Der Kindsmord in Johann Wolfgang von Goethes "Faust". Motiv und Darstellung


Term Paper, 2020

14 Pages, Grade: 2


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung

3. Motive für den Kindsmord in der Frühen Neuzeit
3.1 Die demütigende Bestrafung
3.2 Die Armut
3.3 Die Ehehindernisse
3.4 Die Diskriminierung des unehelichen Kindes

4. Die historische Entwicklung des Kindsmordes und der Rechtslage
4.1 Die römische Antike
4.2 Das Mittelalter
4.3 Die Constitutio Criminalis Carolina
4.4 Die Frühe Neuzeit

5. Die Darstellung des Kindsmordes im deutschen Drama

6. Der Kindsmordprozess gegen Susanna Margaretha Brandt

7. Die Gretchentragödie

8. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Nahezu jeder Mensch setzt sich in seiner schulischen Laufbahn mit der Epoche der Aufklärung auseinander. Diese Epoche, in der es zu sichtbaren und einflussreichen Veränderungen kam, umfasst ca. das gesamte 18. Jahrhundert. Dies betrifft z. B. auch die Bereiche der Philosophie und der Politik. Auf die Aspekte soll im weiteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen werden. Mein eigenes Interesse für die Epoche der Aufklärung wurde im Deutschunterricht geweckt, als ich verschiedene Werke von bedeutenden Autoren wie Gotthold Ephraim Lessing, Johann Wolfgang von Goethe und Johann Christoph Friedrich Schiller analysieren sollte. Zunächst war dies für mich nur eine Pflichtliteratur zum Bestehen der Kurse und der bevorstehenden Prüfung, jedoch fand ich schnell großes Interesse an ihren Werken. Die verschiedenen Interpretationen, Meinungen, Wahrnehmungen, die Argumentation während einer Diskussion und damit verbundene Gefühle von Lesern bzw. meiner Mitschüler und Mitschülerinnen, aber auch mein eigenes Empfinden faszinierten mich so sehr, dass ich anfing, mich auch außerhalb der Schule mit Werken dieser Zeit und vor allem den Werken der letztgenannten zwei Autoren zu befassen. Bis heute tragen der Roman „Die Leiden des jungen Werthers“, das Drama „Die Räuber“ und das Drama „Faust“ für mich eine hohe Bedeutung. Denn alle drei Werke beinhalten keine traumhaft schöne Wunschwelt und haben auch kein glückliches Ende, wie es beispielsweise in Märchen vorkommt. Sie beinhalten diverse Tragödien, Ungerechtigkeiten, Schicksalsschläge, thematisieren soziale Ungleichheit usw., die auf das eigene Leben und die gesamte gegenwärtige Welt reflektiert werden können. Des Weiteren regen solche Stoffe den Leser und die Leserin zum kritischen Nachdenken an. All dies trifft insbesondere auf die Tragödie von Gretchen und den damit verbundenen Kindsmord im Drama „Faust Ⅰ“ zu, das in der vorliegenden Hausarbeit, für das Seminar „Einführung in die neuere deutsche Literatur“ (16602), in den Mittelpunkt der Betrachtung gerückt wird.

Dafür wird zunächst der Begriff „Kindsmord“, der einen Hauptbestandteil dieser Ausarbeitung darstellt, erläutert. Anschließend wird der Kindsmord in der Frühen Neuzeit, aber auch in der allgemeinen geschichtlichen Entwicklung analysiert. In einem weiteren Teil wird auf das Thema Kindsmord in deutschen Dramen eingegangen. Daraufhin wird der Prozess gegen Susanna Margaretha Brandt betrachtet, der einen Einfluss auf den Autor Johann Wolfgang von Goethe und die Gretchentragödie hatte. Im Hauptteil wird die Gretchentragödie und der damit verbundene Kindsmord im Werk „Faust“ näher untersucht. Im Anschluss folgt ein Fazit über die erworbenen Erkenntnisse zu den oben genannten Themenpunkten bezüglich des Kindsmordes und speziell des Falles von Gretchen in dem Werk „Faust“.

2. Begriffsbestimmung

Um den Kindsmord näher analysieren und verstehen zu können, werden zunächst das Wort selbst und dessen Bedeutung erläutert. Der Kindsmord ist unter den drei Begriffen Infantizid, Filizid und Neonatizid definierbar.

