Vergleich semi-präsidentieller Regierungssysteme am Beispiel der Republiken Frankreich, Polen und Finnland


Trabajo de Seminario, 2001

20 Páginas, Calificación: 2-


Extracto


INHALTSVERZEICHNIS

1 Einleitung

2 Das Präsidialamt im Vergleich
2.1 Die politische Stellung des Präsidenten
2.2 Verantwortlichkeit des Präsidenten
2.3 Ernennungskompetenzen

3 Die Zusammenarbeit von Präsident und Premierminister
3.1 Verantwortlichkeit des Premiers
3.2 Kontrolle präsidentieller Amtshandlungen
3.3 Alleinige Entscheidungskompetenzen des Premiers

4 Verhältnis Präsident - Parlament
4.1 Gesetzgebungsprozess
4.2 Vertrauen - Misstrauen

5 Außen- und Sicherheitspolitik
5.1 Machtverhältnisse bei der nationalen Verteidigung
5.2 Notstandsgesetzgebung

6 Schlussteil

1 Einleitung

Auf der politischen Weltbühne entwickelten sich bedingt durch historische und regionale Ereignisse im Laufe der Jahre unterschiedliche Regierungsformen. Aber auch bei gleich strukturierten Systemen gibt es prägnante Unterschiede zu verzeichnen. Um diese interessante Materie näher untersuchen zu können, habe ich mich für einen ausführlichen Vergleich der semi-präsidentiellen Staatsform entschieden.

Für die Gegenüberstellung entsprechender Regierungssysteme wurden von mir die Länder Frankreich, Finnland und Polen ausgewählt, da diese Staaten alle im Großraum Europa angesiedelt sind und trotz einer unterschiedlichen historischen Vergangenheit dieselbe Regierungsform entwickelt haben.

Die Ursprünge semi-präsentieller Strömungen sind im Zusammenspiel traditionell monarchistischer und republikanischer Kräfte zu finden, die seit Anfang des 20. Jahr- hundert in bestehende Regierungsformen integriert wurden. Grundsätzlich stellt die semi-präsentielle Staatsform ein parlamentarisch geführtes System dar, das mit dem Präsidenten eine herausragende Rolle besitzt. Dieser wird in der Regel direkt vom Volk gewählt und ist mit weitreichenden Machtbefugnissen sowie Ernennungs- und Entlas- sungskompetenzen ausgestattet. Durch seinen enormen Gestaltungsspielraum zwischen Verfassungstext und Verfassungswirklichkeit wirkt er als eine Art Stabilitätsreserve und stellt zusammen mit dem Parlament eine Exekutiv- Doppelspitze dar.

Dem Präsidenten steht der Premierminister gegenüber, der seinerseits die Amtshand- lungen des Staatspräsidenten beaufsichtigt, dabei allerdings dem Parlament verantwort- lich ist (Kempf 99: 290). Durch unterschiedliche Auslegungen des präsidialen Macht- spielraumes haben sich semi-präsentielle Varianten entwickelt mit parlame ntarisch- präsidentiellen und präsidentiell-parlamentarischen Gewichtungen. Diese unterschiedlich starken Ausprägungen spiegeln sich auch in den von mir unter- suchten Republiken Frankreich, Finnland und Polen wider. Mittels einer Analyse der drei Verfassungen und einschlägiger Literatur soll versucht werden, diese Unterschiede näher zu beleuchten. Um die Machtposition des Präsidenten anhand der oben genannten Kriterien erörtern zu können, wird das Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative in Verbindung mit der gesonderten Stellung des Präsidenten eingehend betrachtet.

Ferner soll herausgearbeitet werden, dass die Machtfülle von Präsidenten semi- präsidentieller Systeme vor allem von ihrer Dominanz im außenpolitischen Bereich abhängig gemacht werden kann.

2 Das Präsidialamt im Vergleich

Die Aufgabenfelder der Präsidenten der drei betrachteten Staaten fallen durchaus recht unterschiedlich aus. Auch die Verteilung der allein von diesem Amt ausgeübten Kompetenzen zeigen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede.

Die politische Bedeutung eines Staatsoberhauptes wird von den vielfältigsten Faktoren beeinflusst. Im folgenden Teil soll dieser Sachlage eingehend erläutert und deutlich die Merkmale von semi-präsidentiellen Systemen herausarbeitet werden.

2.1 Die politische Stellung des Präsidenten

Der französische Präsident ist gem. Art. 5 der französischen Verfassung (frz. Verf.) der Hüter derselben, sichert durch seinen Schiedsspruch das ordnungsgemäße Funktionieren der öffentlichen Organe und die Kontinuität des Staates. Er ist das Staatsoberhaupt, garantiert die nationale Unabhängigkeit und ist damit wichtigster Mann im Staat, gleichwohl ihm nicht das Amt des Regierungschefs obliegt. Dafür hat er den Vorsitz im Obersten Gerichtshof, was im Grunde gegen eine konsequente Gewaltenteilung spricht. Eine derartige Konstellation gestattet die finnischen Verfassung (finn. Verf.) nicht. Laut § 3 der finn. Verf. übt der Präsident die Regierungsgewalt stets in Zusammenarbeit mit dem Staatsrat aus. Er schwört lediglich, die Verfassung und die Gesetze zu befolgen und die Förderung des finnischen Volkes zu ermöglichen (§ 56 finn. Verf.). Demnach fehlt ihm die gewichtige Schiedsrichterfunktion, wie sie im französischen System vorgesehen ist.

Der Präsident der polnischen Republik ist der höchste Repräsentant seines Landes und Garant einer kontinuierlichen Staatstätigkeit. Er wacht ebenfalls über die Verfassung und sichert die Souveränität und Sicherheit seines Staates (Art. 126 poln.Verf.). Er ist genau wie sein Pendant in Finnland und Frankreich das legitimierte Staatsoberhaupt und übt die vollziehende Gewalt in Zusammenarbeit mit Regierung und Ministerrat aus.

Jedoch überschreitet die Einflussnahme als Schiedsrichter zwischen den Organen auch die Handlungskompetenz des polnischen Präsidenten.

