Das Framing der Corona-Krise in Audio-Formaten für Kinder

Eine Analyse der Angebote Kiraka Klicker, Kakadu, GEOlino Spezial – Gemeinsam gegen Corona und Wie erkläre ich’s meinem Kind?


Bachelorarbeit, 2020

92 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abstract

Abbildungsverzeichnis

Einleitung

1 Die Funktionen von Massenmedien
1.1 Soziale Funktionen
1.2 Politische Funktionen
1.3 Okonomische Funktionen
1.4 Informationsfunktion
1.5 Qualitatsjournalismus

2 Kindermedien und ihre Wirkungen
2.1 Mediennutzung von Kindern
2.2 Medienangebote fur Kinder
2.2.1 Print-Angebote
2.2.2 TV-Programme
2.2.3 Horfunk-Programme
2.3 Mediensozialisation von Kindern
2.4 Die Bedeutung von Medien im Verlauf der kindlichen Entwicklung
2.4.1 Der Einfluss der Medien vor der Geburt
2.4.2 Der Einfluss der Medien in der fruhen Kindheit
2.4.3 Der Einfluss der Medien in der mittleren Kindheit
2.4.4 Der Einfluss der Medien in der spaten Kindheit
2.5 Nachrichtenrezeption von Kindern
2.5.1 Qualitatskriterien fur Kindernachrichtensendungen
2.5.2 Nachrichten - ein unterschatztes Gefahrenpotential?
2.6 Wirkungspotentiale von Medien
2.6.1 Kommunikator-orientierte Modelle
2.6.2 Rezipienten-orientierte Modelle
2.6.3 Transaktionale Modelle

3 Konstruktion von Medienrealitat
3.1 Nachrichtenwerttheorie
3.1.1 Nachrichtenfaktoren und Nachrichtenwert
3.1.2 Die Zwei-Komponenten-Theorie
3.1.3 Kausal- und Finalmodell
3.1.4 Wichtige Nachrichtenfaktoren im Uberblick
3.1.4.1 Harte Nachrichtenfaktoren
3.1.4.2 Weiche Nachrichtenfaktoren
3.1.5 Die Bedeutung von Nachrichtenfaktoren in der Kinderinformation
3.2 Framing
3.2.1 Entstehung von Medien-Frames
3.2.2 Identifizierung von Medien-Frames
3.2.3 Wirkung von Medien-Frames
3.2.4 Die generischen Frames von Semetko und Valkenburg

4 Krisen und Medien
4.1 Empirische Befunde zum medialen Handeln in Krisen
4.2 Die Corona-Krise und ihre Auswirkungen fur Kinder

5 Forschungsfragen und Hypothesen
5.1 Stand der Forschung
5.2 Hypothesen und Herleitung

6 Inhaltsanalyse
6.1 Forschungsdesign, Stichprobe und Forschungsgegenstand
6.1.1 Kiraka Klicker
6.1.2 Kakadu
6.1.3 GEOlino Spezial - Gemeinsam gegen Corona
6.1.4 Wie erklare ich's meinem Kind?
6.2 Codebuch und Kategorien
6.3 Ergebnisse
6.3.1 Fall-, Genesenen-, Todeszahlen
6.3.2 Direkte Ansprache
6.3.3 Perspektiven
6.3.4 Anteil von Themen uber das Virus an der Gesamtberichterstattung
6.3.5 Spektrum der Virologen und Experten
6.3.6 Gebrauch von Metaphern
6.3.7 Einsatz von Frames
6.3.8 Auftreten von Nachrichtenfaktoren

7 Einordnung und Ausblick
7.1.. Methodenkritik
7.2 Prufung der Hypothesen
7.3 Beantwortung der Forschungsfrage
7.4 Zusammenfassung und Perspektiven

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Nennungen der Zahl der Infizierten/Verstorbenen/Genesenen in Corona-Folgen

Abbildung 2: Direkte Ansprache in Corona-Folgen

Abbildung 3: Direkte Ansprache in Corona-Folgen der verschiedenen Formate

Abbildung 4: Anzahl der dargestellten Perspektiven in Corona-Folgen

Abbildung 5: Anzahl der Darstellungen der einzelnen Perspektiven in Corona-Folgen

Abbildung 6: Monatsubersicht des Corona-Anteils an der Gesamtberichterstattung bei Kiraka Klicker

Abbildung 7: Platzierung des Beitrags innerhalb der Gesamtberichterstattung bei Kiraka Klicker

Abbildung 8: Anteil aller Kakadu -Folgen, die vom Corona-Virus handeln

Abbildung 9: Anteil aller Wie erklare ich's meinem Kind? -Folgen, die vom Corona-Virus handeln

Abbildung 10: Vergleich der Corona-Folgen von Kakadu und Gesamtzahl der Folgen in einem Monat 59 Abbildung 11: Vergleich der Corona-Folgen von Wie erklare ich's meinem Kind? und der Gesamtzahl der Folgen in einem Monat

Abbildung 12: Verweis auf Virologen in Corona-Folgen

Abbildung 13: Verweis auf Experten in Corona-Folgen

Abbildung 14: Namen der Virologen in der Formatubersicht

Abbildung 15: Namen und Anzahl der Verweise der Experten

Abbildung 16: Nutzen einer Metapher in Corona-Folgen

Abbildung 17: Anzahl der auftretenden Frames in Corona-Folgen

Abbildung 18: Anzahl des Auftretens aller Frames in Corona-Folgen

Abbildung 19: Auftreten des Human-Interest-Frame in Corona-Folgen privatwirtschaftlicher und offentlich-rechtlicher Formate

Abbildung 20: Auftreten von Nachrichtenfaktoren in Corona-Folgen

Abbildung 21: Harte und weiche Nachrichtenfaktoren in Corona-Folgen privatwirtschaftlicher Formate

Abbildung 22: Nachrichtenfaktoren in Corona-Folgen privatwirtschaftlicher Formate

Einleitung

„Das Wort ist das Wunder; es lasst uns lachen und weinen, es erhebt und demutigt uns, es macht uns krank und es macht uns gesund. Ja es gibt uns das wahre Leben hier und dort“ (Fontane 2018: 252).

Dieses Zitat von Theodor Fontane gewinnt in Zeiten, in denen ein Virus es schafft, das globale Leben nahezu lahmzulegen und in denen ein Mindestabstand, das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes und der Verzicht auf Kontakte zu Freunden und Familie die neue Realitat bilden, eine besondere Bedeutung. Fur Kinder ist es besonders schwer, sich in einer solchen Situation zurechtzufinden, fallt der Austausch in der Schule oder mit Freunden pandemiebedingt sparlich aus. Direkte Erfahrungen sind selten, ist das Virus schlieRlich unsichtbar und wird verbreitet, ohne dass man es merkt. In einer medial gepragten Kindheit bilden die Medien neben dem familiaren Umfeld hier eine wesentliche Informationsquelle fur die Kinder. Doch Medien sind viel mehr als das: Sie sind Mittel gegen Langeweile und Zufluchtsort in den unterschiedlichsten Gefuhlslagen.

Die Art und Weise, wie Journalisten1 kommunizieren und wie sie Wissen uber das Virus verbreiten, gewinnt dadurch an gesamtgesellschaftlicher Bedeutung, bilden die Kinder von heute schlieRlich das Fundament fur die nachsten Jahrzehnte und sind Teil des offentlichen Verhaltens in kommenden Krisen.

Mit Blick auf das weite Feld der medienpadagogischen Forschung soll sich in dieser Untersuchung einzig auf das Framing und die Darstellung der Corona-Krise in bestimmten Audio-Formaten bezogen werden. Dafur werden neben der Kindernachrichtensendung des Westdeutschen Rundfunk Kiraka Klicker und dem Kakadu -Podcast von Deutschlandfunk Kultur auch die beiden privatwirtschaftlichen Formate GEOlino Spezial - Gemeinsam gegen Corona und der Wie erklare ich's meinem Kind? -Podcast der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit Hilfe einer quantitativen Inhaltsanalyse untersucht. Dabei soll die folgende Forschungsfrage Antwort finden:

Wie wird die Corona-Krise in offentlich-rechtlichen und privatwirtschaftlichen Kinder-Audio-Formaten dargestellt?

Der theoretische Teil dieser Arbeit beginnt mit einer Erlauterung der Funktion der Massenmedien, die in soziale, politische, okonomische und informative Aspekte unterteilt wird. Es folgt ein Unterkapitel zu journalistischer Qualitat, in der die wesentlichen, normativen Anforderungen an die Massenmedien beleuchtet werden.

Das zweite Hauptkapitel widmet sich dem groRen Feld der Kindermedien und fuhrt nach einer einleitenden Erklarung zum Mediennutzungsverhalten und einer Ubersicht uber die Kindermedienlandschaft zum Prozess der Mediensozialisation und zur Bedeutung von Medien im kindlichen Entwicklungsverlauf. Weiter geht es hier um Spezifitaten in der Nachrichtenrezeption von Kindern, die durch ein Unterkapitel uber Qualitatskriterien abgerundet werden. Das letzte Unterkapitel befasst sich schlieRlich mit der Wirkung von Medien auf Kinder.

Im dritten Hauptkapitel werden wesentliche Theorien, auf die sich im Forschungsteil dieser Arbeit berufen werden soll, dargestellt. Dazu gehort neben der Nachrichtenwerttheorie auch der Framing- Ansatz, die beide, jeweils mit Fokussierung auf die Ausrichtung dieser Arbeit ausfuhrlich erortert werden.

Als Abschluss des Theorieteils folgt ein Exkurs in das Feld der Krisen und Medien, in welchem empirische Befunde zum Medienverhalten in Krisen prasentiert und fruhe Forschungserkenntnisse zur Corona-Pandemie und ihren Auswirkungen auf Kinder dargestellt werden sollen.

Der Forschungsteil dieser Arbeit beginnt mit einer Darlegung des aktuellen Stands der Forschung, in der zentrale empirische Studien beleuchtet werden. Es folgt die Formulierung der Forschungsfrage und das Aufstellen der Hypothesen, die aus den gewonnenen Erkenntnissen gegrundet werden.

