Visionen der Medienzukunft - Konzepte elektronischer Demokratie


Dossier / Travail, 2000

24 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Medientechnik und Demokratie

3. Das Medium Internet und politische Information

4. Demokratietheoretischer Hintergrund
4.1 Direkte Demokratie
4.2 Repräsentative Demokratie

5. Konzepte elektronischer Demokratie
5.1 Hintergrund
5.2. Teledemocracay
5.3 Cyberdemocracy
5.4 Electronic Democratization

6. Die amerikanischen Konzepte elektronischer Demokratie im deutschen Kontext

7. Chancen und Aussichten der elektronischen Demokratie
7.1 Überblick über die wissenschaftliche Diskussion
7.2 Zukunftsperspektiven des Internets

8. Fazit

9. Literaturliste

1. Einleitung

Jede Innovation im Bereich der Massenmedien wurde bisher als ein großer Durchbruch in der politischen Information und der politischen Beteiligung deklariert. Diese Erwartungen konnten jedoch bisher nicht erfüllt werden. Zwar führen die neueren Medien wie Radio und Fernsehen theoretisch zu einer größeren Informationsmöglichkeit der Bürger, ein umfassender Wandel im Politikinteresse der Bürger und eine aktivere Beteiligung ist bisher noch nicht eingetreten - das gern benutzte Schlagwort der Politikverdrossenheit legt sogar eher das Gegenteil nahe.

In der Phase, in der sich das neue Medium Internet auf der ganzen Welt durchsetzt, gibt es dennoch auch jetzt, in einem noch stärkerem Umfang als bei anderen Medien vorher, ein Unzahl an Visionen und Spekulationen über eine neue Art des Politikvermittlung und Partizipation, die dieses Medium ermöglichen werde. Nicht nur Politikwissenschaftler und Soziologen, sondern auch Software-Unternehmer und Internet-Experten spekulieren über die kommende Transformation unser repräsentativen Demokratie hin zu einer direkteren Form mit höherer Bürgerbeteiligung durch den Einsatz neuer Medientechniken. Von einem „Electronic Commonwealth“ (Abrahamson/Orren/Arterton 1988) einer „digitalen Demokratie“ (Leggewie 1998), einer „elektronischen Demokratie“ (Hagen 1997) oder „Cyber- Demokratie“ (Geser, 1996; Rilling 1996) ist die Rede. In Anlehnung an Hagen und die gebräuchlichste Bezeichnung in der US-amerikanischen Literatur wird in dieser Hausarbeit der Begriff der „elektronischen Demokratie“ verwandt. Dieser Begriff hat sich als Oberbegriff für ein Bündel von Theorien und praktischen Projekten durchgesetzt, die nach einer Definition von Hagen „Computernetzwerken zentrale Aufgaben im politischen System einer Demokratie (...) zuordnen“ (Hagen 97: 15).

Diese Arbeit versucht, die verschiedenen Ansätze und Visionen elektronischer Demokratie vorzustellen, die im Spannungsfeld zwischen modernen Kommunikationsmitteln und Politik entstanden sind. Obwohl nicht von vorneherein geplant, sind es vor allem amerikanische Visionen elektronischer Demokratie, die dargestellt werden, da die Debatte über elektronische Demokratie in den USA viel intensiver geführt wird, als in anderen Staaten. Grundsätzlich orientiert sich diese Arbeit daher an den amerikanischen Konzepten elektronischer Demokratie von Martin Hagen.

Zunächst einmal soll der Zusammenhang zwischen moderner Massenkommunikation und Politik dargestellt werden. Hierbei wir aufgezeigt, wie die Entwicklung neuer Medientechniken wie Buchdruck, Radio und Fernsehen in der Vergangenheit stets mit der Hoffnung auf positiven Auswirkungen auf die Demokratie verbunden war. Diese Erfahrungen mit neuen Medientechniken in der Vergangenheit soll dazu dienen, den momentanen „Hype“ um das Internet besser einschätzen zu können. Eine Darstellung der besonderen Qualitäten des Internets sowie ein kurzer demokratietheoretischer Hintergrund sollen die Einordnung der folgenden Konzepte amerikanischer Demokratie erleichtern. Im letzten Abschnitt wird die Übertragbarkeit der amerikanischen Konzepte elektronischer Demokratie auf die BRD überprüft, um dann anschließend die Chancen und Aussichten der elektronischen Demokratie aufzuzeigen. Anzumerken ist, das lediglich die theoretischen Konzepte elektronischer Demokratie erörtert werden, auf eine Darstellung der praktischen Projekte soll in dieser Arbeit verzichtet werden.

2) Medientechnik und Demokratie

„ Mann mußeine gehörige Portion Vorsicht walten lassen, wenn es um die Prognose von Effekten von Kommunikationstechnologie geht. Die bisherige Technikgeschichte hat sich Voraussagen gegenüber rückblickend als notorisch unfreundlich erwiesen “ (Buchstein 1996: 589).

Medien und Politik stehen schon seit langem in einem engen Zusammenhang. Eine umfassende Analyse des Einflusses von Medien auf die Politik kann in dieser Arbeit jedoch nicht geleistet werden. Als Hintergrund für die Untersuchung des Einflusses von Medientechnik auf die Demokratie mag die Erkenntnis dienen, dass die Kommunikation über politische Inhalte, das Bereitstellen und der Austausch von Information über politische Meinungen und Absichten, Ergebnisse und Zusammenhänge „ die entscheidende Voraussetzung für die Funktionsfähigkeit dieses politischen System“( Bergsdorrf 1991: 57) ist und damit als eine „Schlüsselvariante für Politik schlechthin“ (Sarcinelli 1997: 321)gesehen wird. Massenmedien bilden im Vergleich zu anderen Einflusskanälen die wohl wichtigste Quelle für politische Informationen für den Bürger. Sie spielen eine vermittelnde Rolle zwischen politischem System und Bürger.

