Brecht, Bertolt - Galileo Galilei


Exposé / Rédaction (Scolaire), 2001

2 Pages


Extrait


Zitaterörterung über Bertolt Brechts „Leben des Galilei“

Bertolt Brechts Galilei ist eine widersprüchliche Figur, über die überaus kontrovers in der Geschichte der Literatur diskutiert wurde. Seine offensichtlichen Gegensätze spiegeln sich auch um folgenden Zitat wieder:

„Sein Galilei hat den Mut, die wissenschaftliche Wahrheit zu vertreten, obwohl sie verfolgt wird, er hat die Klugheit, sie zu erkennen, obwohl sie verhüllt wird, er versteht es, sie handhabbar zu machen, er hat das Urteil, die richtigen Empfänger auszuwählen, die sie wirksam machen, er hat die List, sie zu verbreiten.“

Dieser zugegeben sehr kontroverse Satz wirft viele Fragen oder gar Diskussionsansätze auf. War Galilei wirklich mutig? War es klug, in der Sprache des Volkes zu schreiben? War er listig oder doch naiv? Ist in letzter Konsequenz die Aussage des Zitats zu optimistisch und einseitig geschrieben?

Nun, als erster war Galileo Galilei natürlich ein sehr intelligenter Wissenschaftler. Er hat nicht nur das Weltbild des Kopernikus bewiesen, sondern auch zahlreiche Fallgesetze aufgestellt, das Verhalten eines Pendels erforscht und die Discorsi geschrieben. Doch bei Brecht tritt dieser historische Hintergrund seiner Hauptperson in den Hintergrund. Brechts Charakter ist nicht unbedingt gleichzusetzen mit dem historischen Wissenschaftler. Brecht lässt seine Figur, das Fernrohr aus Holland abkupfern um damit Geld zu verdienen. Darüber hinaus erkennt, wie der Autor des Zitats richtig sagt, Galilei die Wahrheit, was zu dieser Zeit eine wirklich große Leistung ist, doch Galilei erkennt nicht, die damaligen herrschenden Bedingungen und die Macht der Kirche. Er redet sich immer wieder ein, dass die gesamte Menschheit seinem Weltbild folgen wird, das sie ähnlich oder gar gleich denkend wie er ist und er glaubt an die Vernunft des einzelnen Individuums, ohne Acht auf die verschiedenen Bedingungen der Menschen und ihren Willen zu nehmen. Dieses Verhalten kann man durchaus naiv nennen. Es tritt auch an anderen Stellen des Schauspiel auf. Galilei weist zum Beispiel Vanni zurück, welcher ihm unmittelbar vor der Auslieferung an die Inquisition eine Fluchtmöglichkeit bietet. Er ist sich auch kurz vor seiner Festnahme sicher, dass er nichts falsches getan hat und dass der Papst jede Handlung gegen ihn zurückweisen würde.

Man sollte also beide Seiten des Charakter des Brechtschen Galilei sehen: Auf der einen Seite seine zweifelsfreie große Intelligenz, aber auf der anderen Seite seine ebenso große Ignoranz gegenüber den herrschenden Konditionen zu seiner Zeit.

Auf die gleiche Art und Weise verhält es sich auch mit seinem gepriesen Mut. Galilei forscht zwar im Geheimen weiter an seinen Weltbild, doch erst als der alte Papst im Sterben liegt, schöpft er neue Hoffnung und scheut die Öffentlichkeit nicht mehr. Ein anschauliches Beispiel für diese Paradox ist sein Verhalten gegenüber der Pest und der Inquisition. Als die Pest in Florenz ausbricht und er damit in akuter Lebensgefahr ist, lässt sich Galilei nicht abschrecken und forscht eifrig weiter. Doch als er einige Jahre später wieder vor der Frage „Leben oder Wissenschaft“ steht, widerruft er seine Lehren im Angesicht der Inquisition.

