Brecht, Bertolt - Die Liebenden - Gedichtsanalyse


Exposé / Rédaction (Scolaire), 1998

4 Pages, Note: 1


Extrait


FREIHEIT GERECHTIGKEIT DEMOKRATIE.

Was ist das eigentlich, FREIHEIT? Ist FREIHEIT die FREIHEIT zu reden, mit wem man will? Ist FREIHEIT die FREIHEIT zu tun, was man begehrt? Ist FREIHEIT die FREIHEIT zu haben, was man braucht? Oder ist FREIHEIT die FREIHEIT zu geh'n, wohin man will?

Was ist das? FREIHEIT!!!

Freiheit: dieser Begriff wurde in der Geschichte schon oft unterschiedlich definiert. Im Kapi- talismus war er zum Beispiel sehr eingeengt beziehungsweise eingeschränkt, wogegen sich unter anderen Karl Marx wandte, der den Kommunismus und Marxismus großmachte. ein sehr bedeutender sozialistischer Dramatiker und Lyriker des zwanzigsten Jahrhunderts, näm- lich Bertolt Brecht (auch Eugen Bertolt Friedrich Brecht, am 10.02.1898 in Augsburg gebo- ren, am 14.08.1956 in Berlin verstorben) studierte diesen Marxismus 1928/29 mit 30/31 Jah- ren. Er war ein Vertreter der engagierten Dichtung als Sprachrohr kommunistischer Gesell- schaftskritik und Meinungsschulung und zugleich Parodist und Satiriker bestehender Gesell- schafts- und Dichtungsformen. In dieser Zeit, um 1928/29 schrieb er auch die Oper "Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny", die am 09:03.1930 im Leipziger Opernhaus uraufgeführt wurde(die Musik dazu schrieb Kurt Weil) Brecht schrieb die Oper mit einer beinhaltenden Kritik gegen dem Kapitalismus, dessen Wirtschaftsgefüge hier zum Modell der Stadt Maha- gonny vereinfacht wird: Für Geld ist einfach alles in der Stadt erlaubt und als Desperados des Fressens und Gefressenwerdens fallen die Menschen übereinander her. Die Halbweltdame Begbick gründet hier das Vergnügungszentrum Mahagonny. Die elementaren Bedürfnisse - Lieben, Fressen, Saufen und Kämpfen- entwickeln sich nun zu getrennten Industriezweigen.

Der junge Alaskaner Paul durchlebt all diese materialistischen Erlösungspraktiken, die Ma- hagonny geschaffen hat. Auch die Liebe zu dem Mädchen Jenny zerbricht, als ihm das Geld ausgeht und er so sein Recht zum Leben verwirkt hat. Diese Liebe zwischen Jenny und Paul drückt Brecht mit den stimmungsdichten Versen von "Kranich und Wolke" aus, auf die ich noch etwas näher eingehen möchte, da sie einen sehr wichtigen Bestandteil der Oper ausma- chen. Das Gedicht von "Kranich und Wolke", auch "Die Liebenden" genannt hat dreiund- zwanzig Verse und ist eine zusammenhängende Strophe, ist aber eigentlich ein Lied, das von Paul und Jenny abwechselnd gesungen wird Die ersten und die letzten sechs Verse könnte man als einen etwas grobumschreibenderen Refrain und den siebenten bis siebzehnten Vers als die inhaltlich tiefergreifende Strophe sehen, denn in den ersten sechs Versen sind mehrere (drei) Sätze, von Vers Sieben bis Siebzehn ist ein Satz gezogen und in den letzten sechs Versen sind wieder mehrere (zehn) Sätze vorhanden.

DIE LIEBENDEN

Sieh jene Kraniche in großem Bogen!

Die Wolken, welche ihnen beigegeben

Zogen mit ihnen schon, als sie entflogen

Aus einem Leben in ein andres Leben.

05 In gleicher Höhe und mit gleicher Eile

Scheinen sie alle beide nur daneben.

Dass so der Kranich mit der Wolke teile

Den schönen Himmel, den sie kurz befliegen

Dass also keines länger hier verweile

10 Und keines andres sehe als das Wiegen

Des andern in dem Wind, den beide spüren

Die jetzt im Fluge beieinander liegen

So mag der Wind sie in das Nichts entführen

Wenn sie nur nicht vergehen und sich bleiben

15 So lange kann sie beide nichts berühren

So lange kann man sie von jedem Ort vertreiben

Wo Regen drohen oder Schüsse schallen.

So unter Sonn und Monds wenig verschiedenen Scheiben

Fliegen sie hin, einander ganz verfallen.

20 Wohin ihr? - Nirgend hin. - Von wem davon? - Von allen.

Ihr fragt, wie lange sie schon beisammen sind?

Seit kurzem. - Und wann werden sie sich trennen? - Bald.

So scheint die Liebe Liebenden ein Halt.