In diesem Kapitel soll aber nicht der allgemeine Zusammenhang von Medien und Politik dargestellt werden. Vielmehr geht es darum, welche Visionen und Erwartungen die in den letzten Jahrhunderten entwickelten Medientechniken zum Zeitpunkt ihres Entstehens auslösten. Diese Schilderung soll dazu dienen, den momentanen „Hype“ und die Erwartungen rund um das Thema Internet und Politik besser einordnen zu können. Deutlich wird, dass die Hoffnung, die in die neuen Techniken gesetzt wurden, sich meist nicht erfüllten. (vgl. Buchstein 1996: 589).

Jede neue Innovation im Bereich der Massenkommunikation wurde als ein großer Durchbruch im Bereich der politischen Information und der politischen Beteiligung betrachtet. Den Grund für diese Hoffnungen hat Richard Davis treffend beschrieben: „ The expectation of positive effects of the new media on (...) politics rests on an assumption of democratic politics, that is, that new mass communications technology enchances political partizipation by incrasing the quantity of available information for mass partizipation and thereby stimulating mobilization. Interactive communications technology holds the greatest promise because it offers the potential for gauging public opinon and registering mass decisions. It decentralies communication with the result of upsetting hierarchial relationships and fostering equality beetween communicators “ . (1999: 27).

Zeitungen waren das erste Medium, das Visionen von allgemeiner Information und damit zusammenhängenden gesellschaftlichen Veränderungen hervorrief. Die erstmals Anfang des 16. Jahrhunderts regelmäßig veröffentlichten Zeitungen wurden als Technik gesehen, die die Gesellschaft verändern sollten.

Newspapers (..) were seen as technologies, that were to transform society, while bringing to the people of many lands an improved service of information. The newspsper press. became the cutting edge in man ´ s battle against ignorance, isolation, superstition, autocracy, drif and misunderstanding. It ´ s only stating a fact to say that the printing press, and newspapers in particular brought a new equality to men and brought the world into focus. (Davis 1999: 28).

Mit der Erfindung des Telegraphs durch Samuel Morse und seiner Einführung 1837 war es erstmals möglich, Informationen über beliebig weite Strecken ohne Zeitverlust zu transportieren. Die Erfindung des Telegraphen wird daher auch oft als der Beginn des elektronischen Zeitalters bezeichnet. (vgl. Kleinsteuber 1995: 188). Der Telegraph wurde von seinem Erfinder Morse selbst als eine Kraft gesehen, die dazu geeignet sei, die Nation zu einen. und eine neue Ära in der Geschichte der menschlichen Rasse einzuläuten. (vgl: Davis 1999: 28). Im 20. Jahrhundert kam es dann mit Radio und Fernsehen zu einer rasanten Entwicklung der Kommunikationstechniken, weshalb dieses Zeitalter auch als „ the Communication revo lution“ (Davis 1998: 29) beschrieben wird. Sowohl Radio als auch Fernsehen riefen in den Anfangsjahren große Erwartungen hervor. Das Potential dieser neuen Techniken, Millionen von Menschen gleichzeitig zu erreichen, führte zu der Hoffnung, dass diese Möglichkeiten für die politische Information der Bevölkerung genutzt werden würden und somit einen positiven Einfluss auf die Legitiomation und Funktion der Demokratie hätten. So voraussagte 1939 ein lokaler Fernsehbetreiber „ the most outstanding of the contributions that television can be expected to make to further democracy (..) will be its unique usefulness as a means of public information. “ (Davis 1999: 29).

Die Vorstellung eines rückkanalfähigen Kabelfernsehen in den 70er beflügelte dann die politische Phantasie einer Verarbeitung politischer Problembereiche in diesen interaktiven Kabelanlagen .(vgl: Kleinsteuber/Hagen 1998: 21). In Deutschland sahen Autoren wie Gerhard Vowe und Gernot Wersig in den neuen Kabelnetzen die Chance zur Entwicklung neuer Demokratieformen, die die Möglichkeiten der neuen Informations- und Kommunikationsmethoden nutzen sollten; sie prophezeiten eine „Kabel-Demokratie“. (Vowe/Wersig 1983). In Amerika führte die Diskussion um die rückkanalfähigen Kabelnetze zum Konzept der Teledemocracy. (vgl u.a Becker 1981). Ungefähr zur gleichen Zeit propagierte Helmut Krauch eine „Computerdemokratie“. (vgl: Krauch 1972) Nach seinen Vorstellungen sollten dabei die Bürger, informiert über Computerdatenbanken, nach gründlicher Vordiskussion in Funk und Fernsehen direkt und ohne Vermittlung durch Repräsentanten über Sachfragen entscheiden.

Aus heutiger Sicht betrachtet kann man beinahe all diese Zukunftsvisionen als gescheitert betrachten. Die neuen Massenmedien wie Radio und Fernsehen haben nicht wie erwartet eine neue Ära der politischen Information und Beteiligung eingeläutet. Ganz im Gegenteil werden sie immer häufiger für die diagnostizierte Krise der repräsentativen Demokratie verantwortlich gemacht. ( vgl Tsagarousianou 1998). Grund hierfür ist sicherlich die immer stärkere Kommerzialiserung der Massenmedien. So sind z.B. Radio und Fernsehen nicht hauptsächlich Vermittler von politischen Informationen, wie sich das die Visionäre bei der Entstehung erhofft hatten, sondern hauptsächlich Unterhaltungsmedien, die nach streng wirtschaftlichen Gesichtspunkten arbeiten. Politische Informationen kommen oft nur noch am Rande und medienwirksam aufbereitet vor. Es wird der Trend deutlich, dass in der Vergangenheit letztlich alle neuen Medientechniken kommerzialisiert wurden und so mehr der Unterhaltung als der Information dienen.

„ In the 1920 ´ there were groups, who tried to get radio to become a kind of public interest phenomenon; but they were just totally smashed. I mean it was completely commercialised “ ( Hague 1999: 51)

Diese Erfahrung mit neuartigen Medientechniken in der Vergangenheit gilt es zu berücksichtigen, wenn vom immensen Demokratiepotential des Internets gesprochen wird.