Neonatizid

Der Mediziner Phillip Resnick beschrieb 1970 den Begriff Neonatizid als die Tötung eines Kindes innerhalb von 24 Stunden nach der Geburt durch einen Elternteil. Seiner Meinung nach erfolgt die Tat meistens durch Unterlassung. Das häufigste Motiv der Kindstötung sei eine unerwünschte Schwangerschaft, die verleugnet wird. Um diese zu verheimlichen, sieht die Mutter die Tötung des Neugeborenen als einzigen Ausweg.1 Dr. P. Trautmann-Villalba sieht die Ablehnung der Mutterschaft und des Kindes als das zentrale Motiv für den Neonatizid und die Täter sind überwiegend adoleszent oder junge Erwachsene. Es sei jedoch nicht möglich, die Täter einer bestimmten sozialen Gruppe oder einem bestimmten Merkmal bezüglich der Lebenssituation zuzuordnen.2

Infantizid

Infantizid wird als die Tötung eines Kindes innerhalb des 1. Lebensjahres nach der Geburt definiert. Es ist hierbei gleichgültig, wer der Täter ist, ob es die Eltern oder eine fremde Person ist.3

Filizid

Der Begriff Filizid beschreibt die Tötung des Kindes durch die eigenen Eltern, wobei hier das Alter des Kindes irrelevant ist,4 insofern das Kind älter als 24 Stunden ist und somit nicht als Neugeborenes gilt. Da sich die Definition mit dem des Infantizids überschneidet, wird dieser Begriff von mehreren Autoren als die Tötung von Kindern über dem Alter von einem Jahr oder als die Kindstötung im Gesamten verwendet.5

Im weiteren Verlauf wird sich die Hausarbeit grundlegend mit dem Kindsmord in Form des Neonatizid auseinandersetzen.

3. Motive für den Kindsmord in der Frühen Neuzeit

Bei dem Thema Kindsmord stellt sich zunächst die Frage, was Eltern bzw. Mütter in der Geschichte dazu verleitete, das eigene Kind umzubringen. Es werden nachfolgend einige Motive genannt, aus welchen Gründen vor allem Mütter in der Frühen Neuzeit keinen anderen Ausweg sahen als die Tötung des eigenen neugeborenen Kindes.

3.1 Die demütigende Bestrafung

Um die Sexualmoral aufrechtzuerhalten und die Geburten von unehelichen Kindern durch Abschreckung zu minimieren, wurden bis weit in das 18. Jahrhundert Unzuchtsstrafen an die werdenden Mütter verhängt. Dies fand statt, indem die Frauen auf dem Pranger oder Lasterstein mit Requisiten gedemütigt wurden, z. B. Strohzöpfe als eine Kopfbedeckung, besetzt mit Eisenglöckchen, eine Rute in der Hand und das Umhängen einer Verbrechenstafel. Bei wiederholten Taten und je nach Schwere des Verstoßes wurden sie zusätzlich mit einer zu tragenden bunten Haube bestraft, dem Säubern der wüsten Orte der Stadt, dem Abschneiden der Zöpfe oder der Ohren. Weitere Strafen beim Verstoß gegen die Sittlichkeit waren die Züchtigung mithilfe einer Rute, Turm-, Spinn-, Zuchthaus- und/oder Geldstrafen. Bekannt waren auch die Kirchenstrafen, in denen neben den Kirchenbußen junge Mädchen während des Gottesdienstes am Kircheneingang stehen mussten und mit einer Tafel ausgestattet wurden, auf der ihre Schandtat niedergeschrieben war.

All diese Bestrafungen und noch viele mehr dienten demselben Zweck – das Selbstwertgefühl der Betroffenen sollte vollkommen zerstört und ein Weiterleben in der Gemeinde deutlich erschwert werden.6

3.2 Die Armut

Die Täter eines Kindsmordes waren überwiegend Dienst- und Bauernmägde oder Töchter von Bauern, Handwerkern und Tagelöhnern. Daraus lässt sich schließen, dass die meisten aus eher ärmeren Verhältnissen stammten und auf ihre berufliche Tätigkeit angewiesen waren. Diese Tätigkeit konnten sie jedoch durch eine uneheliche Schwangerschaft verlieren und fanden dann nur sehr schwer eine oder aber keine andere Arbeitsstelle. Dies führte zu der Angst, dass die Mutter und das Kind in großer Armut leben werden müssen, was die werdenden Mütter zu verhindern versuchten.7

3.3 Die Ehehindernisse

Ein Grund für zahlreiche uneheliche Kinder und Schwangerschaften war auch das Eheverbot für Soldaten, was insbesondere das Interesse mehrerer Dramatiker des Sturm und Drang weckte und sich in ihren Werken widerspiegelte. Die Soldaten gaben ihren Geliebten ein Eheversprechen, das jedoch für wirkungslos erklärt wurde, wodurch die schwangeren Frauen unverheiratet und ohne jeglichen rechtlichen Schutz dastanden.

