Resilienz bezogen auf Kinderarmut in Deutschland. Konzept und Chancen


Thèse de Bachelor, 2019

30 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Kinderarmut in Deutschland
2.1 Definition von Armut
2.2 Armut und Kindheit

3 Das Konzept der Resilienz
3.1 Resilienz: Definition und begriffliche Annäherung
3.2 Die Kauai-Studie von Werner und Smith
3.3 Resilienzfaktoren
3.4 Risikofaktoren
3.5 Schutzfaktoren

4 Resilienzstärkung bei Kindern in Armutslagen
4.1 Bewältigungsstrategien und Handlungskonzepte zur Resilienzförderung
4.2 Präventionsmodelle
4.3 Resiliente Kinder

5 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

1 Einleitung

Das Aufwachsen und die Entwicklung von Kindern in unserer modernen Zeit ist trotz hoher Basisversorgung und medizinischer Absicherung gefährdet, da die psychosozialen Anforderungen an Kinder so hoch sind wie nie zuvor, sodass Kinderarmut in Deutschland mittlerweile eine nicht mehr zu verleugnende Realität ist. Armut in ihren verschiedensten Aspekten als gesellschaftliches Phänomen wird niemand bestreiten und selbst in Deutschland gibt es kein Konzept, welches Formen von sozialer Ungleichheit und damit einhergehend auch Armut verhindern (vgl. Haug-Schnabel, Schmidt-Steinrunner 2015, S. 69 f.). In Anbetracht dieser fehlenden sozialen Grundlagen und angesichts der fortwährenden Kinderarmutsproblematik, ist die Frage des pädagogischen Umgangs mit den Auswirkungen von Armut aktueller denn je, sowie die Frage nach gesellschaftlichen und individuellen Bewältigungsformen, mit den Auswirkungen ebendieser Armut umzugehen. Inwieweit das Konzept der Resilienz als unterstützende Säule bei dieser Problematik dienen kann, soll in dieser Arbeit näher betrachtet werden.

Der Fokus dieser Arbeit liegt auf dem Phänomen der Kinderarmut und dem Konzept der Resilienz. Dafür sollen folgende Fragen beantwortet werden. Zum einen: Wie wirkt sich Armut auf die Entwicklung der Kinder aus? Und zum anderen:

Mit welchen Handlungskonzepten meistern manche Kinder die ungünstigen Lebensbedingungen und wie kann das Resilienzkonzept sie dabei unterstützen?

Zu Beginn dieser Arbeit wird der Untersuchungsraum, welcher die Kinderarmut in Deutschland ist, eingeschränkt. Dazu wird die theoretische Definition von Armut erläutert, gefolgt von dem Phänomen der Kinderarmut und dessen Auswirkungen auf die Kinder. Anschließend erfolgt eine theoretische Herleitung zur Resilienz, in dem es eine begriffliche Annäherung und Definition gibt, sowie relevante Studien zur Resilienzforschung. Nachfolgend werden die Resilienzfaktoren, sowie Risiko- und Schutzfaktoren aufgezeigt. Das Resilienzkonzept wird dann im weiteren Teil der Arbeit konkret auf die Kinderarmut bezogen. Es werden Bewältigungsstrategien und Handlungskonzepte zur Resilienzförderung aufgezeigt, sowie unterschiedliche Präventionsmodelle, gefolgt von charakteristischen Kennzeichen resilienter Kinder. Ein abschließendes Fazit beendet diese Arbeit.

2 Kinderarmut in Deutschland

Zu Armut in ärmeren Ländern besitzt jeder bereits ein voreingenommenes Bild und dies macht es schwer, mitten im Wohlstandsstaat Deutschland, finanzielle oder soziale Notstände zu erahnen. Falls der notwendige Lebensbedarf nicht mehr aus eigener Kraft finanziert werden kann, besteht Anspruch auf staatliche Unterstützung. Deshalb hat Armut in Deutschland oft andere Dimensionen, die vielleicht im ersten Moment nicht deutlich sind. In den meisten Fällen geht es eben nicht um reines Überleben, sondern um ungleiche Verteilungen unter den Bürgern und die daraus resultierenden Benachteiligungen. Seit einigen Jahren wird Kinderarmut als eigenständiges Thema von Wissenschaft und Öffentlichkeit diskutiert, denn lange galt die Armut von Kindern als Teilaspekt von Familienarmut (vgl. Kamensky, Klemm, Heusohn 2000, S.12f.). In diesem Kapitel wird zunächst der Begriff der Armut definiert, um anschließend auf die verschiedenen Auswirkungen von Kinderarmut in Deutschland genauer einzugehen, sodass für den weiteren Verlauf dieser Arbeit eine differenzierte Bestimmung des Begriffs Kinderarmut vorliegt.

