Antisemitismus bei Coronademonstrationen. Inwiefern lassen sich antisemitische Inhalte auf Protestmaterial der "Hygienedemonstrationen" identifizieren?


Forschungsarbeit, 2020

18 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund

3. Untersuchungsdesign
3.1 Feldzugang und Datenerhebung
3.2 Datenerfassung
3.3 Datenauswertung

4. Untersuchungsergebnisse

5. Diskussion

6. Fazit und Ausblick

7. Quellenverzeichnis

8. Erklärung zur selbstständigen Abfassung der Arbeit

1 Einleitung

Inwiefern lassen sich antisemitische Inhalte auf Protestmaterial der „Hygienedemonstra- tionen“ gegen coronabedingte Maßnahmen identifizieren?

Die aktuelle, globale Coronavirus-Pandemie, die durch das Virus Sars-CoV-2 ausgelöst wurde, stellt die Population des gesamten Planeten vor großen Herausforderungen. Vor allem Arbeiter des Gesundheitswesens sind besonders gefährdet. Die Regierungen ver- suchen, die Situation mit Ausgangsbeschränkungen oder -sperren, Maskenpflicht, Kon- taktverbote und Grenz- und Schulschließungen zu bewältigen. Man erhofft sich dadurch, dass die Verbreitung des Virus auf diese Art und Weise abgebremst wird und die Ge- sundheitssysteme nicht kollabieren. Auch in Deutschland wurden diese Sicherheitsmaß- nahmen eingeführt. Wer sein Haus ohne triftigen Grund verlässt, muss mit einer hohen Geldstrafe rechnen.

Allerdings stellen diese Einschränkungen auch enorme Probleme für manche Menschen dar, wie bspw. pflegebedürftige Menschen oder Personen, die zur Risikogruppe gehören. Nicht nur wird das Alltagsleben erschwert, aber viele sehen sich auch noch in ihren Grundrechten (besonders die Freiheitsrechte) verletzt. Daraus resultieren die sogenann- ten „Hygiene-Demonstrationen“. Die Protestierenden äußern sich hier gegen die von der Bundesregierung getroffenen Sicherheits- und Hygienemaßnahmen, weil diese die Frei- heitsrechte teilweise einschränken. Viele der Demonstrierenden kämpfen aber nicht nur für die Verteidigung der Grundrechte, sondern auch gegen eine angebliche neue „Dikta- tur“ oder Weltordnung. Hier rutschen die Demonstranten in politische Extremen hinein und verlieren sich in Verschwörungstheorien. Viele Plakate, Shirts, Bilder von Corona- Demos beinhalten antisemitische Aussagen.

Demonstrierende versetzen sich mit ihren Aussagen gerne in die Rolle von Opfern der „neuen Weltordnung“ und vergleichen sich mit den jüdischen Opfern des Dritten Reichs. Dadurch, dass dieser Vergleich entsteht, begehen die Menschen auf Coronademos anti- semitische Taten, weil sie die Shoa verharmlosen oder sogar leugnen.

Folglich sollen im theoretischen Teil dieses Forschungsberichtes die Merkmale des se- kundären Antisemitismus beschrieben werden. Darauf basierend, sollen im weiteren Ver- lauf der Arbeit antisemitische Inhalte auf Hygienedemos identifiziert und mithilfe der do- kumentarischen Bildinterpretation (nach Ralf Bohnsack) genauer untersucht werden.

Die hier dargestellten Bilder, die auf der Website von der RIAS Bayern zu finden sind und am 25. April 2020 in München und am 16. Mai 2020 in Regensburg aufgenommen wur- den, werden qualitativ erforscht. Letztendlich werden die Ergebnisse zusammengetragen und es wird darüber diskutiert, ob die Theorie und Empirie übereinstimmen, und welche Bedrohung die antisemitischen Äußerungen auf den Coronademos für Deutschland und die Welt darstellt.