3) Das Medium Internet und politische Information

Wie im vorherigen Kapitel dargestellt, gaben neue Medientechniken schon immer Anlass zu Spekulationen, die eine neue Ära der Demokratie und politischen Information und Partizipation propagierten. Auch beim Internet ist dies momentan zu beobachten. Eine Fülle an Zukunftsvisionen und Theorien über die Einflüsse des Internets auf den politischen Prozess sind im Umlauf, bisher vor allem in den USA. Ein Grund dafür ist die Tatsache, dass sich kein Medium so schnell und dynamisch entwickelt wie das Internet. So erreichte das Medium die kritische Masse von 50 Millionen Usern bereits nach fünf Jahren, während das Radio 38 und das Fernsehen 13 Jahre benötigte ( Forrester Research, 1997.

Dem Internet wird gegenüber den klassischen Medien bei der Verbreitung und Verwendung politischer Informationen eine neue Qualität zugesprochen . Dieses Kapitel zeigt auf, was für spezifische Vorteile das Internet gegenüber den klassischen Medien und Distributionswegen hat. Es gibt mehrere Eigenschaften des Netzes, die diese neue Qualität des Internets belegen:

Globalität: Informationen sind jederzeit und weltweit verfügbar. Der Nutzer ist in der Lage sie zu jeder Tag und Nachtzeit von jedem Punkt der Erde aus abzurufen.

Aktualität: Informationen können ohne größeren Aufwand häufig und sehr schnell vom Anbieter aktualisiert werden.

Umfang: Die Kapazitäten des Mediums sind praktisch unbegrenzt Anbieter können Informationen in Größe einer Bibliothek anbieten. Durch Links zu anderen Angeboten hat man über das Internet ein unvorstellbar hohe Zahl an Quellen mit unterschiedlichen Informationen.

Multimediale Darstellung: Das Medium vereinigt die Eigenschaften klassischer Medien. Nicht nur Texte, Bilder und Grafiken, sondern auch Videosequenzen und Töne können dargestellt werden.

Interaktivität, Individualität : Das Internet ist nicht nur ein Verteil- und AbrufMedium, vielmehr sind die Rollen von Sender und Empfänger flexibel. Jeder kann sowohl Anbieter als auch Abrufer von Informationen sein. Es ist nicht nur, wie bei klassischen Medien, die one-to-one Kommunikation möglich, sondern auch die one-to-many Kommunikation.

Offenheit: Das Internet ist ein offenes Medium. Der Zugang für Nutzer und Anbieter ist so offen und unreglementiert wie bei keinem anderen Medium.

Durch die aufgeführten Eigenschaften ergeben sich für die politischen Akteure und für die Bürger Vorteile für die politische Kommunikation: Informationen können direkt, das heißt ohne medialen Vermittler, und ohne Beschränkung durch Raum und Zeit ausgetauscht werden. Durch die niedrigen Transaktionskosten ist es leicht, Gleichgesinnte zu finden, sich mit ihnen auszutauschen und ein Beziehungsnetzwerk aufzubauen. Vgl (Leib 1996: 369).

Bei all den positiven Aspekten des neuen Mediums Internet gibt es natürlich auch Phänomene, die für die politischen Akteure von Nachteil sind. Mit dem Internet verschärft sich das Problem der Informationsflut (information overload), denn das Angebot im Netzt ist beinahe grenzenlos. Das Surfen von Site zu Site findet noch viel ausgeprägter statt als das zappen beim TV, daher ist es besonders schwierig, mit politischen Angeboten und Botschaften Aufmerksamkeit zu erringen. Es ist weiterhin zu befürchten, dass sich durch die technischen Zugangs und Know-how-Hürden eine Spaltung der Gesellschaft vollzieht, zwischen einer gut informierten Oberschicht( information haves) und digitalen Niemanden (information-have-nots), die vom öffentlichen Leben ausgeschlossen bleiben, weil große Teile der politischen Information und Kommunikation nur noch digital stattfinden.

4) Demokratietheoretischer Hintergrund

Bei einer Darstellung der verschiedenen Konzepte der elektronischen Demokratie erscheint es sinnvoll, zunächst den Begriff der Demokratie zu klären. Es ist im Rahmen dieser Arbeit weder sinnvoll noch möglich, auch nur ansatzweise die verschiedenen Definitionen und Theorien von Demokratie zu erläutern, vor allem da eine allseits akzeptierte Lehrmeinung von Demokratie, die sich in einer einzigen handfesten Definitionsformel verdichten ließe, nicht existiert. Trotz der Vielzahl unterschiedlicher Theorien gibt es ein Grundverständniss von Demokratie, das von allen geteilt wird. Dieses Grundverständniss wird schon bei der etymologischen Betrachtung des Begriffs Demokratie deutlich. Er setzt sich aus den griechischen Begriffen demos - (Volk) und kratein -(herrschen) zusammen und bedeutet daher wörtlich übersetzt soviel wie Volksherrschaft oder Herrschaft der Vielen. Lincoln hat in seinen berühmten Gettysburg-Formel aus dem Jahre 1863 den zentralen Gedanken der modernen Demokratie deutlich gemacht. Für ihn ist Demokratie „government oft the people, by the people, for the people“. Alle hier verwendeten Präpositionen weisen auf zentrale Wesensmerkmale der Demokratie hin: dass in der Demokratie die Herrschaft aus dem Volk hervorgeht (of), das sie durch das Volk (by) und in seinem Interesse (for) ausgeübt wird. ( Nohlen 1991, S. 71).

Die Diskussion um die Konzepte elektronischer Demokratie rekuriert auf eine Vielzahl von demokratietheoretischen Konzepten: Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung steht jedoch meist die Frage, ob das vorherrschende repräsentative System durch direktdemokratische Elemente ergänzt oder ersetzt werden soll. Daher soll im folgenden soll eine kurze Darstellung der beide Modelle geleistet werden, um die Konzepte elektronischer Demokratie besser einordnen zu können.

