Chancen und Grenzen der Korrelationsdidaktik


Hausarbeit, 2020

14 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Korrelation als systematisch-theologisches Prinzip
2.1 Frage und Antwort Korrelation nach Paul Tillich
2.2 Korrelation nach Schillebeeckx
2.2.1 vom Begriff der Korrelation zum Begriff der kritischen Interrelation

3. Korrelation als didaktisches Prinzip
3.1 Korrelationsdidaktik kritisch hinterfragt
3.2 Lösungsversuche
3.2.1 abduktive Korrelation

4. Schlussfolgerung

5. Literaturverzeichnis

l.Einleitung

Der Stand des christlichen Glaubens hat sich in den Jahrhunderten stark verändert. In unserer heutigen Gesellschaft muss sich der Glaube immer mehr beweisen. Religionsunterricht wird als unnötig erachtet, die Lehrer*innen haben immer mehr Probleme den Glauben in Kontakt mit der Lebenswelt der Schüler*innen zu setzen. Dieses Problem existiert nicht erst seit der Jahrtausendwende. Auch schon in den 60ern brachte die erstarkende Säkularisierung Probleme für den Religionsunterricht. Wie sollte man mit Schüler*innen umgehen, die keine christliche Sozialisierung besaßen und eher agnostisch oder atheistisch in ihrer Denkweise waren? Die Korrelationsdidaktik schien die Erlösung für den katholischen Religionsunterricht. Ihren Durchbruch erlangte sie in den 60er bis 70er Jahren und wurde ab dann zum didaktischen Leitprinzip im Religionsunterricht. Sie versuchte eine Wechselbeziehung zwischen der Schülerwelt und der christlichen Tradition herzustellen. Später wurde sie jedoch von der Elementarisierung abgelöst, nachdem einige Probleme die Praxisumsetzung der Korrelationsdidaktik erschwerten. Trotzdem hielt sich das Prinzip als eines der Leitprinzipien im Religionsunterricht. Auch noch heute nutzen viele Religionslehrer*innen die Korrelationsdidaktik. In dieser Hausarbeit sollen die Chancen und Grenzen der Korrelationsdidaktik aufgezeigt werden.

Dafür werden zunächst das der Korrelationsdidaktik zugrundeliegende systematisch­theologische Prinzip der „Korrelation“ erläutert. Beginnend mit Paul Tillich, einem evangelischen Theologen, der Korrelation auch als „Frage-Antwort Geschehen“ deutete, weiterführend mit Edward Schillebeeckx, einem katholischen Theologen, der Korrelation eher als gegenseitiges Durchdringen definiert. Anschließend wird das Prinzip der Korrelationsdidaktik erläutert, wobei nicht auf die Entwicklung eingegangen wird, die dieser Begriff durchlief, sondern nur eine grobe Erläuterung stattfindet. Im Hauptteil der Hausarbeit werden die Probleme erläutert, die während der Umsetzung der Korrelationsdidaktik auftauchen. Im Anschluss wird auf die abduktive Korrelation eingegangen, ein Prinzip, dass das Hauptproblem der klassischen Korrelationsdidaktik versucht zu lösen. Abschließend wird die Frage beantwortet, welche Chancen Korrelationsdidaktik schaffen kann und welche Grenzen ihr gesetzt sind.

2 .Korrelation als systematisch-theologisches Prinzip

Korrelation war zunächst ein systematisch theologisches Prinzip, welches die Selbstoffenbarung Gottes zu den Menschen erklären sollte. Paul Tillich und Edward Schillebeeckx waren die Theologen, die diesen Begriff maßgeblich prägten. Sie setzten sich mit den „Bedingungen und Wege(n) einer göttlichen Offenbarung“1 auseinander. Während Tillich Korrelation als „Frage-Antwort Relation zwischen Menschen und Gott“2 sieht, sieht Schillebeeckx diese eher als „reziproke Begegnung“3. Später geht er sogar dazu über, von dem Begriff der Korrelation Abstand zu nehmen und den Begriff der kritischen Interrelation vorzuziehen. Diese unterschiedliche Definition führt auch zu einem anderen Verständnis von Korrelation. Im Folgenden wird zunächst das Korrelationsverständnis, besonders die Frage-Antwort Korrelation, von Paul Tillich erläutert, anschließend die Korrelation nach Schillebeeckx und damit auch verbunden die kritische Interrelation.

