Ein Unterrichtseinstieg in den Novellenanfang von Heinrich von Kleist "Die Marquise von O"


Hausarbeit, 2013

15 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erzählende Texte im Deutschunterricht

3. „Die Marquise von O“ im Curriculum
3.1 Das Lernziel

4. Phasenmodelle für den Literaturunterricht
4.1 Die Eröffnungsphase
4.2 Die Erstbegegnung
4.3 Die Erarbeitungsphase
4.4 Die Auseinandersetzungsphase
4.5 Die Phase des Ausklangs

5. Fazit

6. Tabellarische Zusammenfassung

Anhang

I. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Heinrich von Kleists Novelle „Die Marquise von O…“, die 1808 erschien, ist nach wie vor Bestandteil des Literaturunterrichts an deutschen Schulen. In dieser Hausarbeit unternehme ich den Versuch einen möglichen Unterrichtseinstieg in den Anfang dieser Novelle darzustellen.

Hierbei stelle ich zunächst die Wichtigkeit von epischen Texten im Deutschunterricht heraus, um zu verdeutlichen, wie Schülerinnen und Schüler, die Thematiken für sich nutzen können. Gleichzeitig werde ich die Ziele der Arbeit mit diesen Texten benennen, die nicht bei der Verfassung des Lernziels für die Unterrichtsstunde berücksichtigt werden, sehr wohl aber als Ziele einer kompletten Unterrichtseinheit zu dieser Novelle angesehen werden können.

Im Anschluss daran lege ich dar, in welcher Form diese Novelle im niedersächsischen Kerncurriculum zu finden ist, um ihren Einsatz in der Schule begründet für eine Alters- und Klassenstufe einsetzen zu können.

Das formulierte Stundenlernziel ist eine kurze Zusammenfassung der Kompetenzen, die man von den Schülerinnen und Schülern nach der Unterrichtsstunde erwarten kann, da es sich um eine Einstiegsstunde mit nur einer prägnanten Herausarbeitung handelt.

Um meine Unterrichtsstunde möglichst authentisch planen zu können, habe ich mich des Phasenmodells von Ulf Abraham bedient.1 Die von Abraham dargestellte Phase der Ergebnissicherung wird von mir hierbei nicht explizit benannt, sie ist aber in andere Phasen integriert.

In einer abschließenden Schlussbemerkung stelle ich die Verbindung zwischen dem Lernziel und der Unterrichtsphasierung dar.

2. Erzählende Texte im Deutschunterricht

Erzählende Texte bzw. epische Texte sind ein wesentlicher Bestandteil des Deutschunterrichts. Nach Martin Leubner werden sie dort sogar öfter benutzt als Texte, die man der Lyrik oder Dramatik zuordnen würde.2 Gerade für Heranwachsende bieten sie die einzigartige Möglichkeit neue Blickwinkel und Perspektiven mit gewohnten Sichtweisen zu kombinieren, um daraus einen Nutzen für ihre Lebenswelt ziehen zu können. Deutungen, die von Texten dem Leser nahegelegt werden, sollen dabei kritisch hinterfragt und nicht einfach angenommen werden. Hierbei ermöglicht eine intensive und kritische Auseinandersetzung mit Literatur eine Weiterentwicklung der Persönlichkeit und Identität des Lesers. Diese Art der Nutzung des literarischen Textes wird als Bezugskompetenz bezeichnet.3

Da erzählende Texte oftmals das handelnde Subjekt in einer Wechselbeziehung zu seinen Mitmenschen bzw. der Gesellschaft und den damit einhergehenden Problemen und Wünschen darstellt, können sich Menschen in der Adoleszenz im besonderen Maße mit solchen Texten identifizieren. Das Suchen nach neuen Orientierungen und ein Wunsch nach Abgrenzung und „[…] Ablösung von der Herkunftsfamilie […]“4 ist besonders prägend für diese Altersstufe. Aufgrund dieser Tatsachen können vor allem erzählende Texte, die gesellschaftliche Tabuthemen oder „[…] Fragen nach Freundschaft, Liebe, Tod […]“5 thematisieren, bei den Schülerinnen und Schülern6 Interesse wecken.

Neben der Bezugskompetenz ist die Texterschließungskompetenz ein weiteres wichtiges Ziel der Arbeit mit erzählenden Texten im Deutschunterricht.7 Nur wenn sich die SuS den Text selbst erarbeiten und verstehen, können sie ihn in ihre Lebenswelt integrieren. Zudem fördern epische Texte die Empathiefähigkeit, die Kreativität und das literarische Wissen der SuS.8 Somit bildet die Texterschließungskompetenz die obligatorische Grundlage, um das Ziel der Bezugskompetenz erreichen zu können.

