser Verbandsordnung bedarf es keiner staatlichen Gerichte und Strafen. Sie wird durchgesetzt, weil niemand ausgeschlossen werden und so seine Stellung in der Gesellschaft verlieren möchte.

Das gesellschaftliche Recht bezeichnet Ehrlich als lebendes Recht und in der Erforschung dieses lebenden Rechts sieht Eugen Ehrlich seine Aufgabe als Rechtssoziologie.

2.2. Max Weber (1864 - 1920)

Webers Rechtssoziologie ist eigentlich nur ein Kapitel seines großen Werkes "Wirtschaft und Gesellschaft". Ihm ist es gelungen, eine Abgrenzung des Rechts von anderen sozialen Ordnungssystemen wie Sitte oder Moral herauszuarbeiten. Dies war ein entscheidender Beitrag zur Selbständigkeit der Rechtssoziologie als neues Fachgebiet.

"Wir wollen vielmehr überall da von Rechtsordnung sprechen, so die Anwendung irgendwelcher physischer oder psychischer Zwangsmittel in Aussicht steht, die von einem Zwangsapparat, ..., ausgeübt wird...".

Mit dieser Aussage prägte Weber den Begriff des Rechtsstabs. Damit werden alle diejenigen bezeichnet, die das Recht verwalten, wie z.B. Richter, Staatsanwälte oder Polizisten. Der Rechtsstab dient der Aufrechterhaltung der Normen und deren Sanktionen.

Max Weber hat auch eine materielle Rechtssoziologie entworfen. Danach vollzog sich die Entwicklung des Rechts vom irrationalen Typ der primitiven Gesellschaft mit charismatischen Führern und Kadi-Justiz über den traditionalen Typ der feudalen Gesellschaft zum rationalen Typ des modernen Rechts macht Weber vor allem drei Faktoren verantwortlich: Landsherren, die gegen ständische Selbständigkeitsbestrebungen die einheitliche Kontrolle ihres Territoriums durchsetzen wollen, kapitalistische Interessen, die ihre Gewinnchancen zu berechnen wünschen, und einen fachlich ausgebildeten, unabhängigen Juristen.

Weber unterscheidet vier Stadien der Rechtsentwicklung:

"Die allgemeine Entwicklung des Rechts und des Rechtsgangs führt, in theoretische `Entwicklungsstufen' gegliedert, von der charismatischen Rechtsoffenbarung durch `Rechtspropheten' zur empirischen Rechtsschöpfung und Rechtsfindung durch Rechtshonoratioren (Kautelar- und Präjudizienrechtsschöpfung), weiter zur Rechtsoktroyierung durch weltliches imperium und theokratische Gewalten und endlich zur systematischen Rechtssatzung und zur fachmäßigen, auf Grund literarischer und formal logischer Schulung sich vollziehender `Rechtspflege' durch Rechtsgebildete (Fachjuristen)..." (Weber 1913, S. 331).

Das Recht durchläuft dabei verschiedene Rationalitätsstufen, die durch eine Kombination der Unterscheidungen rational/irrational und formal/material gewonnen werden: - formal- irrational: magisch bedingter Formalismus (z.B. Einholung von Orakeln);

- material-irrational: offenbarungsmäßig bedingte Irrationalität (Kadi-Justiz, konkrete Wertung des Einzelfalls);

- material-rational: theokratisch oder patrimonial bedingte materiale und umfassende Zweckrationalität (Naturrecht);

- formal-rational: fachmäßige juristische, logische Rationalität und Systematik, logische Sublimierung, deduktive Strenge (Begriffsjurisprudenz auf gemeinrechtlicher Grundlage; vgl. dazu Weber 1913, S. 126).

Diesen Rationalitätsstufen nicht völlig entsprechend zuzuordnen sind Webers Typen der legitimen Geltung einer Ordnung. Die Zuschreibung legitimer Geltung kann erfolgen:

- kraft Tradition
- kraft affektuellen Glaubens
- kraft wertrationalen Glaubens an materiale oberste Grundsätze
- kraft positiver Satzung

Für Weber ist der Gipfelpunkt der abendländischen Rechtsrationalität erreicht mit der Begriffsjurisprudenz und einer formal-logischen Bearbeitung des Rechts, das aus allgemeinen Rechtssätzen zu bestehen hat. Moralische, materiale Gesichtspunkte bedrohen seiner Auffassung nach die Rationalität des Rechts. Solche Aspekte werden - nach Weber - gerade von der Arbeiterklasse gegen das bürgerliche Formalrecht geltend gemacht.