Im nachfolgenden Kapitel wird das methodische Vorgehen detailliert beschrieben, indem zunachst die Vor- und Nachteile einer quantitativen Inhaltsanalyse erortert, die gewahlte Stichprobe umrissen und anschlieRend jedes der vier Formate kurz vorgestellt wird. AnschlieRend wird das Codebuch beschrieben, bevor die Untersuchungsergebnisse in den jeweiligen Unterkapiteln prasentiert werden.

Nach einer kurzen Methodenkritik folgt im siebten Hauptkapitel die Prufung der Hypothesen und die Deutung der Ergebnisse. Auf die Beantwortung der Forschungsfrage folgt ein bilanzierendes Fazit, das die Arbeit abrundet.

1 Die Funktionen von Massenmedien

Als zentrales Kommunikationsgrundrecht gilt in der Bundesrepublik Deutschland die Informations- und Meinungsfreiheit, welche auf individualrechtlicher Seite jedem die Moglichkeit gibt, seine Meinung frei zu auRern, sich aktiv und ungehindert zu informieren und so aktiv am Prozess der „offentlichen Meinungs- und Willensbildung" teilzuhaben (Purer 2014: 418).

Den Massenmedien kommt auf demokratiepolitischer Seite mit der ebenso gewahrten Pressefreiheit und der Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film hier jedoch vielmehr eine „dienende Funktion" zu, denn: „Die Freiheit der Massenmedien ist fur den sozialen und politischen Prozess freiheitlich-demokratischer Ordnungen konstitutiv" (ebd.: 418).

Um dieser Funktion nachzukommen, gilt die staatsunabhangige Organisation der Massenmedien als wesentlich (ebd.: 419).

In der Bundesrepublik Deutschland liegt die Verantwortung fur Medienangelegenheiten stets bei den einzelnen Bundeslandern, so wurden fur die Presse die Landespressegesetzte verabschiedet (ebd.: 421). Auf Seiten des Rundfunks ist der Staatsvertrag fur Rundfunk und Telemedien im November 2020 durch den neuen Medienstaatsvertrag der Lander ersetzt worden und enthalt von nun an sowohl Bestimmungen fur den klassischen Rundfunk als auch fur Medienplattformen, Medienintermediare, Video-Sharing-Dienste und Werbung (Hartung 2020).

Dabei gliedert sich der Rundfunk seit 1984 in ein duales System und wird in den offentlich-rechtlichen und den privat-rechtlichen Rundfunk unterteilt (Beck 2003: 332). Dem offentlich-rechtlichen Rundfunk kommt hier die Aufgabe des Leistens der Grundversorgung zu. Diese impliziert neben der „Vollversorgung der Bevolkerung mit Horfunk und Fernsehen in Form eines Mindestprogramms" ebenso „umfassende Information, Unterhaltung, Bildung und Beratung" (ebd.: 334). Dabei gilt: „Die Vielfalt der Meinungen und die umfassende Information der Burger muss von den offentlich- rechtlichen Anstalten innerhalb ihres Programms gewahrleistet werden [.]" (ebd.: 334).

Die Finanzierung geschieht aus Grunden der Staatsferne nicht etwa durch Steuern, sondern wird unabhangig als Rundfunkbeitrag erhoben. Hinzu kommen Erlose aus Werbung und Programmrechteverkauf (Purer 2014: 295).

Im Gegensatz zum offentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen oberstes Ziel das Gewahrleisten der Grundversorgung ist, kann sich der privatwirtschaftliche Rundfunk auf die Gewinnmaximierung fokussieren (Beck 2003: 344). Seine Finanzierung geschieht im Wesentlichen durch Werbeeinnahmen und Sponsoring oder, im Falle des kostenpflichtigen Pay-TV, durch Abonnementgebuhren (ebd.: 344). Auf rechtlicher Ebene verantworten neben dem Medienstaatsvertrag auch die Landesmediengesetze die Richtlinien, die fur die privatwirtschaftlichen Programme gelten. Auch hier sind journalistische Grundsatze niedergeschrieben, wie die „Sicherung gleichgewichtiger Vielfalt", die, verglichen mit den Anforderungen der Grundversorgung an die offentlich-rechtlichen Programme, den privatwirtschaftlichen Veranstaltern jedoch ein groReres MaR an inhaltlicher Freiheit ermoglichen (ebd.: 403f).

Das nachfolgende Kapitel behandelt die Funktionen der Massenmedien im gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang. Hier werden den publizistischen Medien eine Reihe von Leistungen zugeschrieben, deren Erbringen fur den Fortbestand des gesellschaftlichen Systems von hoher Bedeutung sind und die von der Gesellschaft mit einer Art Bringschuld von den Medien gefordert werden (Burkart 2019: 327).

1.1 Soziale Funktionen

Als zentrale, soziale Funktion der Massenmedien ist, mit Hinblick auf die Ausrichtung dieser Forschungsarbeit, insbesondere die Sozialisationsfunktion wesentlich. Diese beschreibt die Rolle der Medien als gesellschaftliche Instanz, die „gesellschaftliches Wissen sowie verhaltensleitende Werte, Normen und Rollenanforderungen auf die nachste Generation" ubertragt (Burkart 2019: 328). Im Prozess des Heranwachsens Kinder und Jugendlicher nehmen die Massenmedien so neben primaren Sozialisationsinstanzen, wie Eltern und Familie und sekundaren Sozialisationsinstanzen, wie dem Umfeld in Kindergarten, Schule und im Freundeskreis, eine weitere, tragende Position ein (ebd.: 328). So kommunizieren die publizistischen Medien „Rollenwissen und Rollenmuster (Unterhaltung), Leitbilder, Werte, Denkformen und Verhaltensweisen" die kennengelernt und individuell erprobt werden konnen (Beck 2017: 103).

Hier ruckt verstarkt die Frage in den Mittelpunkt, inwieweit uberhaupt von einer zusatzlichen Sozialisationsinstanz gesprochen werden sollte, da das Kind in einer zunehmend digitalisierten Welt ohnehin in seinem Aufwachsen standig von den umgebenden Medien beeinflusst und gepragt wird (Burkart 2019: 329; Schneider 2014: 296). Mit Verweis auf die standige mediale Signierung der heutigen, gesellschaftlichen Kommunikation attestiert Burkart, dass „ein Auseinanderhalten von allgemeiner Sozialisation und Mediensozialisation ohnehin langst verunmoglicht" sei (Burkart 2019: 329).

Auf konkrete Prozesse der kindlichen Mediensozialisation soll in Kapitel 2.3 und im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch genauer eingegangen werden.

Im Zuge einer stetig komplexer werdenden Umwelt nehmen die Massenmedien eine weitere, zentrale Funktion in der heutigen Gesellschaft ein. Durch sogenannten „Ratgeberjournalismus" sorgen die Medien fur soziale Orientierung und Lebenshilfe und ermoglichen ein Zurechtfinden in komplexen Wirklichkeitsbereichen (ebd.: 329). Dabei sorgt insbesondere die „Existenz vieler unterschiedlicher Sinnwelten" fur einen erschwerten Umgang mit den bereitgestellten Erfahrungs-, Denk- und Handlungsweisen, dem die Massenmedien mit ihrem dargebotenen Orientierungsangebot Abhilfe verschaffen (ebd.: 329).

So bieten sie unter anderem „Informationen uber Verfahren und Praktiken der Gesellschaft und Beratungsleistungen fur zum Teil sehr spezielle Fragen" (Beck 2017: 104).

Der dritten, sozialen, durch die Medien zu erbringenden Leistung wurde insbesondere im Zuge der Fluchtlingsbewegung aus dem Jahre 2015 mehr Gewichtung zugesprochen. So sollen im Rahmen der Integrationsfunktion „gesellschaftlich anerkannte Verhaltensweisen und Verhaltensnormen“ sowie eine „Massenloyalitat fur die Geltung der sozialen (politischen und rechtlichen) Normen“ medial vermittelt werden (Burkart 2019: 330). Hinzu kommt das Herstellen eines individuellen Gefuhls der Zugehorigkeit und Identifikation mit der Gesellschaft sowie eine Handlungsbereitschaft in Bezug auf die „Durchsetzung gemeinsamer Interessen“ (ebd.: 330).

Im offentlich-rechtlichen Rundfunk geschieht dies durch das bewusst ausgewogene Gestalten der Programminhalte, indem „Minoritaten und Randgruppen“ ebenso wie „Lebensformen, Anschauungen und Interessen“ auRerhalb der Norm in den medialen Erzeugnissen offentlich-rechtlicher Programme Platz finden (ebd.: 331).

Beck erganzt die Wirkungsbereiche der Integrationsfunktion durch das durch „Selektion und Strukturierung von Themen und Aussagen“ ermoglichte Schaffen einer Grundlage fur die „interpersonale Anschlusskommunikation“, und verweist damit auf das Liefern von Gesprachspunkten im alltaglichen Leben (Beck 2017: 104).

Dabei ist im Rahmen des aktuellen Diskurses um die Rolle der Medien im Integrationskontext keinesfalls der folgende Ansatz auRer Acht zu lassen: So musse nach Meinung von Michael Jackel „Integration [.] durch kontinuierliche Thematisierung, die nicht Konsens, sondern Prasenz von Themen garantiert, gewahrleistet werden“ (Jackel 2005: 225, zitiert in Burkart 2019: 332). Damit schreibt Jackel den Massenmedien die Funktion des Vorschreibens normgerechten Verhaltens ab und verweist stattdessen auf die „Funktion der Aufrechterhaltung eines offentlichen Dialogs“ (ebd.: 226).

Die Rekreation wird als vierte, soziale Funktion der Massenmedien gehandelt und verweist auf die Rolle dieser als Unterhaltungsmedium. Demnach bieten die Medien durch ihre Inhalte die Gelegenheit, sich „von den Muhen und Problemen des Alltags“ abzulenken und so fur Entspannung und bewusste Zerstreuung zu sorgen (Burkart 2019: 334). Da gleichzeitig auch eine „Regeneration der Arbeitskrafte“ stattfindet, lasst sich die Rekreation auch teils in den Bereich der okonomischen Funktionen der Medien einordnen, auf die im weiteren Verlauf dieser Arbeit noch genauer eingegangen werden soll (ebd.: 334).

