Remote Expert. Die Gestaltung der Videoberatung auf stationären Flächen


Masterarbeit, 2021

132 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Inhaltsverzeichnisi

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsziel
1.3 Aufbau der Arbeit
1.4 Forschungsmethode
1.5 Begriffliche Grundlagen

2. Point-of-Sale-Medien
2.1 Begriffliche Grundlagen und Funktionen von PoS-Medien
2.2 Forschungsstand
2.3 Die Einordnung des Remote Experts als Teil von interaktiven PoS-Medien
2.4 Innovative Formen von Technologien zur Unterstützung der Kundenberatung
2.4.1 Kurznachrichtendienste und Chatbots
2.4.2 Augmented Reality
2.5 Remote Experts auf stationären Flächen
2.5.1 Begriffliche Grundlagen und Funktionsweisen von Remote Experts
2.5.2 Vor- und Nachteile von Remote Experts
2.5.3 Praxisbeispiele

3. Gestaltung von Remote Experts
3.1 Gestaltungseigenschaften von Webseiten
3.1.1 Farbe
3.1.2 Anzahl und Anordnung einzelner Elemente
3.2 Gestaltungskomponenten erklärt durch Preference Framework
3.2.1 Komplexität
3.2.2 Kohärenz
3.2.3 Lesbarkeit
3.2.4 Mysterium

4. Technologieakzeptanz im Konsumentenverhalten
4.1 Nutzungsabsicht im Konsumentenverhalten
4.1.1 Theoretische Grundlagen und Definitionen
4.1.2 Theorien zur Analyse der Akzeptanz
4.2 Modelle zur Messung von Akzeptanz
4.2.1 Überblick verschiedener Akzeptanzmodelle
4.2.2 Technology Acceptance Model nach Davis zur Bestimmung der Akzeptanz von Remote Experts
4.2.3 Kritische Einschätzung des Technology Acceptance Models
4.2.4 Bekannte Erweiterungen und Modifikation des TAM an den Untersuchungsgegenstand Remote Expert
4.3 Entwicklung der Hypothesen

5. Methode zur Messung der Nutzungsabsicht von Videoberatung
5.1 Forschungsmethode und -design
5.2 Ablauf und Teilnehmer
5.3 Fragebogen
5.4 Stimulusmaterial

6. Ergebnisse der Untersuchung
6.1 Deskriptive Statistik
6.2 Reliabilität und Normalverteilung
6.3 Auswertung
6.3.1 Hypothese 1
6.3.2 Hypothese 2
6.3.3 Hypothese 3, 4 und 5
6.3.4 Hypothese 6
6.3.5 Regressionsmodell
6.3.6 Weitere Auswertungen

7. Diskussion
7.1 Zusammenfassung und Resümee
7.2 Limitationen
7.3 Ausblick für Praxis und Wissenschaft

Literaturverzeichnis

Anhang
Anhang A: Fragebogen
Anhang B: Weitere Abbildungen
Anhang C: Abbildungen der statistischen Auswertungen

Kurzfassung

Vorwort

Ich bedanke mich bei meinem Betreuer Herrn Univ.-Doz. Mag. Dr. Claus Ebster, der mir die Freiheit, meine Masterarbeit nach meinen Wünschen und Interessen zu gestalten, eingeräumt und mich dabei mit seinem Fachwissen unterstützt hat.

Wie immer geht ein besonders großer Dank an meinen Onkel, Herrn Dr. oec. publ. Edgar Forster, für die vielen Diskussionen, Korrekturen und sein Interesse an meiner wissenschaftlichen Arbeit.

Ebenfalls möchte ich mich bei Herrn Dr. Andreas Kruse und seinem Team bedanken, die mich sehr bei der Themenfindung inspiriert und mich mit ihrer Leidenschaft für Point-of-Sale Innovationen angesteckt haben.

Bei meinen Eltern, Anya und Ludwig Szilard, reicht ein Danke nicht aus - sie ermöglichen mir jeden Wunsch und jeden Traum um meinen Weg zu gehen. Sie stehen stets hinter mir und jeder meiner Entscheidungen, ohne Kritik und Einfluss zu üben. Dafür bin ich Ihnen von ganzem Herzen dankbar.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Virtuelle Kundenberatung bei Nationwide

Abbildung 2: Mobile Assistenten im Handel

Abbildung 3: Beispiel für Digital Signage zum Zweck der Atmosphäre

Abbildung 4: Beispiel für Kiosk-Terminal

Abbildung 5: Digital Signage wird an die Wetterlage angepasst

Abbildung 6: Einordnung digitaler PoS-Medien

Abbildung 7: Adidas Virtual Footwear Wall

Abbildung 8: Adidas Virtual Footwear Wall

Abbildung 9: Einordnung von Remote Experts als Teil von PoS-Medien

Abbildung 10: Starbucks Barista Chatbot

Abbildung 11: Virtuelle Umkleidekabine

Abbildung 12: Green Room der ZDF Heute Show

Abbildung 13: Videoberatung bei Media Markt

Abbildung 14: Villeroy & Boch Experte wird vor den Badplaner eingeblendet

Abbildung 15: Positionierung des Osram "Call-an-Expert" Bildschirms

Abbildung 16: Remote Expert Beratung in Verkaufskabine der Deutschen Bahn

Abbildung 17: Deutsche Bahn Videoberater in Video-Zentrale

Abbildung 18: Preference Framework Modell

Abbildung 19: Beziehung zwischen Komplexität und Kohärenz

Abbildung 20: Nutzertypen nach Akzeptanzkomponenten

Abbildung 21: Vereinfachte Darstellung des "Diffusion of Innovation Model"

Abbildung 22: Darstellung der "Theory of Reasoned Action"

Abbildung 23: Darstellung der "Unified Theory of Acceptance and Use of Technology”

Abbildung 24: Darstellung des Technology Acceptance Model

Abbildung 25: Darstellung des TAM

Abbildung 26: Darstellung des eigens erweiterten TAM zur Akzeptanzanalyse von Remote Experts auf stationären Flächen

Abbildung 27: Philips Webseite

Abbildung 28: Philips Webseite

Abbildung 29: Lesbarkeit durch kurze Texte auf der Philips Webseite

Abbildung 30: Mysterium durch interaktive Bilder auf der Philips Webseite

Abbildung 31: Verteilung der Geschlechter in Prozent

Abbildung 32: Altersverteilung in Prozent

Abbildung 33: Verteilung nach höchstem Schulabschluss in Prozent

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zuordnung der Experimentalgruppen

Tabelle 2: Skalen der im Fragebogen verwendeten Variablen

Tabelle 3: Deskriptive Statistik

Tabelle 4: Mittlere Nutzungsabsicht in den Experimentalgruppen

Tabelle 5: Reliabilität - Cronbachs Alphawerte der Skalen

Tabelle 6: Korrelation zwischen Technologieaffinität und Nutzungsabsicht

Tabelle 7: Partielle Korrelation zwischen Technologieaffinität und Nutzungsabsicht unter Kontrolle der Drittvariable Alter

Tabelle 8: Einfaktorielle Varianzanalyse der Nutzungsabsicht

Tabelle 9: Einfaktorielle Varianzanalyse der Nützlichkeit und Informativität

Tabelle 10: Modellzusammenfassung und Varianzanalyse der Regression

Tabelle 11: Koeffizienten der Regression

Tabelle 12: Modellzusammenfassung und Varianzanalyse der Regression

Tabelle 13: Koeffizienten der Regression

Tabelle 14: Übersicht Auswertung aller Zusatzfragen

Abkürzungsverzeichnis

PoS Point-of-Sale

RFID Radio Frequency Identification

TAM Technology Acceptance Model

TPB Theory of Planned Behavior

TRA Theory of Reasoned Action

URL Uniform Resource Locator

UTAUT Unified Theory of Acceptance and Use of Technology

Kapitel 1

Das erste Kapitel schafft einen Überblick über die gesamte Arbeit. Zu Beginn wird erläutert, weshalb das Thema über die Gestaltung von Remote Experts auf stationären Flächen im Handel von wissenschaftlicher Bedeutung ist. Im nächsten Schritt wird das Ziel der Arbeit beschrieben, um eine Basis für die Forschungsfrage zu schaffen. Es folgen die Beschreibung der gewählten Forschungsmethode, sowie des Aufbaus der wissenschaftlichen Arbeit. Zuletzt werden grundlegende Begriffe definiert.