4.1 Direkte Demokratie

Direkte Demokratie bezeichnet die unmittelbare Herrschaft des Volkes. Die Bürger üben zugleich die gesetzgebende und die vollziehende Gewalt aus - ohne dazwischentreten intermediärer Organisationen wie Verbände und Parteien und ohne Repräsentanten. Konzepte der direkten Demokratie gehen von der prinzipiellen Identität von Regierenden und Regierten aus, so dass direkte Demokratie tendenziell auf die Aufhebung von Herrschaft hinausläuft. (vgl. Nohlen 1991: 97). Eine Umsetzung der direkten Demokratie ist aufgrund praktischer Gründe nur in politischen Systeme zu realisieren, die nach Zahl der Teilnahmeberechtigten klein, nach Fläche überschaubar und nach Zahl und Art der zu entscheidenden Themen von geringer Komplexität sind. (vgl. Schmidt1995: 231). Aus diesem Grund ist die direkte Demokratie in der Regel bisher nur in kleinen politischen Gemeinwesen wie im antiken Athen und den Schweizer Kantonen praktiziert worden. Als Probleme der direkten Demokratie gelten der mangelnde Schutz von Minderheiten, hohe Entscheidungskosten, ein unsteter Entscheidungswille und die in Massendemokratien nicht vorhandenen strukturellen Voraussetzungen. (vgl Schmidt 1995: 231). Dennoch ist die direkte Demokratie für viele die Idealform der wahren Demokratie. Die repräsentative Demokratie wird im Verhältnis zur direkten Demokratie von vielen als Kompromiss angesehen.

4.2 Repräsentative Demokratie

In der repräsentativen Demokratie übt das Volk seine Herrschaft nur mittelbar aus, nämlich über Repräsentanten. Nach Schmidt ist die repräsentative Demokratie die Form der Demokratie, in der „..das Volk nicht direkt die Herrschaft ausübt, sondern mittelbar, indem es die Befugnisse zur Ausübung der Herrschaftsgewalt in verfassungsmäßig bestellte, im Namen des Volkes , jedoch ohne dessen bindenden Auftrag handelnde Personen und Institutionen überträgt“. (Schmidt 1995: 832) Bis auf wenige Ausnahmen wie die schweizerische Referendumsdemokratie sind die modernen Demokratien zum größten Teil Repräsentativdemokratien. Ziel der repräsentativen Demokratie ist es, den Volkswillen mit dem Prinzip der Interessenvertretung optimal zu ermöglichen. Nach dem klassischen Verständnis von Edmund Burke ist der Parlamentarier in der repräsentativen Demokratie der Delegierte seiner Wähler, der deren wohlverstandene Interessen im nationalen Parlament vertritt. (vgl Nohlen: 591).

Als Nachteil der repräsentativen Demokratie werden vor allem drohende Entfremdungsprozesse zwischen den Bürgern und ihren Repräsentanten gesehen. Durch Korruption, nicht transparente Entscheidungswege und geringe Einflußmöglichkeiten der Bürger, kann sich die Bevölkerung nicht mehr mit ihren Repräsentanten identifizieren und verliert so das Interesse an politischer Beteiligung. Eine Abwendung der Bürger von der Politik gefährdet aber unmittelbar die Legitimationsbasis der Demokratie. ( vgl Leggewie 1996: 6)

5) Konzepte elektronischer Demokratie

5.1 Hintergrund

In diesem Kapitel liegt der Fokus auf den amerikanischen Konzepten elektronischer Demokratie, da dort die wissenschaftliche Diskussion um das demokratische Potential des Internets am weitesten fortgeschritten ist. In anderen Staaten, so auch auch Deutschland, hat die Diskussion begonnen, meist stark orientiert an der amerikanischen Debatte.

Die amerikanischen Konzepte elektronischer Demokratie lassen sich als eine Fortsetzung traditioneller Demokratiedebatten auffassen. Für die politische Ideengeschichte der USA war vor allem die Spannung zwischen direkten und repräsentativen Demokratieformen immer prägend. Im Gründungsprozess der USA setzten sich mit den Federalists die Befürworter eines förderalen und repräsentativen Präsidialsystems gegen die Anti-Federalsists durch, die für zentrale und direktdemokratisch regierte Basisgemeinschaften eingetreten waren. Speziell seit der vergangenen Jahrhundertwende existierte in den USA ein starker „direktdemokratischer Reformimpuls“ (Hagen 1997, S. 55).

Das Internet hat nun der fortlaufenden Debatte über die Krise und den Reformbedarf der repräsentativen Demokratie und den Möglichkeiten direkter Demokratieformen neue Impulse gegeben. Mit der wachsenden Verbreitung von Computernetzwerken hat, vor allem in den USA, eine Debatte eingesetzt, die die Möglichkeiten elektronischer Medien für die Verbesserung demokratischer Institutionen und Prozesse zum Thema hat.( Vgl Hagen 97, Seite 13).

Gemeinsamer Ausgangspunkt aller Konzepte ist die wachsende Politikverdrossenheit. Immer weniger Bürger können sich noch mit dem demokratischen Prozess identifizieren - ihre politische Partizipation ist gering. In den USA ist die Wahlbeteiligung zum Beispiel sehr niedrig, bei den Präsidentschaftswahlen liegt sie bei rund 50 Prozent, an den Kongreßwahlen beteiligen sich meist nur ein Drittel der wahlberechtigten Bürger. Die amerikanischen Befürworter einer elektronischen Demokratie sehen die Ursache für diese geringe Partizipation im heutigen politischen System der USA. Dies sei defizitär, da sich die politischen Eliten immer mehr von der Gesellschaft entfernt hätten und so der politische Prozess für die Bürger nicht mehr transparent sei. (vgl. Corrado 1996). Auch die traditionellen Massenmedien, insbesondere das Fernsehen, werden für die mangelnde politische Teilnahme verantwortlich gemacht. ( vgl Tsagarousianou 1998). In den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien wird nun eine Chance gesehen, die Kluft zwischen Bürger und Staat zu überbrücken. Computernetzwerke werden als Instrumente betrachtet, die den Bürger politisch mobilisieren und den Willensbildungsprozeß transparenter machen sollen.

Der Grundgedanke aller Konzepte elektronischer Demokratie besteht darin, mit Hilfe von Computernetzwerken den Partizipationsgrad der Bevölkerung zu erhöhen und damit letztlich das politische System zu stärken. Im Zentrum der Konzepte elektronischer Demokratie steht hierbei ein Partizipationsbegriff, der vor allem auf die Stärkung der politischen Informations-, Diskussions- und Aktivitätsmöglichkeiten zielt. (vgl Kleinsteuber/Hagen 1998).