1.2 Politische Funktionen

Nachfolgend sollen die politischen Funktionen der Massenmedien erlautert werden, wobei sich diese als Leistungen der Massenmedien an das politische und gesellschaftliche System verstehen und dabei stets auf ein System bezogen sind, welches „nach den Regeln einer pluralistischen Demokratie organisiert ist“ (Burkart 2019: 334).

Das Herstellen von Offentlichkeit und damit das Erzeugen eines Raumes papierener, auditiver, audiovisueller oder digitaler Art, in welchem das Produkt der Offentlichkeit generiert werden kann, gilt dabei als Kernaufgabe der Massenmedien (ebd.: 334). Beck behauptet, dass das Herstellen von Offentlichkeit ohne den Einfluss der Medien in „modernen und ausdifferenzierten GroRgesellschaften" nahezu unmoglich sei und verweist darauf, dass selbst bei GroRdemonstrationen stets nur ein kleiner Teil der Gesamtgesellschaft versammelt sei und Kenntnis vom Geschehenen erlangt, wohingegen die Medien die Moglichkeit hatten, beinahe alle Burger mit ihren Inhalten zu erreichen (Beck 2017: 105). Weiter bezeichnet er das Herstellen von Offentlichkeit als „konstitutive Voraussetzung demokratischer Partizipation sowie Willens- und Meinungsbildung" (ebd.: 105).

Auch Burkart folgt dieser Aussage, indem er die Information der Burger und das Nachdenken uber Botschaften und Argumente eng an die Berichterstattung von Geschehnissen koppelt (Burkart 2019: 334).

Pottker fuhrt den Gedanken weiter und spricht sich dafur aus, dass demnach „auch alle Gegenstande und Probleme, die es gesellschaftlich zu verarbeiten und zu regeln gilt, eine reelle Chance haben mussen, in den Medien Beachtung zu finden" (Pottker 2010: 110, zitiert in Burkart 2019: 334).

Dabei bezieht sich Pottkers Aussage auf eine weitere Leistung der Massenmedien, die Artikulationsfunktion, welche den Medien die Rolle des „Sprachrohr(s) fur alle demokratisch akzeptablen Parteien, Verbande und Interessensgruppen [.]" zuschreibt (Burkart 2019: 335). Beck geht daruber hinaus und erganzt:

„Die Medien haben eine dienende Funktion, sie sollen ein Forum der Meinungen in ihrer Vielfalt sein und, gerade weil nicht jeder einzelne Burger unmittelbaren Zugang zu ihnen hat, im Auftrage der Burger Themen, Fragen und Meinungen artikulieren. Dabei kommt den Medien die Rolle des ,Gesprachsanwalts‘ zu, der als Mittler und Ubersetzer agiert" (Beck 2017: 105).

Burkart erganzt dies, indem er die Medien auRerdem als „Wortfuhrer der sprachlosen Massen" und „Diskursanwalt" betitelt und zudem auf die Notwendigkeit verweist, insbesondere Gruppierungen, die einen nur geringen gesellschaftlichen Einfluss haben und uber keinen Zugang zu eigenen Kommunikationskanalen verfugen, zu mehr Gehor zu verhelfen (Burkart 2019: 335f).

Als weitere, zentralpolitische Aufgaben der Massenmedien sind einerseits die politische Sozialisationsfunktion und andererseits die politische Bildungsfunktion zu verstehen. Dabei erganzt erstere die bereits erlauterte Sozialisationsfunktion und verweist auf die Medien als „Instanzen, die das politische System ubersichtlicher und durchschaubar machen" und zudem die unterschiedlichen politischen Rollen sowie die Handlungsoptionen fur den Einzelnen offenlegen (ebd.: 336).

Im Sinne der politischen Bildungsfunktion wird hingegen von einem, im Optimalfall, Bewusstwerden uber die eigenen Chancen der politischen Teilhabe sowie uber die Fahigkeit, politische Informationen sinngemaR und kontextgerecht zu verstehen und aufzunehmen, gesprochen (ebd.: 336).

Dabei verweist Burkart in diesem Zusammenhang insbesondere auf die zentrale und insbesondere in Zeiten von sozialen Medien relevante Herausbildung einer Medienkompetenz, die er als „elementare [.] Voraussetzung von Mundigkeit in einer demokratisch organisierten Gesellschaft" bezeichnet (ebd.: 336).

Als letzte, aber nicht minder relevante politische Leistung der Medien wird die Kritik- und Kontrollfunktion gehandelt. Wahrend die Kritikfunktion in Form von „prufenden und kritisch bewertenden Beitragen (wie Glossen, Kommentaren, Leitartikeln etc.) [.]" ausgeubt wird, findet die Kontrollfunktion Ausdruck durch Beitrage, die aufdeckend und enthullend sind (Purer 2014: 128).

Dabei gilt allein die „prinzipielle Moglichkeit zur Kritik an politischen Machttragern", im Rahmen des medialen Diskurses, als wesentliches Merkmal einer funktionierenden Demokratie und zeugt so von der Bedeutungsschwere dieser Aufgabe (Burkart 2019: 336).

Die Massenmedien bilden hier den ubergeordneten, vielstimmigen Dialog zwischen parlamentarischer Opposition, Gewerkschaften, Unternehmerverbanden, Verbraucherorganisationen, Umweltschutzgruppen sowie diversen weiteren Interessensgruppen, um so auf unterschiedliche Wertsetzungen und Beurteilungen der verschiedensten Situationen und Probleme aufmerksam zu machen und sie in einen transparenten Diskurs zu bringen (ebd.: 336f).

Die dabei stattfindende Kontrolle der drei Staatsgewalten brachte den Massenmedien den Beinamen als „vierte Gewalt" ein, welche sie verfassungsrechtlich gesehen jedoch nicht sind (Beck 2017: 105). Burkart kritisiert, der Begriff generiere den Eindruck, „die Publikative stunde [.] auf einer Linie mit den drei Staatsgewalten [.]. Das ist irrefuhrend, weil ja gerade mit der Idee, andere gesellschaftliche Akteure zu kritisieren und zu kontrollieren, eine Distanz zum Staat gefordert ist" (Burkart 2019: 337). Purer geht daruber hinaus und merkt an, dass dem GroRteil der Medienschaffenden auRerdem die notwendigen Kompetenzen und Qualifikationen fehlen wurden, um die Kontrolle entsprechend zu leisten (Purer 2014: 116).

Des Weiteren bemangelt er die so fehlende Selbstkontrolle der Medien und verweist auf den institutionellen Status groRer Medienhauser und deren Verfolgen eigener Interessen (ebd.: 116). Statt von der „vierten Gewalt" zu sprechen, empfiehlt Purer den Begriff der „offentlichen Aufgabe" (ebd.: 422).

Trotz mangelnder Sanktionsmoglichkeiten ist der Einfluss der Medien auf die Entscheidungen von Machttragern nicht abzusprechen. So bewirken, aus Furcht vor Reputationsverlust, allein die drohenden medialen Veroffentlichungen haufig bereits Verhaltensanderungen (Burkart 2019: 338).

Burkart verweist in diesem Zusammenhang auf die Problematik des „offentlichen Halbdenkers", der in seiner Rolle als Politiker und „mit Blick auf die Maximierung seines Wahlerpotentials" stets nur halbe Wahrheiten aussagt und gleichermaRen nur solche Argumente anbringt, die zu Gunsten seiner eigenen politischen Interessen sind und damit der Kritik und Kontrolle der Massenmedien in gewisser Weise entkommt (ebd.: 338).

1.3 Okonomische Funktionen

Burkart definiert okonomische Funktionen als „Leistungen der Massenmedien, die diese im Hinblick auf das Wirtschaftssystem einer Gesellschaft erbringen“, welche im nachfolgenden Fall auf ein „okonomisches System, das nach vorwiegend privatwirtschaftlichen - also: kapitalistischen Prinzipien organisiert ist“, zu beziehen sind (Burkart 2019: 338).

Dabei ist als erste dieser Art insbesondere die Zirkulationsfunktion als zentral zu erachten, nach welcher die Medien in ihrer Rolle als „Motor des kapitalistischen Wirtschaftskreislaufes“ den Warenumschlag beschleunigen, indem sie einerseits als Werbetrager fur das verschiedenste Warenangebot auftreten und andererseits nach Ansicht von Burkart eine „ideologische Festigung der kapitalistischen Produktions- und Machtverhaltnisse“ betreiben (ebd.: 339). Demnach sei beispielsweise die mediale Wirtschaftsberichterstattung uber die unterschiedlichen Produkte und Angebote sowie uber Trends im Konsumverhalten nicht nur ein Angebot der Information, sondern vielmehr ein mediales Setzen diesbezuglicher Normen (Purer 2014: 426). Beck bezeichnet dieses Phanomen als Affirmationsfunktion der Medien und erganzt:

„Die Medien, so der Verdacht, stellen die okonomischen und politischen Verhaltnisse nicht infrage, sondern stellen sie als selbstverstandlich, naturgegeben oder in beschonigender Weise dar. Sie manipulieren das Bewusstsein ihrer Nutzer und bestatigen die kapitalistische Ideologie (Affirmation)“ (Beck 2017: 106f).

Zwischen der Rekreation, welche bereits als soziale Funktion der Medien eingeordnet wurde und der okonomischen Reproduktionsfunktion lassen sich Gemeinsamkeiten finden, die maRgeblich auf der „Befriedigung der Informations- und Unterhaltungsanspruche des Publikums“ beruhen (Burkart 2019: 341). Jedoch liegt der Fokus der Reproduktionsfunktion auf dem dadurch im Optimalfall zu erzielenden Erhalt der physischen und psychischen Arbeitskrafte der Werktatigen aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive (ebd.: 341). Beck schlieRt folgerichtig: „Medien steigern damit indirekt die Produktivitat bzw. Wertschopfung der Volkswirtschaft“ (Beck 2017: 106).

Auch im Rahmen einer Beschaftigungsfunktion erbringen die Medien okonomische, gesamtgesellschaftliche Leistungen. Dabei erzeugen sie als Arbeitgeber nicht nur eine Nachfrage an vergleichsweise hoch qualifizierten Arbeitskraften, sondern sind auch auf dem Bildungs- und Rohstoffmarkt anzusiedeln (ebd.: 107).