1. Einleitung

1.1 Problemstellung

Heutzutage möchten Kunden Käufe tätigen, wenn es zeitlich passend für sie ist und nicht, wenn Verkaufsstellen zur Verfügung stehen. Können Unternehmen diese Erwartungen nicht erfüllen, wandern Klienten aller Wahrscheinlichkeit nach zu dem nächst gelegenem Wettbewerber ab (Cisco, 2013). Großbritanniens größte Bausparkasse Nationwide versuchte diesem Problem entgegenwirken, indem in Filialen mit einer hohen Kundendichte zu den Stoßzeiten zusätzliche Kundenberater zur Verfügung gestellt wurden. Gleichzeitig wurden in selten aufgesuchten Niederlassungen Kundentermine um die Stoßzeiten herum vereinbart. Dieses Vorhaben löste jedoch nicht die zeitlichen Kundenerwartungen, sodass noch mehr Kapazitäten geschaffen werden mussten. Indem vermehrt effizienter Zugang zu Experten gewährleistet wird, können nicht nur Herausforderungen im Bereich des Kundenservices gelöst, sondern auch Marktanteile von Konkurrenten eingenommen werden. Dank virtueller face-to-face Kundengespräche, mittels hochauflösender Videoübertragung, schaffte Nationwide einen neuen Beratungsansatz (Abbildung 1). Beinahe ausnahmslos alle Nationwide Kunden, welche an einem solchen Gespräch teilnahmen, gaben an, sehr zufrieden mit der Lösung zu sein. Folglich stieg die Kundenzufriedenheit im Unternehmen. Zudem gab über ein Drittel aller Teilnehmer an, dass sie tatsächlich zu anderen Anbietern abgewandert wären, sofern kein Berater zu Verfügung gestanden hätte (Cisco, 2013).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Virtuelle Kundenberatung bei Nationwide. Quelle: (Watkins, 2015).

Dieses Problem der Kundenberatung lässt sich auch auf andere Branchen oder den Einzelhandel übertragen: Man stelle sich vor ein Kunde stehe im Baumarkt, ein Ort, den die meisten Menschen nicht täglich aufsuchen, zwischen unzähligen Glühbirnen und versucht aus dem riesigen Sortiment, mit dem er nicht besonders vertraut ist, das passende Produkt zu wählen. Ein kurzes und simples Telefonat mit einem Experten oder Vertreter der Marke, indem Kunden ihre Bedürfnisse schildern, kann sofort helfen das passende Angebot auszuwählen. Solch ein Service bietet Kunden einfache Mehrwerte: Zeitersparnis und Risikominimierung eines Kaufes. Aus Kundensicht hat die Videoberatung insbesondere den Vorteil, eine zielführende Beratung zu erhalten, während für Unternehmen der gezielte Einsatz von Spezialisten einen ökonomischen Mehrwert bietet. Demnach können gut geschulte Experten für beliebig viele Filialen eingesetzt werden, ohne an einen bestimmten Ort oder eine gewisse Uhrzeit gebunden zu sein. Der Einzelhandel steht in starker Konkurrenz zum E-Commerce, der mit ständiger Verfügbarkeit und Vergleichsoptionen punktet. Neben Defiziten der Kundenberatung sind jedoch auch Informationsdefizite in stationären Geschäften von Natur aus gegeben. Suchfilter, Alternativvorschläge sowie Kundenrezensionen, wie sie im Onlinehandel üblich sind, bieten Kunden Informationsmehrwerte. Insbesondere dann, wenn Konsumenten nach einer persönlichen Beratung im stationären Laden, doch im Onlineshop einkaufen (Perea y Monsuwé et al., 2004). Diese Lücke können Remote Experts schließen und somit die Kanalverknüpfung komplementieren, denn werden Videoberater auf stationären Flächen genutzt, sind sie Teil des Omnichannels. Werden sie hingegen als Online-Anwendung verwendet, sind sie Bestandteil des Webshops.

Dass der Onlinehandel über alle Altersgruppen hinweg immer noch beliebter wird und weiterhin mehr Umsätze verzeichnet, überrascht nicht mehr. Das Einkaufsverhalten der Konsumenten ändert sich zu rasant und neue Innovationen etablieren sich kontinuierlich. Der stationäre Einzelhandel hinkt stetig hinterher, um den Ansprüchen seiner Kunden gerecht zu werden. Jedoch gibt es klare Vorteile gegenüber dem Wettbewerb des Internets: In Szene gesetzte Ladengestaltung, Service und Beratung. Außerdem spielt die Integration von Technologien eine immer bedeutendere Rolle. Der Einsatz interaktiver Umkleidekabinen und Schaufenster ist keine Seltenheit mehr. Auch die Verkaufsunterstützung mittels Tablets hat sich bereits am Markt etabliert, um Kunden mit weiteren Informationen versorgen zu können. Die Investitionssummen, die stationäre Einzelhändler für Umbauten und Neugestaltungen ihrer Geschäfte ausgeben, um Online- und Offlinehandel besser miteinander vernetzen zu können, belaufen sich in Deutschland jährlich auf knapp sieben Milliarden Euro (KPMG, 2016). Dadurch ändert sich das Aussehen von Läden immens. Click und Collect Stationen sind so häufig schon von weitem erkennbar. Durch die Kanalverknüpfung können weitere Zusatzumsätze in Höhe von fast 30 Prozent erzeugt werden (KPMG, 2016). Es wird deutlich, dass Konsumenten einen Nutzen aus der Angebotsfülle ziehen. Sie bestellen online und lassen sich im Laden inspirieren, oder umgekehrt sie kaufen im Geschäft und suchen zuvor Informationen aus dem Internet. Die Vernetzung der Kanäle stellt jedoch keinen Widerspruch dar, schließlich scheinen sie sich aus Kundensicht zu komplementieren (Brock & Bieberstein, 2015; KPMG, 2016). Seit nunmehr 15 Jahren beschäftigen sich Wissenschaft und Forschung mit der Akzeptanz und Wirkung digitaler Point-of-Sale (PoS) Medien. Sie konnten fundierte Einsichten in das Themengebiet bringen, jedoch blieb eine Anwendung auf praktische Handlungsempfehlungen größtenteils aus (Spreer, 2013). Insbesondere die Wirkung von Inhalten, wie Informations- und Serviceangebote solle laut Silberer (2009) untersucht werden. Diese Forschungslücke soll mittels dieser Arbeit teilweise geschlossen werden.

1.2 Forschungsziel

Durch ständige Verfügbarkeit und Vergleichsoptionen steht der Onlinehandel schon lange in Konkurrenz zu Einzelhändlern. Dennoch werden 85 Prozent der Umsätze im stationären Handel gemacht, abhängig von den jeweiligen Warengruppen (Knoppe & Wild, 2018). Ein Hauptargument hierfür ist die persönliche Beratung, von welcher viele Konsumenten profitieren. 57 Prozent der Befragten der jährlichen PricewaterhouseCoopers Handels Studie vertrauen auf eine persönliche Kundenberatung durch geschultes Verkaufspersonal vor Ort und zählen dies zu den „Must Haves“ für einen optimalen Einkauf im Store (PricewaterhouseCoopers, 2018). Die Problematik liegt jedoch auf der Hand: Nicht immer ist Personal verfügbar, oder kann sich um alle Kunden gleichzeitig kümmern. Zudem ist nicht jeder Kundenberater gleich gut mit bestimmten Themen, Produkten oder Marken vertraut und kann dadurch nicht immer die notwendige, mehrwertbietende Qualität in ein Beratungsgespräch einbringen. Abhilfe kann der Einsatz eines sogenannten Remote Experts schaffen.

In der Praxis erfolgt die Anwendung eines Remote Experts mittels eines interaktiven Touchbildschirms, ähnlich einem Tablet, welcher mit einer Kamera und Lautsprechern ausgestattet ist. Kunden können diesen im Geschäft, also während des Kaufvorgangs, telefonisch kontaktieren, indem sie den Screen berühren. Der Beratungsexperte erscheint dann audio-visuell, sodass zwischen dem beratenden Verkäufer und dem Kunden eine Real-time Konversation in Bild und Ton stattfindet. Das Telefonat wird durch die Anwendung zum „Videofonat“. Situationen wie diese sind Kunden häufig bereits aus dem privaten Gebrauch gewöhnt, denn ähnliche Anwendungen wie Skype, FaceTime oder WhatsApp werden seit Jahren verwendet und finden mehr und mehr ihren Gebrauch im Kundenservice.

Im Bereich von Banken und Versicherungen werden Remote Experts bereits erfolgreich eingesetzt. Insbesondere in Beratungsgesprächen beratungsintensiver Finanzprodukte, bei welchen Expertenwissen unerlässlich ist, finden sie ihren Nutzen (Brock & Bieberstein, 2015). In ländlicheren Gebieten, wo Fachkräfte häufig fehlen, bietet die Videoberatung eine neue Form der Beratung, die keineswegs eine schlechte Alternative zu herkömmlichen Beratungsgesprächen darstellt, da sie Kunden die Möglichkeit bietet mit Spezialisten zu sprechen.