Der Stellenwert des Präsidialamtes kann auch durch Art und Dauer seiner Legitimation veranschaulicht werden. Die Präsidenten aller drei Länder werden direkt von der Bevölkerung gewählt und erha lten so die höchste Berechtigungsstufe für ihr Amt. Hierbei gilt der Kandidat als gewählt, der bei der Wahl mehr als die Hälfte der abgege- benen Stimmen erhält. Erreicht kein Kandidat die erforderliche Mehrheit findet eine Stichwahl unter den beiden führenden Anwärtern statt. Gewählt ist danach der Kandidat mit den meisten Stimmen (Art. 7 frz. Verf., § 54 finn. Verfassung, Art. 127 poln. Verf.). Die Dauer der Regierungszeit und die Anzahl der möglichen Amtsperioden weisen hingegen Unterschiede auf. Während dem französischen Präsidenten eine fünfjährige Legislaturperiode und uneingeschränktes Recht auf Wiederwahl zukommt, wird das finnische Staatsoberhaupt für sechs Jahre in sein Amt erhoben und kann nur ein weite- res Mal diesen Posten bekleiden. Auch der polnische Amtskollege steht nur für eine weitere Amtsperiode zur Verfügung, bleibt aber nach französischem Muster fünf Jahre im Amt.

Wie soeben geschildert wurde, unterscheiden sich zwar die Verfassungstexte im Hin- blick auf die Bedeutung des Amtes des Staatsoberhauptes erheblich, trotzdem bilden alle drei die oberste Entscheidungsinstanz ihres Staates. Die verfassungsrechtliche Stellung des französischen Präsidenten verleiht ihm im Hinblick auf die unbegrenzte Möglichkeit zur Wiederwahl und die Schiedsrichterfunktion die größte Machtfülle aller drei Staatschefs.

2.2 Verantwortlichkeit des Präsidenten

Aufgrund der herausragenden Stellung des Präsidenten ist es notwendig zu untersuchen, in welcher Weise er für seine Handlungen zur Rechenschaft gezogen werden kann. Hierzu zählt die Möglichkeit der strafrechtlichen Verfolgung und das Recht auf Amtsenthebung durch entsprechende Verfassungsorgane.

Das französische Staatsoberhaupt darf gem. Art. 68 frz. Verf. nur im Falle des Hochver- rates während seiner Amtszeit zur Verantwortung gezogen werden. Ein hohes Hindernis besteht allerdings in der Bedingung einer absoluten Mehrheitsentscheidung von beiden Kammern des Parlaments.

In Finnland ist eine strafrechtliche Anklage des Präsident vor dem Obersten Gerichtsho f sowohl wegen Hoch- und Landesverrat sowie wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit möglich (§ 113 finn. Verf.). Aber auch hier sind die Voraussetzungen hoch gesteckt. Das Parlament entscheidet mit einer ¾ Mehrheit auf Antrag des Justizkanzlers oder des Staatsrates. Eine die Amtsführung des Präsidenten betreffende Anklage wird in weitern Punkten ausdrücklich abgelehnt.

Die polnische Verfassung sieht eine Anklage vor einem Gericht nur dann vor, wenn der Präsident gegen die Verfassung oder gegen Gesetze verstoßen hat. Gleiches findet Anwendung, sofern er für die Beauftragung einer Straftat verantwortlich gemacht wird (Art. 145 poln. Verf.). Für einen entsprechenden Schritt des Parlaments ist die Zustim- mung mit ? Mehrheit erforderlich. Obwohl also auch in Polen eine hohe Hürde für eine Anklage genommen werden muss, ist hier die Anwendung der Rechtsmittel gegen den Präsidenten aufgrund verschiedenster Vergehen am ehesten möglich und bietet dem Staatsoberhaupt in diesem Punkt die schwächste Position aller drei Nationen.

An dieser Stelle soll noch einmal klargestellt werden, dass eine politische Verantwortlichkeit in keiner untersuchten Verfassung festgehalten worden ist. Folglich darf kein Staatsoberhaupt aufgrund politischer Fehlentscheidungen von einer Autorität, insbesondere nic ht vom Parlament, belangt werden.

2.3 Ernennungskompetenzen

Die Macht des Präsidenten beschränkt sich nicht nur auf die Führung des Landes - ein wichtigstes präsidentielles Vorrecht im Feld der Innenpolitik stellt auch die Regie- rungsbildung dar. Sie bietet ihm umfassende Möglichkeiten, die wichtigsten Posten in Regierung und Verwaltung mit eigens von ihm bestimmten »Gesinnungsgenossen« zu besetzen und somit die politische Richtung des Landes entscheidend zu beeinflussen. In Art. 8 frz. Verf. sind die Befugnisse des Präsidenten formell auf die Ernennung des Premierministers und der von diesem vorgeschlagenen Minister beschränkt. Tatsächlich darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Präsident regen Einfluss auf die Auswahl der Minister nimmt. Deshalb gleicht diese Ernennungsprozedur mehr einem Aushandeln zw ischen Präsident und Premier. Das Staatsoberhaupt akkreditiert die Botschafter und außerordentlichen Gesandten - ebenso ernennt er die zivilen und militärischen Staatsämter (Art. 13 Abs.2 frz. Verf.). Weiterhin beruft er drei von neun Mitgliedern in den Verfassungsrat sowie dessen Präsidenten (Art. 56 frz. Verf.). Der finnische Präsident hat laut Verfassung keinen Einfluss auf die Auswahl des Premierministers. Dieser wird vom Parlament bestimmt und vom Präsidenten lediglich ernannt. Ein eventueller Einfluss des Staatsoberhauptes bei dieser Wahl ist jedoch nicht ausgeschlossen, da er zuvor eigene Präferenzen deutlich machen kann. Die Minister werden auf Vo rschlag des Premiers vom Präsidenten ernannt. Sie werden aber im Gegensatz zur Verfassung oftmals von den Fraktionen und Parteivorständen gewählt. Nur der Außenminister wird traditionell in Absprache mit dem Präsidenten bestimmt, da beide eng miteinander arbeiten müssen (Selovuori 1999: 51). Ebenfalls vom Präsi- denten eingesetzt werden die Staatssekretäre der Ministerien und weitere hohe Beamte, wie z.B. der Justizkanzler, die Richter der obersten Gerichtshöfe, Provinzgouverneure, Universitätsprofessoren, Bischöfe usw. (Auffermann 1999:187).