2.1 Frage und Antwort Korrelation nach Paul Tillich

Tillich unterscheidet zwischen mehreren Korrelationen4, wobei manche von ontologischer Natur sind, andere von erkenntnistheoretischer Natur. Die Art der Korrelation, die für die spätere Korrelationsdidaktik prägend ist, ist die Frage und Antwort Korrelation. Zunächst wird jedoch erst Tillichs Verständnis von Offenbarung erläutert.

Für Tillich bedeutet Offenbarung eine „besondere und außergewöhnliche Manifestation, die den Schleier von etwas entfernt, was in einer besonderen und außergewöhnlichen Weise verborgen ist.“5 Diese Art der Offenbarung kann jedoch nur eine religiöse sein, also eine Gottesoffenbarung, wenn derjenige, der diese Erfahrung miterlebt auch an dieser Offenbarung teilnimmt. Es reicht nicht, dass er dieser Offenbarung beiwohnt, oder dass ihm von einer Offenbarung berichtet wird. Er muss auch in seinem tiefsten innere von diesem Ereignis betroffen sein.6 Tillich benennt diese beiden Komponenten einer Offenbarung „subjektives Geschehen“7, nämlich das Betroffensein der Person durch das Ereignis, und „objektives Geschehen“8, also das eigentliche Ereignis, welches die Person ergreift. Das subjektive Geschehen erfolgt in der Form von Ekstase, das objektive Geschehen in Form eines Wunders.9 Dabei ist Ekstase der Bewusstseinszustand, indem die Vernunft „jenseits ihrer selbst ist“10, wir also in einem Zustand sind, indem uns etwas über die Beziehung zwischen uns und Gott offenbart wird11 In diesem Zustand der Ekstase erkennen wir Gott ins uns, erkennen aber gleichzeitig dass nichts sein muss. Diese Erkenntnis nennt Tillich den „ontologischen Schock“12 Wir werden in diesem Zustand mit der existenziellen Frage „warum ist etwas, obwohl auch nichts sein kann“ konfrontiert und erkennen uns selbst als diese Frage. Mit dem Begriff Wunder bezieht er sich auf „zeichengebende Ereignisse“13, die das Potenzial der Offenbarung besitzen. Es passiert etwas, dass Gott offenbart, wenn man selbst durch dieses Ereignis ergriffen wird. Gott kann sich dabei durch alles offenbaren, zum Beispiel durch die Natur, Personen oder Worte.14

Tillich unterscheidet zwischen originaler Offenbarung, welche sich dadurch auszeichnet, dass Wunder und Ekstase zum ersten Mal in dieser bestimmten Konstellation aufeinandertreffen und abhängiger Offenbarung.15 Abhängige Offenbarung baut auf dieser originalen Offenbarung auf. Unsere heutigen Erfahrungen mit Jesus Christus sind abhängige Offenbarungen, da Sie auf den originalen Offenbarungen der Aposteln mit dem Menschen Jesus Christus aufbauen.16