2.1 Definition von Armut

Um auf Kinderarmut genauer eingehen zu können, muss zunächst die Frage geklärt werden, was unter dem Begriff der Armut verstanden wird. Zur Messung von Armut wurden bisher in den Sozialberichterstattungen und in der Wissenschaft zwei Konzepte verwendet: das Ressourcenkonzept, welches für die Definition von Armut das regelmäßig verfügbare Einkommen im Haushalt zugrunde legt, weshalb man auch von einer Einkommensarmut spricht. Die Armutsgrenze bezieht sich hier auf das durchschnittliche Einkommen der Einkommensbezieher in einem Land. Das zweite ist das Lebenslagenkonzept: hierbei wird Armut als ein mehrdimensionales Phänomen angesehen, wobei der Mangel an Geld sich auf viele Lebensbereiche auswirkt, sodass die Summe aller Unterversorgungslagen als eine grundsätzlich benachteiligte Lebenslage auftritt. Arm sind Menschen also dann, wenn sie in einem oder mehreren dieser Lebensbereiche (z.B. Arbeit, Wohnen, Freizeit, Ernährung etc.) unterversorgt sind (vgl. Kamensky, Klemm, Heusohn 2000, 12 ff.). Außerdem wird zwischen relativer und absoluter Armut unterschieden. Bei der absoluten Armut fehlt das Notwendigste zum Überleben, also beispielsweise Nahrung oder eine Unterkunft. In Entwicklungsländern tritt diese Form der Armut wesentlich häufiger auf als in Industrienationen. Relative Armut bedeutet, dass Menschen unter dem durchschnittlichen Lebensstandard in dem jeweiligen Land leben. Sie orientiert sich also an den Richtlinien der jeweiligen Gesellschaft. Große Armutsrisiken heutzutage sind der Verlust des Arbeitsplatzes, eine Scheidung oder Trennung vom Partner, sowie die Geburt eines weiteren Kindes. Oft sind alleinerziehende Elternteile von Armut betroffen, wobei die Anzahl der alleinerziehenden Mütter und Väter stark zugenommen hat in den letzten Jahren (vgl. Zander 2008, S.90 ff.).

2.2 Armut und Kindheit

Die jüngste Studie zur Kinderarmut in Deutschland wurde von der Hans-Böckler-Stiftung in Auftrag gegeben: Der WSI-Kinderarmutsbericht legt einen „deutlichen Anstieg“ der Zahl armer Kinder in Deutschland dar: Die Zahl stieg im Vergleich zum Vorjahr um 77.000 Kinder (0,7%) auf 2,55 Millionen Kinder (19,7%). Bundesweit lebt etwa jedes siebte Kind unter 15 Jahren in einem Haushalt, der auf den Bezug von staatlichen Grundsicherungsleistungen angewiesen ist. Der Anteil der Kinder unter drei Jahren auf die dies zutrifft, liegt bei 18,2%. Legt man - wie Unicef - der Definition von relativer Armut einen "Index der Entbehrung" zugrunde, so liegt der Anteil der Kinder, die in Deutschland in einer besonderen Mangelsituation groß werden, bei 8,8%. Diese Zahl ist um ein mehrfaches Höher als z.B. in skandinavischen Ländern, deren wirtschaftliche Entwicklung ungefähr auf dem gleichen Stand liegen (vgl. Seils, Höhne im WSI 2017). Armut im Kindesalter ist innerhalb der deutschen Bevölkerung sehr ungleich verteilt, sie ist signifikant erhöht bei Kindern alleinerziehender und Kindern aus kinderreichen Familien. Einkommensarmut ist ein Teilaspekt sozioökonomischer Benachteiligung, die meist durch andere Benachteiligungen begleitet wird. Es handelt sich dann um eine Kumulation von Belastungen der Lebenssituation und bedenklich ist hierbei, dass nirgendwo sonst der soziale Status der Eltern so eine entscheidende Rolle spielt wie in Deutschland, wenn es um den Schulerfolg der Kinder geht, Armut wird also häufig an die nächste Generation "vererbt" . Wie sich die Armut auf die Kinder und Jugendlichen auswirkt hängt maßgeblich von den Reaktionen der Eltern auf ihre Lebenssituation ab, sowie den familiären Beziehungen und Interaktionen. Insbesondere das elterliche Erziehungsverhalten prägen die Kinder (vgl. Sarimski 2013, 16f).