Als weiteres Merkmal für eine Liedform wäre das ständig auftretende Versmaßdes Jambus', was einen bestimmten Rhythmus eindeutig kennzeichnet, wie es beim Lied der Fall sein sollte. Brecht nutzt sogar Apokopen, um diesen Rhythmus einzuhalten(Vers 4/10 - andres statt anderes, Vers 11 - andern statt anderen).

Ohne die gesamte Oper zu kennen, ist der Inhalt dieses Gedichtes sicher etwas unzugänglicher. Diesbezüglich dachte ich anfangs, es handelt sich im Gedicht um die Freiheit fliegender Kraniche, die durch Wolken behindert wird, und dass dann zwei Kraniche zusammenhalten. Ich war der Meinung, die Liebe würde ihren Zusammenhalt stärken. Sie sind zwar noch nicht lange zusammen und werden es auch nicht lange bleiben, aber die Liebe ist für sie, wie eine Ewigkeit und so halten sie sich daran fest.

Doch kennt man die Hintergründe eines Gedichtes, versteht man dessen Inhalt logischerweise auch besser. Hier sind diese Hintergrundkenntnisse eben die Kenntnisse über die Oper "Auf- stieg und Fall der Stadt Mahagonny". So versteht man dann auch, dass "jene Kraniche in gro- ßem Bogen" (Vers 1) die Männer sind, die in einem Bordell Schlange stehen und die ihnen beigegebenen Wolken (Vers 2) die Frauen sind, die man für Geld haben kann, und die dann mit in ein andres Leben (Vers 4) , in ein Leben voller Begierde nach Befriedigung schweben. Genauso läuft es bei Paul und Jenny ab, in gleicher Eile und in gleicher Höhe (Vers 5) , doch scheint es irgendwie anders zu sein, sie scheinen beide nur daneben (Vers 6). In den nächsten elf Versen wird nun ausführlich, wenn auch wieder bildlich beschrieben, wie beide ineinan- der verschmelzen, die Gefühle, die Liebe (der Himmel) teilen(Vers7/8), wie sie unzertrenn- lich voreinander herschweben, Ohne zu wissen, wie die Zukunft aussieht (Vers 13-So mag der Wind sie in das Nichts entführen).Unter Sonne und Mond, deren Antlitz' sich so ähneln, fliegen (lieben) sie hin, einander ganz verfallen (Vers 18/19), ohne zu wissen, wo es sie hin- führt. - Einfach von allen davon (Vers 20). Und auch, wenn dies alles nur kurz ist, wenn sie auch nicht lange zusammenbleiben werden, trotzdem ist die Ewigkeit der Liebe für sie ein Halt zum festhalten.

Vers 18/20/22/23 werden scheinbar in diesem Gedicht hervorgehoben, da Vers 18/20 und 22 mehr und Vers 23 weniger als elf Silben beinhalten und vom Reim her gesehen, werden die letzten beiden Verse nochmals hervorgehoben, weil sie als einzelner Paarreim unverknüpft dastehen, im Gegensatz zu den anderen. Insgesamt lautet die Reimfolge nämlich: a b a b c b c d c d e d e f e f g f g g g' h h. Der erste Reim ist hierbei der Kreuzreim -abab-, danach folgen die fünf Terzinenreime -babcb-,-cbcdc-, -dcded-, -edefe-, -fefgf- und der Haufenreim -ggg'- mit einer Assonanz von g zu g'. Alle bisherigen Reime waren miteinander verzwickt, aber zum Schluss kommt nun völlig alleinstehend der Paarreim -hh-. Im Großen und Ganzen kann man dies einen Terzinenstil nennen, dem größtenteils der Hakenstil folgt, denn nur im 1. und 20.-23. Vers kommt der Zeilenstil vor. Auffällig an diesem Gedicht ist auch, dass zum Vers- anfang oft der Buchstabe -S- und auch -D- erscheint, vor allem aber auch das Wort „So“, was die anderen Verse, so sehe ich das, ein wenig zurückdrängt. Andererseits versucht Brecht die Verse etwas gleichgewichtig zu halten, indem er jeden Vers mit Grogschreibung beginnt. Wiederum werden Vers 1/20/22 und 23 hervorgehoben, da sie insgesamt neun Parataxen beinhalten, wobei im Vers 20 und 22 sechs Ellipsen vorkommen und der 1. Vers als eine Aufforderung und der letzte Vers als eine Vermutung bis zur Behauptung vernehmbar eine Art Rahmen des Gedichtes bilden, weil sie je eine Parataxe in sich bürgen. Die Aufforderung des ersten Verses, die Kraniche in großem Bogen zu sehen und die Vermutung oder Behaup- tung im letzten Vers, dass die Liebe Liebenden ein Halt ist, verbindet so den Anfang ir- gendwie mit dem Ende, sodass man die Kraniche für die Liebenden halten kann, die nach Liebe suchen, weil sie sich als die Liebenden daran festhalten, aus den im Gedicht genannten Gründen.