1.4 Informationsfunktion

Als eine weitere Funktion der Massenmedien von hoher gesellschaftlicher Bedeutung ist abschlieRend die Informationsfunktion zu nennen, welche durch mangelnde Einordbarkeit in die zuvor aufgestellten Kategorien als allubergreifend sowohl im sozialen und politischen als auch im okonomischen Kontext anzusehen ist (Purer 2014: 424).

Dabei ist die Information durch die Massenmedien als Sekundarerfahrung einzuordnen, im Rahmen welcher die eigene „Ungewissheit durch Kommunikation, d.h. im Rahmen von virtuellen (fiktiven) Erlebnissen, im indirekten, vermittelten Umgang mit den Gegenstanden" beseitigt wird (Burkart 2019: 344). Anders als bei einer Primarerfahrung fehlen die reellen Erlebnisse und der direkte Kontakt mit einer erfahrbaren Umwelt. Stattdessen prasentieren die Massenmedien dem Rezipienten sekundare Wirklichkeiten:

„[.] zuallererst verhelfen uns die Medien wohl dazu, am Geschehen auRerhalb unserer personlichen, direkt zuganglichen Erlebniswelt teilzuhaben. Sie bringen uns Personen, Ereignisse und Tatbestande naher, die man in ihrer Mehrzahl nicht kennt bzw. selbst nicht erfahren hat und von deren Existenz man daher in der Regel auch nichts weiR" (ebd.: 345).

Da eine Vielzahl von Bereichen, wie beispielsweise der GroRteil aller politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Ereignisse, nur durch mediale Vermittlung erfahrbar wird, lassen sich die Massenmedien als verantwortlich fur einen hohen Teil der menschlichen Welterfahrung und des gesellschaftlichen Erkenntnisstandes sehen (ebd.: 344f).

1.5 Qualitatsjournalismus

Da, wie zuvor erortert, die Massenmedien gesellschaftlich fundamentale Leistungen erbringen und somit als Grundpfeiler eines stabilen, demokratischen Systems gelten, ist die Frage nach der Qualitat journalistischer Erzeugnisse wesentlich.

In diesem Zusammenhang lassen sich drei normative Anforderungen finden, deren ganzliche Erfullung unmoglich ist, die jedoch als Art „Orientierungsrahmen" fur die journalistische Arbeit gesehen werden konnen (Purer 2014: 424).

So gilt die Vollstandigkeit als zentrales Gebot an eine journalistische Nachricht. Damit ist nicht nur die Themenvielfalt innerhalb des Informationsangebots gemeint - vielmehr soll auch eine Vielfalt im Sinne von „zu Wort kommenden gesellschaftlichen Gruppen" gegeben sein, um dem Burger damit ein weites Spektrum an unterschiedlichen Meinungen zu garantieren (Burkart 2019: 346).

Da die Vielfalt durch den festgelegten Umfang der jeweiligen Medieninhalte nie unbegrenzt sein kann, ruckt die Frage in den Blickpunkt, wie Journalisten eine hinreichende Selektion im Rahmen des Vollstandigkeitsgebotes treffen konnen. Hier entscheidet bestenfalls die Relevanz daruber, ob eine Information massenmedial verbreitet wird oder nicht (ebd.: 346). Laut Arnold gelten Nachrichten demnach als relevant, wenn diese „sich auf Ereignisse, Sachverhalte und Argumente beziehen, die eine tatsachliche oder potenzielle Bedeutung fur moglichst groRe Teile der Gesellschaft bzw. fur den Einzelnen haben" (Arnold 2009: 464, zitiert in Burkart 2019: 346). Auf theoretische Ansatze zur Nachrichtenselektion soll jedoch erst in Kapitel 3 noch genauer eingegangen werden.

Die Objektivitat gilt als die zweite, normative Anforderung an den Journalismus und lasst sich neben der „Trennung von Nachricht und Meinung" nach Ansicht von Purer als „moglichst unverzerrte, faktengetreue Berichterstattung aus moglichst vielen Blickwinkeln" beschreiben (Purer 2014: 424). Burkart verweist in diesem Zusammenhang auf Missverstandnisse im Rahmen der Diskussion um den Objektivitatsbegriff und formuliert eine liberalere Aussage:

„Ein Verstandnis von Objektivitat als totales Gegenteil von Subjektivitat ist [.] insbesondere im Kontext von Kommunikation eine absurde Idee, denn menschliche Aussagen sind [.] ohne subjektive Anteile des Aussagenden schlichtweg undenkbar [.]" (Burkart 2019: 349).

Damit nimmt er Ruckbezug auf das normative Gebot der Vielfalt und definiert eine objektive Berichterstattung als gegeben, wenn „die Realitat aus mehr oder weniger vielen Blickwinkeln beleuchtet" wird (ebd.: 349).

Der Anspruch an die Verstandlichkeit journalistischer Angebote ist die dritte, normative Forderung und beschreibt eine Art der Gestaltung von Medieninhalten, die es auch Menschen ohne Expertise uber die dargestellten Sachverhalte ermoglicht, diese angemessen zu rezipieren und zu verarbeiten (Purer 2014: 424; Burkart 2019: 353). Dennoch gilt es zu verhindern, dass die Bedeutung der Inhalte durch eine zu starke Vereinfachung verzerrt wird (Purer 2014: 424).

2 Kindermedien und ihre Wirkungen

Im nachfolgenden Hauptkapitel soll, entsprechend der Fokussierung dieser Bachelorarbeit auf an Kinder- und Jugendliche gerichtete, mediale Angebote, die Beziehung zwischen Kindern und Medien aus wissenschaftlicher Sicht betrachtet werden.

Die hohe Relevanz fur eine Auseinandersetzung mit der Thematik ist dabei unter anderem in dem hohen Stellenwert zu sehen, den die Medien im aktuellen, sozialen und kulturellen Wandel der Kindheit einnehmen (Tillmann u.a. 2014: 9). Dabei treten insbesondere die digitalen und multifunktionalen Medien als Katalysator dieses Wandlungsprozesses auf (ebd.: 9).

2.1 Mediennutzung von Kindern

Um eine tiefergehende Auseinandersetzung mit Kindermedien und eine bessere Einordnung der verschiedenen Thesen in den Gesamtzusammenhang gewahrleisten zu konnen, folgt in diesem Kapitel ein Uberblick uber das Mediennutzungsverhalten von Kindern. Ein besonderer Fokus soll hierbei auf die fur Audio-Formate relevanten Medien gelegt werden.

Dabei lohnt es sich, verschiedene Studien miteinander zu vergleichen, um so einen moglichst umfassenden Uberblick zu erhalten.

So untersucht Birgit Guth im Rahmen ihrer Arbeit bei Insights & Analytics Super RTL regelmaRig das Medienverhalten ihrer Kernzielgruppe. Bei ihrer aktuellen Befragung bezuglich der Gerateausstattung in den Familienhaushalten im Marz 2020 konnte sie feststellen, dass bei jedem der 1230 befragten Mutter von Kindern im Alter von drei- bis 13-Jahren ein Fernseher vorhanden war (Guth 2020: 3). Auch das Smartphone war mit 97 Prozent bei dem uberwiegenden Teil der Familien der Kinder allgegenwartig, das Tablet mit 56 Prozent vertreten. Ein Radiogerat war bei 76 Prozent aller Haushalte vorhanden, ein Smartspeaker nur bei 14 Prozent der Familien (ebd.: 3).

Da ein Vorhandensein jener Gerate jedoch wenig Anhaltspunkte fur die tatsachliche Nutzung dieser liefert, fragte Guth zusatzlich nach dem Zugang zu diesen. Wahrend bei 96 Prozent aller Kinder die grundsatzliche Nutzung des Fernsehers erlaubt war, hatten nur 52 Prozent Zugang zu einem Smartphone. Beim Radiogerat lag die Erlaubnis fur den Zugang bei 62 Prozent aller befragten Kinder, beim Tablet bei 40 und bei dem Smartspeaker bei 7 Prozent (ebd.: 9).

Der gewahrte Zugang zu den fur den von Abruf von Audioformaten relevanten mobilen Geraten wie Smartphone und Tablet ist dabei stark vom Alter abhangig: Wahrend nur 50 Prozent aller drei- bis funfjahrigen Kinder die Nutzung gewahrt wurde, durften im Untersuchungszeitraum 95 Prozent aller zwolf- bis 13-Jahre alten Kinder Smartphone und Tablet nutzen (ebd.: 11).

Das tatsachliche Freizeitverhalten der sechs- bis 13-jahrigen Kinder untersucht im Zwei-Jahres- Rhythmus die Kinder-Medien-Studie. Dabei ergab die Untersuchung von 2018, das 74 Prozent aller Kinder jeden oder fast jeden Tag einen Teil ihrer freien Zeit mit Fernsehgucken verbringen. Auch der Anteil des Horfunkkonsums an der Freizeit der Kinder wurde untersucht und dabei jedoch auRer Acht gelassen, uber welchen Verbreitungsweg die Angebote abgespielt werden. Die Ergebnisse bescheinigten 26 Prozent der Kinder eine tagliche oder fast tagliche Nutzung und 28 Prozent der Kinder eine mindestens wochentliche Nutzung des Radios oder weiterer Ausspielgerate. Fur mehr als jedes zweite Kind im Jahre 2018 nahm der Horfunk demnach eine elementare Rolle im Mediennutzungsverhalten ein und wurde so von mehr Kindern konsumiert als beispielsweise die klassischen Bucher, welche nur 16 Prozent der Kinder (fast) taglich und nur 35 Prozent wochentlich im Untersuchungszeitraum lasen (Medienpadagogischer Forschungsverband Sudwest 2019: 11).

Marlene Handel und Thomas Windgasse untersuchten im Jahr 2012 das Radionutzungsverhalten der sieben- bis zwolfjahrigen Kinder in Nordrhein-Westfalen. Dabei stellten sie auch die Frage nach dem Image des Horfunks bei den Kindern, die dieses Medium nutzen. Hier gab der GroRteil der Kinder an, dass der Horfunk fur sie cool (69,1 Prozent), lustig (66,1 Prozent) und spannend (59 Prozent) sei. Nur knapp jeder Funfte empfand den Horfunk als langweilig (19,1 Prozent), kompliziert (18 Prozent) oder als etwas, dass nur fur Erwachsene gemacht sei (15,3 Prozent) (Handel/Windgasse 2013: 99).