Kinder und Jugendliche sind die Personengruppen, die am häufigsten von Armut bedroht sind. Der Lebensstandard der Kinder bestimmt sich also häufig über das Einkommen der Eltern: so haben Kinder die in Armutshaushalten aufwachsen, kaum eine Chance dieser Situation mit eigenen Bemühungen zu entfliehen. Dazu kommt, dass Menschen die über wenig Geld verfügen in einem erheblich eingeschränkten Handlungsspielraum wirtschaften müssen. Wenn dabei noch Kinder Teil des Haushaltes sind, können dessen Wünsche nur noch selten erfüllt werden und das Gefühl von Verzicht wird zur Normalität für sie. Die Folgen von chronischer Armut in einem Haushalt mit Kindern können das körperliche und seelische Wohlbefinden beeinflussen, arme Kinder schämen sich häufig für die Armut ihrer Eltern, welches auch einen großen Einfluss auf die sozialen Kontakte dieser Kinder haben kann. Kindern und Jugendlichen denen schon an der Kleidung ihre Armut anzusehen ist, können schnell zu Außenseitern werden. Daraus könnte resultieren, dass sie sich aus vielen sozialen Aktivitäten zurückziehen müssen, sodass es oftmals zu einem Gefühl der sozialen Ausgrenzung kommt. Häufig gehen mit der Armut ein enger Wohnraum und wenige Rückzugsmöglichkeiten für die Heranwachsenden einher. Dazu kann ein schlechtes Klima in der Familie herrschen, welches durch Konflikte und Spannungen aufgrund der finanziellen Notlage aufkommt, was für Kinder sehr belastend sein kann. Kinder aus Armutsfamilien werden häufiger körperlich krank und haben mehr psychische und psychosomatische Störungen. Der Grund dafür ist neben den Lebensbedingungen das Gesundheitsverhalten der Herkunftsfamilie und die gesundheitliche Versorgung (vgl. Kamensky 2000, 20ff.). Frühe Armutserfahrungen und ihre Folgen sind ein zentrales Thema der Forschung zu psychosozialen Risiken. Diese werden diskutiert, denn in Deutschland schränkt Kinderarmut die Chancen zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sowie die Entwicklungs- und Entfaltungschancen der Kinder ein. Ein Leben unter Armutsbedingungen verschlechtert außerdem die Chance auf eine erfolgreiche schulische Bildungskarriere, vermindert Berufs- und Verdienstchancen und erhöhen das Risiko einer "Vererbung" von Armut und sozialer Benachteiligung. Kinderarmut umfasst also nicht nur materielle Dimensionen, sondern auch Einschränkungen in den Bildungschancen, in der Einbindung von sozialen Beziehungsnetzen und im individuellen Wohlbefinden. Engpässe in einer angemessenen Versorgung mit Nahrungsmitteln, Bekleidung und Wohnraum bestehen. Auch Einschränkungen in der Gesundheitsvorsorge, in der Teilhabe an kulturellen Angeboten und bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte kommen häufig vor und oftmals fehlen den Kindern Zukunftsperspektiven. Aus empirischen Studien geht allerdings hervor, dass es vielen Eltern gelingt, auch unter schwierigen materiellen Voraussetzungen, gute Bedingungen für die Entfaltung ihrer Kinder zu schaffen - jedoch gelingt dies nicht allen Familien. Familien die zusätzliche Belastungen wie schlechte Wohnbedingungen, Krankheiten oder Suchtproblemen ausgesetzt sind, tragen ein wesentlich höheres Risiko für eine problematische Entwicklung der Kinder (vgl. Sarimski 2000, 14f.). Andreas Klocke (vgl. Klocke 2001, S. 8f.) hält die Gesundheitsrisiken armer Kinder und Jugendlicher für höher als die von den wohlhabenden Altersgenoss(inn)en und zwar unabhängig davon, welcher Indikator dafür gewählt wird. Folglich beeinflusse die Armutslage das gesundheitliche befinden und die Lebensfreude der Heranwachsenden relativ negativ. Der "Rückzug aus sozialen Kontakten und zunehmende Einsamkeit, wie es als Reaktionsmuster von armen Menschen im Erwachsenenalter bekannt ist, zeigt nach den präsentierten Befunden seine Gültigkeit auch für die Gruppen der Kinder und Jugendlichen in Armutsfamilien" (Klocke 2001, S.9). Von einem Teufelskreis der Armut kann man insofern sprechen, als sich Benachteiligung über Generationen hinweg "vererben", denn "früh im Leben erfahrene Armut beeinflussen das Selbstwertgefühl der hiervon betroffenen Kinder langfristig negativ" (Merten 2003, S.148). Mädchen und Jungen reagieren in ihrer Entwicklung unterschiedlich auf die familiäre Armut. Jungen sind in ihrer frühen Kindheit und Schulzeit verletzlicher als Mädchen. Es kommt bei ihnen zu externalisierte Verhaltensauffälligkeiten wie Aggressionen und einem grundsätzlichen Widerstand. Dieses Verhalten führt dann zu bestimmten Reaktionen, Eltern reagieren beispielsweise mit Strafen und die Gleichaltrigen mit Ablehnung. Zudem kann die familiäre Armut einen negativen Einfluss auf die Schulleistungen haben. Folglich führt dies zu einer Kumulation der Risikofaktoren. Dagegen sind Mädchen erst in ihrer späten Kindheit als Teenager belasteter (vgl. Zander 2008, S. 86f.).