Mittels dieser Arbeit soll nun die Videoberatung im Handel näher beleuchtet werden. Auch Anbieter von High-Involvement Produkten, oder Gütern in denen technisches Knowhow gefragt wird, profitieren von Remote Experts, um Kundenzufriedenheit durch Verkaufsberatung herzustellen. Das Involvement beschreibt den Grad mit welchem sich Konsumenten einem bestimmten Produkt widmen. Je höher das wahrgenommene Kaufrisiko, dies zeichnet sich durch einen hohen Kaufpreis oder Langlebigkeit aus, desto höher ist das Involvement, welches Kunden für Informationsbeschaffung aufbringen, um das Risiko zu minimieren. Baumärkte oder Elektrofachgeschäfte sind beispielsweise Einkaufsstätten, welche in der Regel nicht täglich aufgesucht werden, sowie ein nicht alltägliches Sortiment vertreiben, wodurch ein erhöhter, meist spezifischer Beratungsbedarf bei Endkonsumenten aufkommt. Da die Videoberatung im Einzelhandel nahezu unerforscht ist (Brock & Bieberstein, 2015), soll die Gestaltung dieser auf stationären Flächen ermittelt werden. Die zu untersuchende Forschungsfrage lautet demnach: „Wie müssen Remote Experts gestaltet sein, um von Konsumenten genutzt zu werden“. Da die Akzeptanz von Innovationen von diversen Einflussfaktoren abhängt, soll zusätzlich herausgefunden werden, welche zielgruppenspezifischen Determinanten die Nutzung beeinflussen. Die aufgestellte Forschungsfrage wird daher um den Zusatz „Für welche Zielgruppen ist die Videoberatung geeignet?“ erweitert. Als Remote Expert wird in dieser Arbeit nicht nur der Berater selbst gesehen, sondern die gesamte Installation, beziehungsweise Anwendung. Hierfür wird sich die Akzeptanzforschung zunutze gemacht. Sie soll die Nutzungsabsicht von Endkunden mittels eines Onlineexperiments und einer anschließenden Befragung der Endkunden messen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Die Thesis gliedert sich insgesamt in sieben Kapitel. Im ersten Kapitel werden die Problem Herleitung, das Forschungsziel, der Aufbau der Arbeit, sowie wichtige Begriffsdefinitionen behandelt. Im nächsten, also im zweiten Kapitel, werden zunächst PoS-Medien allgemein erläutert sowie die Anwendungen des Remote Experts eingeordnet, um dieser Arbeit einen Rahmen zu geben. Außerdem werden bisherige Forschungsergebnisse aufgezeigt. Es folgt eine Beschreibung verschiedener Formen von Technologien zur Unterstützung der Kundenberatung und einige Beispiele bisheriger Remote Expert Anwendungen aus der Praxis.

Darauffolgend wird in Kapitel 3 die Gestaltung thematisiert. Zunächst werden generelle Gestaltungseigenschaften von Webseiten erläutert. Im Anschluss werden Gestaltungskomponenten anhand des Preference Framework Modells betrachtet. Ziel ist es, möglichst genaue Stimulus Materialien für die Datenerhebung ableiten zu können.

Kapitel 4 bezieht sich auf die Technologieakzeptanz, aus welcher die Nutzungsabsicht abgeleitet wurde. Im Anschluss wird die Akzeptanz im Konsumentenverhalten näher betrachtet sowie Modelle zur Akzeptanzforschung vorgestellt. Das theoretische Modell mit der besten Eignung wird ausgewählt und um für diese Arbeit notwendige Determinanten erweitert. Daraus ergeben sich am Ende die Hypothesen, welche in Kapitel 5 überprüft werden. Dieser Abschnitt beschreibt die Empirie: Die angewandte Methodik sowie Ergebnisse der Untersuchung. Ebenso wird die Entwicklung des Experiments, also des Fragebogens sowie des Stimulus Materials erläutert.

In Kapitel 6 werden die Ergebnisse der Untersuchung sowie die Auswertungen der einzelnen Hypothesen aufgezeigt. Das abschließende Kapitel 7 befasst sich mit der Zusammenfassung der Studie. Im Rahmen dessen findet eine kritische Diskussion statt, welche Limitationen sowie Ausblicke für Wissenschaft und Praxis aufzeigt.

1.4 Forschungsmethode

Um empirische Antworten auf die Hypothesen zu generieren, wird eine Primärforschung durchgeführt. Um möglichst genaue Forschungsergebnisse zu erhalten, wird ein Onlineexperiment erstellt. Die Teilnehmer bekommen einen Link, des Anbieters SoSci Survey, welcher via E-Mail oder Social Media Plattformen zugesandt wird. Studienteilnehmer gelangen somit direkt zu der Umfrage. Dadurch wird ein sogenanntes Convenience Sample, also eine willkürliche Stichprobe, generiert, welche durch ein Schneeballsystem schnell an Größe gewinnt. SoSci Survey übernimmt die Randomisierung, da das System die Teilnehmer den Experimentalgruppen zufällig zuordnet.

Die Studienteilnehmer werden per Zufallsprinzip einer der vier Experimentalgruppen zugeordnet. Eine der vier Gruppen ist die Kontrollgruppe. Pro Gruppe werden die Probanden mit jeweils einem Stimulus konfrontiert (siehe Seite 62, Tabelle 1). Die Stimuli, die in den verschiedenen Experimentalgruppen aufgezeigt werden, werden in einer Remote Expert Beratungsszene gespielt. Nachdem die Probanden die Stimuli gesehen haben, beantworten die Teilnehmer der Studie weitere Fragen zur Gestaltung der Remote Experts.

1.5 Begriffliche Grundlagen

Digital Signage: zu Deutsch, die „Digitale Beschilderung“, beschreibt den Einsatz digitaler und interaktiver Medieninhalte sowie Werbung auf Bildschirmen in Geschäften, wie elektronische Plakate, als Informations- und Werbeplattform (Müller et al., 2009; Pagel et al., 2011; Silberer, 2010).

Innovation: als Innovation gilt eine Idee, ein Objekt oder eine Handlung, die durch Neuartigkeit besticht. Eine technische Innovation beschreibt ein Design, das zur Erreichung und Verbesserung eines Ergebnisses beiträgt, sowie Unsicherheiten reduziert. Technologien bestehen aus einer Hard- und Software. Erstere gibt der Innovation die optische Gestaltung. Die Software bietet die „Informationsbasis“ der technologischen Innovation (Rogers, 2003).

Point-of-Sale-Medien: Technische Geräte, wie zum Beispiel Bildschirme, die in den Verkaufsraum und die Ladengestaltung integriert werden. Sie dienen dem PoS­Marketing, indem sie beispielsweise als Werbeträger fungieren und somit der Warenpräsentation dienen.

Remote Expert: zu Deutsch, ein „entfernter Experte“. Laut Engelhardt & Gerner (2017) ist ein Remote Expert „eine Form der Onlineberatung, bei der die Kommunikation zwischen der beratenden und der ratsuchenden Person synchron über ein Videoübertragungssystem stattfindet. [Diese Onlineberatung kann] bei Bedarf auch um textbasierte Kommunikation ergänzt werden“. In dieser Arbeit gilt nicht nur der Berater, also die Person selbst, als Remote Expert. Vielmehr wird der Begriff als Synonym für die gesamte Point-of-Sale-Installation gesehen.

Stationäre Fläche: Im Gegensatz zum PoS, welcher den exakten Verkaufsort beschreibt, handelt es sich bei einer stationären Fläche um die gesamte Warenpräsentations- und Ausstellungsfläche.

Videofonieren: als „videofonieren“ wird ein Telefongespräch in Kombination mit einer parallelen Bild- und Tonübertragung verstanden. Im privaten Gebrauch ist dies durch Anwendungen wie Skype, WhatsApp, FaceTime oder Zoom bekannt. In der Umgangssprache spricht man bei der Verwendung solcher Anwendungen von „skypen“, oder „facetimen“. Da sich bisher noch kein einheitlicher Begriff für die Nutzung dieser Anwendung durchgesetzt hat, wird in dieser Arbeit der Terminus „Videofonie“ eingeführt.

Kapitel 2

Zunächst werden Point-of-Sale-Medien allgemein definiert. Dazu zählen die verschiedenen Arten von PoS-Medien, ihre Aufgaben und Funktionsweisen sowie deren Platzierung auf stationären Flächen. Da Remote Expert Installationen die Verkaufsberatung auf stationären Flächen unterstützen, werden sie als Teil von PoS­Medien gesehen. Nachdem bisherige Forschungsergebnisse und Beispiele für Beratungstechnologien im Einzelhandel aufgezeigt werden, erfolgt eine Einordnung der Remote Expert Anwendung in die PoS-Medien.