Der Fokus der Untersuchung von Handel und Windgasse bezog sich jedoch auf die Frage, inwieweit es ungenutzte Potenziale in der kindlichen Nutzung von Hormedien gibt. Dabei verwiesen sie zunachst auf die sich andernden Tagesrhythmen der Kinder, welche starker von Freizeitsituationen im Rahmen des schulischen Ganztags gepragt seien (ebd.: 93). Der besondere Status und Wettbewerbsvorteil des Horfunks ist dabei in seiner Rolle als „Nebenbeimedium“ zu begrunden, welche Chancen eroffnet, es uber den Tag verteilt in den Alltag einzusetzen und so junge Altersgruppen zu erreichen (ebd.: 93).

Wahrend die Kernzeit des Schulunterrichts von 08:00 Uhr bis 13:00 Uhr fur die Kinder noch wenig Moglichkeiten bietet, Horfunk zu horen, hatten im Jahre 2012 25,3 Prozent aller Kinder in Nordrhein- Westfalen in der Nachmittagsbetreuung die Option Horfunk zu konsumieren und 39,2 Prozent Zugang zum Internet und damit zu einem weiteren Empfangsgerat des Horfunks (ebd.: 95).

Die Realitat zeigt jedoch, dass im Rahmen der Nachmittagsbetreuung nur wenig Hormedien konsumiert werden: So horten nur 28,2 Prozent der Kinder manchmal wahrend des Faulenzens/Chillen in der Betreuung Horfunk, Musik, Horspiele oder Horbucher. Zu Hause lag dieser Wert hingegen bei 72,9 Prozent (ebd.: 96).

Die Tagessituationen, in denen Kinder Hormedien konsumieren sind stattdessen klar auf den Morgen und den Abend zu datieren: So gaben 63,2 Prozent der Kinder an, abends vor dem Schlafengehen und

46.1 Prozent der Kinder morgens beim Fruhstucken Horfunk, Musik, Horspiele oder Horbucher zu horen (ebd.: 96). Die erste Wahl bei dem ausspielenden Gerat lag dabei beim CD-Player, den 58,4 Prozent aller Kinder normalerweise zum Horen von Musik und 62,7 Prozent zum Horen von Horspielen und Horbuchern gebrauchten. Auch das Internet am Computer wurde von 28,1 Prozent aller Kinder zum Musikhoren genutzt, der Konsum von Horspielen und Horbuchern war hier jedoch sehr gering (3,4 Prozent) (ebd.: 97).

Fur eine konkretere Einordnung der Zahlen, die belegen, dass 25,5 Prozent der Kinder Musik und nur 0,7 Prozent der Kinder Horspiele und Horbucher uber das Handy oder Smartphone horen, ist es wichtig, auf den Untersuchungszeitraum der Studie aus dem Jahre 2012 zu verweisen. Auch wenn es keine aktuelleren Zahlen zum spezifischen Hormedienkonsum von Kindern gibt, ist zu vermuten, dass, insbesondere durch den deutschlandweiten Start der schwedischen Musikplattform Spotify im Jahre 2012, die Zahlen auf Handy und Smartphone einen pragnanten Anstieg erlebten (Raukamp 2015: 11).

2.2 Medienangebote fur Kinder

Nachfolgend soll ein Uberblick uber die deutsche Kindermedienlandschaft gegeben werden. Dafur werden die Print-, Fernseh- und Horfunk-Angebote untersucht. Da die Medien dieser Gattungen ihre Inhalte zum Teil auch online publizieren oder einen zusatzlichen onlinejournalistischen Auftritt haben, soll an dieser Stelle kein separater Uberblick uber spezielle Online-Angebote gegeben werden.

Neben der Medienakzeptanz auf Seiten der Erziehungsberechtigten sollen hier auRerdem auch verschiedene Nutzungsmotive und Reichweiten erlautert werden.

2.2.1 Print-Angebote

Die Ergebnisse der Kinder-Medien-Studie 2018 zeigten, dass 20 Prozent der sechs- bis 13- jahrigen Kinder im Untersuchungszeitraum ein- oder mehrmals die Woche eine Zeitschrift lasen oder anschauten. Nur 2 Prozent der Kinder taten dies taglich oder fast taglich (Medienpadagogischer Forschungsverband Sudwest 2019: 12).

Das groRte Publikum erreichte - im Jahr 2020 - unter den Madchen die Pferde-Zeitschrift Wendy, mit 15.2 Prozent Reichweite, gefolgt von den Zeitschriften Madchen mit 13,2 Prozent und Popcorn mit 11 Prozent Reichweite (Kinder Medien Monitor (KiMMo) 2020: 15).

Bei den Jungen lag im selben Jahr das FuRball-Magazin Just Kick-it! mit 17,2 Prozent Reichweite an der Spitze, den zweiten Platz nahm Disney Lustiges Taschenbuch mit 11,3 Prozent und den dritten Platz das Micky Maus-Magazin mit 10,3 Prozent Reichweite ein (ebd.: 16) Das Wissensmagazin GEOlino, deren Podcast auch Untersuchungsgegenstand der Forschung dieser Arbeit sein soll, erreichte bei den Madchen mit 8,1 Prozent Reichweite den funften und bei den Jungen mit 8,4 Prozent Reichweite den vierten Platz (ebd.: 15f).

Die Medienakzeptanz ist bei den Eltern gegenuber Kinder- und Jugendzeitschriften so hoch wie bei keinem anderen Medium. So waren 84,7 Prozent der Erziehungsberechtigten der sechs- bis 13- Jahrigen im Jahr 2020 der Ansicht, ihr Kind konne durch dieses Medium etwas lernen und 72,2 Prozent fanden, ihr Kind beschaftigte sich mit Zeitschriften sinnvoll (ebd.: 34).

Das Lesen von Zeitungen ist laut den Ergebnissen der Kinder-Medien-Studie 2018 weitaus weniger beliebt als der Konsum von Zeitschriften: So gaben nur funf Prozent der Kinder an, ein- oder mehrmals die Woche und nur zwei Prozent der Kinder taglich oder fast taglich eine Zeitung zu lesen oder anzusehen (Medienpadagogischer Forschungsverband Sudwest 2019: 12). Der geringe Konsum scheint auch dafur verantwortlich zu sein, dass an dieser Stelle keine relevanten Nutzungsdaten vorgestellt werden konnen.

2.2.2 TV-Programme

Der Stellenwert des Fernsehens ist bei den sechs- bis 13-Jahrigen sehr hoch und war im Jahr 2018 die beliebteste Freizeitbeschaftigung bei Kindern (Medienpadagogischer Forschungsverband Sudwest 2019: 11). Da das Nutzungsverhalten jedoch schon anteilig in Kapitel 2.1 vorgestellt wurde, soll dies hier nicht wiederholt werden.

Die Medienakzeptanz liegt beim Fernsehen deutlich unter der von Kinder- und Jugendzeitschriften. So fanden zwar 63,8 Prozent der Erziehungsberechtigten im Jahr 2020, dass ihr Kind durch dieses Medium etwas lernen konne, nur 44 Prozent bezeichneten das Fernsehen jedoch als sinnvolle Beschaftigung fur ihr Kind (Kinder Medien Monitor (KiMMo) 2020: 34).

Bezogen auf den prozentuellen Marktanteil war der Spielfilm Vaiana auf Sat.1 die meistgesehene Fernsehsendung bei den drei- bis 13-jahrigen Kindern im Jahr 2019. Dieser kam auf 54,7 Prozent Marktanteil, vor einer Robin Hood-Folge vom 20.09.2019 mit 48,5 Prozent Marktanteil und einer Ausgabe des Sandmannchens mit 42,7 Prozent Marktanteil, beide ausgestrahlt auf dem offentlich- rechtlichen Kinderkanal KiKA (Feierabend/Scolari 2020: 193). Mit 14 Prozent Marktanteil in der Jahresubersicht schafft es KiKA jedoch nur auf Platz zwei der beliebtesten TV-Programme bei den Kindern. Der privatwirtschaftliche Anbieter Super RTL liegt mit 14,8 Prozent hier knapp vorne (ebd.: 187).

Die Motivation, den Fernseher einzuschalten ist beinahe exakt zweigeteilt. So wollen 47 Prozent der Kinder zielgerichtet eine bestimmte Sendung sehen und 53 Prozent der Kinder lassen sich vom dargebotenen Angebot uberraschen (Medienpadagogischer Forschungsverband Sudwest 2019: 41).

2.2.3 Horfunk-Programme

Bezuglich des Nutzungsverhaltens von Kindern gegenuber dem Radio oder Empfangsgeraten weiterer Hormedien soll auch hier auf das Kapitel 2.1 verwiesen werden, in dem dieses ausfuhrlich erlautert worden ist.

Mit Blick auf die Ergebnisse des Kinder Medien Monitor 2020 fallt auf, dass die Medienakzeptanz gegenuber dem Horfunk so niedrig ist wie bei keinem anderen Medium. Hier waren nur 32 Prozent der Erziehungsberechtigten der Ansicht, dass ihr Kind etwas lernen konne und nur 29 Prozent fanden, ihr Kind beschaftige sich sinnvoll (Kinder Medien Monitor (KiMMo) 2020: 35). Auch das Vertrauen in die Gestalter des Horfunkprogramms scheint erschreckend gering: So meinten nur 26 Prozent der Eltern, dass der Horfunk die Moglichkeiten hatte, ihrem Kind komplexe Sachverhalte zu erklaren, beim Fernsehen lag dieser Wert zum Vergleich bei 60,9 Prozent, bei Kinder- und Jugendzeitschriften sogar bei 75,9 Prozent (ebd.: 34f).

Grunde fur das geringe Ansehen konnten unter anderem in der Tatsache begrundet sein, dass im Rahmen des Hormedienkonsums groRtenteils Kontakte mit fur Erwachsene ausgelegten Inhalten geknupft werden, da diese den Horfunk in ihren Alltag und damit auch in den Alltag der Kinder integrieren:

„Bis zum Ende des Grundschulalters wird die Horfunknutzung in der Regel primar von den Vorlieben der Eltern moderiert, welche die Programmauswahl bestimmen und so uber die ersten Radioerfahrungen den Erwerb radiospezifischen Wissens ihrer Kinder entscheidend pragen“ (Hartung 2014: 368).