Die Regierungsbildung in Polen erfolgt nach ähnlichem Muster. Gemäß Art. 154 der Verfassung schlägt der polnische Präsident den Premierminister vor und ernennt diesen wenig später. Der Premier empfiehlt die Minister, welche dann vom Staatsoberhaupt aufgestellt werden. Bei Ablehnung des Regierungsprogramms oder bei mangelndem Vertrauen in die neue Regierung ist es dem Parlament vorbehalten, eigene Kandidaten für die Ämter des Premiers und der Minister vorzuschlagen. Vom Präsidenten werden ebenfalls die Richter, der Präsident des obersten Gerichtes, der Präsident und Vizepräsident des Verfassungsrates, der Präsident des obersten Verwaltungsrates, die Mitglieder des nationalen Sicherheitsrates und eine Reihe weiterer Posten im öffentlichen Leben und Verwaltung bestimmt (Art. 144 Abs.3 poln. Verf.).

Bei genauerer Betrachtung ergibt sich also ein etwas anderes Bild, als es die jeweiligen Verfassungen vermuten lassen, denn sämtlichen Präsidialämtern werden umfassende Ernennungskompetenzen zugesprochen, die ihren Einfluss in der Regierung, Verwaltung und im gesamten öffentlichen Bereich sicherstellen. Kein anderes Staatsorgan besitzt ähnliche Machtzugeständnisse.

3 Die Zusammenarbeit von Präsident und Premiermi- nister

Die Premierminister der drei verglichenen Staaten sind die offiziellen Führungsperso- nen der Regierung. Bei ihnen laufen alle Fäden aus Regierung und Verwaltung zusam- men. Deshalb wird häufig ein Machtkampf zwischen den beiden höchsten Posten angeno mmen. Tatsächlich lässt sich eine derartige Konkurrenz aus den entsprechenden Verfassungen ableiten. Demnach sind die Ministerpräsidenten nicht nur für die Kontrol- le des Präsidenten verantwortlich, sie sollen dem Staatschef auch das „Regieren“ erleichtern. In welcher Weise die Macht zwischen den Ämtern verteilt ist und welchen Einfluss beide auf die Innenpolitik ausüben, wird im nächsten Abschnitt veranscha u- licht.

3.1 Verantwortlichkeit des Premiers

Vielfach wird der Ministerpräsident als zweitstärkster Mann des Landes bezeichnet. Ein wichtiges Indiz für die Stärke des Präsidenten ist deshalb die Frage, wem der Premier- minister für seine Handlungen verantwortlich ist (Verantwortlichkeit leitet sich von der Möglichkeit zur Ernennung und Entlassung des jeweiligen Amtes ab). Sollte der Pre- mier dem Staatsoberhaupt verantwortlich sein, wird sein Einfluss auf die Inne npolitik geringer eingestuft. Im Gegensatz dazu erhöht die Verantwortlichkeit vor dem Parla- ment seine Stellung auf diesem Gebiet (gleichbedeutend mit dem Kompetenzgewinn gegenüber dem Präsidenten).

Gemäß Art. 21 Abs.1 der französischen Staatsordnung leitet der Premier die Geschäfte der Regierung. Diese wiederum ist dem Parlament verantwortlich (Art. 20 Abs.3 frz. Verf.). Eine derartige Form der Kontrolle findet man aber nur in Zeiten der Cohabitati- on (fehlende Mehrheit der regierenden Partei). Bei einem gesicherten Mehrheitsverhält- nis ist der Premier gewöhnlich dem Präsidenten verantwortlich, denn er wurde von diesem ausgewählt und kann auch wieder entlassen werden, lässt man die formelle Bitte des Premiers unberücksichtigt. Ferner kann auch das Parlament die Regierung mit einem Misstrauensvotum stürzen (Art. 50 frz. Verf.). Verfassungsgemäß ist der Premier auch der offizielle Vertreter des Staatschefs, was die enge Verbundenheit beider zusätz- lich unterstreicht (Art. 21 Abs.3 frz. Verf.).

Anders als das soeben betrachtete Verhältnis hat sich das finnische System entwickelt. Hier kann der Premierminister und der von ihm geführte Staatsrat aufgrund des Ver- trauensverlustes nur vom Parlament - gegebenenfalls auf eigenes Verlangen - entlassen werden.

Der Premier führt zwar die Entscheidungen des Staatschefs aus, er ist aber auch Vertrauter, Botschafter und Vermittler des Parlaments und offizieller Vertreter des Präsidenten (§ 50 finn. Verf.). Die Regierungsmitglieder müssen das Vertrauen der Volksvertretung genießen (§ 3 finn. Verf.). Sie sind dieser gem. § 60 für ihre Amtshandlungen verantwortlich. Aufgrund der Tatsache, dass der Chef der Regierung vom Parlament gewählt und „entlassen“ werden kann, kommt ihm im Gegensatz zum französischen Amtskollegen in Bezug auf den Präsidenten eine stärkere und in Verbindung mit der Volksvertretung eine geringere Machtstellung zu.

Ebenso wie das finnische Pendant ist die polnische Regierung, geführt vom Premierminister, dem Parlament gegenüber verantwortlich (Art. 115,159,162 poln. Verf.). Bei entsprechendem Vertrauensverlust muss der Präsident die Regierung entlassen. Als Stellvertreter des Präsidenten gilt im Unterschied zu den anderen Systemen der Präsident des Sejm (Art. 131 poln. Verf.).

In der Beziehung Präsident - Premierminister als auch in Verhältnis zum Parlament hat der Premier Polens die unterlegenste Position inne.