Die Entwicklung des okzidentalen Rechts erklärt Weber vor allem mit den unterschiedlichen politischen Machtverhältnissen und Herrschaftsstrukturen, mit den ständischen Interessen der juristischen Profession und anderen Faktoren.

Das unterscheidet ihn von den Großtheorien des 19. Jahrhunderts.

Im Rahmen seiner Rationalisierungshypothese hat Weber das Phänomen der Bürokratisierung beschrieben.

Schließlich hat er mit der idealtypischen Unterscheidung und Beschreibung der traditionalen, legalen und charismatischen Herrschaft die Grundlage der Herrschaftssoziologie gelegt. Allein damit hat Weber viel zu Rechtssoziologie beigetragen.

Seine größte Leistung liegt wohl darin, daß er als erster die Ablösung des Rechts von der gesellschaftlichen Moral und der Wirtschaft erfaßt.

Max Webers Arbeiten haben große Bedeutung für die Rechtssoziologie. Seine Analysen verdrängen mehr und mehr das marxistische Gedankengut, welches in den 60er und 70er Jahren der wichtigste Ideenlieferant für die Rechtssoziologie war.

2.3. Niklas Luhmann (geb. 1927)

Niklas Luhmann ist der Auffassung, daß alles menschliche Zusammenleben direkt oder indirekt durch Recht geprägt wird.

Recht ist ein gesellschaftlicher Tatbestand. Kein Lebensbereich kann eine dauerhafte soziale Ordnung erhalten ohne Recht. Die heutige Rechtsordnung sieht er als ein "Gebilde von hoher strukturierter Komplexität". Unter Komplexität versteht Luhmann die Gesamtheit der Möglichkeiten des Erlebens und Handelns, die mit einem Sinnzusammenhang verbunden sind.

Dem Recht wird eine zentrale Stellung in der gesellschaftlichen Entwicklung eingeräumt. Die Rechtssoziologie unterscheidet sich in drei Punkten vom Naturrecht:

1. Das Recht wird als normative Struktur von der Gesellschaft als faktischer Lebens- und Handlungszusammenhang unterschieden. (Das Recht ist nicht mehr die Gesellschaft.)
2. Recht und Gesellschaft werden als zwei von einander abhängige Variable begriffen, und ihr Variationszusammenhang wird evolutionär gedeutet, im 19. Jh. zumeist als gesetzmäßer Fortschritt der Zivilisation.
3. Über die Beziehung von Recht und Gesellschaft lassen sich unter jenen Voraussetzungen empirisch überprüfbare Hypothesen aufstellen und durch Beobachtung des Variationszusammenhangs verifizieren.

Die theoretischen Grundlagen für die Ausarbeitung dieses Ansatzes blieben allerdings, bezogen auf die Gesellschaft und ihre Entwicklung, ungeklärt.

Erst eine Zusammenstellung dieser sehr unterschiedlichen Varianten vermittelt einen Eindruck von den Denkvoraussetzungen, dem Stil und den Grenzen der Rechtssoziologie.

Luhmann beschreibt den Vorgang der Ausdifferenzierung der Gesellschft und ihres Rechts in drei Stufen. Er unterscheidet das archaische Recht, das Recht der vorneuzeitlichen Hochkulturen und das positive Recht der modernen Gesellschaft.

Der Ausgangspunkt für das Verständnis der archaischen Rechts liegt in der Struktur der Gesellschaft. Unter archaischer Gesellschaft versteht Luhmann auch "primitive"

Gesellschaften, die die entsprechenden Merkmale aufweisen. Diese Gesellschaften gründen sich in erster Linie auf das Prinzip der Verwandtschaft.

Das bedeutet; alle gesellschaftlichen Funktionen finden zunächst in der verwandtschaftlichen Nähe ihre natürliche Grundlage, ihren sozialen Rückhalt und ihre Legitimation..

Wenn der Verwandschaftsverband über die maximale Größe einer Familie hinauswächst, dann kommt es zu einer segmentären Differenzierung, vor allem zur Bildung von anderen Familien, die durch gemeinsame Abstammung in einem Verband zusammengehalten werden. Für dieses Strukturprinzip sind seine "hohe Selbstverständlichkeit - man ist eben verwand - und seine Alternativlosigkeit - man ist in bestimmter Weise, Nähe bzw. Ferne verwandt." Luhmann sagt weiterhin, daß man archaische Gesellschaften auf einem Niveau relativ geringer Komplexität stabilisiert findet. Die Stabilität beruht auf dem Mangel an Alternativen. Probleme und Problemlösungen sind aufeinander eingespielt, was eine hohe Instabilität bei einer hohen Außengefährdung garantiert.

