Die Freiheit als Begründung für den kategorischen Imperativ

Zum Verhältnis der Freiheit in Kants Kritik der praktischen Vernunft


Dossier / Travail de Séminaire, 2020

17 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hinführung

3. Der kategorische Imperativ

4. Vernunft und Freiheit

5. Das Sittengesetz in der intelligiblen Welt

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Aufklärer Immanuel Kant wird heute des Öfteren als der bedeutendste Frei­heitstheoretiker der Neuzeit bezeichnet. Er verfasste als Erster eine Ethik, die auf einer Freiheit von empirischen Bedingungen beruhte, im Gegensatz zu seinen Mitstreitern, wie Baruch de Spinoza, John Locke, oder David Hume. Diese dienten ihm aber alle als Vorbilder oder übten Kritik an seinen Vorstellungen, wodurch er seine Thesen zur Wil­lensfreiheit und den Grenzen der menschlichen Erkenntnis weiter ausbaute.

Mit seinem kategorischen Imperativ reagierte er auf die Produkte seiner Zeit: Empiris­mus und Rationalismus. In seinen Werken zur Ethik versucht er eine Synthese von bei­den herzustellen. Die Aufgabe dieser Arbeit soll sein, kurz aufzuzeigen, wie die reine Vernunft den Imperativ für sich erschließt und wie dieser die beiden Welten, Sinnenwelt und Verstandeswelt, miteinander verbindet. Dabei soll die Frage geklärt werden, wie Kant die Gültigkeit des Imperativs für vernünftige Wesen begründet und welche Voraus­setzungen dafür notwendig sind.

Anhand Kants Argumentation in der Kritik der praktischen Vernunft soll aufgezeigt wer­den, wie Kant dem Menschen das Vermögen der Vernunft in Beziehung zur Freiheit zu­schreibt. Besonders wird der Fokus auf die Verbindung von Freiheit und dem morali­schen Gesetz, sowie deren Bedeutung für die Verstandes- und Sinnenwelt gelegt wer­den.

2. Hinführung

Kants Grundlegung zur Metaphysik der Sitten gilt heute als eines der wichtigsten Werke der Ethik. Die Moralphilosophie, die Kant in diesem Werk entwirft, ist frei von allen empirischen Bedingungen und ist nach ihm nur in der reinen Vernunft zu finden. So müssen Sittengesetze absolute Notwendigkeit mit sich bringen und sind so lediglich als praktische Regeln zu lesen. Die Grundlegung zur Metaphysik der Sitten dient dazu, wie sich aus der Bezeichnung bereits ableiten lässt, den Sitten eine Grundlage zu geben, die nicht wie empirische Prinzipien zur Verderbnis jener führen kann. Dabei untersucht er die Idee und die Prinzipien eines möglichen reinen Willens.

Bei der Suche nach dem obersten Prinzip der Moralität stößt Kant auf den kategorischen Imperativ, ein Gesetz, das den Willen bestimmt und einen zum richtigen und guten Han­deln befähigt. In diesem Werk und auch in der Kritik der reinen Vernunft zweifelt Kant an der Wirklichkeit der Freiheit, also an einer rein vernünftigen Handlungsweise. Das Ergebnis der Grundlegung zur Metaphysik der Sitten war, „dass wir moralischen Ver­pflichtungen unterworfen sind, falls wir in unserem Handeln frei (autonom) sind"1.

Die Kritik der praktischen Vernunft soll nun zeigen, dass die Menschen in ihrem Handeln frei und so einer moralischen Verpflichtung unterworfen sind. Die Aufgabe der Kritik ist nach Kant, zu zeigen, dass man ohne Neigungen handeln kann, dass es also ein Vermö­gen gibt, mit dem wir nur nach der Vernunft handeln. So ist Freiheit essenziell, damit die Willensbestimmung frei von Neigungen ist. Der praktische kategorische Imperativ ist nach Kant nicht ohne Freiheit möglich, denn sonst wäre unser Handeln kausal determi­niert.