2. Point-of-Sale-Medien

2.1 Begriffliche Grundlagen und Funktionen von PoS-Medien

Die meisten Kaufentscheidungen treffen Konsumenten erst am PoS (G. Silberer, 2009; G. A. Silberer, 2010). Darunter fallen auch Spontankäufe, also diejenigen, die eigentlich gar nicht vorgesehen waren. Der PoS ist demnach ein wichtiger Bestandteil für die Absatzerfolge von Händlern, weshalb immer innovativer werdendes PoS­Marketing betrieben wird (Knoppe & Wild, 2018; G. A. Silberer, 2010). Silberer (2010) und Frey et al. (2011) zählen zu den klassischen Point-of-Sale-Medien Musik, Plakate, Deckenaufhänger, Regalbeschriftungen, Instore Events, Verpackungen und sogar Durchsagen. Neben klassischen gibt es auch neuere PoS-Medien. Sie werden als “digitale informations- und kommunikationsbezogene Instrumente in der stationären Verkaufsstelle des Einzelhandels“ (Spreer, 2013) bezeichnet. Zu ihnen zählen sogenannte Kiosk-Terminals (Abbildung 4), mobile Assistenten (Abbildung 2) sowie Digital Signage (Abbildung 3). Bei ersteren handelt es sich um fest installierte Informations- und Servicedesks. Mobile Assistenzsysteme dienen Verkäufern als tragbare Variante zur Verkaufsunterstützung. Beide helfen bei Entscheidungsfindungen und lassen sich zu den komplexen, interaktiven PoS-Medien einordnen, da sie in Beziehung stehende Inhalte verarbeiten. Dies geschieht mittels Touchscreens, Gestensteuerung oder Smartphones. Im Gegensatz dazu steht das Digital Signage, das dynamische, digitale Plakat, welches lediglich passiv Informationen von Sender zu Empfänger kommuniziert (Frey et al., 2011; Pagel et al., 2011; G. A. Silberer, 2010; Spreer, 2013; Spreer et al., 2012).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Implementierung digitaler PoS-Medien sollte sich demnach an den Kundenbedürfnissen orientieren. Besteht das Ziel mittels PoS-Medien Kunden die Orientierung zu erleichtern, das Markenimage zu verbessern oder -ändern, oder neue Einkaufserlebnisse zu schaffen, so ist die Umsetzung von Digital Signage meist ausreichend. Ist der Kundenservice jedoch verbesserungswürdig und die Verkäufer stark ausgelastet, so sind Kiosk-Systeme sinnvoller.

Digital Signage bietet den Vorteil, dass sich Inhalte stetig und ohne Aufwand ändern lassen. Die Systeme können sowohl für einzelne Geschäfte als auch für Filialketten oder sogar Einkaufszentren eingesetzt und tagesaktuelle Informationen demnach sofort an Kunden weitergegeben werden. In der Praxis können somit beispielsweise Rabattaktionen unmittelbar an die aktuelle Wetterlage angepasst werden. Während einer Schlechtwetterfront werden Regenschirme vergünstigt und Kunden nutzen so die Gelegenheit um das Bedürfnis „trocken nach Hause kommen“ zu stillen (Abbildung 5). Die wörtliche Übersetzung als „Digitale Beschilderung“ wird laut Silberer (2010) dem Potenzial dieser Anwendung nicht gerecht. In der Literatur findet man zwar ähnliche Definitionen des Begriffs, die Einordnung als PoS-Medium ist jedoch sehr unterschiedlich.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 5: Digital Signage wird an die Wetterlage angepasst. Quelle: Cancom.info (2018).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Einordnung digitaler PoS-Medien. Quelle: Eigene Darstellung.

Einige Autoren sehen Digital Signage entweder als ein eigenes Medium am PoS oder als Synonym für PoS-Medien. Andere wiederum ordnen es als Gestaltungskomponente, sozusagen als das zu gestaltende Element, des PoS­Mediums ein. Laut Pagel et al., 2011 nach Hoffmann, 2007, können PoS-Screens generell dem Ambient Media zugeordnet werden. Dem kann allerdings nicht gänzlich zugestimmt werden, da Bildschirme im Bereich des Ambient Media eine gewünschte Stimmung erzeugen sollen, nicht jedoch für Informations- oder Imagezwecke genutzt werden. Daher erfüllen nicht alle PoS-Bildschirme die gleiche Aufgabe. Für eine veranschaulichte Übersicht der Einordnung siehe (Abbildung 6).

Eingesetzte Technologien am PoS sollen vor allem eines: Aufmerksamkeit bei Kunden erregen (Chandon et al., 2009). Darüber hinaus schaffen sie es auch Informationsdefiziten entgegenzuwirken, sofern richtig eingesetzt. Häufig scheitert es hierbei jedoch auch am fehlenden Umsetzungswissen, zu hohen Budgets oder unrealisierbaren Konzepten (Whittaker, 1999). Informationsdefizite werden unterbunden, da sie den Suchaufwand bei Konsumenten verringern (Sha & Lai, 2012). Neben dieser Informationsfunktion bietet insbesondere das Digital Signage dem stationären Handel ein breites Anwendungsspektrum. Dazu zählen die Verkaufs- und Imageförderung, sowie die Förderung der Ladenatmosphäre (Helfgen, 2019; Liebmann et al., 2008). Erwünschte Ziele der digitalen Systeme im stationären Handel sind Umsatzsteigerungen, erhöhte Verweildauer, sowie Kauf- und Zahlungsbereitschaft. Diese Wirkungen konnten bereits durch den Einsatz der Medien belegt werden (Gröppel-Klein, 2012; Helfgen, 2019; PricewaterhouseCoopers, 2018; Spreer, 2013 nach Swoboda 1996, Sorensen 2009 und Burke 2009).

Laut Spreer (2013) nach Bender et al. (2011) geschieht dies vor allem durch Cross­Selling-Vorschläge, wie beispielsweise die digitale Empfehlung eines passenden Weins an einer Käsetheke oder mittels virtueller Sortimentserweiterung, wie es bei Adidas der Fall ist: Dort können Kunden nicht verfügbare Produkte über die „Virtual Footwear Wall“ bestellen (Urbanski, 2012) (Abbildung 7, Abbildung 8).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Adidas Virtual Footwear Wall. Quelle: dots.com (o. J.)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Adidas Virtual Footwear Wall. Quelle: dots.com (o. J.)

Die Kundenansprache sollte stets an die produktspezifische Aktivierung angepasst sein. Bei High-Involvement Produkten müssen Informationen mit Argumenten und Fakten bestechen, sowie beispielsweise Produktvorteilen (Spreer, 2013 nach Dennis 13 et al. 2011). Die Nutzungsrelevanz technologischer Einkaufskonzepte ist dementsprechend im Bereich Elektro-, Bau- und Einrichtungsartikel überdurchschnittlich hoch (KPMG, 2016). Bei Low-Involvement Produkten kann wie bei regulären Werbemitteln die „Feelings-as-Information-Theory“ angewandt werden, um emotional zu aktivieren (Spreer, 2013 nach Schwarz und Clore, 2007). Diese Heuristik besagt, dass Menschen bei der Meinungsbildung von ihrer Gefühlslage beeinflusst werden, was sich letztlich auch auf Kaufentscheidungen auswirkt. Bei nicht-interaktiven PoS-Technologien, wie Digital Signage zeigten Studien, dass regionale Inhalte, wie Wetter oder Nachrichten, aktuelle Angebote, Produktdetails oder Stimmungsbilder von Vorteil sind (z. B. de Moerloose et al., 2005; G. A. Silberer, 2010). Bei PoS-Medien, die eine Kundeninteraktion hervorrufen, werden vor allem Produktvergleiche, Cross-Selling-Angebote, Orientierungshilfen, Servicedienstleistungen oder allgemein individuelle, nutzergenerierte Inhalte den Kundenansprüchen gerecht (Chang & Burke, 2007; Lee et al., 2009)

Was die Platzierung der PoS-Medien betrifft, so sollten diese „bei linksdrehenden Ladenlayouts, schwerpunktmäßig rechts vom Gang installiert werden“ (Spreer, 2013 nach Gröppel-Klein, 2007). Die Platzierung kann an Wänden oder Regalen stattfinden sowie zwischen Eingangs-, Ausgangs-, oder Kassenbereich, Schaufenster, Außenwände oder im Bereich der Produktpräsentation variieren (G. A. Silberer, 2010). Generell definiert die Platzierung auch immer eine bestimmte Aufgabe: Dreht sich die Kommunikation um die Marke oder den Handel selbst, so können Instore­Technologien in Hauptgängen oder Orientierungszonen angebracht werden. Geht es um die Bewerbung einer bestimmten Warengruppe, wie zum Beispiel Staubsauger, so sollten Bildschirme und Signage auch in der Nähe dieser Abteilungen angebracht werden, da Konsumenten hier produktspezifische Informationen erwarten (G. A. Silberer, 2010; Spreer, 2013). Bei Kommunikationsmaßnahmen, die sich auf einzelne Produkte beziehen, erfolgt die Anbringung logischerweise direkt am Regal (Frey et al., 2011).