3. Die Marquise von O im Kerncurriculum

Da erzählende Texte die SuS nicht überfordern oder langweilen sollen, sondern ihnen die Möglichkeit zur eigenen Erschließung und Übertragung der Thematik in ihre Lebenswelt ermöglicht werden soll, ist es von hoher Bedeutung, dass der ausgewählte Text für das Alter der SuS angemessen ist.

Das niedersächsische Kultusministerium legt für das Fach Deutsch in der gymnasialen Oberstufe im ersten Halbjahr der Qualifikationsphase das Rahmenthema „Literatur und Sprache um 1800“9 fest. Heinrich von Kleists Werke würden sich dieser etwas unspezifischen Thematik durchaus zuordnen lassen. Darüber hinaus gibt das niedersächsische Kultusministerium als ein mögliches Wahlpflichtmodul, das ergänzend zu dem Pflichtmodul gewählt wird, explizit „Heinrich von Kleist und die gebrechliche Einrichtung der Welt“10 an. Unter den möglichen Erzählungen, die im Unterricht behandelt werden können, wird dabei auch „Die Marquise von O…“ genannt.

Heinrich von Kleists „Die Marquise von O…“ lässt sich also ziemlich eindeutig als eine Erzählung innerhalb der Oberstufe verorten, die aktuell nicht nur als ein Wahlpflichtmodul, sondern auch als das Rahmenthema eines ganzes Schulhalbjahres Einzug in die Klassen erhalten kann.

Es ist also anzunehmen, dass „Die Marquise von O…“ als Novelle für Oberstufenschüler anspruchsvoll genug ist und die Thematik der Erzählung die SuS interessieren kann.

3.1. Das Lernziel

Das Lernziel dieser 60-Minütigen Schulstunde ist die Herausarbeitung der Vergewaltigung der Marquise durch den Grafen. Hierbei sollen sich die SuS über die Brisanz dieses Ereignisses bewusst werden, dieses benennen und am Text belegen können, da es grundlegend für das weitere Textverständnis ist. Darüber hinaus wird die Schreibkompetenz der SuS durch die Hausaufgabe gefördert.

4. Phasenmodelle für den Literaturunterricht

Nach Ulf Abraham wurden verschiedene Modelle entworfen, die „[…] die Planung und Organisation von Literaturunterricht erleichtern sollen.“11 Ein strukturierter Unterricht macht es möglich effektiv und zielgerichtet zu sein. Besonders für Anfängerinnen seien solche Mikromodelle eine große Hilfe, da sie zur Reflexion und Überprüfung der einzelnen Schritte anhalten würden.12

4.1 Die Eröffnungsphase

Die dargestellte Stunde findet in einer 11. oder 12. Klasse statt und hat einen zeitlichen Rahmen von 60 Minuten.

Voraussetzung für meine Arbeit in der Klasse ist die Gegebenheit, dass alle SuS die komplette Novelle einmal gelesen haben. Dieser Auftrag wurde der Klasse im Vorfeld rechtzeitig mitgeteilt, sodass sie genug Zeit hatten, die Novelle bis zum hier skizzierten Unterrichteinstieg zu studieren.

Ich beginne die Stunde mit einer Begrüßung und teile den SuS mit, dass wir mit einem komplett neuen Thema beginnen, da wir uns nun in den folgenden Stunden der Novelle „Die Marquise von O…“ von Heinrich von Kleist zuwenden werden, die sie bereits alle im Vorfeld gelesen haben. Diese Art der Mitteilung soll den SuS verdeutlichen, dass das vorangegangene Thema nun thematisch erst einmal abgeschlossen ist und die gesamte Klasse sich nun wieder am gleichen Punkt befindet. Diese Gleichstellung kann besonders für SuS motivierend sein, die bei dem vorherigen Thema den Anschluss verloren haben und nun wieder den gleichen Wissensstand haben, wie ihre MitschülerInnen.

Die Begrüßung einer Klasse am Anfang der Stunde ist eine Inszenierung des Unterrichtsgeschehen, die sie in vielen Fällen beinahe ritualhaft vor sich geht. Ich persönlich halte sie für ein gutes Mittel, um den Punkt des Stundenbeginns zu markieren und die SuS zur Ruhe kommen zu lassen.

Anschließend daran bitte ich die SuS ihre ersten Leseeindrücke im Unterrichtsgespräch zu formulieren. Hierfür benutze ich weder einen Impuls noch eine Provokation, da in diesem ersten Schritt nur spontane Beurteilungen des Geschehens in den Raum gestellt werden sollen. Meine Frage wird demnach lauten: „Was ist Ihr13 erster Eindruck, nachdem Sie die Novelle gelesen haben?“ Diese Frage ist sehr offen gestellt und lädt die SuS indirekt auch dazu ein, erste Fragen zu stellen, die sie an dieser Stelle haben könnten.