Folglich kann man Galilei durchaus als mutig bezeichnen, aber auf der anderen Seite ist Brechts Charakter viel zu sehr im inneren Kampf zwischen Genußmensch und Wissenschaftler, um am Ende der Held oder der Märtyrer des Stückes zu sein.

Die Frage nach dem richtigen Empfänger, wie es der Schreiber des Satzes formuliert, ist wiederum nicht ganz so eindeutig zu beantworten. Galilei wählte als Empfänger seiner Bücher und Lehren, die normalen Menschen aus. Er schrieb seine Büchern nicht mehr im üblichen Latein, sondern in der Sprache des Volkes. Er wollte, dass ein jeder verstehe, was er erforscht hat und wollte das gesamte Weltbild der Menschen ändern. Sein Ansinnen war ohne Frage sehr ehrenvoll. Doch die Problematik dieses Verhalten spiegelt sich eindeutig im Gespräch zwischen ihm und dem kleinen Mönch wieder (Bild 8). Die Kirche konnte nicht tatenlos zusehen wie Galilei ihre Gläubigen verunsichert und gegen sich aufbringt. Laut der geistlichen Institution brauchten die Zeitgenossen Galileis das alte Weltbild um ihr Leben auf Erden als Gott gewollt und als von Gott beobachtet anzusehen. Die Bibel und das in ihr beschriebene Bild der Erde war für sie lebensnotwendig, um Trost und Kraft zu finden. Galilei nahm darauf keine Rücksicht, sondern glaubte alleine an die Vernunft des Menschen. Klar war jedoch, dass die Kirche diesen Angriff auf ihre Machtposition nicht ungestraft lassen konnte. Die Schriften Galileis wurden am Ende als falsch und ketzerisch dargestellt, sogar von Galilei selbst. Dadurch wurde den Gläubigen vielleicht noch mehr an die Kirche gebunden als sie es vorher schon waren.

Letztlich muß man feststellen, dass Galilei Gedanke - nämlich das Wissen allen zugänglich zu machen und so die Welt zu verbessern - richtig war, aber dass er dann, auf seinem Standpunkt beharren hätte müssen, um seiner Lehre Glaubwürdigkeit zu verleihen und um den Menschen ein Zeichen zu setzen und sie nicht nur mehr zu verunsichern.

Eindeutig ist jetzt die widersprüchliche Figur des Galileo Galilei zu erkennen. Bertolt Brecht beschrieb einen Charakter der in seinen Kontroversen kaum zu überbieten ist. Das vorliegende Zitat behandelt aus meiner Sicht nur einen Teil des vielfältigen Charakters ab und deshalb in letzter Konsequenz zu einseitig geschrieben. Doch wir sollten uns weniger mit den einzelnen, so verschiedenen Eigenschaften des Galileis beschäftigen, sondern ihn als gesamtes Kunstwerk Bertolt Brechts sehen und uns fragen, warum Bertolt Brecht Galilei so kontrovers gestaltet hat und was er damit übermitteln will.

Marco Eipper (880 Wörter)

Fin de l'extrait de 2 pages

Résumé des informations

Titre
Brecht, Bertolt - Galileo Galilei
Auteur
Année
2001
Pages
2
N° de catalogue
V102492
ISBN (ebook)
9783640008742
Taille d'un fichier
326 KB
Langue
allemand
Mots clés
Brecht, Bertolt, Galileo, Galilei
Citation du texte
Marco Eipper (Auteur), 2001, Brecht, Bertolt - Galileo Galilei, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102492

Commentaires

  • invité le 5/3/2003

    brecht.

    super , genau das brauchte ich grad !

  • invité le 17/12/2002

    Merci.

    hi Marco,
    Dein Referat ist richtig gut. Du hast mir richtig weitergeholfen.

    MERCI

  • invité le 5/12/2001

    Danke dir.

    hallo Marco :)

    Morgen schreibe ich Deutsch LK Klausur, dein Referat hat mir wirklich geholfen :)

    Vielen Dank und liebe Grüße

    von Nadine

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Titre: Brecht, Bertolt - Galileo Galilei



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