Erst ab einem Alter von etwa zehn Jahren entwickelt sich ein eigenstandigerer Umgang mit dem Horfunk und es bilden sich diesbezuglich konkrete Vorlieben und Interessen heraus. An dieser Stelle sind es jedoch bereits die Hormedien, die sich an Jugendliche und junge Erwachsene richten, die das Interesse der Kinder auf sich ziehen und ihnen mit ihren Inhalten ein erwunschtes Zugehorigkeitsgefuhl suggerieren konnen (ebd.: 370).

Die wesentliche Motivation fur sieben- bis 14-Jahrige, Horfunk zu nutzen, liegt in der dort gespielten Musik, die im Jahre 2002 87,7 Prozent der Kinder als entscheidendes Motiv fur ihren Horfunkkonsum erachteten (Paulick 2018: 54). Knapp die Halfte der Kinder, die Horfunk horen, sind jedoch auch an dem dort vermittelten Wissen interessiert: So mochten 51,9 Prozent der Kinder durch den Horfunk wissen, was in der Welt los ist und 49,4 Prozent waren der Ansicht, sie konnen im Horfunk etwas lernen (ebd.: 55).

Die Sendezeiten des Kinderhorfunks sind meist auf bestimmte Zeitfenster im regularen Horfunk beschrankt, ein Ganztagsprogramm gibt es - insbesondere im offentlich-rechtlichen Bereich - selten (ebd.: 29). Eine zeitlich und ortlich unabhangige Variante der Hormedien bilden Podcasts, die auf das mobile Endgerat heruntergeladen und so flexibel konsumiert werden konnen (Purer 2014: 97).

Neben den in dieser Forschung untersuchten Audio-Formaten, die erst im spateren Verlauf dieser Arbeit dargestellt werden, sollen nachfolgend exemplarisch einige Horfunk-Programme vorgestellt werden:

Das offentlich-rechtliche Horfunkangebot Mikado, von NDR Info, richtet sich an die sieben- bis 13- jahrigen Kinder und bietet Nachrichten, Reportagen, Horspiele, Vorlesesendungen und die sogenannten „Mitrede-Sendungen", die teils taglich, teils wochentlich im klassischen Horfunk gesendet und online in Form von Podcasts hochgeladen werden (Rodewald/Worm 2018; von Hardenberg 2020).

Radio TEDDY, ein privatwirtschaftliches Horfunkprogramm mit 24-stundigem Angebot, stammt aus Brandenburg und ist fur einen GroRteil seiner Horerschaft online, vereinzelt jedoch auch uber UKW oder DAB+ zu empfangen (Paulick 2018: 77). Ziel der Entwickler von Radio TEDDY war es, eine besonders ausgewogene Programmstruktur zu schaffen:

„Die Kinder werden, je nach Altersgruppe, nach ihren Bedurfnissen und gemaR ihrem Tagesablauf vom Aufstehen bis zum Schlafengehen individuell durch entsprechendes Programm betreut und ernst genommen" (ebd.: 81).

Da Radio TEDDY werbefinanziert ist, galt es hier, die Zielgruppe besonders groR zu halten und ein relevantes Angebot fur moglichst jedes Alter anzubieten, um so das Interesse der Werbetreibenden zu gewinnen (ebd.: 78). Die Reichweite des Programms wird auf etwa 400.000 tagliche Horer geschatzt (Borgers 2020).

Seit Sommer des Jahres 2020 existiert Toggo Radio, das neue, ausschlieRlich auditive Angebot des Kinder-TV-Programms Super RTL (ebd.). Neben kindertauglichen, seriosen Nachrichten werden hier Horspiele und Inhalte aus dem TV-Angebot groRtenteils im Online-Stream zur Verfugung gestellt, die aufgrund des privatwirtschaftlichen Charakters des Anbieters jedoch vereinzelt durch Werbung unterbrochen werden (ebd.).

2.3 Mediensozialisation von Kindern

Mit Blick auf die Mediensozialisation von Kindern verweist Vollbrecht auf einen veranderten Sozialisationsbegriff, nach welchem statt einer bloRen „Anpassung der Individuen an die Vorgaben der Gesellschaft" ein Prozess stattfindet, im Rahmen welcher ein Individuum „innerhalb dieser Gesellschaft oder Kultur sozial handlungsfahig" wird (Vollbrecht 2014: 116). Genauer ist damit die Moglichkeit gemeint, „am sozialen Leben teilnehmen zu konnen und die eigenen Entwicklungen [.] mitgestalten zu konnen" (ebd.: 116).

Nach Ansicht von Suss, Lampert und Wijnen sind die Medien zentraler Bestandteil dieses Prozesses, indem sie als Werkzeug zur Bewaltigung von Entwicklungsaufgaben dienen und den Erwerb von Fertigkeiten und Kompetenzen unterstutzen, der fur die Passung zwischen Individuum und Umwelt elementar ist (Suss u.a. 2010: 29).

Dabei steht die Mediensozialisation unter stetigem Einfluss durch „die Erziehenden, die Gleichaltrigen, die Individuen selbst und die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, welche Spielraume eroffnen und Einschrankungen machen fur den Umgang mit den Medien und ihren Inhalten" (ebd.: 29).

Dass die Sozialisation jedoch nicht automatisch mit dem Ende der Kindheit zum Erliegen kommt, sondern als stetiger Prozess gesehen werden sollte, manifestiert Hurrelmann in seiner Sicht auf die Sozialisationstheorie:

„Sozialisation ist die lebenslange Aneignung von und Auseinandersetzung mit den naturlichen Grundlagen, die fur den Menschen die ,innere‘ Realitat bilden, und der sozialen und physikalischen Umwelt, die fur den Menschen die ,auRere‘ Realitat bilden" (Hurrelmann 2006: 16).

Auch Suss, Lampert und Wijnen beziehen sich auf diesen Umstand und datieren eine mogliche Mediensozialisation ebenso in den „Kontext der beruflichen Sozialisation" in die „Alltagsgestaltung von Erwachsenen", in den „Ubergang in die Pensionierung" und in den Moment, „wenn Erwachsene Eltern werden", mit dem Augenmerk auf die dann stattfindende reziproke Sozialisation, in Rahmen welcher wechselseitig auch die Kinder ihre Eltern sozialisieren (Suss u.a. 2010: 29).

Im Zuge sich wandelnder, gesellschaftlicher Umstande nehmen die Medien im kindlichen Sozialisationsprozess eine immer entscheidendere Rolle ein. Durch eine Vielzahl bereitstehender Optionen entsteht auf den Seiten der Heranwachsenden ein Entscheidungsdruck, sich beispielsweise in Genderrollen und Lebensentwurfe einzuordnen. Die Medien fungieren hier als Orientierungshilfe und losen so traditionelle Institutionen wie die Kirche oder Parteien in ihrer Rolle ab (ebd.: 43). Schnelllebige Trends sorgen in diesem Prozess zu einer Entwicklung von „Patchwork-Identitaten", in welcher sich junge Menschen nur vorubergehend und mit wenig Verbindlichkeit Ideen und Prinzipien gegenuber identifizieren (ebd.: 43).

Gleichzeitig sind die Massenmedien Schauplatz der Optionsflut, die es in der modernen Gesellschaft fur einen Menschen zu erreichen gibt „und dies in einer globalen Offenheit, die kulturelle und nationale Grenzen obsolet werden lasst" (ebd.: 44).

Im Rahmen dessen entsteht ein globales Gefuhl, das zum einen beispielsweise eine, unabhangig vom wirklichen Lebensort stattfindende, Interaktion mit Gleichgesinnten ermoglicht und zum anderen gleichermaRen Raum gibt fur das Bewusstsein fur neue, die gesamte Weltgesellschaft betreffende Risiken (ebd.: 44) Statt eines einseitigen, starren Wirkungsverlaufs der Sozialisation durch die Massenmedien identifiziert sich Sara Signer Widmer mit einem anderen Ansatz, welcher den Medien und dem Rezipienten eine wechselseitige Beziehung zuschreibt und so statt der Frage „Was machen die Medien mit den Menschen?" Raum lasst fur die Fragestellung „Was machen die Menschen mit den Medien?" (Widmer 2013: 65).

Die Chancen und Risiken, die die Mediensozialisation Heranwachsenden bietet, sind dabei vielfaltig: So warnen Suss, Lampert und Wijnen vor einem „Konsum- und Konformitatsdruck", dem die Kinder ausgesetzt seien, sowie viel „fremdbestimmter Zeit", wenn die Programmstrukturen der medialen Angebote den kindlichen Tagesablauf verstarkt pragen wurden (Suss u.a. 2010: 49). Zudem konnten die auftretenden Figuren und dargestellten Geschichten das „Selbst- und Weltbild verzerren und die Identitatsgrenzen ins Wanken bringen" (ebd.: 49).

Andererseits kann es durch den „Aufforderungscharakter" der Medien ebenso zu einem bewussteren Einteilen der eigenen Zeit auf Seite des Rezipienten kommen und eine Integration der Medien „als Bausteine einer anregenden sozialen Umwelt" stattfinden (ebd.: 50). Dabei verhelfen Medien zur Auseinandersetzung mit kindlichen Entwicklungsaufgaben und der psychosozialen Entwicklung und konnen gleichermaRen anregend wirken fur den Aufbau von „Rollenbildern und Konfliktlosungsstrategien" (ebd.: 50).

2.4 Die Bedeutung von Medien im Verlauf der kindlichen Entwicklung

Nachfolgend soll hier die Bedeutung der Medien auf die unterschiedlichen Phasen im kindlichen Entwicklungsprozess hin untersucht werden.

2.4.1 Der Einfluss der Medien vor der Geburt

Der Einsatz von Medien wahrend der Schwangerschaft geschieht maRgeblich als Orientierungsangebot fur die werdenden Eltern. Obwohl die erste Anlaufstelle bei Fragen und Problemen, die beispielsweise die Erziehung betreffen, meist der direkte Familien- und Freundeskreis ist, finden Printmedien, Fernsehsendungen und zunehmend in hohem MaRe auch das Internet in diesen Angelegenheiten Anklang (Schneider 2014: 291).