Krisen können entstehen, wenn sich eine höhere Komplexität in einzelnen Funktionsbereichen ausbildet (z.B. durch politische Gewaltherrschaft oder Vermehrung des Wirtschaftspotentials). Dann ist die Stabilität der Gesellschaft gefährdet.

Während die große Anzahl der verschiedenen Ausprägungen relativ einfacher Rechtsordnungen eine zusammenfassende Erläuterung erschwerte, liegt das Problem nun in der inneren Komplexität des Rechts der einzelnen Hochkulturen. Nur wenige Gesellschaften, so Luhmann, erreichen einen Entwicklungsstand, für den die Merkmale einer Hochkultur im Bereich des Rechts zutreffen.

Hochkulturen bilden sich in Gesellschaften mit unvollständiger funktionaler Differenzierung.

Luhmann ist der Ansicht, daß es eine "relative Eigenständigkeit der Rechtsentwicklung , ein begrenztes begriffliches Lernen im Recht und sogar eine Übertragung einzelner Rechtinstitute oder Argumentationsprinzipien von Gesellschaft zu Gesellschaft gibt." Die Rechtsordnung dieser hochkulturellen Gesellschaften sind durch ihre Gesellschaftsstrukturen bedingt (in den Grenzen ihres Abstraktionsvermögens, im Potential für Komplexität usw. ).

Durch Erweiterung der Komplexität des Rechts, seine Spezifikation und Abstraktion und durch die selektiven Differenzierungen geben die Hochkulturen die Möglichkeit, "das Rechtsprinzip als abstraktes Kriterium zu formulieren und dem vorgefundenen Recht als Maßstab gegenüberzustellen. Im Gedenken des Billigen und Gerechten nimmt das Rechtsprinzip eine generalisierte moralische Form ein."

Die entscheidende evolutionäre Errungenschaft der Neuzeit findet Luhmann in der Positivierung des Rechts. "Das Recht wird als kontingent, als geltend und zugleich als jederzeit änderbar, bewußt."

In verselbständigten Verfahren wird darüber befunden, was Recht ist und die Ergebnisse dieses Verfahrens (Gesetze, Verwaltungsakte, Urteile) werden als legitim und bindend akzeptiert. Daß dies so funktioniert, so sagt Luhmann, sei nahezu ein Wunder. Die Themen einer gegenwartsbezogenen Rechtssoziologie sind duch die Funktionen und Folgeprobleme dieser Entwicklung nahezu vorgegeben.

Die Menschen werden handlungsfähig, indem die Erwartungen die Komplexität der Möglichkeiten des Erlebens und des Handelns reduzieren. Besonders hoch ist die Selektionsleistung normativer Erwartungen, weil die damit gegebenen Auswahl aus anderen Möglichkeiten selbst im Enttäuschungsfall nicht problematisiert wird. Das heißt aber nicht, daß normative Strukturen unter keinen Umständen problematisiert werden können, ohne ihre Funktion einzubüßen. Die Systemtheorie hat schon immer eingeräumt, daß Strukturen nur vorläufig verfestigt, langfristig aber variabel sind. Luhmann betont dagegen die Möglichkeit, daß Strukturen in einem System simultan als invariant und als variabel behandelt werden können, sofern nur das System hinreichend differenziert ist. Das System kann für dieselben Strukturen Lernen und Nichtlernen zugleich vorsehen.

Diese Stufe wird für das Recht durch Positivierung erreicht. Das Recht ist reflexiv geworden. Es wird gesetzt und gilt kraft Entscheidung. Insofern ist Recht variabel. Gesetzes Recht wird aber bis zu einer jeder Zeit möglichen Änderung normativ duchgehalten und ist damit zugleich invariabel.

Daraus folgt eine enorme Steigerung der Komplexität. Es wird möglich, zeitlich verschiedenes Recht zu haben. Zugleich mit der zeitlichen wächst die sachliche Komplexität des Rechts.

Das Recht, so meint Luhmann, wird trivial. Alte und einige neue Themen der Rechtssoziolgie werden von Luhmann als Voraussetzungen, Funktionen oder Folgeprobleme der Positivierung des Rechts formuliert.