2.2 Forschungsstand

Der Point-of-Sale oder die stationäre Verkaufsfläche wird nicht mehr nur als reiner Verkaufsort gesehen, sondern als Teil des Kommunikationsmediums um Marken zu inszenieren und vor Allem um spontane Kaufentscheidungen zu schaffen. Denn nahezu dreiviertel aller Kunden (74 Prozent) möchten auch in Zukunft nicht auf den 14 stationären Handel verzichten (KPMG, 2016). Instore-Marketing-Maßnahmen sind also wegen spontaner Kaufimpulse von maßgeblicher Bedeutung. Die sogenannte Instore Decision Rate der Association for Marketing at Retail lag, je nach Produktgruppe, bei über 80 Prozent und steigt kontinuierlich. Dies bedeutet, dass mehr als 80 Prozent der Kaufentscheidungen am PoS getroffen werden (Helfgen, 2019). Die Instore Decision Rate vergleicht Kundenaussagen vor und nach dem Kauf, sodass geplante und ungeplante Käufe aufgezeigt werden können. Der Verkaufsraum muss dementsprechend in die ganzheitlichen Kommunikationsmaßnahmen integriert werden. Was selbstverständlich auch für neuartige und innovative PoS-Medien gilt (Ern-Stockum et al., 2014; Frey et al., 2011). Die Investitionssumme ist inzwischen um 700 Milliarden Euro gestiegen, für Einrichtungen gab der Einzelhandel circa 350 Millionen Euro mehr aus. Auch die Renovierungszyklen reduzieren sich dadurch (KPMG, 2016). In den USA werden jährlich sogar ganze 60 Milliarden Dollar für PoS­Marketing ausgegeben (Helfgen, 2019). Aus technischer Sicht ist einiges an innovativen Einkaufskonzepten umsetzbar. Jedoch muss stets abgewogen werden, welche zu der Markenkommunikation eines Unternehmens passen und echte Mehrwerte für Kunden entlang der Customer Journey bieten. Von virtuellen Umkleiden, über interaktive Schaufenster oder Tablets als Verkaufsassistenten - die Möglichkeiten der omnichannel Verknüpfungen scheinen endlos. Kanalverknüpfungen von Online und Offlinehandel stehen sich jedoch nicht im Weg. Es geht hierbei keineswegs um Entweder- Oder, sondern um eine gute Integration aller Kanäle. Die Textilindustrie verzeichnet dadurch etwa 30 Prozent mehr Umsätze. Die Marke Burberry perfektioniert diese Kanalverknüpfungen bereits seit Jahren. In dessen Flagship Store in London wird Kunden ein technologisch fortschrittliches und interaktives Erlebnis geboten. Die Innovationen ziehen sich dabei durch das gesamte Gebäude. RFID Tags werden in Kleidungsstücke eingenäht, sodass diese relevante, multimediale Informationen vermitteln können. Spiegel verwandeln sich in Bildschirme und zeigen Modenschauen, welche mittels Satellitenempfang sogar live übertragen werden. Digital Signage navigiert Kunden durch den Laden, wo Mitarbeiter, ausgestattet mit iPads, bereits über deren Kaufpräferenzen Bescheid wissen (Retail Innovation, 2013).

Um dem Wettbewerb des Onlinehandels entgegenzuwirken, sind attraktive Geschäfte mit Anreizen, Service, Beratung und persönlichem Kontakt die beste Lösung. Eine KPMG Studie aus dem Jahr 2016 stellte fest, dass sich das Vertrauen, welches 15 Konsumenten den Onlinerezessionen anderer Käufer entgegenbringen, wesentlich verringerte (KPMG, 2016). Der Einfluss von Fake-Kommentaren könnte dabei einen negativen Effekt haben. Das Vertrauensempfinden gegenüber Empfehlungen des Handels stieg dagegen erheblich (KPMG, 2016). Knapp 60 Prozent der Befragten schätzen Empfehlungen sehr (PricewaterhouseCoopers, 2018). Gute Nachrichten für stationäre Ladengeschäfte und Gründe den Kundenservice weiter auszubauen.

Der Wunsch nach stationären Geschäften bei Verbrauchern und deren Bedeutsamkeit aus Händlersicht ist offensichtlich gegeben. „In Sachen Beratungskompetenz besteht [...] erheblicher Nachholbedarf“ (PricewaterhouseCoopers, 2018). Insbesondere alternative Produktvorschläge und Fakten zu Preis, Herkunft oder Inhaltsstoffen, halten die Hälfte der Konsumenten für mehrwertbietende Informationen. Auch Tipps zur Anwendung sowie individuelle Produktvorschläge kommen bei Verbrauchern gut an (PricewaterhouseCoopers, 2018). Bis zum 39. Lebensjahr sind Konsumenten besonders aufgeschlossen gegenüber neuen Einkaufsinnovationen. In Zukunft wird je nach Technologie eine Steigerung von 80 Prozent erwartet. Der Wunsch nach innovativen Einkaufskonzepte in Ladengeschäften steigt über alle Branchen hinweg. Das liegt daran, dass sich die Kundengruppe der Digital Natives vergrößert (KPMG, 2016). Die sogenannten Digital Natives sind mit der Digitalisierung aufgewachsen und sehen den Umgang mit Technik als selbstverständlich, weshalb sie sich von digitalen Interaktionen im Handel begeistern lassen. Daher erwarten sie digitale Lösungen auf stationären Flächen gewissermaßen (Knoppe & Wild, 2018). Diese Erwartungen der jüngeren Zielgruppen wird früher oder später aber auch auf die breite Masse übergehen (PricewaterhouseCoopers, 2018). Die Silver Surfer, also die technikversierte Kundengruppe über 50 Jahren mit hoher Kaufkraft, dienen als Erklärung. Sie sind empfänglich für technische Innovationen, da sie die Nützlichkeit dieser Werkzeuge erkannt haben. 18 Prozent aller Befragten gaben an, dass ihnen digitale Produktinformationen und Videochats den Einkauf erleichtern. 46 Prozent würden gerne zu den Themen Aufbau und Anwendung mit Experten telefonieren und knapp die Hälfte davon wäre sogar bereit 8 Prozent mehr für solch einen Service zu bezahlen (PricewaterhouseCoopers, 2018). Der bereits unter Kapitel 1 erwähnte britische Konzern Nationwide fand heraus, dass ganze 98 Prozent ihrer Kunden, welche einen Remote Expert zu Beratungszwecken nutzten, damit zufrieden waren. Als hervorragend bezeichneten den Service stolze 93 Prozent. Sie fanden, die Videoexperten, waren ein guter Ersatz für den persönlichen Berater vor Ort, mit dem 16 nur 70 Prozent der Teilnehmer zufrieden waren. Als Grund nannten die Meisten den Wegfall der Wartezeit bei dem Remote Expert (Cisco, 2013).

2.3 Die Einordnung des Remote Experts als Teil von interaktiven PoS-Medien

Remote Experts finden bislang überwiegend in Beratungssituationen komplexer Bank- und Versicherungsgespräche Anwendung. Da sie jedoch auch im stationären Handel die Verkaufsberatung unterstützen können und das gesamte Videoberatungs-Setting als Point-of-Sale-Installation gilt, wird eine Einordnung in Point-of-Sale-Medien als unbedingt notwendig gesehen.

Remote Experts zählen aufgrund ihrer digitalen und interaktiven Komponente nicht zu den klassischen PoS-Medien, sondern zu den neueren, innovativen. Bislang sind Remote Experts meist als Kiosk-Terminal oder mittels eines festinstallierten Screens im Einsatz (Abbildung 15). Aus technischer Sicht spricht jedoch auch nichts dagegen, sie als flexibles, tragbares Verkaufsunterstützungsmedium zu verwenden. Dies hat jedoch den Nachteil, dass Berater und Verkaufspersonal nicht ausgelastet sein dürfen. Ist dies der Fall, machen mobile Assistenten wenig Sinn. Dass Remote Experts auch als tragbare Elemente Vorteile bringen, indem ein Verkäufer vor Ort den Kunden an einen Experten weiterleitet, zeigt der Use Case in Kapitel 2.5.3.3.

Remote Experts unterstützen Konsumenten primär bei der Entscheidungsfindung, indem sie Dialoge führen. Jedoch kommt auch das Digital Signage bei dieser Anwendung zum Gebrauch. Zum einen kann Digital Signage als Default Screen, also als Bildschirmschoner, dienen und zum anderen werden bewegte Inhalte, wie beispielsweise Webseiten im Hintergrund während des Gesprächs eingebettet. Eine klare Abgrenzung, wie Spreer (2013) sie theoretisch beschreibt, kann demnach nicht auf die Remote Expert Technologie angewandt werden. Daher wird Digital Signage nicht als eigenes PoS-Medium betrachtet, sondern als Teil des Videoberatungs PoS­Mediums. Eine Weiterentwicklung von Abbildung 6 veranschaulicht dies und ordnet Remote Experts in die interaktiven PoS-Medien ein (Abbildung 9).

Neben der Informationsfunktion findet die Verkaufsförderung ebenfalls Anwendung bei Remote Experts. Auch Cross-Selling-Vorschläge kann der Experte direkt in Videotelefonaten einfließen lassen. Dadurch schließen Remote Experts Informationsdefizite und unterstützen die reguläre Kundenberatung. Diese Merkmale implizieren einen Einsatz der Anwendung für komplexere Produktkategorien, nicht alltägliche Gebrauchsgüter oder High-Involvement Produkte. Die Anbringung der Innovation sollte also in unmittelbarer Nähe derjenigen Warengruppe angebracht werden, zu welcher der Experte beraten soll. Beispiele aus der Praxis zur Veranschaulichung werden unter 2.5.3 geschildert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Einordnung von Remote Experts als Teil von PoS-Medien. Quelle: Eigene Darstellung.