2 Theoretischer Hintergrund

Im folgenden Kapitel wird die theoretische Grundlage, auf der die Arbeit aufbaut, vorge- stellt. Zuerst wird der theoretische Rahmen der sekundären Antisemitismustheorie be- trachtet und der Forschungsstand zu dieser Theorie dargestellt. Nachdem die Theorie präsentiert wurde, erfolgt die Einbettung in die aktuelle Situation.

Der Begriff des sekundären Antisemitismus wurde im theoretischen Zusammenhang von „Horkheimer und Adorno in Elemente des Antisemitismus “ (Stender 2010: 11) entworfen. Nach dem Ende des zweiten Weltkriegs war Antisemitismus zwar noch vorhanden, aber nicht mehr in der Form von öffentlich akzeptierter Ideologie, wie der Nationalsozialismus es zu verbreiten pflegte. Die Gräueltaten der Shoa wurden den Deutschen vorgehalten und sollten Deutschland und der restlichen Welt als Lektion dienen. Damit sollte ein Mei- nungswechsel sowohl auf der institutionellen als auch auf der individuellen Ebene her- beigeführt werden, was den Antisemitismus angeht. Im Laufe der Zeit evolvierte jedoch der primäre oder traditionelle Antisemitismus zum sekundären Antisemitismus, aufgrund der ständigen Erinnerung an den Holocaust. Ende der 1980er Jahre zeigte sich in der Bevölkerung Westdeutschlands eine Art „Sättigung“, die Deutschen wollten nicht mehr an ihre Schuld erinnert werden, die Toleranz demgegenüber sank immer weiter. Es gab den Wunsch nach einem Schlussstrich. (vgl. ebd.:12) Werner Bergmann beschreibt den sekundären Antisemitismus als ein Produkt, das „sich im Wesentlichen aus dem Problem der Vergangenheitsbewältigung“ (ebd.:12) ergibt. Em- pirische Forschung und theoretische Reflexion müssen sich aufeinander beziehen. Dies ist auch der Fall, wenn es darum geht, den sekundären Antisemitismus als Begriff in sei- nem theoretischen Zusammenhang zu erklären. In der modernen Antisemitismusfor- schung wird der Begriff des sekundären Antisemitismus allerdings in unterschiedlichen Weisen aufgegriffen, dadurch wird er aus diesem Zusammenhang gerissen und er verliert an Sinn.

Adorno bezeichnete dieses Phänomen als empiristische Verflachung der Antisemitismus- forschung. Dadurch, dass man Antisemitismus nur mit Theorien beschreiben und be- trachten kann, bildet sich während der empirischen Analyse ein universeller Rahmen und einzelne Elemente des Antisemitismus werden miteinander verbunden und dadurch ver- allgemeinert. (vgl. ebd.: 11) Werner Bergmann schrieb: „In seinen verschiedenen Ausdeutungen […] spiegelt sich zugleich das Auseinanderbrechen von empirischer Forschung und theoretischer Refle- xion wider, das den Stand der Forschung heute kennzeichnet.“ (ebd.:11) Nichtsdestotrotz kann die Theorie dabei helfen, das Phänomen des sekundären Antisemitismus zu erklä- ren, dass sich im Verhalten der Protestierenden auf den Hygienedemonstrationen wider- spiegelt.

Einer der wichtigsten Merkmale des sekundären Antisemitismus ist also die Holocaust- leugnung und -relativierung. Menschen, die den Holocaust einfach hinter sich haben wol- len, oder nicht mehr daran erinnert werden wollen, betreiben sekundären Antisemitismus. Auch die Gleichsetzung mit den Opfern der Shoa oder der Vergleich einer aktuellen Si- tuation mit den damaligen Bedingungen im Dritten Reich führt zum sekundären Antise- mitismus. (vgl. bmi 2011: 124) Der sekundäre Antisemitismus vertritt auch die Meinung, der Holocaust solle für politi- sche Zwecke ausgebeutet werden. In nationalen Zeitungen des mittleren Ostens bspw. sind potenzielle antisemitische Inhalte zu finden. Darin wird die Umkehrung der Holo- caustverleugnung benutzt, um politische Entscheidungen und Taktiken Israels mit der nationalsozialistischen Verfolgung der Juden zu vergleichen oder gleichzustellen. (vgl. Bergmann 2017: 245f.) Genauso handeln durch Gleichsetzung und Viktimisierung auch die Protestierenden auf den Coronademos antisemitisch. Aus diesem Grund lässt sich diese Theorie perfekt in die aktuelle Situation einbetten. Somit zeigt sich, wie relevant die Theorie des sekundären Antisemitismus für dieses Forschungsbericht ist.