Die psychosozialen Folgen von Armut und die Bewältigungsstrategien der Kinder hängen sehr stark von den Familienverhältnissen (Beziehungsqualität und Belastungsfähigkeit), der Armutsdauer sowie dem Verhältnis der Versorgungslagen zueinander (Einkommen, Arbeit, Bildung, Gesundheit, Wohnen und soziale Netzwerke) ab. Es lassen sich also immer unterschiedliche, auf die Lebenslage und Lebenswelt der Kinder bezogene Armutstypen herausfiltern. Kinder armer Familien sind jedoch nicht automatisch schulisch benachteiligt, unglücklicher, häufiger krank und psychisch labiler als ihre wohlhabenden Altersgenoss(inne)n. Vielmehr können sie diese Benachteiligungen dann kompensieren, wenn ihnen die Eltern das Gefühl von emotionaler Nähe, Schutz und Geborgenheit vermitteln. Hans Weiß (vgl. Weiss 2000, S.69) warnt deshalb vor einer "einseitigen Defizit- und Opferperspektive", die Selbsthilfepotenziale und Problemlösungskompetenzen der Betroffenen ignoriert, sondern beschreibt: "Selbst bei chronisch desolaten Lebensverhältnissen zeigen sich bei Erwachsenen wie Kindern nicht selten ein (Über-)Lebenswille, eine Zähigkeit, sich nicht unterkriegen zu lassen, ferner Eigeninitiative, auch wenn sie sich immer wieder an engen Barrieren festbeißen, in-gemessen an gesellschaftlichen abverlangten Kriterien erfolgreicher Lebensführung- tradierten, wenig effektiven (sub)kulturellen Mustern verfangen und ihnen wegen unzureichender Ressourcen die Kraft zum Durchhalten auszugehen droht" (Weiss 2000, S. 69). Es wird allerdings betont, dass obwohl die familiären Verhältnisse eine maßgebliche Rolle als Schutz vor oder als Verstärker von deprivierten Lebenslagen spielen, sollte den Eltern nicht einfach die Schuld für die Armutsfolgen ihrer Kinder gegeben werden. Merten (vgl. Merten 2003, S. 150) hält es für falsch und irreführend von psychosozialen Folgen von Armut zu sprechen, weil dadurch ein eindeutiger Zusammenhang suggeriert werde, der so nicht bestehe. Armut könne als Begleitumstand des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen zwar deren weitere Entwicklung stark beeinflussen, "aber immer wieder muss auf den Möglichkeitscharakter negativer Auswirkungen bezüglich der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen hingewiesen werden. Denn es sind sowohl personale, als auch soziale Bedingungsfaktoren, die moderierend auf die Risikobedingungen und deren Auswirkungen Einfluss nehmen" (Merten 2003, S.151). Merten macht deutlich, dass davon auszugehen ist, dass eben nicht allein die innerfamiliären Beziehungsgefüge für die Sozialisation von Kindern und Jugendlichen prägend sind, vielmehr auch die Beziehungen in den Peergroups. Diese könnten alternative, kompensatorische Erfahrungen bieten. Allerdings auch armutsbedingte Belastungen, unabhängig von den innerfamiliären Problemen, verstärken. Armut wird von Wustmann ( vgl. Wustmann 2004, S. 36f.) in Form von chronischer Armut und niedrigem sozioökonomischen Status als eigenständiger Risikofaktor eingeführt und als chronischer Risikofaktor eingestuft, der sich indirekt auf die kindliche Entwicklung auswirkt. Ein Überblick auf die "Auswirkungen von Armut und sozioökonomischer Deprivation auf die körperliche, psychische, soziale und intellektuelle Entwicklung" von Kindern liefert eine Expertise, die Walper (vgl. Walper 1999, S.291 ff.) für den zehnten Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung erstellt hat. Im Vordergrund stehen für Walper die mit Armut verbundenen Entwicklungsrisiken sowie kindliche Belastungsrisiken. Im Mittelpunkt ihrer Betrachtung steht dabei die Familie als System, sowie innerfamiliäre Vermittlung von armutsbedingten Belastungen. Kinder erleben diese Belastungen vermittelt durch die Reaktionen, die Anpassungsbemühungen und das Bewältigungsverhalten der Eltern. Wesentliche Rollen spielen dabei die armutsbedingten Auswirkungen für das familiäre Beziehungsgefüge insbesondere bei der Eltern-Kind-Beziehung. Daneben sieht Walper auch andere außerfamiliäre Einflussfaktoren, welche die Reaktion der Kinder auf nachteilige Lage prägen können. In erster Linie Sozialbeziehungen, deren Gleichaltrigen Kontakte, die sich auf das subjektive Erleben der materiellen Benachteiligung auswirken können.