Das Unterrichtsgespräch wird von mir so geleitet, dass es zu wenigen Diskussionen innerhalb der Gruppe kommt. Der Fokus liegt an dieser Stelle auf der Möglichkeit für die SuS sich der Gruppe zu öffnen und ihre Eindrücke mitzuteilen. Das Lernziel dieser Eröffnungsphase ist, dass die gesamte Klasse von den Mitteilungen der Einzelnen profitieren kann und soll, da sie diese mit ihren eigenen vergleichen können und die Möglichkeit besteht, Aspekte im Inneren zu ergänzen.

Mögliche erste Leseeindrücke könnten mit einer persönlichen Einschätzung zu der brisanten Thematik einer Vergewaltigung zusammenhängen, die gesellschaftliche Ächtung einer unehelichen Empfängnis thematisieren oder auch die fremd wirkende Sprache mit ihrer sehr eigenwilligen Interpunktion benennen.

Für diese Phase sind etwa zehn Minuten vorgesehen. Sollte es einen großen Andrang an Fragen oder nur ein geringes Mitteilungsbedürfnis von Seiten der SuS geben, so ließe sich diese Phase auch abbrechen bzw. verkürzen.

4.2 Die Erstbegegnung

Für das weitere Textverständnis ist die Herausarbeitung der Vergewaltigung von der Marquise durch den Grafen unabdingbar.

Um den Tatbestand dieser Vergewaltigung nachvollziehen zu können, dessen Brisanz zu diesem Zeitpunkt vermutlich nicht allen SuS deutlich ist, bitte ich die Klasse ihre Ausgabe der „Marquise von O…“ auf der ersten Seite aufzuschlagen. Ich erkläre ihnen, dass wir den Text noch einmal gemeinsam bis zu der Stelle „[…] Hier – traf er […]“14 lesen werden und frage die SuS wer anfangen möchte laut vorzulesen. Es ist davon auszugehen, dass sich einige SuS melden werden, die gerne bereit sind den Text zu lesen. Ich wähle einen von ihnen aus und die Person beginnt.

Je nachdem wie der Lesefluss des jeweiligen Schülers ist, werde ich ihn ganz intuitiv stoppen, um auch andere Mitschüler dranzunehmen und ihnen die Chance zu geben ihre Vorlesefähigkeit zu verbessern. Mögliche Unterbrechungen sind immer dann gegeben, wenn der Vorlesende Luft holt oder nach der Beendigung eines Informations- bzw. Sinnabschnittes.15 Somit können in dieser Vorlesungsphase bis zu sechs SuS tätig werden.

[...]


1 Vgl. Abraham: Literaturdidaktik Deutsch, 2009, S. 211-213.

2 Vgl. Leubner: Literaturdidaktik, 2012, S. 90.

3 Vgl. Ebd., S. 50.

4 Ebd., S. 92.

5 Ebd., S. 94.

6 Im folgenden Text abgekürzt mit „SuS“.

7 Vgl. Leubner: Literaturdidaktik, 2012, S. 94.

8 Vgl. Ebd., S. 33.

9 Kerncurriculum Deutsch, 2009, S. 20.

10 Ebd., S. 23.

11 Abraham: Literaturdidaktik Deutsch, 2009, S. 210.

12 Vgl. Ebd., S. 211.

13 Persönlicher und vertrauter wäre es, wenn ich die SuS mit „Du“ ansprechen würde. Da ich mich aber in einer Klasse bzw. einem Kurs in der Oberstufe befinde werde ich sie mit „Sie“ ansprechen.

14 von Kleist: Die Marquise von O…, 2010, S. 5.

15 Diese Informations- bzw. Sinnabschnitte könnte man folgendermaßen einteilen: 1. Seite 3, Zeilen 1-18; 2. Seite 3 Zeilen 18-31; 3. Seite 3 Zeilen 31-10; 4. Seite 4 Zeilen 11-23; 5. Seite 4 Zeile 24-37; 6. Seite 5 bis Zeile 9.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Ein Unterrichtseinstieg in den Novellenanfang von Heinrich von Kleist "Die Marquise von O"
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover
Note
1,7
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V1030563
ISBN (eBook)
9783346433060
ISBN (Buch)
9783346433077
Sprache
Deutsch
Schlagworte
unterrichtseinstieg, novellenanfang, heinrich, kleist, marquise
Arbeit zitieren
Anonym, 2013, Ein Unterrichtseinstieg in den Novellenanfang von Heinrich von Kleist "Die Marquise von O", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1030563

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