Hagen liefert eine sehr anschauliche Systematisierung der verschiedenen amerikanischen Konzepte für eine elektronische Demokratie ( vgl. Hagen 1997: 58 ff). Er unterscheidet drei Formen elektronischer Demokratie:

1. Teledemocracy

2. Cyberdemocracy

2. Electronic Democratization

5.2 Teledemocracy

Die Teledemocracy als ältestes Konzept elektronischer Demokratie ist zuerst Anfang der siebziger Jahre zur Zeit der Weiterentwicklung des Fernsehens (Kabelfernsehen, interaktives Fernsehen) entwickelt- und zu Beginn der 80 er Jahre verstärkt diskutiert worden. Grundgedanke dieses Konzeptes ist die Einführung neuer Formen direkter politischer Beteiligungen in das amerikanische politische System unter Zuhilfenahme von neuen Kommunikationstechniken. Dabei ist die Theorie der Teledemocracy als eine aktuelle Variante der partizipatorischen Demokratietheorie zu sehen, die sich gegen liberale Demokratieauffassungen richtet. Das Teledemocracy Konzept macht die Struktur des repräsentativen Demokratiesystems und der politischen Berichterstattung in den Massenmedien für Frustration und Apathie der Bevölkerung verantwortlich und fordert deshalb die Schaffung von public- service-Medienkanälen und die Umsetzung direktdemokratischer Elemente in erster Linie auf der lokalen Ebenen, aber auch als Ergänzung zum repräsentativen System auf nationaler Ebenen. ( vgl Hagen 1997: 71) . Eine zentrale Stellung nimmt die Idee der „Town Hall Meetings“ ein, die mit Hilfe technischer Medien repliziert werden sollen. Anfang der 90er Jahre brachte Ross Perot die Idee der televised electronic town hall meetings auf die Agenda der Politiker und auch Bill Clinton nutzte dieses unkonventionelle Wahlkampfformat, was dem Teledemocracy-Ansatz innerhalb der Politikwissenschaft eine größere Beachtung gab. (vgl. Hagen 1999: 65) Obwohl die Teledemocracy-Anhänger auch der verstärkten Ausbreitung der Computernetze Rechnung tragen, ist das Fernsehen für sie nach wie vor der Schlüssel für elektronische Demokratie. (vgl Hagen 1999: 65) Die Vertreter des Teledemocracy-Konzeptes fordern zum Teil sehr drastisch direktdemokratische Elemente, dennoch will kaum jemand von ihnen das repräsentative System der USA abschaffen. Vielmehr geht es um eine Ergänzung des Repräsentativsystems mit direktdemokratischen Elementen. (vgl Hagen 1999: 66)

5.3 Cyberdemocracy

Während das Teledemocracy- Konzept seine Wurzeln in der Auseinandersetzung mit dem Medium Fernsehen hat, ist das Cyberdemocracy-Konzept von vorneherein eine Reaktion auf das Entstehen der großen Computernetzwerke gewesen. Nach Hagen haben besonders die Erfahrungen der ersten Nutzer im Netz im Wissenschaftsbereich die Formulierung der Cyberdemocracy-Konzepte geprägt (vgl: Hagen 1997: 71). Dieses jüngste Konzept elektronischer Demokratie verbindet die „widersprüchlichen Träume einer virtual class“ (Hagen 1997: 80) und beruft sich ideengeschichtlich gleichermaßen auf partizipatorische, republikanische und liberale Demokratietheorien. Der existierende Staat und seine repräsentativen Institutionen werden als latente Bedrohung für die erträumte „echte“ Demokratie ( also selbstbestimmter Regierung durch die Bürger) und den materiellen Wohlstand gesehen. Um dieser Bedrohung zu entgehen, soll durch den Einsatz von Computertechnologie anstelle der großen, repräsentativ regierten Nationalstaaten eine pluralistische Anordnung von autonomen virtuellen „Communities“ gesetzt werden, die wiederum von autonomen und freien Cyber-Bürgern bevölkert wird.. (vgl Hagen 1997: 80) .

Einer der wichtigsten Vertreter dieser „Cyberdemokraten“ ist Howard Rheingold.. Eine andere Variante der Cyberdemocracy betont zusätzlich die Erfordernis freier Märkte. In der Magna Charta for the Knowledge Age von der Progress and Freedom Foundation ist der zentrale Gedanke dieser Cyberdemocracy-Richtung dargestellt. Die Minimierung der Staatsaufgaben und Garantie individueller Freiheit durch Aufrechterhaltung eines freien Marktes sind die Kernpunkte.

Die Cyberdemokraten sind gegen jede Form des Zentralismus, sie betonen stattdessen die Notwendigkeit der Förderung von politischem Engagement und politischer Bildung, wobei sie dabei nichtstaatlichen Organisationen mehr zutrauen als den staatlichen Organen. (vgl. Hagen, 1999, S. 67).

5.4 Electronic Democratization

Im Gegensatz zu Teledemocrcy und Cyberdemocracy, die das repräsentative System durch direkte Demokratie ergänzen beziehungsweise ersetzen wollen, verzichtet der Ansatz der Electronic Democratization auf direktdemokratische

Elemente und versucht stattdessen, die existierenden repräsentativdemokratischen Elemente zu verbessern und zu stärken. Anstelle von Elementen direkter Demokratie will das Electronic Democratization Konzept den politischen Entscheidungsprozess mit Hilfe der elektronischer Medien offener und nachvollziehbarer gestalten. (vgl Hagen 1997: 80). Konkret helfen soll dabei die Bereitstellung möglichst vieler Informationen im Web sowie die Einrichtung von „Electronic Town Meetings“, um die Distanz zwischen Regierung und Regiertem zu verringern. Die meisten Konzepte elektronischer Demokratisierung stellen vor allem Information und Kommunikation als Voraussetzung politischer Beteiligung in den Vordergrund und zielen weniger auf handlungsorientierte Formen wie zum Beispiel Wählen oder aktive politische Arbeit.“ (vgl: Hagen 1999: 68) . Das Electronic Democratization Konzept wird hauptsächlich vom amerikanischen politischen Establishment, wie Regierungsmitgliedern, Politologen und Journalisten vertreten. Im Gegensatz zu den beiden anderen Konzepten kann für die Vertreter des Electronic Democratization Konzeptes die elektronische Demokratie nicht „von unten“ umgesetzt werden, für sie sind die staatlichen Institutionen die originären Ausgangspunkte, um die Vorstellung der Electronic Democracy gleichsam von oben umzusetzen. (vgl.Hagen 1997: 82).