3.2 Kontrolle präsidentieller Amtshandlungen

Nachdem die Machtverhältnisse bezüglich der Wahl und Entlassung des Premierministers untersucht wurden, ist an dieser Stelle die Überwachung der Amtshandlungen des Präsidenten von Interesse. Die verfassungsrechtlichen Möglichkeiten seiner Beaufsichtigung sind ein wichtiges Indiz für die Effektivität der gegenseitigen Kontrolle vo n Regierung und Staatsoberhaupt. Gleichwohl können auch Rückschlüsse auf die innenund außenpolitischen Befugnisse gezogen werden.

Alle Akte des französischen Präsidenten müssen gemäß Art. 19 vom Premier gegenge- zeichnet werden. Eventuell ist auch der verantwortliche Minister zur Unterschrift berechtigt. Entscheidend sind die Ausnahmen dieses Artikels. Eine Gegenzeic hnung wird nicht verlangt bei der Einbringung eines Gesetzes zum Volksentscheid, der Auflö- sung der Nationalversammlung, dem Schriftverkehr mit dem Parlament, der Ernennung von drei Verfassungsratsmitgliedern und dessen Präsidenten, der Ausübung der Not- standsbefugnisse und der Zuleitung von Gesetzen zum Verfassungsrat. Diese Maßnahmen bilden einen Großteil der präsidentiellen Machtkompetenzen. Da dieser nicht der Gegenzeichnung bedarf, ist diese Kontrolle des Präsidenten durch den Premierminister nicht als einschneidend zu betrachten. Die Gegenzeichnungspflicht bildet eher ein formelles Kriterium der Checks und Balances. Eine ministerielle Gege n- zeichnungspflicht bei Entscheidungen des Staatschefs stellt somit nur theoretisch ein Veto-Recht dar. Bis jetzt wurde es jedoch noch nie angewendet, obwohl der Präsident das Recht hat, den Ministerrat aufzulösen (Kempf 1980:62). Gleichwohl kann er diesen im erheblichem Maße blockieren. Er besitzt ebenfalls eine Art Veto-Recht gegenüber dem Ministerrat, da die Verfassung offen lässt, ob er die Dekrete des Ministerrates unterschreiben muss (Kempf 1980:61). Vielleicht ist dies ein Grund für das bedingungs- lose Folgen der Minister. In wieweit sich ein Präsident in die Exekutive einmischt, hängt hauptsächlich von seinen persönlichen Interessen ab. Präsident Mitterand z.B. setzte seine Vorherrschaftsstellung immer ein, wenn ihm eine Sache wichtig war (Cole 1994:88).

Die finnische Verfassung sieht eine ähnliche Kontrolle der präsidentiellen Entscheidun- gen vor. Dem gemäß fasst der Präsident „seine Beschlüsse im Staatsrat auf dessen Lösungsvorschlag“ (§ 58 Abs.1 S.1 finn. Verf.). Der Premier ist nicht gesondert als beaufsichtigendes Organ genannt, sondern ist als Vorsitzender des Staatsrates inbegrif- fen. Alleinige Entscheidungsgewalt steht dem Präsidenten bei der Ernennung und Entlassung, der Anordnung vorzeitiger Parlamentswahlen und beim Begnadigungsrecht zu. Damit werden zwar keine französischen Verhältnisse erreicht, bietet aber mit der Entsche idung über Neuwahlen und den Staatsrat weitreichende Kompetenzen für den finnischen Staatschef.

Ähnliche Befugnisse stellt die Verfassung dem polnischen Staatsoberhaupt zur Verfü- gung. Dieser benötigt gem. Art. 144 ebenfalls die Unterschrift des Premiers, der vorher die Einwilligung des Parlaments einholen muss. Um Wahlen des Parlaments und des Senats auszurufen, Gesetzesvorlagen einzubringen, Volksentscheide auszurufen, den Premierminister zu nominieren und zu ernennen, die Kündigungen des Ministerrats zu unterschreiben, einen Minister wegen Vertrauensverlustes zu entlassen, Richter zu ernennen, das Begnadigungsrecht auszuüben und wichtige hohe Beamte zu ernennen, ist die Gegenze ichnung des Premiers nicht erforderlich. Trotzdem bleiben die Machtbefugnisse des polnischen Premiers qualitativ hinter denen der beiden anderen Staatsoberhäupter zurück. Die Schwäche wird vor allem durch die einzuholende Erlaubnis des Parlamentes deutlich.

In Auswertung dieser Punkte muss dem französischen Präsidenten die stärkste Position zuerkannt werden, da er von allen Staatschefs schon hinsichtlich seines Veto-Rechts die geringste Gegensteuerung seitens der Regierung zu erwarten hat. Der polnische Präsident hingegen besitzt nicht die Macht, den Premierminister zu entlassen, wodurch sein Handlungsspielraum im Hinblick auf die alleinigen Kompetenzen und auf die Kontrollierbarkeit seiner Entsche idungen am weitesten eingeschränkt ist.

3.3 Alleinige Entscheidungskompetenzen des Premiers

Die Stellung des Premierministers kann nicht zuletzt dadurch bestimmt werden, wie viel Entscheidungsgewalt er inne hat. Schon die Führung der Regierung gibt ihm eine ganze Reihe von Befugnissen an die Hand, die seinen Einfluss auf die Innenpolitik entsche i- dend beeinflussen. Welche konkreten Aufgaben ihm in den betrachteten Ländern zukommen, soll im Folgenden erörtert werden.

Der französische Premier ist der Regierungschef und trägt der Richtlinienkompetenz des Präsidenten Rechnung. Gem. Art. 20 Abs.1 bestimmt und leitet die Regierung die Politik des Landes. Der Premierminister führt die Geschäfte der Regierung und ist für die Landesverteidigung verantwortlich (Art. 21 frz. Verf.), aber er muss auch gegebe- nenfalls seine Amtshandlungen von den betreffenden Ministern unterzeichnen lassen (Art. 22).