3. Der kategorische Imperativ

Kant unterscheidet das Begehrungsvermögen des Willens in drei Willensbestim­mungen: 1. „Das will ich jetzt", welche keine Begriffe benötigt um 'ausgesprochen' zu werden. 2. „Ich will etwas". Hier wird diese Willensbestimmung konkretisiert und benö­tigt einen Oberbegriff. Sie bezieht sich somit auf einen bestimmten Begriff. Und 3. „Ich will etwas zu bestimmten Bedingungen". Diese Form der Willensbestimmung braucht nicht nur Begriffe, um zu bestehen, sondern auch Regeln. Deshalb ist sie nach Kant nur dem Verstand und dem Menschen eigen. An dieser Stelle setzt Kant ein. Somit enthalten die praktischen Grundsätze die allgemeinen Bestimmungen des Willens, welche die Be­griffe und Regeln beinhalten.2

Im ersten Hauptstück der Analytik der reinen praktischen Vernunft erklärt Kant, wie die praktischen Grundsätze und damit die Bestimmungen unseres Willens aussehen. Dabei unterscheidet er in subjektiv und objektiv gültige Grundsätze.3 Die subjektiv gültigen Grundsätze, bzw. Maximen, werden von individuellen Umständen beeinflusst und ent­stehen oft aus Gewohnheiten. Daneben stellen die objektiv gültigen Grundsätze, bzw. Imperative, allgemeine Gesetze dar, die für den Willen eines jeden Wesens gültig sind. So bestimmen diese unausweichlich durch ein Sollen unsere Handlungen nach diesen Regeln.4 Von jenen Handlungen gibt es wiederum zwei Kategorien: hypothetische und kategorische. Hypothetische Imperative bestimmen unser Handeln, um einen bestimm­ten Zweck zu realisieren.5 Als kategorische Imperative bezeichnet Kant die praktischen Gesetze, bzw. Maximen, die in einem gewissen Sinne normativ sind.6 Dabei bestimmt die Vernunft durch ein praktisches Gesetz unmittelbar den Willen, „unangesehen des­sen, was durch die Kausalität derselben ausgerichtet wird"7 und „nicht vermittelst eines dazwischen kommenden Gefühls der Lust und Unlust".8

So scheint es für Kant ausgeschlossen, dass als oberstes Prinzip die Glückseligkeit stehen kann, auch wenn das Leben eines Menschen auf diese abzielt. Das Glück bietet keine Grundlage für ein allgemeines Gesetz, da die Vorstellung von Glück subjektiver Natur ist.9 So hat ein jeder eine unterschiedliche Vorstellung davon, was Glückseligkeit bedeu­tet und wie sie zu erreichen ist. Deshalb formuliert Kant den kategorischen Imperativ, welcher die einzige Möglichkeit darstellt ein oberes Sittengesetz zu definieren, ohne eine Zielsetzung: „Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prin­zip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne".10 Auch wenn eigentlich alles in un­serem Leben durch eine Zweck-Mittel Relation bestimmt ist, kann diese für Kant nicht in der Moral gelten, da die Zielsetzungen der Menschen verschieden seien.11 Die Moral aber sei bei allen dieselbe. So stellt die Sittlichkeit bei Kant das Lebensziel dar, durch die wir die Glückseligkeit erlangen können.12 Und dabei soll uns der kategorische Imperativ leiten.