In der amerikanischen Diskussion geht es bei den Debatten um elektronische Demokratie in erste Linie um mangelnde politische Beteiligung und Information, welche als eine der zentralen Probleme amerikanischer Politik gelten. Die Vertreter aller drei Modelle elektronischer Demokratie sind der Überzeugung, dass Computernetzwerke das Potential besitzen, die Informations- und Diskussionsdimensionen politischer Beteiligung zu stärken. Dabei werden die traditionellen, partizipatorischen Forderungen nach mehr unmittelbarer Mitbestimmung der Bürger immer mehr von der Forderung abgelöst, mehr Räume für öffentliche Auseinandersetzungen, also eine neue politische Öffentlichkeit, zu schaffen. Nicht elektronische Meinungsumfragen oder Abstimmungen, sondern Informationsdienste, Electronic Town Meetings und Community Networks stehen im Vordergrund. Gemeinsam ist allen drei Konzepten auch das Ziel, die politische Entscheidungsmacht von den zentralen Instanzen hin zu basisnahen, dezentralen und öffentlichen Entscheidungsträgern zu verschieben. (vgl. Hagen, 1997, S. 81)

6. Die amerikanischen Konzepte elektronischer Demokratie im deutschen Kontext

In Deutschland befindet sich die Diskussion um elektronische Demokratie im Vergleich zur USA noch am Anfang. Es scheint hier eher eine betriebswissenschaftliche Nutzung des Internets im Vordergrund zu stehen und nicht eine demokratische und soziale Nutzung, während in Amerika die Neugestaltung von Politik in der Informationsgesellschaft ein populäres Thema ist. So erleben wir in Deutschland bisher hauptsächlich eine Rezeption und Bewertung der amerikanischen Ansätze. Warum setzt man sich aber in Amerika so viel intensiver mit dem Thema auseinander als in Deutschland., zumal die Ausgangslage des zeitlichen Zusammenfalls von digitaler Revolution und wachsender Politikverdrossenheit ähnlich ist ? Der Grund scheint in den

spezifischen institutionellen und gesellschaftlichen Unterschieden der beiden politischen Systeme zu liegen. In der BRD herrscht nach wie vor eine eher Status quo fixierte politische Kultur vor, die direktdemokratischen Reformimpulsen eher negativ gegenübersteht. Hagen führt diese Reformunwilligkeit auf die schlechten Erfahrungen mit der Weimarer Republik sowie dem Nationalsozialismus, und der Stabilität und Funktionsfähigkeit der BRD zurück (1997: 108) Im Gegensatz dazu ist das Demokratieverständnis in der USA eher praxisorientiert. (Hagen 1997: 108). Der Reformunwille in der BRD, im Gegensatz zum pragmatischen Verständnis des Staates in den USA, erschwert insofern eine Diskussion um elektronische Demokratie, als das die Prinzipien der repräsentativen Demokratie verabsolutiert werden und damit bereits die Debatten um elektronische Demokratie und die damit verbundenen direktdemokratischen Reformen tabuisiert werden (vgl: Rilling 1996: 7). Ein weiterer Grund für die Rückständigkeit der deutschen Debatte liegt im unterschiedlichen Einsatz der Kommunikationsmedien im politischen Prozeß. Die Bundesrepublik zeichnet sich durch eine im internationalen Vergleich besonders große Bedeutung des Parteiensystems aus, welches, geprägt von Listenwahlrecht und Fraktionsdisziplin, einem öffentlichen Kontakt zwischen Bürger und Abgeordnetem gegenübersteht. So läßt sich in der Bundesrepublik eine relativ geringe Notwendigkeit für die Parteien und Politiker konstatieren, an die Öffentlichkeit zu gehen.. Da also die Kommunikationsmedien in den USA im politischen Prozeß, im Vergleich zu Deutschland, eine große Rolle spielen, fehle in Deutschland ein wichtiger institutioneller Ansatzpunkt, an dem sich die theoretischen Konzepte elektronischer Demokratie auch praktisch verankern ließen. (Hagen 1997: 108).

Wie hier knapp und verkürzt dargestellt, sind die von Hagen formulierten Konzepte elektronischer Demokratie stark von den amerikanischen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen geprägt und insofern nicht ohne weiteres auf Deutschland zu übertragen. Inwieweit es in Deutschland zur Entwicklung eigener, konkreter Konzepte im Kontext des bundesdeutschen politischen Systems kommt, wird sich in der Zukunft zeigen. Deutlich ist, dass eine simple Übernahme der amerikanischen Konzepte nicht sinnvoll erscheint. Vielmehr muss über eine Adaption der amerikanischen Konzepte auf die politischen Verhältnisse in Deutschland nachgedacht werden.

7. Chancen und Aussichten der elektronischen Demokratie

7.1 Überblicküber die wissenschaftlichen Diskussion

Die Diskussion um das demokratische Potential des Internets ist sehr kontrovers. Es gibt eine Fülle von Veröffentlichungen, die sich mit der Frage auseinandersetzen, inwieweit das Internet in der Lage ist, die politische Partizipation der Bürger zu erhöhen und somit der Demokratie mehr Legitimität zu verschaffen. Die Meinungen in dieser Debatte gehen allerdings sehr weit auseinander. Es gibt Optimisten wie Esther Dyson, Nicholas Negroponte und Howard Rheingold (Dyson 1997, Negroponte 1995, Rheingold 1993) , die in der neuen Informationstechnologie schon wegen ihrer spezifischen Eigenschaften eine Tendenz zur Verbesserung des demokratischen Systems sehen. Die positven Erwartung der meisten Autoren fokussieren sich dabei auf die vielfältigen Möglichkeiten für Bürger, Vereine und anderen Gruppen untereinander und mit Politkern zu kommunizieren, auf eine umfassende Information der Bürger durch neue Informationstechnologien und darauf, herkömmliche Wahlprozeduren durch virtuelle zu ersetzten und in bestimmten Bereichen neue Formen der bürgerlichen Mitentscheidung im Sinne direkter Demokratie zu praktizieren.