Auch auf die Tätigkeit des Parlaments hat der Premierminister großen Einfluss. So kann er z.B. die Sitzungsperiode der Volksversammlung nach Absprache mit den Präsidenten der betroffenen Kammern verlängern (Art. 28 Abs.3). Er hat das Recht, Gesetzesvorla- gen einzubringen und kann die Nationalversammlung bitten, der Regierung das Ver- trauen auszusprechen - dies tut er ebenfalls im Bezug auf das Regierungsprogramm oder in Erklärungen zur allgemeinen Politik. Die Möglichkeit, ein noch nicht verkünde- tes Gesetz dem Verfassungsrat zuzuleiten, steht ihm ebenso offen, wie eine Vorlage zur Verfassungsänderung einzubringen (Art. 89). Als Schwäche des französischen Premiers ist die Tatsache zu werten, dass der Präsident gem. Art. 9 den Vorsitz im Ministerrat hat. In der Regel hat die Regierung Bestimmungsgewalt über die Bereiche der Innen-, Sozial- und Wirtschaftpolitik. Der Präsident hingegen hat die Außen- und Sicherheitspolitik unter sich.

Der finnische Premierminister leitet gem. § 66 die Tätigkeit des Staatsrates. Es hat sich aber eingebürgert, dass Präsident und Premier den Vorsitz abwechselnd führen. Die Sitzungen des Kabinetts werden donnerstags vom Premier und freitags vom Präsidenten geleitet. Die Richtlinienkompetenz liegt wie im vorigen Fall beim Staatsoberhaupt Finnlands. Die täglichen Geschäfte und sonstigen wichtigen Entscheidungen der Inne n- politik werden vom Premier in alleiniger Gewalt geführt, so dass bei normaler Regie- rungstätigkeit kein Eingreifen des Präsidenten notwendig wird. Weitere Kompetenzen des Premiers sind in der Verfassung nicht gesondert erfasst. Tatsächlich jedoch fand seit dem Zweiten Weltkrieg eine Verlagerung der Kompetenzen in Richtung Regierung und damit Premier statt. Die neueren Ereignisse in Europa haben auch in Finnland für Veränderungen gesorgt. Die Frage, welche Institution das Land bei der Europäischen Union vertreten sollte, war heiß umstritten. Letztlich hat Finnland zwei Sitze bei Regie- rungskonferenzen der EU zugesprochen bekommen. Für den außen- und sicherheitspoli- tischen Bereich ist der Präsident und für innenpolitische Aufgaben der Premierminister zuständig. Dies zeigt deutlich dessen Aufwertung gegenüber dem Präsidenten, denn sämtliche anderen Staaten werden auch innenpolitisch vom Staatsoberhaupt vertreten. Der finnische Regierungschef hat ebenfalls die Möglichkeit, einzelne Minister zur Entlassung vorzuschlagen (§ 64 finn. Verf.). Des weiteren kann er die vorzeitige Auflö- sung des Parlaments anregen (§ 26). Auch in den vier gesetzlichen Kabinettsausschüs- sen führt er den Vorsitz, ebenso wie in den ständigen Beiräten für Wirtschaft, Staat, Wissenschaft und Technologie (Selovuori 1999:60). Als wichtige Funktion ist ihm auch die Regierungsbildung übertragen wo rden. Obwohl der Premier laut Verfassung keine besonders großen Einfluss auf die Regierungstätigkeit nimmt, kommt ihm tatsächlich eine wachsende Bedeutung zu.

Der polnische Ministerpräsident hat hingegen laut Verfassung nur wenige alleinige Machtbefugnisse inne. Sein Machtbereich muss immer im Zusammenhang mit dem Ministerrat gesehen werden, dessen Vorsitz er hat. Grundsätzlich leitet er die Regie- rungsarbeit, koordiniert und kontrolliert das Zusammenspiel der Minister. Dem Minis- terrat steht die Leitung der Außen- und Innenpolitik sowie die Führung der Verwaltung zu (Art. 146). Der Premier schlägt gem. Art. 154 die anderen Minister vor und legt dem Parlament das Regierungsprogramm zur Entscheidung vor. Ebenso kann er den Sejm um das benötigte Vertrauen des Ministerrates bitten (Art. 160). Der polnische Premier kann ebenso wie die beiden anderen Premierminister um die Entlassung einzelner Kabinettsmitglieder bitten (Art. 161). Er legt die Auflösung des gesamten Ministerrates bei Vertrauensverlust des Parlaments und bei dessen eigenen Entlassungswunsch vor. Weitere alleinige Kompetenzen lassen sich in der polnischen Verfassung nicht finden. In Anbetracht der letzten Ausführungen zur Stärke der drei Premierminister lässt sich folgendes zusammenfassen. Die Premierminister Frankreichs und Finnlands sind laut Verfassung die Stellvertreter des Präsidenten. Bei Unfähigkeit zur Führung des Landes wird der polnische Präsident vom Präsidenten des Sejm vertreten. Alle Premiers sind die Regierungschefs und führen die Innenpolitik des jeweiligen Landes. Sie begrenzen auf diese Weise die innenpolitische Machtstellung der Präsidenten - ihre Befugnisse reichen jedoch nicht aus, um als dominant bezeichnet zu werden.

Der Regierungschef der finnischen Republik hat mit Abstand die meisten alleinigen Kompetenzen inne. Demzufolge tritt die Entscheidungsgewalt des Präsidenten auf diesen Gebieten ins Hintertreffen und schwächt ihn als Machtinhaber der Regierungs- kompetenz. Der polnische Regierungschef ist das schwächte Regierungsorgan in diesem Vergleich. Er muss nicht nur sämtliche Entscheidungen in Verbindung mit dem Minis- terrat fällen, sondern ist darüber hinaus als einziger dem Parlament gegenüber verant- wortlich und muss dasselbe bei der Zustimmung zu Handlungen des Präsidenten konsultieren. Jedoch zieht dies nicht gleichbedeutend eine Stärkung des Präsidenten nach sich. Wie die weiteren Ausführungen zeigen werden, musste dieser wiederum viele Kompetenzen an das Parlament abgeben.

4 Verhältnis Präsident - Parlament

Die Macht des Präsidenten wird nicht nur durch die Regierung unter der Führung des Premierministers begrenzt und kontrolliert. Auch das Parlament spielt eine große Rolle bei der Leitung des Staates und hat wichtige Kompetenzen, z.B. bei der Ausarbeitung und Verabschiedung von Gesetzen. In wieweit die Befugnisse des Parlamentes in den verschiedenen Ländern die Macht des Präsidenten beeinflussen und damit dessen Macht in der Innenpolitik beschränken, soll im nächsten Abschnitt geklärt werden.