Das Sittengesetz, bzw. der kategorische Imperativ, hat demnach die Funktion, die ande­ren kategorischen Imperative im Sinne einer Ableitung zu bilden.13 Das Sittengesetz kann man als einen Prüfstein verstehen, der die praktischen Gesetze auf ihre Tauglich­keit als universale moralische Gesetze überprüft. Es ist der Leitsatz, an dem man abwägt, wie es wäre, wenn eine bestimmte Maxime allgemeingültig wäre. Nehme man die Ma­xime: Ich soll nicht lügen. Ein jeder würde wollen, dass diese als ein allgemeines Gesetz gelte und da sie sich als universales Gesetz auch nicht selbst auflöst, spricht nichts da­gegen, nach ihr zu handeln und sie als ein allgemeines Gesetz zu sehen. Jetzt stelle man sich aber einen Menschen vor, der sich die Maxime setzt: Ich soll lügen, immer wenn es mir zu einen Vorteil verhilft. Wenn man versucht, diese zu verallgemeinern, wird sie sich selbst technisch auflösen. Denn wenn jeder lügt, traut keiner mehr dem anderen und es bringt einem selbst keinen Vorteil mehr. Der kategorische Imperativ siebt also durch seine Form die Maximen aus, die mit unseren Wesenseigenheiten als Mensch und als Gesellschaft nicht vereinbar sind.14 Jedoch lässt Kant hierbei einen großen Spielraum, indem nur ein gewisser Typ von Maximen als allgemeines Gesetz ausgeschlossen wird. Durch subjektive Erfahrungen und spezielle Situationen kann ein Mensch durch seine Vernunft die obigen Überlegungen auch ganz anders sehen.

In §5 der Analytik erschließt Kant die Freiheit des Willens (transzendentale Freiheit) als Bedingung der Möglichkeit dafür, dass die Form der Maximen der zureichende Bestim­mungsgrund des Willens sein kann.15 Der Wille wird durch seine Beziehung auf die ihn bestimmende allgemeine gesetzgebende Form bestimmt. Denn die Form der Maxime ist nur als Gegenstand der Vernunft erkennbar und somit nicht der Naturkausalität un­terworfen.16 „Also ist ein Wille, dem die bloße gesetzgebende Form der Maxime allein zum Gesetze dienen kann, ein freier Wille"17, eben unabhängig von allen empirischen Bedingungen.

Der Wille muss jedoch bestimmbar sein, und zwar unabhängig von der Materie des Ge­setzes; so ist dieser Bestimmungsgrund in der gesetzgebenden Form zu finden.18

Einerseits, weil die materiellen Bestimmungsgründe empirischer Art sind, ein freier Wille jedoch unabhängig von diesen existiert. Andererseits, weil der freie Wille sonst bestim­mungslos wäre und nur den freien Willen wollen würde, was nicht der Fall ist.19

So weisen „Freiheit und unbedingtes praktisches Gesetz [...] wechselweise aufeinander zurück".20 Der freie Wille offenbart sich dadurch, dass er das moralische Gesetz be­stimmt und damit dasjenige setzt, das die Möglichkeit bietet, ihn zu erkennen. Der Mensch „urteilet also, dass er etwas kann, darum weil er sich bewusst ist, dass er soll, und erkennt in sich die Freiheit, die ihm sonst ohne das moralische Gesetz unbekannt geblieben wäre."21

4. Vernunft und Freiheit

Nach Kant liegt es allein in dem Vermögen der Vernunft zu erkennen, dass das Han­deln nach dem moralischen Gesetz, das richtige Handeln ist. Er schreibt den Menschen den Vernunftwesen zu, sodass es jedem möglich ist, auf den kategorischen Imperativ zu kommen und die richtigen Maximen für allgemein gültig zu erachten.22 Müssten so nicht diese als universale Handlungsregeln für jeden unweigerlich gelten? In gewisser Weise schon. Zumindest spricht Kant jedem Menschen das Vermögen zu, dies zu tun.23 So sollte jeder imstande sein sich selbst in seiner Vernunft klar zu werden, welche Maximen in Bezug auf ihre Konsequenzen allgemeingültig sein könnten und ob jeder diese Konse­quenzen so haben wollen würde. Dabei ist diese Überlegung aber auch unweigerlich an die Überzeugungen der Zeit und Gesellschaft geknüpft. Beispielsweise dachte man frü­her, dass Babys keinen Schmerz fühlen können und operierte sie in frühem Alter ohne Betäubung. Damals fand man es nicht moralisch verwerflich, so zu handeln, und es war eine gängige Praktik.24 Heute wissen wir, dass Neugeborene durchaus Schmerz spüren, auch wenn sie dies nicht so wie weiterentwickelte Kinder ausdrücken können. Niemand würde bestreiten, dass so eine Handlung amoralisch ist.

