Was verbirgt sich nun hinter dem Motiv des „hörenden Herzens“, wenn man es vor dem Hintergrund der alttestamentlichen Anthropologie betrachtet und interpretiert?
Punkt II dieser Arbeit widmet sich der Bedeutung des „Herzens“ im hebräischen Denken des Alten Testaments.
In ähnlicher Weise beschäftigt sich Punkt III mit dem „Hören“ im hebräischen Denken des Alten Testaments.
Punkt IV führt die Ergebnisse aus II und III zusammen und stellt theoretische Überlegungen dazu an, inwieweit ein „hörendes Herz“ überhaupt eine denkbare Kombination in der alttestamentlichen Anthropologie darstellen kann.
Der tatsächliche Befund für das „hörende Herz“ soll dann in Punkt V anhand ausgewählter Bibelstellen thematisiert werden.
Die einzige unmittelbare Belegstelle des לֵב שֹׁמֵעַ ist die bereits erwähnte Bitte Salomos in 1 Kön 3,9.
Weitaus häufiger als vom „hörenden Herzen“ spricht das Alte Testament über den Menschen, der nicht hört bzw. nicht hören will infolge seiner Herzensverfassung. Das soll in Punkt VII Thema sein.
In Punkt VIII schließlich findet die Betrachtung ihren Abschluss.
"Und so gib deinem Knecht ein hörendes Herz, um dein Volk zu richten/regieren, um zu unterscheiden zwischen gut und böse. Denn wer vermag dieses, dein schweres/gewichtiges/angesehenes/zahlreiches Volk zu richten/regieren?" (1 Kön 3,9; eigene Übersetzung)
Diese Bitte äußert König Salomo, nachdem Gott ihm zuvor in ebendieser Traumoffenbarung in Gibeon (1 Kön 3,4-15) die Erfüllung eines beliebigen Wunsches in Aussicht gestellt hatte (1 Kön 3,5). Salomo bittet gerade nicht, wie zu erwarten gewesen wäre, um ein langes Leben, Reichtum oder den Tod seiner Feinde (1 Kön 3,11), sondern er spricht die außergewöhnliche Bitte aus, dass Gott ihm ein לֵב שֹׁמֵעַ schenken möge (1 Kön 3,9). Und diese Bitte gefällt Gott so sehr (1 Kön 3,10), dass er Salomo nicht nur in nie dagewesener Weise ein לֵב חָכָם וְנָבוֹן, „ein weises und kluges Herz“ (1 Kön 3,12), schenkt, sondern dass er ihm obendrein zusätzlich noch das schenkt, worum Salomo gar nicht gebeten hatte, nämlich Reichtum und Ehre (1 Kön 3,13).
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- „Herz“ im hebräischen Denken des Alten Testaments
- „Hören“ im hebräischen Denken des Alten Testaments
- „Herz“ + „Hören“ – anthropologisch eine denkbare Kombination?
- „Herz“ + „Hören“ – tatsächlich eine seltene Kombination!
- Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ (1 Kön 3,9) – anthropologisch betrachtet
- Stattdessen: „Herz“ + „NICHT-Hören“ = Verstockung!
- Schlussbetrachtung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit untersucht die anthropologische Bedeutung der Kombination von „Herz“ und „Hören“ im Alten Testament, ausgehend von Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ in 1 Kön 3,9. Die Analyse beleuchtet die hebräische Konzeption von „Herz“ und „Hören“ und untersucht, wie diese Begriffe in der alttestamentlichen Anthropologie zusammenhängen.
- Die Bedeutung des „Herzens“ in der alttestamentlichen Anthropologie
- Die Bedeutung des „Hörens“ in der alttestamentlichen Anthropologie, insbesondere im Kontext göttlicher Offenbarung
- Die Seltenheit der Kombination „hörendes Herz“ im Alten Testament
- Anthropologische Interpretation von Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“
- Das Motiv der Herzensverstockung als Gegenstück zum „hörenden Herzen“
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Arbeit untersucht Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ (1 Kön 3,9) im Kontext der alttestamentlichen Anthropologie. Sie hinterfragt die deutsche Übersetzung „hörendes Herz“ und untersucht die vielschichtigen Bedeutungen von „Herz“ und „Hören“ im hebräischen Denken. Die Seltenheit der Kombination „hörendes Herz“ im Alten Testament wird hervorgehoben, und es wird auf das gegensätzliche Motiv der Herzensverstockung eingegangen.
„Herz“ im hebräischen Denken des Alten Testaments: Dieses Kapitel analysiert die zentrale Rolle des „Herzens“ (lev) in der alttestamentlichen Anthropologie. Mit über 850 Belegen ist es der häufigste anthropologische Begriff. Das „Herz“ wird als Zentralorgan des Körpers beschrieben, das alle Schichten der menschlichen Person – vegetativ, emotional, rational-noetisch und voluntativ – umfasst. Es ist das Zentrum der Person, das Fühlen, Denken und Wollen vereint und auch in relational-sozialer und theologischer Hinsicht eine entscheidende Bedeutung hat, als Schnittstelle zwischen Leib und sozialer Sphäre und als Sinnmitte der Existenz im Umgang mit Gott.
„Hören“ im hebräischen Denken des Alten Testaments: Dieses Kapitel befasst sich mit der Bedeutung des „Hörens“ im Kontext der alttestamentlichen Anthropologie, insbesondere in Bezug auf Gottesoffenbarung. Die Offenbarung Gottes geschieht im Wesentlichen durch das Wort, das gehört werden muss. Das Hören ist daher zentral für den Empfang und das Verständnis göttlicher Botschaften und für den Gehorsam gegenüber Gottes Willen.