4.1 Gesetzgebungsprozess

Das französische Parlament - bestehend aus Nationalversammlung und Senat - be- schließt gem. Art. 34 frz. Verf. die Gesetze, wobei dem Senat eine geringere Bedeutung zukommt. Die Bereiche der Gesetzgebung sind jedoch genau definiert worden und zeigen damit, dass der parlamentarische Zuständigkeitsbereich beschränkt ist. Der Präsident der Republik unterzeichnet und verkündet die vom Parlament beschlossenen Gesetze. Er kann jedoch eine neue Beratung des Gesetzes verlangen. Diese Zurückle i- tung darf vom Parlament nicht verweige rt werden, andernfalls leitet der Staatschef das Gesetz dem Verfassungsrat zu (Art. 61 frz. Verf.). Dieses Recht hat auch der Premier- minister. Zur Gesetzesinitiative sind nur die Mitglieder des Parlaments und der Pre- mierminister berechtigt. Dessen Tätigwerden darf in diesem Punkt als unerheblicher eingestuft werden (Art. 39 frz. Verf.). Eine Vorlage der Verfassungsänderung dürfen der Präsident auf Vorschlag des Premierministers und die Abgeordneten des Parlaments einbringen. Ferner kann der französische Präsident jeden Gesetzentwurf auf Vorschlag der Regierung oder des Parlaments über die Organisation der öffentlichen Verwaltung bzw. über die Reform der Wirtschafts- und Sozialpolitik zum Volksentscheid bringen (Art. 11).

Die Hauptaufgabe des finnischen Parlamentes ist ebenfalls das Beschließen von Gesetzen (§ 3 S.1) sowie die Kontrolle von Parlament und Zentralbank. Zum Einbringen von Gesetzen sind die Regierung oder die Abgeordneten des Parlaments ermächtigt (§ 70). Im Gegensatz zum französischen Systems haben der finnische Präsident und die Parlamentsausschüsse das Recht, entsprechende Entwürfe vorzulegen. Nach dem Beschluss des Gesetzes in der Enduskunta (finnisches Parlament) müssen der Präsident und auch der zuständige Minister unterzeichnen. Gegebenfalls kann der Präsident das Gesetz zum Parlament zurückweisen. Die Besonderheit des finnischen System ist, dass das Parlament das Gesetz in unveränderter Form noch einmal annehmen kann. Der Präsident muss es dann trotzdem unterzeichnen (§§ 77-79). Volksbefragungen sind gem. § 53 generell möglich, werden aber durch ein Gesetz bestimmt.

Im polnischen System hat das Parlament ebenfalls die Gesetzgebungsfunktion. Es kontrolliert die Aktivitäten der Regierung (Art. 95). Gesetzesvorlagen können von den Abgeordneten, dem Senat, dem Präsidenten und dem Ministerrat angeregt werden. Nach den erforderlichen drei Lesungen im Sejm und der Beratung im Senat muss der Präsi- dent das Gesetz unterschreiben und verkünden. Er hat ebenso das Recht, den Verfas- sungsrat anzurufen oder das Gesetz mit Begründung zum Sejm zurückzuleiten. Genauso wie das finnische Parlament könne die Abgeordneten des polnischen Parlaments das Gesetz erneut in unveränderter Form beschließen. Allerdings benötigen sie dafür eine 3/5 Mehrheit. Volksbefragungen dürfen nur in Abhängigkeit mit einer Frage besonderer Bedeutung für den Staat abgehalten werden (Art. 125).

Die Möglichkeit, den Gesetzgebungsprozess zu beeinflussen, ist zwar in allen Staaten vorhanden. Unter normalen Bedingungen ist es aber für alle Präsidenten schwierig, ein Gesetz zu kippen. Die Präsidenten Polens und Finnlands sind dem französische Amts- kollegen insoweit Befugnis unterlegen, als dass ihr Veto überstimmt werden kann. Ihr Einfluss auf die Innenpolitik ist demnach ebenfalls geringer. Jedoch ist das Veto des Staatsoberhauptes oftmals unnötig, da er schon im Entstehungsprozess des Gesetzes aktiv Einfluss nehmen und somit die Entscheidungsgewalt zu seinen Gunsten auslegen kann.

4.2 Vertrauen - Misstrauen

Um ein ganzheitliches Urteil über der Einflussnahme des Präsidenten auf die anderen Institutionen fällen zu können, wird ein Blick auf das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Legislative und Exekutive unerlässlich.

Das Parlament Frankreichs kann der Regierung das Misstrauen aussprechen (Art. 50). In diesem Fall muss der Premierminister dem Präsidenten den Rücktritt der gesamten Regierung vorlegen. Für die Annahme eines solchen Antrages brauch das Parlament die Mehrheit der abgegeben Stimmen (Art. 49 Abs.2). Dem Präsidenten kann nicht das Misstrauen ausgesprochen werden. Der Premierminister seinerseits kann die Auflösung der Nationalversammlung anregen. Verfassungsgemäß kann nur der Präsident - nach Beratung mit den Präsidenten beider Kammern und dem Premierminister - das vorzeit i- ge Ende der Sitzungsperiode verfügen (Art. 12). Einzige Bedingung ist, dass das Parla- ment mindestens ein Jahr im Amt ist.

Ein Misstrauensantrag des Parlamentes hat auch im finnischen System die Entlassung der gesamten Regierung zur Folge (§ 64 Abs.2). Auf der anderen Seite kann auch der Premierminister die vorzeitige Entlassung des Parlaments anregen (§ 26 Abs.1), welche dann vom Präsidenten, ähnlich dem französischen System, nach Konsultation mit den Fraktionen verfügt werden kann. Dem Präsidenten darf auch in Finnland nicht das Misstrauen ausgesprochen werden.

Ebenfalls hat das Parlament der polnischen Republik die Möglichkeit, der Regierung das Misstrauen auszusprechen (Art. 162 Abs.2). Allerdings muss dieser Misstrauensan- trag konstruktiv gestaltet sein. Einzelnen Ministern kann jedoch weiterhin das Vertrauen entzogen werden, deren Entlassung dann vom Präsidenten vorgenommen wird (Art. 159).