Andere Autoren wie etwa Kubicek, Leggewie und Bühl (Kubicek 1995, Leggewie 1998, Bühl 1997) nehmen eine eher neutrale Position ein. Sie gehen davon aus, dass mit der Verbreitung des Internets sowohl Chancen als auch Risiken für den demokratischen Prozess einhergehen. Die Chancen des Internets sehen diese Autoren ähnlich wie beriets oben bei den Optimisten beschrieben. Allerdings erkennen sie ein ähnlich breites Spektrum an möglichen Fehlentwicklungen als Folgen des Einsatzes des Internets zu politischen Zwecken. Hauptsorge ist hierbei die Entstehung eines „digital divide“ wobei sich das politische Gemeinwesen in „Informationseliten“ und „Habenichtse“ aufspalte (Leggewie 1998). Gewarnt wird auch vor einer kompletten Kommerzialisierung des Netzes, welches die partizipatorischen Potentiale des Internets verschütten würde. Daher setzten sich die neutralen Autoren für eine Eindämmung der Kommerzialiserungstendezen, die Gewährleistung eines allgemeinen Netzzugangs sowie für die Erhöhung der Medienkompetenz der Bevölkerung ein.

Autoren wie Hubertus Buchstein und Rainer Rilling (Buchstein 1996, Rilling 1997) hingegen stehen dem demokratischen Potential des Internets eher negativ gegenüber. Sie glauben nicht, dass das Internet die Demokratie verbessern könnte, sondern warnen im Gegenteil eindringlich vor den bedenklichen Auswirkungen. Eine Kommerzialisierung der Netzwerke und die damit verbundene Marginalisierung des Politischen sei kaum zu verhindern, wie schon die Erfahrungen mit der Entwicklung des Fernsehens in der USA gezeigt hätten. Die Wissens- und Technikbarrieren beim Zugang zum Internet würden dazu führen, dass nur diejenigen im Netz aktiv werden, die bisher schon überdurchschnittlich aktiv waren. Diejenigen, die bisher geringe Teilnahmemöglichkeiten gefunden hätten, würden nicht an den neuen Chancen partizipieren können. Vor diesen Hintergründen wird der Versuch, herkömmliche demokratische Prozesse vollständig ins Internet zu verlegen, abgelehnt. Als besonders gefährlich werden Formen der elektronischen Demokratie angesehen, die herkömmliche demokratische Entscheidungsverfahren ersetzen.

7.2 Aussichten und Chancen

Bei einer sinnvollen Auseinandersetzung mit dem demokratische Potential des Internets muss zuerst die Vorstellung einer durch das Internet hervorgerufen direktdemokratischen Revolution vermieden werden. Die ursprünglichen amerikanischen Ideen von elektronischer Demokratie stellen nicht wie oftmals fälschlich angenommen die Durchführung elektronischer Plebiszite oder Wahlen in den Vordergrund. (vgl: Kleinsteuber/Hagen 1998). Vielmehr geht es bei den Konzepten elektronischer Demokratie um die Stärkung der politischen Informations- und Beteiligungsmöglichkeiten der Bürger, die zu einer Stärkung des politischen Systems führen sollen. Wird diese Erkenntnis ignoriert, besteht die Gefahr, dass die Diskussion um eine elektronische Demokratie schnell in eine grundsätzlich Debatte über direkte Demokratie versus repräsentative Demokratie abgleitet. Diese Gefahr gilt im besonderen für die BRD, die aufgrund der schlechten Erfahrungen mit der direkten Demokratie in der Vergangenheit bei der Überlegung um die Einführung direktdemokratischer Elemente besonders sensibel ist.

Wichtig ist auch, dass demokratische Potential des Internets nicht per se als positiv oder negativ zu betrachten . Hier ist Bühl zuzustimmen, der der Meinung ist, dass „ ... unseres Erachtens sowohl ein demokratie-förderliches als auch ein demokratie- gefährdendes Potential des Internets (existiert)“ (Bühl 1997: 308) Die Vorstellung, dass allein durch die Bereitstellung eines neuen Mediums quasi automatisch politisches Interesse und Aktivität auf allen Seiten entstehen würde, zeugt von einer unreflektierten, technokratischen Weltsicht. Wenn die Bürger nicht an politischer Partizipation interessiert sind, dann wird auch die beste und modernste Technik nichts daran ändern können. In den USA wird die geringe Wahlbeteiligung zum Teil sogar positiv interpretiert, als eine indirekte Zustimmung zum Status quo, den die Bürger durch das Nicht-Wählen bewusst akzeptieren. Nur wenn der Wille zur politischen Beteiligung vorhanden ist, kann das Internet mit seinen immensen technischen Möglichkeiten einen positiven Einfluss auf die Partizipation haben. Genauso wie eine zu optimistische Sichtweise des Internets zielt auch die Versteifung auf die gefährlichen Aspekte des Internets bezüglich des demokratischen Prozeß, die untere anderem mit den schlechten Erfahrungen des Fernsehens begründet wird, (vg:l: Buchstein 1996), zu kurz. Das Medium Internet ist sicherlich nicht mit dem Fernsehen und anderen Massenmedien vergleichbar. Es scheint zu früh, um mit Sicherheit eine totale Kommerzialisierung des Internets und eine Desintegration der politischen Öffentlichkeit zu prophezeien. Die drohende Gefahr eines Digital Divides hingegen darf nicht unterschätzt werden, alle aktuellen Untersuchungen zeigen die Tendenz, dass Internetnutzer vor allem Weiße mit hohem Einkommen und hoher Schulbildung sind. Bürger mit geringem Einkommen und geringem Bildungsniveau sind im Netz kaum vertreten. Ob die Kluft zwischen information have und information have nots noch größer wird, lässt sich nicht mit Sicherheit voraussagen. Die Politik muss alles tun, um dieser möglichen Entwicklung entgegenzuwirken. Ein universeller Zugang zum Internet und ein Mindestmaß an Medienkompetenz in der gesamten Bevölkerung sind eine unabdingbare Bedingung dafür, dass das Internet sein demokratisches Potential entfalten kann. Daraus folgt, dass eine Einführung von Elementen elektronischer Demokratie nur dann sinnvoll ist, wenn diese Rahmenbedingungen erfüllt sind. Ob dies momentan in Deutschland bereits der Fall ist, ist zweifelhaft.