„Herz“ + „Hören“ – anthropologisch eine denkbare Kombination?: Dieses Kapitel verbindet die Ergebnisse der vorhergehenden Kapitel und untersucht theoretisch, ob die Kombination „hörendes Herz“ in der alttestamentlichen Anthropologie denkbar ist. Es werden Überlegungen angestellt, wie die beiden Begriffe zusammenwirken und welche Bedeutung diese Kombination im Kontext des menschlichen Verständnisses von Gott und seiner Offenbarung hat.
„Herz“ + „Hören“ – tatsächlich eine seltene Kombination!: Dieses Kapitel beleuchtet die Seltenheit des Motivs „hörendes Herz“ im Alten Testament anhand ausgewählter Bibelstellen. Es wird gezeigt, dass die Bitte Salomos in 1 Kön 3,9 eine Ausnahme darstellt und in der Parallelstelle in 2 Chr 1,10 nicht wiederholt wird.
Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ (1 Kön 3,9) – anthropologisch betrachtet: Dieses Kapitel bietet eine anthropologische Betrachtung von Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ in 1 Kön 3,9. Es analysiert den Kontext der Bitte, Salomos Motivation und die Bedeutung der Gottesantwort. Die außergewöhnliche Natur von Salomos Bitte, im Vergleich zu anderen möglichen Wünschen, wird hervorgehoben.
Stattdessen: „Herz“ + „NICHT-Hören“ = Verstockung!: Dieses Kapitel behandelt das gegensätzliche Motiv der Herzensverstockung im Alten Testament. Es analysiert, wie die Unwilligkeit zum Hören und die Verstockung des Herzens im Kontext der Exodus-Tradition und bei den Propheten dargestellt werden und welche Folgen diese Verstockung für das Verhältnis zum Göttlichen hat.
Schlüsselwörter
Altes Testament, Anthropologie, Herz (lev), Hören, Salomo, 1 Kön 3,9, Herzensverstockung, Gottesoffenbarung, hebräische Bibel, Bibelinterpretation.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Anthropologie des Hörens und Herzens im Alten Testament
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit untersucht die anthropologische Bedeutung der Kombination von „Herz“ und „Hören“ im Alten Testament, ausgehend von Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ in 1 Kön 3,9. Sie analysiert die hebräische Konzeption von „Herz“ und „Hören“ und deren Zusammenspiel in der alttestamentlichen Anthropologie.
Welche Themen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt die Bedeutung des „Herzens“ und des „Hörens“ in der alttestamentlichen Anthropologie, die Seltenheit der Kombination „hörendes Herz“, eine anthropologische Interpretation von Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“, und das Motiv der Herzensverstockung als Gegenstück zum „hörenden Herzen“. Die Analyse umfasst die Betrachtung der hebräischen Begriffe, ihre vielschichtigen Bedeutungen und ihren Kontext in der alttestamentlichen Theologie und Literatur.
Wie wird das „Herz“ im Alten Testament verstanden?
Das „Herz“ (lev) wird als das zentrale Organ des Menschen beschrieben, welches alle Schichten der menschlichen Person – vegetativ, emotional, rational-noetisch und voluntativ – umfasst. Es ist das Zentrum des Fühlens, Denkens und Wollens und spielt eine entscheidende Rolle in der relational-sozialen und theologischen Sphäre, als Schnittstelle zwischen Leib und sozialer Sphäre und als Sinnmitte der Existenz im Umgang mit Gott.
Welche Bedeutung hat das „Hören“ im Alten Testament?
Das „Hören“ ist im Alten Testament zentral für den Empfang und das Verständnis göttlicher Botschaften und für den Gehorsam gegenüber Gottes Willen. Gottes Offenbarung geschieht im Wesentlichen durch das Wort, das gehört werden muss. Das Hören ist somit essentiell für die Beziehung zu Gott.
Wie oft wird die Kombination „hörendes Herz“ im Alten Testament verwendet?
Die Kombination „hörendes Herz“ ist im Alten Testament eine seltene Erscheinung. Die Bitte Salomos in 1 Kön 3,9 wird als Ausnahme hervorgehoben und der Vergleich mit der Parallelstelle in 2 Chr 1,10 zeigt, dass sie nicht wiederholt wird. Die Arbeit analysiert diese Seltenheit und ihre Bedeutung.
Welche Rolle spielt Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ (1 Kön 3,9)?
Salomos Bitte um ein „hörendes Herz“ bildet den Ausgangspunkt der Arbeit. Sie wird anthropologisch betrachtet, wobei der Kontext der Bitte, Salomos Motivation und die Bedeutung der Gottesantwort analysiert werden. Die außergewöhnliche Natur dieser Bitte im Vergleich zu anderen möglichen Wünschen wird betont.
Wie wird die „Herzensverstockung“ im Alten Testament dargestellt?
Die Arbeit behandelt die Herzensverstockung als Gegenstück zum „hörenden Herzen“. Sie analysiert die Unwilligkeit zum Hören und die Verstockung des Herzens im Kontext der Exodus-Tradition und bei den Propheten und deren Folgen für das Verhältnis zum Göttlichen.
Welche Schlüsselwörter kennzeichnen diese Arbeit?
Schlüsselwörter sind: Altes Testament, Anthropologie, Herz (lev), Hören, Salomo, 1 Kön 3,9, Herzensverstockung, Gottesoffenbarung, hebräische Bibel, Bibelinterpretation.
- Quote paper
- Janina Serfas (Author), 2016, "Herz" und "Hören" im hebräischen Denken des Alten Testaments. Eine anthropologische Betrachtung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1021851