Dieses Verständnis von Offenbarung ist eng verwoben mit Tillichs Frage und Antwort Korrelation. Damit ein Mensch eine christliche Offenbarungssituation erleben kann, muss er von der originalen Offenbarung gehört haben, denn sonst kann er seine eigene Offenbarungserfahrung nicht aus dieser beziehen. Des Weiteren müssen beide der oben genannten Komponenten, subjektives und objektives Geschehen, greifen. Erst dann kann ein Mensch Gott als den dreieinigen Gott erfahren. Wir erfahren von den originalen Offenbarungen durch die Bibel. Sie besteht aus gesammelten Berichten von Menschen, die Zeuge göttlicher Selbstoffenbarung wurden. Diese Berichte zu lesen, sich mit Ihnen zu beschäftigen, kann selbst auch als zeichengebendes Ereignis gesehen werden. Die Bibel zu lesen birgt das Potenzial einer abhängigen Offenbarungserfahrung. Jedoch fehlt hier das subjektive Geschehen, da die Berichte oft in Spannung stehen zu der Zeit, in der das Individuum sich befindet. Hier setzt die Frage-Antwort Korrelation von Tillich an. Tillich will „die Fragen, die in der Menschlichen Situation impliziert sind, mit den Antworten, die in der christlichen Botschaft impliziert sind, in Korrelation setzen“17. Das bedeutet aber nicht, dass die existenziellen Fragen unter die christliche Botschaft gestellt werden, da diese ja die Antworten auf die Fragen geben. Vielmehr sind beide Seiten abhängig voneinander. „Gott antwortet auf die Fragen des Menschen, und unter dem Eindruck von Gottes Antworten stellt der Mensch seine Fragen.18 “ Beide Seiten beziehen sich aufeinander und ergeben auch nur dann einen Sinn, wenn sie mit der anderen Seite in Korrelation treten. So können am Ende abhängige Offenbarungserfahrungen entstehen.

2.2 Korrelation nach Schillebeeckx

Schillebeeckx definiert Offenbarungserfahrungen als eine Erfahrung, die die alltägliche Routine durchbricht und uns selbst erkennen lässt.19 Dabei ist die „Erfahrung die Frucht der Offenbarung“20. Gottes Selbstoffenbarung findet also durch menschliche Erfahrungen statt und nicht umgekehrt.21 Jede diese Offenbarungserfahrung wird jedoch vom Individuum interpretiert, und zwar in seinem eigenen Interpretationsrahmen. Dieser besteht aus dem schon vorhandenen Wissen des Individuums, sowie aus seinen schon gemachten Erfahrungen, die ebenfalls wieder einen eigenen Interpretationsrahmen besitzen.22 Der derzeitige Interpretationsrahmen des Individuums steht immer in kritischer Wechselwirkung mit der jeweiligen Einzelerfahrung. Dadurch hat dieser die Möglichkeit sich zu verändern.23 Um diese Offenbarungserfahrung im christlichen Sinn zu deuten ist es also notwendig, dass sich bereits Wissen über den Glauben und die kirchlichen Traditionen im Interpretationsrahmen befindet. Jedoch reicht dieses Wissen allein auch nicht aus, denn ohne christliche Glaubenserfahrung bleibt dieses Wissen nur Wissen.24 Daher ist eine „gegenseitige(n) kritische(n) Korrelation beider Quellen“25 notwendig, um den Glauben zu erfahren.26 Korrelation meint dabei das gegenseitige Durchdringen der beiden Quellen.27

Damit beide Quellen in gegenseitige kritische Korrelation treten können, ist jedoch erstmal zu klären, ob die persönliche Offenbarungserfahrung überhaupt die Autorität besitzt, um auf die gleiche Stufe mit den in Schrift und Tradition tradierten christlichen Glaubenserfahrungen gestellt werden zu können. Für Schillebeeckx haben christliche Glaubenserfahrungen nur dann Autorität, wenn diese in „wechselseitigen theoretisch­kritischen und praktik-kritischen Korrelation“28 zu unseren eigenen Erfahrungen stehen. Neue Erfahrungen erlangen durch Reflektion Autorität, denn Erfahrungen werden generell immer durch mehrere Faktoren beeinflusst.29 Erfahrungen werden immer in Sprache ausgedrückt und diese ist durch unsere Umgebung, sowie durch die Zeit in der wir leben, geprägt.30 Des Weiteren muss auch die Gesellschaft die uns prägt, sowie die menschliche Natur mit ihrem Hang zur Vereinfachung berücksichtigt werden.31 All dies befindet sich im Interpretationsrahmen, den wir unbewusst besitzen und nutzen, um Erfahrungen zu interpretieren und zu versprachlichen. Autorität erhalten diese Erfahrungen nun, indem wir eben genau diesen Einfluss reflektieren und analysieren. Dasselbe soll auch mit den christlichen Glaubenserfahrungen geschehen, da diese ja auch einst neue Glaubenserfahrungen waren, die tradiert worden sind. Dabei wird jedoch nicht das Wort Gottes kritisiert, sondern eben die Einflüsse reflektiert und analysiert, denen der Mensch, der diese Worte aufgeschrieben hat, ausgesetzt war. Somit besitzen beide Erfahrungen die Autorität, die eine Korrelation zwischen Ihnen möglich macht. Findet diese Korrelation statt, kann der Glaube neu gelebt und erfahren werden, auch in unserer heutigen säkularisierten Gesellschaft. Das Prinzip der Korrelation bietet eine Möglichkeit, neue Erfahrungen wertzuschätzen und dabei trotzdem an Tradition festzuhalten.