3 Untersuchungsdesign

Die im Rahmen der Analyse angewendete dokumentarische Bildinterpretation ist ein Konzept der qualitativen Sozialforschung, das einen erkenntnis- und wissenschaftstheo- retischen Ansatz beinhaltet.

„Das, was wir heute in der qualitativen Sozialforschung als „Dokumentarische Methode“ kennen, geht ursprünglich auf methodologische Überlegungen Karl Mannheims zurück.“ (Strübing 2018: 160) Diese Methode wurde entwickelt, um menschliche Produkte bspw. in den Bereichen von Kunst und Kultur zu interpretieren und erklären. Ralf Bohnsack betonte, dass es dabei wichtig sei, nicht wie im alltäglichen Handeln vorzugehen und eine Aussage einfach für gegeben hinzunehmen. Man soll den Geltungscharakter dieser Aus- sage ignorieren und nicht weiter darauf eingehen. Stattdessen soll sich die Untersuchung darauf konzentrieren, „wie das, was für wahr und richtig gehalten wird, im Alltag erzeugt wird.“ (ebd.: 161) Die von Karl Mannheim entworfene dokumentarische Methode konzentriert sich aller- dings nur auf die Interpretation von Texten, daher ist sie für diese Arbeit nicht relevant. Hier kommt die dokumentarische Bildinterpretation von Ralf Bohnsack ins Spiel, die zwar auf der dokumentarischen Methode basiert, jedoch für die Analyse von Bildern weiterent- wickelt und darauf abgestimmt wurde. „Bohnsack hat für die Rekonstruktion des Erfah- rungsraumes ein analytisches Verfahren entwickelt, dass für Bilder gleichermaßen wie für Texte geeignet ist.“ (Philipps 2015: 92) Diese Methode eignet sich besonders gut für die Analyse visueller Protestmaterialien.

3.1 Feldzugang und Datenerhebung

Der Feldzugang erwies sich aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie als äußerst schwierig und auch für die eigene Sicherheit und Gesundheit gefährdend. Es wäre mög- lich gewesen, eine der zahlreichen Demonstrationen zu besuchen, um dort mit der Do- kumentation zu beginnen und somit die Ersteindrucksanalyse zu vollziehen. Stattdessen war die Datensammlung aus dem Internet die klügere Wahl. Da die Protestierenden auf den Hygienedemonstrationen gegen die vom Staat getroffenen, coronabedingten Maß- nahmen sind, haben die meisten auch keine Nasen- und Mundschutzmasken getragen. Somit wären die Bedingungen für einen möglichen Hotspot an Coronainfektionen ge- schaffen. Dafür die eigene Gesundheit zu riskieren lohnt sich nicht.

Auch eine gewisse Aggressivität war bei den Demonstrationen deutlich spürbar, trotz der polizeilichen Anwesenheit. In Deggendorf z.B. wurde ein Pressefotograf von „Corona- Rebellen“ oder „Corona-Leugner“ körperlich angegriffen. In Passau wurde die Kamera nach unten gedrückt und er erhielt vom Veranstalter der Corona-Demo einen Platzver- weis, was völlig absurd ist, wenn man die Meinungs- und Pressefreiheit bedenkt. (vgl. Bürgerblick 2020) Die Datenerhebung erfolgte also ausschließlich im Netz. Die Hauptquelle stellt die RIAS Bayern dar. Die Ersteindrucksanalyse fand nach folgenden Kriterien für die Sortierung von visuellen Protestmaterialien statt:

1. Inhalt: proaktive oder reaktive Protestbotschaften.
2. Gestaltung: wie gut sind die Protestmaterialien proportioniert und wie akkurat.
3. Größe: welche Maße haben die Materialien.
4. Ausführung: Druckschrift oder Handschrift, Sichtbarkeit.
5. Organisation: welche Logos oder politische Zugehörigkeit lassen sich hier erkennen.