3 Das Konzept der Resilienz

Wie im vorherigen Kapitel beschrieben, kann sich Armut negativ auf Kinder und ihre Zukunft auswirken. Die Förderung von Resilienz kann diesen Kindern Schutz und Möglichkeiten bieten, aus dieser Lebenslage positiv hervorzugehen. Das Konzept der Resilienz wird im Folgenden beschrieben, dazu wird sich zunächst an den Begriff der Resilienz angenähert und versucht zu definieren. Daraufhin werden kurz relevante Studien zur Resilienzforschung aufgezeigt. Danach werden charakteristische Kennzeichen von resilienten Kindern - also Resilienzfaktoren - genannt, sowie die Konzepte der Risiko- und Schutzfaktoren erläutert.

3.1 Resilienz: Definition und begriffliche Annäherung

Der Begriff der Resilienz leitet sich aus dem englischen „resilience“ ab und bedeutet „Spannkraft, Widerstandsfähigkeit und Elastizität“. Damit ist die Fähigkeit eines Individuums gemeint, mit belastenden Lebensumständen und negativen Stressfolgen erfolgreich umzugehen (vgl. Wustmann 2004, S.10 ff.). Resilienz umfasst „nicht nur die Abwesenheit psychischer Störungen, sondern den Erwerb altersangemessener Fähigkeiten (Kompetenzen) vor dem Hintergrund der normalen kindlichen Entwicklung, zum Beispiel die Bewältigung altersrelevanter Entwicklungsaufgaben trotz aversiver Umstände“ (Petermann et. al 2004, S.344). Es geht also darum, dass Kinder mit konkreten belastenden Ereignissen umzugehen wissen. Genauso sollen sie aber auch Entwicklungsaufgaben der verschiedenen Lebensabschnitte angemessen bewältigen können. „Wird eine altersspezifische Entwicklungsaufgabe erfolgreich bewältigt, stabilisiert sich die Persönlichkeit des Kinder und es lernt, Veränderungen und Stresssituationen als Herausforderung zu begreifen. Ist dies nicht der Fall, ist mit einer Stagnation, mit Entwicklungsdefiziten oder gar psychischen Fehlentwicklungen oder somatischen Erkrankungen zu rechnen“ (Wustmann 2004, S.20) beschreibt Wustmann. Resilienz darf man jedoch nicht als angeborene Persönlichkeitseigenschaft ansehen. Stattdessen entwickelt sie sich im Laufe des Lebens und wird deshalb dynamisch betrachtet, also über die gesamte Lebensspanne hinweg. Außerdem resultiert sie aus der Interaktion mit den Bezugspersonen und realen positiven Bewältigungserfahrungen (vgl. Dörner, Fröhlich-Gildhoff, Rönnau-Böse 2019, S.8). Außerdem sei Resilienz eine „variable Größe“, es gäbe keine „absolute Unverwundbarkeit gegenüber negativen Lebensereignissen und psychischen Störungen“ (Wustmann 2004, S.30). Die Resilienzforschung ist Ressourcen- und nicht Defizitorientiert ausgerichtet. Sie geht davon aus, dass der Mensch ein aktiver Bewältiger und Mitgestalter seines Lebens ist und negativen Situationen nicht hilflos ausgeliefert ist. Er habe durch soziale Unterstützung und Hilfestellung die Chance, mit den gegebenen Situationen erfolgreich umzugehen. Es geht allerdings nicht darum, Schwierigkeiten und Probleme zu ignorieren, sondern Kompetenzen und Ressourcen des Menschen zu nutzen, damit er besser mit Risikosituationen umzugehen lernt. Bewältigungsorientierte Kompetenzen sollen so bei Kindern frühzeitig und gezielt unterstützt werden (vgl. Wustmann 2004, 30f.).