2.2.1 vom Begriff der Korrelation zum Begriff der kritischen Interrelation

Die kritische Interrelation geht noch einen Schritt weiter. Sie legt den Fokus auf die jeweilige Situation, in der die Glaubenserfahrung gemacht wurde, verlangt also eine „kritische Korrelation verschiedener Kontexte“32 um den Glauben „reformulieren zu können“33. Denn auch unsere Tradition beruht auf tradierten subjektiven Glaubenserfahrungen, genauso wie sie auf Gottes Selbstoffenbarung basiert.34 Die subjektiven Glaubenserfahrung gehen nicht ineinander über, sie sind nicht aufeinander abgestimmt. Auch die Personen, die diese erfasst haben, erlebten Strukturveränderungen in der Gesellschaft, die sie ihre Glaubenserfahrungen anders interpretieren ließen. Glaubenserfahrungen erhalten „in neuen Situationen veränderte Einbettung“35 und werden somit auch anders interpretiert. Daher sollten die subjektiven Glaubenserfahrungen, die, zusammen mit der göttlichen Selbstoffenbarung, zur Tradition geworden sind, genauso kritisch betrachtet werden, wie die heutigen subjektiven Glaubenserfahrungen. Schillebeeckx plädiert für einen offeneren Umgang mit diesen.36

[...]


1 B.PORZELT, Strukturbegriffe der Religionspädagogik, s.75.

2 Ebd.

3 Ebd.

4 Vgl. J. Powell Clayton, was heißt Korrelation bei Paul Tillich?, s.184.

5 Ebd., s.131.

6 Vgl. ebd., s.134.

7 Ebd., s. 134f.

8 Ebd.

9 Vgl. ebd., s.135.

10 Ebd.

11 Vgl. ebd., s.135 ff.

12 Ebd., s.137.

13 Ebd., s.139.

14 Vgl. ebd., s.147 ff.

15 Vgl. ebd., s.151.

16 Vgl., ebd., s.152.

17 J.Powell Clayton, was bedeutet Korrelation bei Tillich?, s.185.

18 P.Tillich, systematische Theologie I/II, s.75.

19 Vgl. E.Schillebeeckx, Offenbarung, Glaube, Erfahrung, s.84.

20 Ebd.

21 Vgl. ebd., s.85.

22 Vgl. ebd., s.86.

23 Vgl. ebd.

24 Vgl. ebd.

25 Ebd.

26 Vgl. Ebd.

27 Vgl. G.Lange, Zwischenbilanz zum Korrelationsprinzip, s.151.

28 Ebd., s.89.

29 Vgl. ebd.

30 Vgl. ebd.

31 Vgl. ebd.

32 H.Ziebertz, Tradition und Erfahrung, s.757.

33 Ebd.

34 Vgl. ebd.

35 Ebd., s.758.

36 Vgl. ebd, s.760.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Chancen und Grenzen der Korrelationsdidaktik
Veranstaltung
Religionsdidaktik
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
14
Katalognummer
V1027465
ISBN (eBook)
9783346431899
ISBN (Buch)
9783346431905
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Hausarbeit zeigt die Chancen und Grenzen von Korrelation im Religionsunterricht auf und bezieht sich dabei auf die Korrelation nach Paul Tillich und Schillebeeckx, sowie die abduktive Korrelation.
Schlagworte
Korrelation, Religionsdidaktik, Lehramt, abduktive Korrelation, Paul Tillich, Schillebeeckx
Arbeit zitieren
Talina Meyer (Autor:in), 2020, Chancen und Grenzen der Korrelationsdidaktik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1027465

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