Die Absonderung des positiven Rechts von anderen Normen wie Sitte und Moral wird durch physische Gewalt abgesichert. Luhmann verweist auf drei Vorzüge physischer Erzwingbarkeit von anderen Formen der Macht. Physische Zwangsmittel sind vielseitiger einsetzbar als andere Machtquellen. Sie sind weitgehend indifferenziert gegen Zeitpunkt, Situation, Subjekt und Thema der Handlung, zu der motiviert werden soll. Die Grenze, an der der Betroffene sich nicht mehr fügt, sondern sich zur Wehr setzt, liegt sehr hoch und ist gut abzuschätzen. Zwar fordert physische Macht einen Erzwingungsapparat (Militär, Polizei), aber dafür ist sie unabhängig von allen anderen Systemstrukturen wie Status, Ordnung oder Wertvorstellungen. Daraus folgt, daß mit Hilfe von Macht die Grenzen rechtlicher Regelungsfähigkeit gesellschaftlicher Tatbestände sehr weit gezogen sind.

Die Absonderung des Rechts von Sitte und Moral mit Hilfe physischer Gewalt sichert dem Recht seine universelle Verwendbarkeit.

III.ZUSAMMENFASSUNG

Zusammenfassend kann man sagen, daß die Rechtssoziologie aus der allgemeinen Soziologie hervorgegangen ist.

Die Rechtssoziologie dient der Auswertung von Erfahrungen und Erkenntnissen die auf dem Recht basieren. Besondere Bedeutung legt die Rechtssoziologie auf die Hinterfragung von z.B. Urteilen, Gesetzen oder Verwaltungsakten. Die angewandten Methoden sind ähnlich die der Soziolgie. Somit stehen Rechtssoziologie und allgemeinen Soziologie in einem Austauschverhältnis - trotz ihrer Eigenständigkeit.

Da eine Ausgangspunkt für die historische Beschreibung nicht klar zu definieren ist, habe ich meine Ausführungen zur Entwicklung der Rechtssoziologie mit Montesquieu begonnen, da er als erster rechtssoziologische Theorien entwickelte. In seinem Werk "De l'esprit de lois" beschäftigte er sich mit der wechselseitigen Abhängigkeit von Recht und Sozialleben. Montesquieus Hauptbegriffe waren der Relativismus und der Determinismus. Als Begründer der Rechtssoziologie wird Eugen Ehrlich oft genannt. Sein Schwerpunkt der Rechtsentwicklung lag in der Gesellschaft selber. Ehrlich prägte den Begriff des lebenden Rechts.

Max Weber ist es gelungen, das Recht von anderen sozialen Ordnungssystemen abzugrenzen, was ein entscheidender Schritt zur Selbständigkeit der Rechtssoziologie war. Als moderner Vertreter der Rechtssoziologie gilt Niklas Luhmann. Er sieht das Recht als gesellschaftlichen Tatbestand und ist der Ansicht, daß ein Lebensbereich ohne Recht keine dauerhafte soziale Ordnung erhalten kann. Einer seiner bedeutendsten Begriffe war der des positiven Rechts.

Aus der Vielzahl der Klassiker der Rechtssoziologie und deren Theorien habe ich einige der wohl bedeutendsten Vertreter ausgewählt und versucht, deren Hauptgedanken zusammenzustellen.

IV. LITERATURANGABEN

Carbonnier, Jean: Rechtssoziologie. Schriftenreihe zur Rechtssoziologie und Rechtssachenforschung; Bd. 31; Duncker & Humblot; Berlin 1974

R ö hl, Klaus F.: Rechtssoziologie. Ein Lehrbuch. Carl Heymanns Verlag KG; Köln; Berlin, Bonn, München 1987

Luhmann, Niklas: Rechtssoziologie. Westdeutscher Verlag; Opladen 1987; 3. Aufl.

Fin de l'extrait de 12 pages

Résumé des informations

Titre
Die Geschichte der Rechtssoziologie
Université
Dresden Technical University
Cours
Ausdifferenzierung der Soziologie seit 1950
Note
1,3
Auteur
Année
2001
Pages
12
N° de catalogue
V101905
ISBN (ebook)
9783640003136
Taille d'un fichier
416 KB
Langue
allemand
Mots clés
Geschichte, Rechtssoziologie, Ausdifferenzierung, Soziologie
Citation du texte
Julia Polony (Auteur), 2001, Die Geschichte der Rechtssoziologie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/101905

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