Letzteres uberzeugt insbesondere durch interaktive Angebote des Austausches mit anderen Eltern innerhalb des geschutzten, virtuellen Raumes:

„[.] im Vergleich zu den klassischen Sandkastengesprachen gibt es im Netz keine sozialen Folgeverpflichtungen. Das Internet bietet einen Ort der (anonymen) Ehrlichkeit, an dem auch Themen besprochen werden konnen, die vielleicht aus Schamgefuhl an anderer Stelle nicht ausgesprochen werden wurden" (ebd.: 291).

Die im Fernsehen gezeigten Bilder von Familie haben ihre Konformitat verloren: Statt einer traditionellen Rollenverteilung finden sich heute haufiger Angebote, die ungewohnliche oder multikulturelle Familienkonstellationen zeigen. Dabei ist der Erfolg von Formaten, die besonders „prekare Familienverhaltnisse" darstellen, in der Tatsache zu begrunden, dass hier entweder „lebensweltliche Probleme" gezeigt werden, die damit als echte Orientierungshilfe dienen, oder aber, weil die Rezipienten „sich uber die gezeigten und bedauerlichen Lebenssituationen erhaben fuhlen" konnen (ebd.: 294).

Dennoch spielen trotz vielfaltiger Beratungsinstanzen insbesondere die „eigene Wahrnehmung der Erwachsenen und die eigene Kindheit als Verstandnishintergrund“ eine elementare Rolle fur die Bewertung von Kindeserziehung und -entwicklung (ebd.: 292).

Mit Blick auf das vielfaltige, mediale Angebot und die enge Verknupfung von Medien und Kindern, die, je nach Auspragung, als „entscheidender Faktor der kindlichen Mediensozialisation und - biografie“ gilt, pladiert Schneider fur eine kritischere Sichtweise: „[...] Medien [stellen] Angebote zur Verfugung, die elterliche Belange, Orientierungs-, Informationswunsche und Unsicherheiten aufgreifen, letztere aber auch durch Widerspruchlichkeiten nahren“ (ebd.: 298).

2.4.2 Der Einfluss der Medien in der fruhen Kindheit

Sandra Fleischer beschreibt die Lebensrealitat von Kindern in der fruhen Kindheit, also von Neugeborenen bis hin zu Funf- oder Sechsjahrigen, als vollkommen medial durchdrungen:

„Eine medienfreie Kindheit - die als bewahrpadagogisches Idealkonzept noch immer vertreten wird - ist im tatsachlichen Kindsein nicht mehr festzustellen. Das Angebot an Medien und Medieninhalten - auch expliziten Kindermedien - wachst. Auch die Eltern kommunizieren vermehrt uber Medien, und dies sehen und horen Kinder taglich“ (Fleischer 2014: 305f).

Dem schlieRen sich die Ergebnisse der mini-Kinder-Medien-Studie aus dem Jahre 2014 an und pladieren darum fur eine „altersgerechte und sinnvolle Begleitung der Kinder“ durch die Medienwelt (Medienpadagogischer Forschungsverbund Sudwest 2015: 3).

Auch wenn die Wahrnehmung von Medien als Gerausch- und Lichtquelle schon im Sauglingsalter geschieht, beginnt die aktive Auspragung medienbezogener Fahigkeiten erst spater (Fleischer 2014: 306). Dabei gilt als zentraler Entwicklungsschritt ein Wiedererkennen von Objekten oder Lebewesen und deren Einordnung aus dem unmittelbaren in den medialen Kontext.

Fleischer verweist in diesem Zusammenhang auf die Bedeutsamkeit der Medien fur Kinder, die nur gegeben ist, wenn diese die Medien mit ihrer eigenen Lebenswelt verknupfen konnen: „[.] sie mussen etwas entdecken, das sie aus ihrem Alltag bzw. aus ihrer Gefuhlwelt wiedererkennen und das fur sie individuell einen Sinn hat“ (ebd.: 306f).

Im Kindergartenalter ruckt das Fernsehen in den Mittelpunkt des kindlichen Interesses und wird zum Orientierungspunkt fur Richtlinien zu gesellschaftlich akzeptierten Handlungsmoglichkeiten:

„[.] Kinder sehen und erfahren etwas uber die Welt und das Land, in dem sie leben. Sie sehen beispielsweise Tiere, Gerate und Landschaften, die es nicht in ihrer Umgebung gibt. Daneben beobachten sie Figuren [.] - aus ihrem Blickwinkel suchen sie nach dem richtigen Verhalten“ (ebd.: 307).

So werden neben der Geschlechtsidentitat auch die Gestaltung von Freundschaften und die Stellung innerhalb der Familie anhand von Medieninhalten erarbeitet (ebd.: 307).

MoRle, Bleckmann, Rehbein und Pfeiffer warnen mit Blick auf einen hohen Fernsehkonsum im Kleinkindalter jedoch vor Schwierigkeiten in der „kognitiven Entwicklung“ sowie vor einem verzogerten Auspragen von „(schrift-)sprachlichen Kompetenzen in der Schule“ (MoRle u.a. 2015: 68). Daruber hinaus konnten empirisch Zusammenhange zwischen Fernsehkonsum im fruhkindlichen Alter und Sprach- und Leseschwierigkeiten sowie im spateren Verlauf der Entwicklung diagnostizierten Aufmerksamkeitsstorungen festgestellt werden (ebd.: 68f).

2.4.3 Der Einfluss der Medien in der mittleren Kindheit

Die Medien bilden in der mittleren Kindheit den zentralen Baustein im Entwicklungsprozess. Die gemachten Erfahrungen mit den unterschiedlichen Medien werden dabei muhelos zusammengefugt und ordnen sich in andere, kindliche Welterfahrungen ein:

„Die Neuen Medien verdrangen dabei keineswegs die alten Medienformen [.]. Zwar ist das Fernsehen das Leitmedium, aber viele Kinder, die intensiv fernsehen, lesen gleichzeitig auch viel, sodass nicht unbedingt von einer Verdrangung gesprochen werden kann" (Fuhs 2014: 315).

MoRle, Bleckmann, Rehbein und Pfeiffer legen eine kritischere Sichtweise an den Tag und verweisen auf die durch die Mediennutzung bedingte Verdrangung entwicklungsforderlicher Freizeitaktivitaten (MoRle u.a. 2015: 68). Hier konnten insbesondere schulleistungsmindernde Effekte beobachtet werden. Neuseelandische Forscher fanden auRerdem Korrelationen zwischen einem erhohten Fernsehkonsum und Schwierigkeiten bei der Realisierung eines Schul- oder Universitatsabschlusses (ebd.: 68).

Fuhs spricht mit Blick auf den medialen Einfluss auf die kindliche Freizeit von einem Wechselspiel zwischen sogenannten „Onground-Komponenten", wie beispielsweise dem wirklichen FuRballspielen, und „Online-Komponenten", wie dem Verfolgen von FuRball im Fernsehen oder dem Erfreuen an den zugehorigen FuRballbildern im Kinderzimmer:

„Sport findet so in den Medien, etwa als Sportspiel auf dem Computer und im Sportverein statt: Das Fernsehen, das Internet, die Spielkonsole sind ebenso wichtige Orte wie die Hallen und Sportplatze, und alle Orte sind wichtige Knotenpunkte fur die sozialen Kontakte von Kindern" (ebd.: 315f).

Fuhs bezeichnet die Freizeit der Kinder als noch jungen, zentralen, „dritten Sozialisationsbereich neben Familie und Schule" und verweist auf die Entscheidungsfreiheit- und den gleichzeitigen Entscheidungsdruck auf Seiten der Kinder, ihre Unternehmungen selbststandig zu bestimmen (ebd.: 313).

Hinzu kommen neue Dimensionen des sogenannten „informellen Lernens", welche fur die Kinder neue Situationen des in die Freizeit integrierten Lernens bereitstellen. Medien wie Fernsehen, Spielkonsole und Internet kommen in diesem Zusammenhang eine bedeutsame Rolle zu als Angebote, die Unterhaltung und Lernen im freizeitlichen Kontext integrieren (ebd.: 314).

Daruber hinaus findet eine Veranderung im Verhaltnis von Schule und Freizeit statt, die erstere in direkte Konkurrenz zu „unterhaltungsorientiertem" Lernen in der kindlichen Freizeit setzt.

Die heutige Mediatisierung der Kindheit gleichermaRen als „Medienkindheit" zu definieren, lehnt Fuhs ab und verweist auf die Problematik dieser Begrifflichkeit:

„Dort wo Kinder in der Schule, im Kinderzimmer und auf dem Spielplatz getrennt von Erwachsenen aufwuchsen und ihnen die Lebenswelt der Erwachsenen durch Schulbucher, Erzahlungen, Bilder, Spielzeug vermittelt wurden, kann stets von Medienkindheit gesprochen werden. [...] Kindheitsforschung und Medienforschung als getrennte wissenschaftliche Bereiche zu definieren, wird zunehmend fragwurdig" (ebd.: 314).

Kindheit ist stets mit einer „medial vermittelten Wirklichkeit" verknupft gewesen und pragte seit jeher das Weltbild von Kindern und Erwachsenen (ebd.: 314).

2.4.4 Der Einfluss der Medien in der spaten Kindheit

Die Altersgruppe der Jugendlichen wird haufig mit einem besonders intensiven Medienkonsum in Verbindung gebracht, der mit einer grundsatzlichen Medienaffinitat und einem Grundinteresse gegenuber medialen Neuerungen einhergeht (Moser 2014: 324). Ihre Rolle als „early adopters" macht sie so fur die Anbieter der Medien zu einer „der wichtigsten Zielgruppen [.], wenn neue Technologien eingefuhrt werden" (ebd.: 324).

Die Rolle des Leitmediums hat - statt dem fur lange Zeit sehr prasenten Fernsehen - bei den 13- bis 18-Jahrigen heutzutage das Internet inne. Heinz Moser warnt in diesem Zusammenhang jedoch davor, zu schnell Ruckschlusse auf die medial konsumierten Inhalte zu schlieRen:

„Nicht deutlich genug wird bei diesem Befund jedoch der Aspekt der Medienkonvergenz. Haufig heiRt z.B. Internetnutzung bei den Jugendlichen, dass auch Fernsehfilme, Videoclips etc. am Bildschirm geguckt werden" (ebd.: 325).