2.4 Innovative Formen von Technologien zur Unterstützung der Kundenberatung

Innovative Fortschritte ermöglichen neue Formen von zwischenmenschlicher Kommunikation. Durch künstliche Intelligenz entstanden binnen kürzester Zeit Anwendungen, wodurch Interaktionen mit Menschen stattfinden können, ohne ein reales Gegenüber zu haben (Siemon & Robra-Bissantz, 2019). Solche künstlichen, aber auch weitere Interaktionen finden auch im Kundenservice Gebrauch, da sie sowohl Konsumenten als auch Unternehmen Vorteile bieten. Zwei Beispiele werden im Folgenden genannt.

2.4.1 Kurznachrichtendienste und Chatbots

Chatbot steht für „Chat Robot“ und beschreibt ein Dialogsystem, welches mittels Algorithmen auf Anfragen von Kunden reagiert. Das System simuliert einen menschlichen Gesprächspartner, sodass Nutzer das Gefühl haben, mit einer echten Person zu sprechen oder zu schreiben (Bendel, 2016; Maedche et al., 2016; Siemon & Robra-Bissantz, 2019 nach Braun, 2013). Einfache Chatbots antworten auf vorprogrammierte Kommandos, komplexere hingegen nutzen künstliche Intelligenz und können Wissen und Wortschatz mit jeder Konversation erweitern, sodass sie am Ende komplizierte, zusammenhängende Dialoge führen können (Gieling, 2018 nach Tröger, 2017).

Fast 80 Prozent der Deutschen ab 14 Jahren nutzen täglich ein Handy. Beinahe genauso viele Menschen (72 Prozent) verwenden Kurznachrichtendienste, sogenannte Messenger, wie den Facebook Messenger oder WhatsApp (Gieling, 2018). Im privaten Umfeld treffen die Anwendungen auf große Akzeptanz und werden im Alltag stets eingebunden. Sie dienen der Informationsbeschaffung und -weitergabe sowie der Pflege von sozialen Kontakten. Der Austausch passiert entweder mittels Chats, also in Textform, oder per Sprachnotiz, auditiv. Konsumenten sind also mit dem Umgang der Kurznachrichtendienste äußerst vertraut und finden offensichtlich Gefallen daran. An der positiven Kundeneinstellung gegenüber den Messengern haben sich inzwischen auch Unternehmen bedient. So implementieren viele Konzerne Chatbots. Es ist ein schneller, einfacher und günstiger Weg mit Kunden zu interagieren (Gieling, 2018). Auslöser war mit unter Facebook im Jahr 2016, als die Social Media Plattform den eigenen Messenger für Chatbots öffnete. Bis dato wurden über 34.000 Chatbots von Firmen in den Facebook Messenger implementiert. Aber auch andere Big Player des Internets entwickeln Bots zum Kundenkontakt, darunter auch Google oder Microsofts Cortana (Siemon & Robra-Bissantz, 2019).

In der Praxis sind Chatbots so konzipiert, dass sie als Ansprechpartner auf Kunden­oder Supportanfragen, wie beispielsweise zu Produkten beziehungsweise Problemen, reagieren können. Sind sie über Social Media Plattformen oder Kurznachrichtendienste eingebettet, so müssen Kunden nicht erst die Unternehmens­Homepage aufrufen, sondern können gleich via den gewohnten Messengern Problemlösungen erhalten. Für Kunden ist so „das Maximum an Einfachheit [geboten] [...]“ (Gieling, 2018). Aufgrund der ständigen Verfügbarkeit des Kundenservices, nicht 19 vorhandenen Wartezeiten und schneller Antwortrate, wirken sich die Interaktionen zwischen Unternehmen und Kunden positiv auf die Marke aus (Jehmlich, 2017). Der Kontakt zwischen einem Unternehmen durch Chatbots und Verbrauchern wirkt sich erfolgreich auf die Glaubwürdigkeit der Marke und deren dargebotenen Informationen aus. Ob Kunden allerdings lieber mit Bots als mit echten Mitarbeitern sprechen, bleibt offen. Wichtig ist jedoch, Kunden eine Auswahlmöglichkeit an Kontaktmöglichkeiten, entlang der Customer Journey zu bieten (Siemon & Robra-Bissantz, 2019). Der Effekt der Glaubwürdigkeit wirkt sich letztendlich auf die Kundenzufriedenheit und dadurch auch auf die Kaufbereitschaft aus (Holzwarth et al., 2006). Dies könnte auch daran liegen, dass Chatbots, unabhängig von Öffnungszeiten, zur Verfügung stehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Kunden demnach auf Augenhöhe, und zwar dort wo sie sich aufhalten: Auf Social Media Plattformen. 350 KLM Mitarbeiter betreuten insgesamt 25 Millionen Follower im Netz. Da dies nicht ausreichend war, setzte die Airline im Jahr 2011 Chatbots über Messenger Apps, wie Facebook, WhatsApp und weitere, ein. Automatisierte Antworten in neun verschiedenen Sprachen helfen Kunden nun an einfache Informationen zu Buchungsbestätigungen, Flugtickets, Check-in Updates oder dem Flugstatus zu gelangen (KLM, o. J.; KLM, 2017). Der Starbucks Barista Bot hat einen Chatbot in die unternehmenseigene App eingebaut (Abbildung 10). Kunden können hierüber ihre Bestellung aufgeben, bezahlen und erfahren sogar wann das Getränk abholbereit ist.

Auch diese Anwendung funktioniert gleichwohl per Sprach- oder Texterkennung - eine Antwort folgt binnen Sekunden. Das Besondere an diesem Chatbot ist, dass er sich die persönlichen Vorlieben und Präferenzen für zukünftige Bestellungen merkt (Kasan, 2017). Die Datenschutzbestimmungen müssen natürlich stets eingehalten werden, bleiben aber bei der Bearbeitung dieser Arbeit unberücksichtigt.

2.4.2 Augmented Reality

Ein weiteres Mittel, um Online- mit stationärem Handel zu verknüpfen und somit die Integration aller Kanäle vorzunehmen, ist Augmented Reality, kurz AR. „To augment“ bedeutet so viel wie verbessern, ergänzen oder erweitern und beschreibt eine sogenannte „erweiterte Realität“. AR beschreibt computerunterstützte Darstellungen, welche virtuelle Bilder in unsere reale Welt beziehungsweise Wahrnehmung projizieren (Markgraf, 2018). Dies funktioniert wie folgt: Mittels eines Smartphones, Tablets oder sonstigen technischen Geräten visiert man reale Objekte in der Umgebung an. Dabei bekommt man digitale Inhalte zum anvisierten Objekt auf das verwendete Gerät eingeblendet (Spreer et al., 2012). Diese Inhalte können textbasierte Informationen aber auch bildlich dargestellte Produkte sein. Ein Beispiel für AR, welches im Jahr 2016 im privaten Gebrauch an Bekanntheit erlangte, war das Handy Spiel „Pokémon Go“. Nutzer spazierten dabei durch die Gegend und sammelten virtuelle Spielfiguren mittels des Smartphones. Auch im offline Handel wird AR zur Einblendung virtueller Inhalte eingesetzt. Die Technologie gilt sogar als eine der wichtigsten strukturverändernden Trends (Spreer et al., 2012).

Die wohl bekannteste Augmented Reality Anwendung im stationären Handel sind virtuelle Umkleidekabinen im Bereich der Bekleidungsindustrie. Kunden stellen sich vor den Spiegel und bekommen Kleidungsstücke direkt auf das eigene Spiegelbild projiziert. Die Produkte werden also der eigenen, getragenen Kleidung überlagert. Konsumenten müssen sich dadurch nicht aus- und umziehen und können vor der Bestellung bereits sehen, wie die Produkte an ihnen aussehen. Der Hersteller Toshiba, entwickelte den virtuellen Spiegel so, dass Produktdaten des Onlineshops verwendet werden können. Die Navigation entsteht durch Kameras und Software, welche auf Gestensteuerung programmiert sind (Groß, 2015).

Das wohl bekannteste Beispiel aus der Praxis ist der Burberry Flagship Store in London. Hierbei ist das Unternehmen sogar noch einen Schritt weiter gegangen. Hält man ein Produkt vor den Spiegel, werden durch zusätzlich angebrachte RFID Tags weitere Informationen zum Herstellungsprozess eingeblendet (Bug & Nguyen, 2016). Viele weitere Firmen übernahmen ebenfalls virtuelle Umkleiden in ihre stationären Geschäfte (Abbildung 11).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Virtuelle Umkleidekabine. Quelle: Bernstein (2019).

Nicht nur in der Retail-Branche findet Augmented Reality Anklang. Bei IKEA, dem schwedischen Möbelhaus, können Produkte virtuell in die eigenen Räumlichkeiten integriert werden. Ohne weiteres können Kunden so ihre eigenen vier Wände digital neu einrichten. So bekommen Kunden bereits vor dem Kauf eine Vorstellung davon, wie die gekauften Möbelstücke später Zuhause aussehen werden (Groß, 2015). Die Spielzeugmarke LEGO implementiere ebenfalls eine AR Lösung am PoS. Hielten Kunden originalverpackte Bausätze vor Kameras an Kiosksystemen, so konnten sie diese betrachten und sogar zusammenbauen. Augmented Reality kann also über alle Branchen hinweg eingesetzt werden (Heinemann, 2017), sofern natürlich ein Mehrwert für Kunden geschaffen wird. Generell wird durch die Implementierung der Technologie ein Erlebnis am PoS geschaffen. Der Point-of-Sale wird ein Point-of-Experience.