Kant setzt für sein Modell der Moral voraus, dass wir alle das gleiche Verständnis von den Maximen haben.25 Seine Moral braucht also nicht nur eine Überzeugung über einen selbst, dass man nach bestimmten Prinzipien handelt, sondern auch Überzeugung dar­über, dass alle anderen genauso handeln. Dieses allgemeine Verständnis des richtigen Handelns und vom kategorischen Imperativ liegt nach Kant in der Vernunft, die sich durch ihre Freiheit selbst diese Handlungsweise aufzwingt.26 Gegen Kants Argument der Vernunfterkenntnis spricht jedoch, dass verschiedene Kulturen mit unterschiedlichen moralischen Auffassungen existieren, die überdies verschiedene Verständnisse der Welt haben, wie das Beispiel oben gezeigt hat. Auch wenn die damalige Auffassung falsch war, so war sie für die Zeitperiode eine richtige moralische Handlung.

Es wird jedoch deutlich, dass sich nach Kant in der Formulierung des moralischen Geset­zes nicht nur der logische Gebrauch der Vernunft, sondern auch der reale Gebrauch zeigt.27 Somit wird gezeigt, dass die Vernunft eine tragende Rolle bei der Formulierung eines solchen Gesetzes spielt.28

[...]


1 Willaschek, Marcus: Die Tat der Vernunft, Zur Bedeutung der Kantischen These vom „Factum der Ver­nunft", in: Funke, G. (Hrsg.): Akten des VII. Internationalen Kant-Kongresses Mainz 1990, Bd. II.1, 456­466, Bonn, 1991

2 Kant, Immanuel: Kritik der praktischen Vernunft (KpV), Felix Meiner Verlag, Hamburg, 2003, S.23

3 Kant, Immanuel: KpV, S.23

4 Kant, Immanuel: KpV, S.24

5 Kant, Immanuel: KpV, S.24f

6 Kant, Immanuel: KpV, S.25

7 Kant, Immanuel: KpV, S.26

8 Kant, Immanuel: KpV, S.32

9 Kant, Immanuel: KpV, S.27

10 Kant, Immanuel: KpV, S.41

11 Kant, Immanuel: KpV, S. 38f

12 Kant, Immanuel: KpV, S.49ff

13 Kant, Immanuel: KpV, S.35, 41f

14 Kant, Immanuel: KpV, S.35f

15 Kant, Immanuel: KpV, S.37f

16 Kant, Immanuel: KpV, S.38

17 ebenda

18 ebenda

19 ebenda

20 Kant, Immanuel: KpV, S.39

21 Kant, Immanuel: KpV, S.40

22 Kant, Immanuel: KpV, S.39f

23 Kant, Immanuel: KpV, S.35

24 Müller-Lissner, Adelheid: Narkose für Neugeborene - eine Revolution, Der Tagesspiegel, 2014; [14.02.2020]

25 Kant, Immanuel: KpV, S.35, 39f

26 Kant, Immanuel: KpV, S.44f

27 Beck, Lewis White: Kants „Kritik der praktischen Vernunft": ein Kommentar, deutsche Übersetzung von Karl-Heinz Itling, 3. Aufl., Wilhelm Fink Verlag, München, 1995, S.171

28 ebenda

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Die Freiheit als Begründung für den kategorischen Imperativ
Sous-titre
Zum Verhältnis der Freiheit in Kants Kritik der praktischen Vernunft
Université
University of Cologne
Note
1,0
Auteur
Année
2020
Pages
17
N° de catalogue
V1020399
ISBN (ebook)
9783346413895
ISBN (Livre)
9783346413901
Langue
allemand
Mots clés
freiheit, begründung, imperativ, verhältnis, kants, kritik, vernunft
Citation du texte
Michelle Strux (Auteur), 2020, Die Freiheit als Begründung für den kategorischen Imperativ, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1020399

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