So lasst sich beispielsweise durch das Smartphone mit nur einem Gerat die Nutzung von Internet, Fernsehen und sozialen Online-Netzwerken kombinieren.

In der Entwicklung der Heranwachsenden spielen die Medien insbesondere im Prozess der Ablosung vom Elternhaus eine fundamentale Rolle. So bieten Fernsehserien Einblicke in das Leben Gleichaltriger, durch welche die Jugendlichen so zum Beispiel Problemlosungsansatze fur die Bewerkstelligung ihrer eigenen Krisen entwickeln konnen (ebd.: 329).

Daruber hinaus lassen sich durch die Nutzung sozialer Medien Privatraume schaffen, deren elterlicher Zugang durch die Jugendlichen selbst begrenzt ist (ebd.: 329).

Die Zunahme an raumlichem Abstand zwischen Eltern und heranwachsenden Kindern beschreibt Moser als doppeldeutige Funktion der Medien:

„[.] sie helfen nicht nur bei der Abgrenzung, sondern vermitteln Eltern und Heranwachsenden auch das Grundgefuhl, dass man zum Beispiel uber das Handy dennoch jederzeit in Kontakt miteinander ist. [.] Man weiR, dass man trotz der Distanz jederzeit Kontakt aufnehmen kann und bei Schwierigkeiten sofort angerufen werden kann" (ebd.: 330).

Die neuen Medien sind, bezogen auf die sich entwickelnde Distanz innerhalb der Eltern-/Kind- Beziehung, demnach aktivierend und hemmend zugleich. So sorgen sie einerseits fur mehr Selbststandigkeit und ermoglichen beispielsweise online organisierte Unternehmungen in groReren Freundesgruppen und Ausfluge in bislang unbekannte Szenen und halten andererseits den Abnabelungsprozess zugleich auf, indem sie jederzeit und kurzfristig Rat und Tat der Eltern bereitstellen (ebd.: 330).

Im Rahmen der Identitatsfindung spielen im jugendlichen Alter insbesondere die sozialen Online- Netzwerke eine entscheidende Rolle. Sie unterstutzen gerade das Knupfen von Beziehungsnetzwerken und das Entwickeln eines eigenen Standpunkts in Auseinandersetzungen immens (ebd.: 330).

Statt der Idee eines „kunstlichen Ichs“, welches im Internet kreiert werde, verweist Moser auf die Tatsache, „dass die Jugendlichen selbst so gut wie nie zwischen einer Online- und der Offline-Version ihrer selbst unterscheiden“ und die beiden Identitatsformen stattdessen simultan und eng verbunden miteinander existieren wurden (ebd.: 330f).

Dennoch ist, trotz vieler positiver Aspekte wie einer realen Erweiterung der Handlungsspielraume Jugendlicher, auch ein Blick auf die negativen Seiten, insbesondere auf die der neuen Medien, zu richten. So sollte sich in einer mediatisierten Gesellschaft gerade mit der Wahrhaftigkeit und Relevanz webbasierter Beziehungen auseinandergesetzt werden, um die Bedeutsamkeit im auRermedialen Kontext auf die Probe zu stellen (ebd.: 333).

Daruber hinaus belegen Studien Abhangigkeiten zwischen einer hohen „Bildschirmexposition“ und Ubergewicht sowie Zigarettenkonsum bei Jugendlichen (MoRle 2015: 69). Und auch im jugendlichen Alter konnten signifikante Zusammenhange zwischen einem hohen Medienkonsum und schlechten Schulleistungen festgestellt werden, die jedoch nicht monokausal sind, sondern auch beispielsweise auf den elterlichen Bildungshintergrund zuruckzufuhren sind (ebd.: 69).

2.5 Nachrichtenrezeption von Kindern

Laut Jessica Klinger und Antje Muller tragen insbesondere die Nachrichten im Fernsehen maRgeblich zur politischen Sozialisation von Kindern bei. Neben einem Unterhaltungswert oder der Eskapismus- Funktion sei gerade die durch das Fernsehen ermoglichte Teilhabe am Weltgeschehen, zentral (Klinger/Muller 2015: 6):

„Nachrichten-Informationsangebote wirken dabei vor allem im Kindesalter auf die Herausbildung von wegweisenden Einstellungen, Meinungen und Werten ein und beeinflussen damit die Identitatsformung der jungen Rezipienten“ (ebd.: 6).

Dass Kinder sich frei uber Sachverhalte informieren durfen und so die Moglichkeit zur gesellschaftlichen Teilhabe entwickeln konnen, sehen Christine Dallmann und Ralf Vollbrecht als wesentlich und berufen sich auf einen Auszug aus Artikel 13 der UN-Kinderrechtskonvention, der ahnlich wie der Art. 5 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes, die gesetzliche Informationsfreiheit auch fur Kinder gewahrleistet (Dallmann/Vollbrecht 2015: I). Mit Blick auf die Notwendigkeit kindgerechter Medienformate verweisen sie auf die Pflicht, durch die Aufbereitung von Medieninhalten „dem kognitiven, sozialen und emotionalen Entwicklungsstand von Kindern“ Rechnung zu tragen (ebd.: II).

Das Ziel einer Befragung von 1648 niederlandischen Schulern zwischen 12 und 15 Jahren aus dem Jahre 2006 war es, die Bewusstheit oder aber Zufalligkeit des kindlichen Nachrichtenkonsums zu erortern. Jan van den Bulck konnte in seiner Studie so vier unterschiedliche Typen herausarbeiten, von denen der erste durch 28 Prozent der Schuler vertreten war. Diese gaben an, „Nachrichten gezielt auszuwahlen und anzuschauen", wahrend die Mitglieder des zweiten Nutzungstypen (23 Prozent) die Nachrichten „eher im Vorubergehen" und demnach zufallig rezipierten (van den Bulck 2006 231ff, zitiert in Gleich/Schmitt 2009: 593). Die ubrigen beiden Nutzergruppen unterteilte van den Bulck in solche, „die Fernsehnachrichten [...] entweder bewusst vermieden" (28,3 Prozent) oder „sie unfreiwillig nicht nutzten" (24,5 Prozent), beispielsweise durch Nichtanwesenheit bei der Ausstrahlung (ebd.: 593).

Wahrend der soziookonomische Status der jeweiligen Familien beim Nachrichtenkonsumverhalten keine Rolle spielt, sind laut Uli Gleich und Stefanie Schmitt das Alter und Geschlecht der Kinder sowie das Fernsehnutzungsverhalten der Eltern dafur umso entscheidender (Gleich/Schmitt 2009: 593).

So ubersteigt der Nachrichtenkonsum von Jungen den von Madchen und nimmt insgesamt ab dem Kindergartenalter kontinuierlich zu. Finden Gesprache uber in den Nachrichten thematisierte Sachverhalte mit Eltern oder Freunden statt, ist hier ein nachfolgend hoherer Nachrichtenkonsum zu beobachten (ebd.: 593).

Um das Nachrichtenverstandnis bei Kindern zu steigern, ist das gemeinschaftliche Rezipieren mit den Eltern eine wirksame Methode. Demnach hat insbesondere das Sprechen und Diskutieren uber die Inhalte erhebliche Auswirkungen auf die Lernbereitschaft und den Wissenserwerb (ebd.: 595).

In dem Zusammenhang gilt auch die Schule als geeigneter Ort, um das medial vermittelte Wissen zu festigen, da hier nach dem Konsumieren des Informationsangebots haufig eine entsprechende Anschlusskommunikation im Klassenverbund stattfindet (ebd.: 595).

Auch die Darstellungsform wirkt sich maRgeblich auf die Erinnerungsleistung von medial prasentierten Nachrichten aus: So erortern Gleich und Schmitt aus mehreren Studien, dass Kinder in einer Wissensuberprufung signifikant besser abschneiden, wenn die abgefragten Themen in einer audiovisuellen statt einer gedruckten Variante rezipiert wurden. Auch das Erganzen eines Printartikels durch entsprechende Bilder und Grafiken verandert diesen Sachverhalt nicht maRgeblich (ebd.: 596).

Die Tatsache, dass Erwachsene sich hingegen haufig besser an Printnachrichten als an Fernsehnachrichten erinnern konnen, ist dabei mit der „Ton-Bild-Schere" zu begrunden, die in Erwachsenennachrichten oft verwendet wird. Stimmen die Bildinformationen hingegen mit den auditiven Informationen uberein, neigen auch Erwachsene dazu, die audiovisuellen Informationen besser aufzunehmen:

„Die semantische Kongruenz bzw. Redundanz von Bild- und Toninformationen erleichtert die duale Kodierung bzw. Verarbeitung der Informationen und damit die Speicherung und den anschlieRenden Abruf der Informationen" (ebd.: 596).

Um die Erinnerungsleistung der Kinder zu starken, kommen aus diesem Grund haufig simple Grafiken zum Einsatz, die, wahrend der Sprecher die Informationen vortragt, eingeblendet werden und so das Gesagte visuell verstarken (ebd.: 596).

[...]


1 Aus Grunden der Lesbarkeit bedient sich die vorliegende Arbeit meist mannlicher Substantive, schlieRt die weibliche Form der Begriffe jedoch selbstverstandlich mit ein.

Ende der Leseprobe aus 92 Seiten

Details

Titel
Das Framing der Corona-Krise in Audio-Formaten für Kinder
Untertitel
Eine Analyse der Angebote Kiraka Klicker, Kakadu, GEOlino Spezial – Gemeinsam gegen Corona und Wie erkläre ich’s meinem Kind?
Hochschule
Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft
Note
1,3
Autor
Jahr
2020
Seiten
92
Katalognummer
V1031833
ISBN (eBook)
9783346438652
ISBN (Buch)
9783346438669
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Corona-Krise, Framing, Audio, Kinder, Jugend, Radio, Podcast
Arbeit zitieren
Hannah Kersting (Autor:in), 2020, Das Framing der Corona-Krise in Audio-Formaten für Kinder, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1031833

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