Weitere bedeutsame Ehehindernisse waren die Armut und die Minderjährigkeit der Frauen mit einem Alter von unter 25 bzw. 20 Jahren.8

3.4 Die Diskriminierung des unehelichen Kindes

Nicht allein die Mutter wurde für Unzuchtvergehen bestraft, sondern auch das uneheliche Kind, wenn die Frau sich dafür entschied, es zur Welt zu bringen. Auch wenn das Kind selbst keine Schuld traf, war es möglich, dass es sein gesamtes Leben darunter leiden musste. Dem Kind wurde mit der Geburt ein „Stempel“ aufgedrückt, wodurch dieser Person angesehene Positionen in der Gesellschaft sowie einige Rechte verwehrt wurden.

In einigen Fällen wurde die Tat auch nicht nur anhand eines Motives begangen, sondern in Kombination mehrerer, bis die Panik die Überhand erlangte und überstürzt gehandelt wurde. Häufig wurde dies dann im Nachhinein bereut.9

4. Die historische Entwicklung des Kindsmordes und der Rechtslage

Nachdem durch die Aufzählung einiger Motive ein Bild von der häufig aussichtlos scheinenden Situation für die Eltern bzw. Mütter projiziert wurde, kann die Frage gestellt werden, ob dies schon immer so gehandhabt und ein uneheliches Kind als eine Sünde angesehen wurde. Es werden hierbei verschiedene Zeitintervalle betrachtet, um Einblicke zur Einstellung der Gesellschaft über uneheliche Kinder, Kindsmord und zur Rechtsgeschichte diesbezüglich zu erhalten.

4.1 Die römische Antike

Der Vater spielte zur Zeit der römischen Antike eine dominante und autoritäre Rolle in der Familie. Er hatte nicht nur die gesamte Gewalt über seine Familie, sondern auch das Recht, über Leben und Tod eines neugeborenen Kindes einer weiblichen Familienangehörigen zu entscheiden, wobei die Frauen kein Mitspracherecht hatten und sich die männlichen Familienmitglieder auch nicht rechtfertigen mussten. Für eine Ablehnung des Kindes in Form des Todes oder der Aussetzung konnte es vielfältige Gründe geben, z. B. die Fehl- oder Missbildung von Körpergliedern, das Leben in Armut oder der Wunsch nach einem Sohn anstelle eines Mädchens. Im Gegensatz zum Mann wurde die Kindstötung durch die Frau als Verwandtenmord streng bestraft. Der Kindsmord wurde mit den Jahren immer strenger bestraft. Im Jahre 318 nach Christus deklarierte Kaiser Konstantin die Kindstötung auch durch den Vater als Verwandtenmord, wonach dieser mit dem Tod bestraft wurde.10

4.2 Das Mittelalter

Im Mittelalter waren der Glaube und die Religion ein wichtiger Bestandteil im Leben der Menschen und so ließ sich die Bevölkerung in all ihren Lebensbereichen von der Religion beeinflussen. Im Jahre 1140 nach Christus wurde festgehalten, dass der geschlechtliche Verkehr nur unter Eheleuten verlaufen darf und alles andere untersagt sei. Die Abtreibung eines Kindes wurde als Totschlag und die Kindstötung oder -aussetzung wurde als ein schlimmes Vergehen eingestuft und im späteren Verlauf mit dem Tod bestraft.11

[...]


1 Vgl. Bejarano Alomia, Pedro Paul 2009, S. 17 f.

2 Vgl. Trautmann-Villalba, Patricia 2007, S. 1293 f.

3 Vgl. Bätje, Christine 2011, S. 1 f.

4 Vgl. Trautmann-Villalba, Patricia 2007, S. 1290.

5 Vgl. Bätje, Christine 2011, S. 4 f.

6 Vgl. Pilz, Georg 1982, S. 12 f.

7 Vgl. Pilz, Georg 1982, S. 13.

8 Vgl. ebd.

9 Vgl. ebd., f.

10 Vgl. Häßler, Frank / Schepker, Renate / Schläfke, Detlef 2008, S. 31 ff.

11 Vgl. Häßler, Frank / Schepker, Renate / Schläfke, Detlef 2008, S. 34-38.

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Details

Title
Der Kindsmord in Johann Wolfgang von Goethes "Faust". Motiv und Darstellung
College
Free University of Berlin
Grade
2
Author
Year
2020
Pages
14
Catalog Number
V1020323
ISBN (eBook)
9783346413000
ISBN (Book)
9783346413017
Language
German
Keywords
kindsmord, johann, wolfgang, goethes, faust, motiv, darstellung
Quote paper
Rojda Bas (Author), 2020, Der Kindsmord in Johann Wolfgang von Goethes "Faust". Motiv und Darstellung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1020323

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