Diese abstrakten Kategorien sollen die Auswahl von zwei Bildern bzw. Fallbeispielen er- möglichen. Für den Umfang dieser Arbeit sind 2 Bilder ausreichend. Diese werden im nächsten Kapitel des Berichts vorgestellt, die Datenerfassung. Die Interpretation der Pro- testmaterialien richtet sich lediglich nach der dokumentarischen Bildinterpretation nach Ralf Bohnsack.

Im Laufe des Prozesses der Interpretation wird zwischen der vor-ikonografischen (Ge- genstände, Personen, Farben und Positionen werden hier beschrieben), der ikonografi- schen (Herausarbeitung von allgemein verfügbares Wissen zu Institutionen und Rollen) und der reflektierenden Interpretation (Analyse der rein formalen Bildkomposition) unter- schieden. (vgl. Philipps 2015: 92f.)

3.2 Datenerfassung

Abbildung 1 Die Fotografie zum ersten ausgewählten Fallbeispiel (vgl. Abb. 1) entstand während der Demonstration am 25. April 2020 in München. In der rechten oberen Ecke sieht man den Logo der RIAS Bayern. Der darin enthaltene Text im unteren Teil des Bildes gibt das Aufnahmedatum und den Ort an, und beschreibt den Inhalt des Plakates mit folgendem Satz: „Ein Demonstrant bezeichnet Kontaktsperren wegen der Coronapandemie als „sozialen Holocaust“.“ Der Demonstrant, um den es hier geht, befindet sich in der Mitte der Fotografie und hält ein Plakat aus Karton oder Pappe in der rechten Hand. Er ist von weiteren Mitdemonstrierenden umgeben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: KONTAKTSPERREN SIND SOZIALER HOLOCAUST!!!

Vor-ikonografische Interpretation: Die Abbildung 1 zeigt, dass das visuelle Protestmate- rial mit der rechten Hand auf Brusthöhe gehalten wurde. Im Verhältnis zur Hand ist das Plakat ca. 30 x 30 cm groß und in der Farbe Beige. Der darin enthaltene Satz ist unter- strichen, wurde handschriftlich und in Kapitalbuchstaben verfasst. Auf dem Plakat befin- den sich vier schwarze Buchstaben, verteilt auf vier Zeilen, und sie ergeben folgenden Satz, welcher mit drei Ausrufezeichen endet: „KONTAKTSPERREN SIND SOZIALER HOLOCAUST!!!“ Diese vier Zeilen füllen das Plakat zu ca. neunzig Prozent aus.

Auf dem Bild kann man keine Gesichter erkennen. Der Demonstrant ist frontal zur Bild- ebene positioniert und ist von weiteren Menschen umgeben, die nicht frontal positioniert sind, sondern eher seitlich. Der Bildhintergrund verrät nicht viel; nur dass es sich hier um eine normale Straße handelt, eventuell eine Fußgängerzone.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Antisemitismus bei Coronademonstrationen. Inwiefern lassen sich antisemitische Inhalte auf Protestmaterial der "Hygienedemonstrationen" identifizieren?
Hochschule
Universität Passau
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
18
Katalognummer
V1021577
ISBN (eBook)
9783346433657
ISBN (Buch)
9783346433664
Sprache
Deutsch
Schlagworte
antisemitismus, coronademonstrationen, inwiefern, inhalte, protestmaterial, hygienedemonstrationen
Arbeit zitieren
Bogdan-Constantin Cristescu (Autor:in), 2020, Antisemitismus bei Coronademonstrationen. Inwiefern lassen sich antisemitische Inhalte auf Protestmaterial der "Hygienedemonstrationen" identifizieren?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1021577

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