7.3 Konzepte elektronischer Demokratie

Bei der Debatte um Konzepte elektronischer Demokratie wird deutlich wird, das die elektronische Demokratie keine neue Form der Demokratie sein wird, die das bisherige repräsentative System durch eine neue Form der direkten Demokratie ablöst. Vielmehr scheint das Internet die Chance zu bieten, die existierenden repräsentativen Systemen zu ergänzen. Insofern scheint das Konzept der „electronic Democratization“ von den drei beschriebenen Konzepten das plausibelste zu sein. Den politischen Entscheidungsprozess mit Hilfe der elektronischer Medien offener und nachvollziehbarer zu gestalten. und damit die Bürger zu mehr Partizipation anzuregen ist ein praktikabler und interessanter Ansatz. Auch die Idee der Teledemocracy-Anhänger, das repräsentative System mittels der neuen Medien durch direktdemokratische Elemente zu ergänzen, überzeugt. Nicht ganz nachvollziehbar ist hier jedoch die Versteifung der auf den Fernseher, dem hier nach wie vor die Schlüsselrolle in einer möglichen elektronischen Demokratie zufällt. Die Möglichkeiten des Internets werden hier unterschätzt.

Der Grundgedanke des Cyberdemocracy Konzepts hingegen, in dem sich die Bevölkerung in kleinen, virtuellen Communities selbst regiert, erscheint unausgereift. Wer entscheidet bei einem Wegfall jeglicher zentralistischer Instanzen, wenn zwei Communities unterschiedlicher Meinung sind ? Auch die grundsätzliche Bejahung des repräsentativen Systems durch Staat und Bevölkerung lässt die Durchsetzung eines Konzept, das das repräsentative System zugunsten direktdemokratischer Beteiligung abschaffen will, unrealistisch erscheinen.

8. Fazit

Die mediale Nutzung vernetzter Informations- und Kommunikationstechniken scheint eine Renaissance direkter Partizipation der Bürger am politischen und gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, jenseits des Zwangs von Massengesellschaften zu repräsentativen Verfahren.

Die bisher gesammelten Erfahrungen mit neuen Medientechniken in der Vergangenheit mahnen jedoch davor, die Möglichkeiten neuer Medientechniken allzu optimistisch einzuschätzen. Die meisten Prophezeiungen und Visionen von damals blieben Utopie. Man denke dabei nur an den Fernseher, der als der Heilsbringer der politischen Bildung propagiert wurde und inzwischen zum entpolitisierenden Unterhaltungsmedium verkommen ist.

Die oben beschriebene Vorstellung, das Internet könne die dringend benötigte direkte Demokratie endlich möglich machen , ist nicht, wie oft fälschlicherweise angenommen, Gegenstand der Diskussion um Konzepte elektronischer Demokratie. Die Durchführung elektronischer Wahlen oder Plebiszite steht nicht im Vordergrund, vielmehr soll durch den Einsatz von Computernetzwerken der Partizipationsgrad der Bevölkerung erhöht und damit letztlich das politische System gestärkt werden. Im Zentrum der Konzepte elektronischer Demokratie steht hierbei ein Partizipationsbegriff, der vor allem auf die Stärkung der politischen Informations-, Diskussions- und Aktivitätsmöglichkeiten zielt.

Bei den von Hagen systematisierten amerikanischen Konzepten elektronischer Demokratie überzeugt vor allem der Ansatz der Electronic Democratization, weil er der grundsätzlichen Bejahung des repräsentativen Systems Rechnung trägt und daher bei der Ergänzung dieses System durch den Einsatz der neuen Kommunikationsmittel ansetzt.

Zu betonen ist, das das Internet sowohl ein demokratie-förderliches als auch ein demokratie-gefährdendes Potential besitzt. Einschätzungen, die nur von einem positiven oder negativen Einfluss des Internets ausgehen, engen den Blickwinkel ein. Ob das Internet das demokratische Potential nutzen kann, das sicherlich in ihm steckt, bleibt zu beobachten. Wünschenswert ist, das sich sowohl die Politik als auch gesellschaftliche Gruppierungen bemühen, durch gezielte Maßnahmen die möglichen Risiken, wie den Digital Divide, zu minimieren. Solange die Rahmenbedingungen eines universellen Zugangs und einer minimalen Medienkompetenz der Bevölkerung nicht gegeben sind, macht eine Einführung von Elementen elektronischer Demokratie auf großer Ebene keinen Sinn. Lokale Projekte und kleinschrittige Erprobungen, die auf spielerische Weise neue Praxiserfahrungen mit Elementen elektronischer Demokratie ermöglichen, sind hingegen wünschenswert und notwendig für eine mögliche Zukunft der elektronischen Demokratie.

9. Literaturliste:

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Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Visionen der Medienzukunft - Konzepte elektronischer Demokratie
Université
University of Hamburg
Note
1,0
Auteur
Année
2000
Pages
24
N° de catalogue
V102893
ISBN (ebook)
9783640012732
Taille d'un fichier
385 KB
Langue
allemand
Mots clés
Visionen, Medienzukunft, Konzepte, Demokratie
Citation du texte
Dominic Scheppelmann (Auteur), 2000, Visionen der Medienzukunft - Konzepte elektronischer Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/102893

Commentaires

  • invité le 13/2/2002

    hallihallo!.

    hey!
    was machst du denn hier! ich hab grad nach was gesucht. das is ja ne ueberraschung!
    keine ahnung ob du das weitergeleitet kriegst, aber ich dachte ich versuchs mal.
    wie gehts dir denn! ich wuerd so gern mal wieder was von dir hoeren!!!
    ganz liebe gruesse,
    laura

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