AR schafft jedoch nicht nur Erlebnisse, sondern unterstützt Konsumenten ebenfalls mit sinnvollen Funktionen, wenn auch auf eine spielerische Art und Weise. Laut Spreer et al. (2012) beeinflussen die mehrwertbietenden Zusatzinformationen die Kundenzufriedenheit positiv. Als besonders mehrwertbietend gelten insbesondere Kundenbewertungen, da Nutzer mit diesen bereits aus dem Onlinehandel vertraut sind. Einfach und branchenübergreifend umzusetzen sind beispielsweise Empfehlungen wie „Kunden, die Produkt X kauften, kauften auch Produkt Y“ (Spreer et al., 2012). Insgesamt bewerten Konsumenten, die Erfahrungen mit Augmented Reality während des Einkaufes machen, diesen als effektiver. Sie nehmen Käufe nicht nur als unterhaltsamer und informativer wahr, sondern empfinden Kaufentscheidungen als weniger risikoreich. Unsicherheiten bei der Produktbewertung werden also minimiert (Schreiber, 2020).

2.5 Remote Experts auf stationären Flächen

Als Weiterentwicklung der unter 2.4 genannten Technologien zur Unterstützung der Kundenberatung kann die Videoberatung gesehen werden. Während Chatbots und Augmented Reality die Verkaufsberatung rein technisch fördern, verbinden Remote Experts die Vorteile von Online- und stationärem Handel.

2.5.1 Begriffliche Grundlagen und Funktionsweisen von Remote Experts

Wie bereits unter Punkt 1.4 beschrieben handelt es sich bei Remote Experts um Videoberater, welche dabei unterstützen, „den Handel effizienter zu machen“ (Burgmaier & Hüthig, 2015). Die Besonderheit an dieser Innovation ist, dass eine technische Komponente mit einer Dienstleistung kombiniert wird und ineinander verschmilzt. Diese Form der Onlineberatung verläuft synchron per Videoübertragung. Sie kann bei Bedarf auch um textbasierte Kommunikation oder visuelle Komponenten erweitert werden (Engelhardt & Gerner, 2017). Textelemente können beispielsweise durch einen Chat übermittelt werden. Da bei dieser Form der Onlineberatung das Video und damit das Sichtbarwerden im Fokus steht, geht im Vergleich zur textuellen Beratung im Chat, die Anonymität verloren (Engelhardt, 2018). Der Begriff der Videoberatung wird in der Literatur bislang nur wenig klassifiziert, da eine wissenschaftliche Betrachtung der Thematik bisher kaum stattfand. Definitionen basieren daher auf praktischer Erfahrung, was jedoch nicht ungeläufig ist. Dies wird sich auch in der Anfangsphase anderer digitaler Anwendungen zunutze gemacht, wie beispielsweise bei der rein textbasierten Onlineberatung, so Engelhardt (2018).

Remote Experts können je nach Branche, Dienstleistung, Kundenbedürfnis und Mehrwerte auf verschiedene Art und Weise auf stationären Flächen implementiert werden. In Konzernen kann es für Remote Expert Technologien speziell eingerichtete Räume geben, welche für die Beratungssituation zum Einsatz kommen. Auch bei Banken ergeben abgeschirmte Videoberatungs-Zellen Sinn, um Privatsphäre und Datenschutz zu gewährleisten. Im Handel oder generell auf stationären Flächen sind vor allem Kiosksysteme von Vorteil. Gibt es keinen stationären PoS, sondern nur einen Onlineshop, so können Videoberater über webbasierte Programme oder Desktop­Versionen an einer Liveberatung teilnehmen. Ersteres bietet einen erheblichen Vorteil, da Kunden kein speziell benötigtes System herunterladen müssen und somit keine Hemmschwelle zur Teilnahme besteht. Findet die Videoberatung online, über den eigenen Computer zu Hause statt, so müssen weitere Voraussetzungen für den Kunden erfüllt werden. Im Idealfall wird vorab ein Termin vereinbart, wie es bei face- to-face Beratungen auch gehandhabt werden würde. Zudem müssen technische Informationen bereitgestellt werden, wie Zugangsdaten zur Einwahl, gegebenenfalls benötigtes Equipment, wie Webcam oder Headset, und eine alternative Vorgehensweise, sollte es technische Komplikationen geben.

Zu den unterschiedlichen Möglichkeiten der Implementierung kommen auch unterschiedliche organisatorische oder technische Voraussetzungen (Engelhardt, 2018). Bei vertraulichen Beratungen sollte sich der Experte selbstverständlich im Voraus auf das Gespräch vorbereiten. Ruft der Kunde jedoch spontan aus einem Baumarkt an, bezüglich einer Produktfrage, ist dies nicht unbedingt erforderlich. Allerdings wird natürlich erwartet, dass ein Vertreter der Marke auch dementsprechend gut mit dem eigenen Sortiment vertraut ist. Engelhardt (2018) hält einen ruhigen Arbeitsplatz ohne Durchgangsverkehr seitens des Beraters für essenziell. Zudem sollte der Berater neutral gekleidet sein. Der von der Kamera erfasste Hintergrund sollte außerdem neutral und reizarm sein. Dem kann jedoch nicht ganz zugestimmt werden. Eingeblendete Produktbilder veranschaulichen das Verkaufsgespräch und helfen Kunden somit, um ein besseres Verständnis zu erlangen. Um die Professionalität der Remote Expert Anwendung zu gewahren, kann man sich ein Fernseh-Nachrichtenstudio zum Vorbild nehmen. Der Berater agiert dabei ähnlich wie ein Fernsehmoderator, der sich im Idealfall in einem sogenannten Green Room befindet (Abbildung 12). Die Wände des Green Rooms sind, wie der Name schon sagt, grün. Das hat den technischen Vorteil, dass eine Kulisse oder ein bestimmter Hintergrund hinter den Vortragenden hineinprojiziert werden kann. Der Präsenter hat so die Möglichkeit in einer anderen Umgebung zu erscheinen (Bellwald, 2019; Sturm, o. J.). Eine Software stanzt das gewünschte Bild in die Farbe Grün. Hat der Moderator ein grünes Hemd an, so erscheint der Hintergrund anstelle des Hemds, weshalb grüne Kleidung zu vermeiden ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12: Green Room der ZDF Heute Show. Quelle: Sturm (o. J.).

In den Hintergrund können somit Bilder und Videos eingeblendet werden. Diese visuelle Komponente unterstützt das Beratungsgespräch enorm, da es die gesprochenen Inhalte bildlich aufgreift und die Situation veranschaulicht. Webseiten eignen sich dafür ausgezeichnet, da sie Produkte und Dienstleistungen bereits beinhalten. Außerdem entsprechen sie der Corporate Identity, weshalb sie den Berater als tatsächlichen Mitarbeiter identifizieren. Neben Webseiten eignen sich jedoch auch weitere Kanäle des Unternehmens oder der Marke, um diese in den Hintergrund einzubetten. Generell kann durch einen Remote Expert die omnichannel Verknüpfung erweitert werden. Erscheint der Onlineshop im Hintergrund, kann der Experte unmittelbar auf Alternativprodukte hinweisen. Social Media Seiten können ebenfalls in den Hintergrund eingebettet werden, um die Beratung durch Produktvideos zu veranschaulichen. Bei komplexen Themen ist es laut Brock & Bieberstein (2015) wichtig, dass Kunde und Berater einen gemeinsamen Blick auf die Bildschirme haben, um sich verständlicher ausdrücken sowie die Kommunikation des Gegenübers leichter nachvollziehen zu können. Das Screensharing ist dafür eine geeignete Methode. Bei der Untersuchung der Gestaltung in Kapitel drei werden die Gestaltungseigenschaften daher auf die eingeblendeten Hintergründe bezogen.

Ein Ziel der Videoberatung ist „die rückläufige Kontaktfrequenz in der Filiale mit dem Wunsch der Kunden nach persönlichem Kontakt zu vereinbaren“ (Brock & Bieberstein, 2015). Der Kunde kann, muss aber im Zweifel nicht in die Filiale kommen. Dies ist stets abhängig von den Zielen, Maßnahmen oder Mehrwerten, welche seitens der Unternehmen erfüllt werden sollen. Vielmehr sollen Remote Experts das reguläre Beratungsangebot ergänzen, anstatt es zu ersetzen. Häufig gibt es ein eigenes Team, welche für die Tätigkeiten der Video-Experten zuständig ist. Außerdem gilt es oftmals als eine Art Weiterentwicklung des Service-Call-Centers. Dies „widerspricht [zwar] dem Ansatz, den persönlichen Kontakt zum Kunden über eine langfristige Kundenbeziehung zu dem jeweiligen persönlichen Berater herzustellen“ (Brock & Bieberstein, 2015), allerdings wäre dies im Bereich Handel auch gar nicht notwendig. Ein weiteres Ziel kann die Entgegenwirkung der rückläufigen Kontaktquote zwischen Mitarbeiter und beratender Person darstellen. Kann die Remote Expert Anwendung zudem außerhalb der üblichen Geschäftszeiten verwendet werden, intensiviert es zum einen den Erfolg und wird zum anderen dem Kundenbedürfnis nach flexibleren Terminen gerecht (Brock & Bieberstein, 2015).