All dies schreibt oder beschreibt Brecht in der Hochsprache und nutzt dazu noch Inversionen, wie zum Beispiel in Vers 7, wo er "dass so der Kranich mit der Wolke teile" statt "Dass der Kranich so mit der Wolke teilt" oder auch in Vers 13, wo er statt "Mag sie der Wind so in das Nichts entführen" "So mag der Wind sie in das Nichts entführen" schreibt. Dem Ganzen verleiht er meiner Meinung nach aber auch einen euphorischen Charakter.

Räumlich gesehen stellt Brecht in diesem Gedicht den Himmel mit Kranichen und Wolken dar, der eine Metapher für die Liebe mit den Männern und Frauen zu sein scheint. Zeitlich legt sich Brecht nicht so genau fest. Sie sind erst seit kurzem zusammen und werden sich bald wieder trennen. So stellt er die Zeit in diesem Gedicht dar. Alle Geschehnisse, die das Ge- dicht beschreibt geschehen so lange Wolke und Kranich zusammen sind. Und dieses "So lan- ge" wird durch eine Anapher (Vers 15/16) in seiner Aussage und deren Bedeutung intensi- viert. Weiterhin werden viele Metaphern verwendet, wie zum Beispiel der entführende Wind, das Entfliehen aus einem Leben, das Teilen mit einer Wolke und so weiter, die alle zusam- men ein zusammenhängendes Bild darstellen. Deshalb bin ich der Meinung, dass das Gedicht die Bedeutung, wie ja auch die Merkmale einer Allegorie trägt - es geht vom Allgemeinen zum Konkreten.

In zusammenfassender Weise würde ich sagen, dass das Gedicht aufgrund des ersten Verses einen mich ansprechenden, mit Hilfe der wortgewandten Um- und Beschreibungen einen mich treffenden, wegen dem letzten Vers einen belehrenden beziehungsweise einen aussagenden und durch die vielen Bildbereiche einen mich interessierenden Eindruck auf mich

Im nicht alt so weiten Sinne beinhaltet und äußert das Gedicht, vor allem aber im Zusam- menhang mit der dazugehörigen Oper genau die Kritik, die Brecht gegenüber dem Kapitalis- mus auszuüben hatte, nämlich dass man zwar alles haben kann, was man will, aber nur so lange man Geld besitzt, nach dem Motto: "Geld regiert die Welt!" Denn auch die Poer endet so, dass ein farcenhafter Gerichtshof Paul auf den elektrischen Stuhl bringt und das Leben in einem Chaos von Schlagworten, Demonstrationen und Gegendemonstrationen erstickt. Doch trotzdem sollte man vorsichtig sein, denn ich glaube nicht, dass man die Freiheit aller Men- schen, gleich zu sein so leicht erzwingen kann, sodass es für immer gut geht, indem man die freie Marktwirtschaft einfach zurückdrängt, wenn nötig , sogar mit Gewalt, wie es der Kom- munismus eigentlich vorsieht. Ein schönes Beispiel hierzu wäre die ehemalige Deutsche De- mokratische Republik (DDR), die bewiesen hat, dass das Wirtschaftssystem des Sozialismus Kommunismus nicht so gut und lupenrein war und auch noch nicht ist. Natürlich hat auch der Kapitalismus seine Nachteile, doch so, wie bei Paul aus Alaska in der Oper muss ein Leben nicht aussehen und ausgehen. Man muss eben noch Bemühungen daran setzen, eine vernünf- tigere Wirtschaft und Politik aufzubauen, in der alle die gleich(berechtigt)en Chancen im Le- ben, wie auf dem Arbeitsmarkt haben, aber mit einer freien Marktwirtschaft und ohne Ge- walt.

Brecht kritisiert den Kapitalismus mit diesem Gedicht und mit der Oper zwar vo4$ unumstritten, aber trotzdem kann und sollte man auch den durch ihn vertretenen Kommunismus oder Marxismus kritisieren können und kritisieren, denn "Nothing is perfect!" und FREIHEIT ist für mich die FREIHEIT zu sagen, was man denkt und was man meint.

1817 Wörter

Fin de l'extrait de 4 pages

Résumé des informations

Titre
Brecht, Bertolt - Die Liebenden - Gedichtsanalyse
Cours
Deutsch - Basiskurs
Note
1
Auteur
Année
1998
Pages
4
N° de catalogue
V102754
ISBN (ebook)
9783640011346
Taille d'un fichier
345 KB
Langue
allemand
Annotations
Ausführliche Gedichtsanalyse des Gedichtes "Die Liebenden" von Bertolt Brecht unter Einbeziehung der Lebensumstände von Brecht und der Zugehörigkeit des Gedichtes zu einer Oper.
Mots clés
Brecht, Bertolt, Liebenden, Gedichtsanalyse, Deutsch, Basiskurs
Citation du texte
Thomas Schrowe (Auteur), 1998, Brecht, Bertolt - Die Liebenden - Gedichtsanalyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102754

Commentaires

  • invité le 7/3/2007

    !!.

    nicht gut: umgangssprachlich und unpräzise formuliert

  • invité le 15/5/2002

    !.

    danke fuer dieses gute beispiel einer gedichtsanalyse!

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Titre: Brecht, Bertolt - Die Liebenden - Gedichtsanalyse



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