Obwohl auch das Parlament Polens direkt gewählt wird und ebenso deutlich vom Volk legitimiert worden ist, hat der Präsident die Befugnis, die Volksvertretung aufzulösen. Die Beratung mit den Präsidenten der Kammern ist ebenfalls formell notwendig (Art. 98 Abs.4). Die Mitwirkung und Einflussnahme des Premiers ist dabei ausgeschlossen. Hingegen ist die Entlassung des Präsidenten aufgrund eines Vertrauensverlustes auch in Polen unmöglich.

Generell sind Parlament und Regierung vom gegenseitigen Vertrauen abhängig. Die Machtfülle der Staatsoberhäupter auf dem innenpolitischen Bereich wird durch die Gesetzgebungskompetenz des Parlaments und dessen Möglichkeit des Vertrauensentzu- ges der Regierung merklich eingeschränkt. In allen betrachteten semi-präsidentiellen Systemen hat das Parlament die Möglichkeit, der Regierung das Vertrauen zu entziehen und verlangt so deren Entlassung. Aufgrund der Tatsache, dass das Veto des Präsiden- ten von der finnischen und polnischen Volksvertretung überstimmt werden kann, wird die Position dieser Präsidenten im Vergleich zum französischen System geschwächt. Aber auch der Premier kann das Parlament durch seinen engen Kontakt zum Präsiden- ten zur Auflösung bringen. Die letzte Entscheidung liegt aber beim Präsidenten selbst. Nur Polens Premier hat verfassungsmäßig keinen entsprechenden Einfluss.

5 Außen- und Sicherheitspolitik

Neben der Innenpolitik ist auch die Außen- und Sicherheitspolitik ein wichtiger Teil der nationalen Staatsführung und gibt durchaus Aufschluss über die Machtverteilung zwischen den einzelnen Institutionen. Während bei präsidentiellen Systemen die Au- ßenpolitik ausnahmslos dem Präsidenten untergeordnet ist, wird die Macht des Staats- präsidenten in semi-präsidentiellen Systemen auf diesem Gebiet ernsthaft zurückge- drängt. In den nachstehenden Ausführungen wird dieser Machtverlust dokumentiert.

5.1 Machtverhältnisse bei der nationalen Verteidigung

Alle drei Präsidenten sind die Oberbefehlshaber der Streitkräfte - der polnische Präsident hat diesen Posten allerdings nur im Kriegsfall inne (Art. 134 Abs.2). In Friedenszeiten gibt er dieses Amt an der Verteidigungsminister weiter.

Der französische Präsident dominiert bei außen- und sicherheitspolitischen Angelege n- heiten seines Landes. Er ist der Vorsitzende des Verteidigungsrates und führt ebenfalls den Vorsitz in den obersten Räten und Ausschüssen der Landesverteidigung (Art. 15). Grundsätzlich verhandelt und ratifiziert er alle Verträge gem. Art. 52 selbst. Aber auch andere Verfassungsorgane haben Einfluss auf dem Sektor. So darf der Präsident z.B. bei Friedensverträgen nur aufgrund eines Gesetzes, das vom Parlament beschlossen wurde, zustimmen oder unterschreiben (Art. 53 Abs.1). Der Präsident ist also zumindest formell an Entscheidungen der Volksvertretung gebunden. Auch der allgemeine Aufbau der Landesverteidigung wird per Gesetz vom Parlament geregelt (Art. 34 Abs.4), welches darüber hinaus zur Kriegserklärung ermächtigt (Art. 35). Im Ministerrat wird der Belagerungszustand verhängt - soll dieser über zwölf Tage hinaus beibehalten werden, muss das Parlament eine entsprechende Entscheidung treffen (Art. 36). Der Premier hingegen ist gem. Art. 21 für die Landesverteidigung verantwortlich.

Fragen der äußeren Absicherung Finnlands waren bis zum Ende des kalten Krieges noch alleinige Kompetenz des Präsidenten. Doch durch eine Verfassungsreform ist nun eine Zusammena rbeit mit dem Staatsrat verfassungsmäßig vorgeschrieben (§ 93 Abs.1). Er „entscheidet in militärischen Befehlsangelegenheiten unter Mitwirkung eines Minis- ters so, wie es durch Gesetz näher geregelt wird. Bei militärischen Ernennungen und in Angelegenhe iten, die das Präsidialamt betreffen, entsche idet der Präsident so, wie es durch Gesetz vorgeschrieben wird.“ (§ 58 Abs.4). In diesem Bereich ist er also an die Gesetzgebung des Parlamentes gebunden. Weitere Kompetenzen auf diesem Gebiet hat das Parlament bei Angelegenheiten die EU betreffend. So berät die Volksvertretung bei entspreche nden Rechtsakten, Verträgen und weiteren Maßnahmen (§ 96 Abs.1). Außen- und sicherheitspolitische Fragen werden hingegen im Ausschuss für auswärtige Ange- legenheiten beraten. Die Enduskunta muss internationale Verpflichtungen und eventuell deren Kündigung billigen (§ 94 Abs.1). Der Kriegs- und Friedenszustand wird vom Präsidenten auch nur mit Zustimmung des Parlaments ausgerufen (§ 93 Abs.1 S.3). Über die Mobilmachung der Streitkräfte entscheidet der Präsident auf Vorschlag des Staatsrates (§ 129). Alleinige Kompetenzen des Präsidenten bei der Landesverteidigung sind vom Parlament zurückgedrängt worden, welches seinerseits Befugnisse kontinuierlich ausgebaut hat, so dass internationale Entsche idungen nicht mehr ohne seinen Einfluss getroffen werden können.