2.5.2 Vor- und Nachteile von Remote Experts

Im Folgenden werden die Vor- und Nachteile der Videoberatung aufgezeigt. Hierbei gilt es zu beachten, dass es zwischen Händlern, Unternehmen sowie Konsumenten einen unterschiedlich wahrgenommenen positiven oder negativen Nutzen gibt.

Da die Experten standortübergreifend für eine Vielzahl von Filialen tätig werden können, minimieren Unternehmen die Kosten für Servicepersonal erheblich. Die Beratungsprozesse werden dadurch ebenso verbessert, da Fachberater exakt dort eingesetzt werden, wo Kunden ihr Expertenwissen benötigen (Engelhardt, 2018). Ein positiv verlaufenes Beratungsgespräch führt allgemein zu einer verbesserten Kundenzufriedenheit und letztlich auch zu mehr Kundenloyalität. Sind Konsumenten gut beraten, so minimiert sich auch das Kaufrisiko, was insbesondere bei High- Involvement Produkten essenziell ist. Interessiert sich ein Kunde beispielsweise für einen Staubsauger einer bestimmten Marke, so kann sich dieser direkt auf der stationären Fläche mit einem Markenvertreter austauschen. Die Produkte können verglichen werden und der Experte kann gegebenenfalls ein Alternativprodukt vorschlagen, welches den Kundenbedürfnissen besser gerecht wird. Ein weiterer Mehrwert der Technologie ist die überbrückte Distanz, welche die Anwendung ebenfalls schließen kann (Engelhardt, 2018). Kunden können somit zuerst mit dem Experten von Zuhause aus sprechen, bevor sie eine längere Anfahrt in Kauf nehmen. Dies spart zum einen Zeit und zum anderen Unmut, wäre die Fahrt in das Geschäft erfolglos gewesen.

Häufig werden Servicemitarbeiter eher als Verkäufer anstatt als Kundenberater wahrgenommen. Dies resultiert aus mangelndem Vertrauen seitens der Konsumenten. Jeder vierte Käufer misstraut seinem Berater und wenn, dann nur gering (Brock und Bieberstein, 2015 nach Besser und Schilling 2011). Kunden sind häufig der Meinung, dass nicht auf ihre Wünsche eingegangen und ihnen gewinnbringende Produkte aufgezwungen werden. Wird dem Ratsuchenden während des simultanen Gesprächs jedoch klar, dass das Ergebnis das Resultat der Antworten ist, so nimmt dieser die Empfehlungen eher an. Diese Wirkung kann durch Realtime-Beratungsanwendungen erzielt werden. Denn Echtzeit schafft bei Kunden Vertrauen (Brock & Bieberstein, 2015).

Neben diesen offensichtlichen gibt es zudem eine Reihe von unterschätzen Vorteilen. Durch das Video wird nonverbale Kommunikation mittels Mimik und Gestik an das Gegenüber übermittelt. Dies schafft einerseits soziale Nähe und bietet andererseits die Möglichkeit Feedback direkt zu geben. Im Vergleich zu rein textbasierten oder telefonischen Serviceleistungen, minimiert die Videoberatung Fehlinterpretationen, durch schnelle Rückfragen (Engelhardt, 2018). So müssen Anliegen nicht detailliert, schriftlich erfolgen, was ebenfalls zeitintensiv ist, sondern können geschildert und im Zweifel auch gezeigt werden, indem Produkte in das Bild gehalten werden. Ein weiterer Vorteil und eine erhebliche Chance ist die Nutzung von Videokommunikation im privaten Gebrauch. Durch Videotelefonie sind Konsumenten bereits an die Situation und den Umgang mit anderen Menschen zu telefonieren und diese gleichzeitig zu sehen vertraut. Die technischen Systeme und deren Anwendung sind bekannt, sodass dies auf eine positive Einstellung gegenüber Remote Expert Innovationen hindeutet.

Die größte Hürde, die die Videoberatung mit sich bringt, ist ein schnelles Internet, welche in ländlichen Gebieten häufig nicht ausreichend ausgebaut ist. Eine instabile Internetverbindung gewährleistet daher keine flüssige und störungsfreie 27 Videoübertragung (Brock & Bieberstein, 2015; Engelhardt, 2018). Sind Konsumenten mit der Bedienung und dem technischen Equipment nicht vertraut, stellt dies ebenfalls eine gravierende Barriere dar. Deshalb erfordert die Videoberatung sowohl bei Verbrauchern, als auch bei Mitarbeitern Aufklärung, Überzeugungsarbeit und Einarbeitung (Brock & Bieberstein, 2015). Laut Engelhardt (2018) führt das dauerhafte Fixieren eines Screens zu einer kognitiven Überforderung und somit zu einer verminderten Konzentration. Die vermittelten Inhalte werden daher nur erschwert wahrgenommen. Hier ist allerdings zu erwähnen, dass die meisten Arbeitnehmer ihre Aufmerksamkeit konstant auf einen Bildschirm richten und mit einer möglichen, erschwerten Wahrnehmung von Online-Content vertraut sind.

2.5.3 Praxisbeispiele

2.5.3.1 Hypovereinsbank

Die bekanntesten Anwendungsbeispiele von Remote Experts aus der Praxis stammen aus dem Banken- und Versicherungssektor. Bereits seit acht Jahren setzt die HypoVereinsbank auf Videoberatung für Privatkunden. Zu Beginn wurde die neue Beratungsmöglichkeit auf der Internetseite integriert um die Filialöffnungszeiten auf 22 Uhr abends sowie das Wochenende, inklusive Sonntag, erweitert. Über 1.000 Bankkunden, welche an ersten Tests teilnahmen, waren sehr positiv von den neuen Serviceleistungen angetan. Ziel der Bank war es neue, digitale Beratungsansätze zu schaffen und gleichzeitig den persönlichen Kontakt aufzuwerten. Die Live- Videoberatung wurde im zweiten Schritt auf das Filialnetzwerk ausgeweitet und zu einem sogenannten „kombinierten Beratungsangebot“ erweitert. Während eines Termins mit einem persönlichen Berater in der Filiale wurden Experten per Bildschirm zum Beratungsgespräch dazu geschaltet. Dieser wird von anderen Standorten ad hoc und individuell, je nach Themengebiet, integriert. Wird ein Kunde zum Thema Immobilienfinanzierung beraten, wird in diesem Fall auch ein Immobilienexperte hinzugezogen. Die Beratung wird dadurch flexibler und mit Wissen verstärkt. Im ersten Schritt bietet die HypoVereinsbank Produkte zu Konten, Sparen, Kreditkarten und Baufinanzierung an. Werden die Produkte komplexer, wie zum Beispiel Immobilien oder Wertpapiere, wird im zweiten Schritt ein Termin mit einem Experten vereinbart. Dokumente und Vertragsunterlagen werden dem Kunden im Anschluss per Post oder online zugesandt. Insgesamt 50 solcher Remote Experts sollten für den neuen Beratungsansatz eingeschult werden. Außerdem wurde das Produktangebot innerhalb der Remote Gespräche laufend erweitert (HypoVereinsbank, 2012). Das schließt auf eine erfolgreiche Implementierung von Remote Expert Beratungsansätzen.

2.5.3.2 Volksbank Raiffeisen Bank

Ähnlich hat auch die Volksbank Raiffeisen Bank in Lustadt einen Remote Expert integriert. Wie viele Genossenschaftsbanken stehen auch sie vor dem Problem der Filialschließung, weshalb sich die Videoberatung hier aus der Not heraus entwickelte. Denn einen klassischen Bankschalter gibt es hier nicht mehr. Kunden können in einer Art Telefonzelle per Video mit ihrem Berater kommunizieren und dabei ganz normale Bankgeschäfte tätigen, wie man sie von regulären Besuchen in der Hausbank kennt. Überweisungen tätigen, Daueraufträge anpassen oder Karten beantragen wird per Videoberatung durchgeführt. In beinahe 40 Filialen stehen über 20 Videokabinen (Atzler, 2019). Das sind durchschnittlich zwei pro Bank.

[...]

Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Remote Expert. Die Gestaltung der Videoberatung auf stationären Flächen
Hochschule
Universität Wien  (Marketing und Int. Marketing)
Note
2
Autor
Jahr
2021
Seiten
132
Katalognummer
V1031743
ISBN (eBook)
9783346435323
ISBN (Buch)
9783346435330
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Videoberatung, Remote Expert, stationäre Fläche, Omnichannelverknüpfung, Gestaltung der Videoberatung
Arbeit zitieren
Pauline Elisabeth Szilard (Autor:in), 2021, Remote Expert. Die Gestaltung der Videoberatung auf stationären Flächen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031743

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