Der Begriff der Resilienz bezieht sich zunächst auf die Erfahrung, dass es Kinder gibt, die ungünstige Lebensbedingungen positiv bewältigt haben. Es bezeichnet also eine „psychische Widerstandsfähigkeit gegenüber biologischen, psychologischen und psychosozialen Entwicklungsrisiken“(Wustmann 2004, S.18). Dass sich Kinder trotz negativer Umstände positiv entwickeln lässt sich an den verschiedenen „Entwicklungsaufgaben“ erkennen, die in den unterschiedlichen Kindheitsphasen erfolgreich bewältigt werden, als auch an der Zufriedenheit des Kindes, sein positives Selbstbild und daran, dass es keine emotionalen und sozialen Störungen ausgebildet hat (vgl. Sarimski 2013, S.9). Resilientes Verhalten zeigt sich also dann, wenn der Mensch eine Situation erfolgreich bewältigt hat, die als ein Risiko für die Entwicklung eingestuft werden kann. Es ist ein dynamischer Anpassungs- und Entwicklungsprozess und eben keine stabile Einheit. Von einer andauernden Unverwundbarkeit auszugehen wäre demensprechend falsch (vgl. Wustmann 2004, S. 28 ff). Weitere Faktoren von Resilienz wären die positive bzw. schnelle Erholung von traumatischen Erlebnissen (z.B. Trennung oder Tod von einer Bezugsperson, sexueller Missbrauch etc.). Resilienz kann als Kompetenz angesehen werden, die sich aus verschiedenen Einzelfähigkeiten zusammensetzt, in weiteren Verlauf des Kapitels wird auf diese Faktoren noch eingegangen. Diese Einzelkompetenzen entwickeln sich durch verschiedene Situationen und werden bei Belastungen aktiviert und manifestieren sich. Es geht bei der Resilienz nicht nur um die Erkennung von Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung und die Abwesenheit psychischer Störungen, sondern vor allem um die Aneignung von altersangemessener Fähigkeiten und Entwicklungsaufgaben. Bewältigt ein Kind Aufgaben erfolgreich, so entwickelt es Kompetenzen und Fähigkeiten zum Erlernen vom Umgang mit Stresssituationen. Diese werden dann als nicht bedrohlich eingestuft, sondern als bewältigbare Herausforderungen angesehen(vgl. Wustmann 2004, S. 19ff).

[...]

Fin de l'extrait de 30 pages

Résumé des informations

Titre
Resilienz bezogen auf Kinderarmut in Deutschland. Konzept und Chancen
Université
University of Erfurt
Note
1,7
Auteur
Année
2019
Pages
30
N° de catalogue
V1022051
ISBN (ebook)
9783346417657
ISBN (Livre)
9783346417664
Langue
allemand
Mots clés
resilienz, kinderarmut, deutschland, konzept, chancen
Citation du texte
Anna Schroeder (Auteur), 2019, Resilienz bezogen auf Kinderarmut in Deutschland. Konzept und Chancen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1022051

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