Auch der polnische Präsident ist auf dem Gebiet der Außenpolitik nicht mehr alleine entschlussfähig. Für die Unterzeichnung und gegebenenfalls den Verzicht von internati- onalen Vereinbarungen und Verträgen braucht er die Mitarbeit des Senats und Parla- ments (Art. 133 Abs.1). Der Ministerrat leitet die internationalen Beziehungen und die Außenpolitik gem. Art. 146, gewährleistet die nationale und internationale Sicherheit und wacht über die nationale Verteidigung des Landes. Der Kriegszustand wird ebenso wie der Friedenszustand vom Parlament ausgerufen (Art. 116). Erst wenn der Sejm nicht mehr in der Lage sein sollte, kommt der Präsident ins Spiel. Der Einsatz von militärischen Kräften im Ausland wird vom Parlament per Gesetz geregelt (Art. 117).

Allen drei Präsidialämtern wurden vor allem im Verlaufe der letzten Jahre auf dem Sektor Außen- und Sicherheitspolitik mehr oder minder die Kompetenzen beschnitten. Der Grund liegt hauptsächlich in den ideologischen Umwelzungen in Europa seit 1990. Das französische Modell hat dabei die geringsten Veränderungen durchlaufen. Da der französische Präsident seine gehobene Machtposition traditionell auch auf die Außenpo- litik überträgt, bleibt die Zustimmung des Premiers oder gegebene nfalls des Parlaments oft nur reine Formsache. Auch der finnische Präsident ist in Sachen Landesverteidigung noch der wichtigste Entscheidungsträger. Jedoch wird seine Hegemonie von Parlament und Premier spürbar verringert. Die geringfügigsten Verantwortlichkeiten auf diesem Sektor besitzt der polnische Präsident. Seine Abhängigkeit von den weiteren Organen ist bezeichnend. Schon die fehle nde Stellung als Oberbefehlshaber der Streitkräfte im Friedensfall macht diese Entwicklung deutlich.

5.2 Notstandsgesetzgebung

Die Machtzugeständnisse an den Präsidenten im Falle einer nationalen Bedrohung geben unverkennbar Auskunft über die wahren Kompetenzverhältnisse innerhalb der Regierung. Die Notstandsgesetzgebung wird somit zu einem Indiz für die politische Akzeptanz des Staatschefs.

Im Bedrohungsfall der französischen Republik sieht die Verfassung die gesamte Machtübertragung auf den Präsidenten vor (Art.16 frz. Verf.). Er hätte dann die Exekutiv- und Legislativgewalt in seinen Händen und wird von keinem anderen Organ überwacht. Das Parlament darf in diesem Fall aber nicht aufgelöst werden. Nach förmlicher Beratung mit dem Premierminister, den Präsidenten der beiden Parlamentskammern und dem Verfa ssungsrat ruft das Staatsoberhaupt den Notstand aus.

Diese Form der Machtausübung wurde in der Geschichte der fünften Republik erst einmal angewendet. General de Gaulle rief den Notstand am 23.04.1961 im Zusam- menhang mit dem Putsch in Algerien aus. Trotz der in der Verfassung genannten Bedingung, diesen Zustand innerhalb kürzester Zeit zu beenden, wurde dies tatsächlich erst fünf Monate später bewerkstelligt. Dieser Artikel ist in Frankreich heftig umstritten, da er nach Ansicht vieler dem Präsidenten zu viel Macht verleiht und ein Missbrauch nicht ausschließt (Safran 1994:187).

Einen vergleichbaren Zusatz ist in der finnischen oder polnischen Verfassung nicht vorhanden, was wiederum auf eine unterschiedliche Auslegung der Verantwortlichkei- ten innerhalb der drei semi-repräsentiellen Staatsformen schließen lässt. Demnach kommt Frankreichs Präsidialamt eine weitaus größere Bedeutung zu als es in Polen oder Finnland der Fall ist.

6 Schlussteil

Bei der Auswertung der Verfassungen der von mir für einen Vergleich ausgewählten Länder lassen sich unterschiedlich starke Kompetenzen auf den beiden wichtigen Aufgabenbereichen Außen- und Innenpolitik nachweisen.

Da der französische Präsident wie vorher eingehend beschrieben die dominante Position in beiden Sektoren beibehalten konnte, wird ihm beim Vergleich der drei semi- präsidentiellen Systemen der größte Machtanspruch zuteil. Der französische Staatschef ist ein wichtiger Teil der Exekutive und kann sich bei vollständiger Ausschöpfung seiner Macht über Parteien, Nationalversammlung und Regierung hinwegsetzen. Eine merkliche politische Abwertung erfährt das finnische Staatsoberhaupt, das im außenpolitischen Bereich in den letzten Jahren deutlich verloren hat. Der polnische Präsident bildet das Schlusslicht dieser Reihe - seine Zuständigkeiten sind durch die neue Verfassung von 1997 so stark beschnitten worden, dass ihm nur wenige alleinige Kompetenzen verbleiben. Das Parlament wird auch weiterhin versuchen, seine Position auszubauen und den Präsidenten auf das Gebiet der Repräsentative zurückzudrängen.

Der Grund für die unterschiedliche Entwicklung liegt auf der Hand. Meiner Meinung nach ist es besonders die Politik nach Außen, die einen entscheidenden Einfluss auf die Machtfülle des Präsidenten ausübt. Da der Präsident in erster Linie sein Land repräsentieren und die nationalen Interessen gegenüber anderen Staaten vertreten soll, steht und fällt mit seiner Entscheidungsgewalt in der Außenpolitik auch sein gesamtpolitisches Gewicht. Wird seine repräsentative Autorität untergraben, dann verliert der Staatschef gerade in einer konkurrierenden semi-präsidentiellen Regierungsform Stück für Stück sein Machtpotenzial an die anderen Institutionen.

Final del extracto de 20 páginas

Detalles

Título
Vergleich semi-präsidentieller Regierungssysteme am Beispiel der Republiken Frankreich, Polen und Finnland
Universidad
Ernst Moritz Arndt University of Greifswald
Calificación
2-
Autor
Año
2001
Páginas
20
No. de catálogo
V102188
ISBN (Ebook)
9783640005765
Tamaño de fichero
1299 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Vergleich, Regierungssysteme, Beispiel, Republiken, Frankreich, Polen, Finnland
Citar trabajo
E. Roock (Autor), 2001, Vergleich semi-präsidentieller Regierungssysteme am Beispiel der Republiken Frankreich, Polen und Finnland, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102188

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