Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Geschäftsmodelle. Möglichkeiten, Risiken und praktische Anwendung auf ein Bauunternehmen


Dossier / Travail, 2021

29 Pages, Note: 1,0

SV Rielke (Auteur)


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Zielsetzung
1.3 Aufbau der Hausarbeit

2 Begriffe, Modelle und Theorien in der digitalen Ökonomie
2.1 Digitalisierung und Industrie 4.0
2.2 Definition „Geschäftsmodell“
2.3 Das Geschäftsmodell „Business Model Canvas“
2.4 Mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle
2.5 Theorien zur Entstehung von Wettbewerbsvorteilen
2.5.1 Positionierungsschule
2.5.2 Ressourcen, Fähigkeiten- und Wissensorientierung
2.5.3 Transaktionskostentheorie

3 Anwendungsteil
3.1 Das Geschäftsmodell der BMF anhand des „Business Model Canvas“
3.2 Fünf Hypothesen zu den Auswirkungen der Digitalisierung auf das Geschäfts----modell des Bauunternehmens BMF
3.3 Mögliche Bedrohungen des Geschäftsmodells BMF durch die Auswirkungen der der Digitalisierung basierend auf Wettbewerbsvorteilen

4 Diskussion

5 Fazit und Ausblick

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Problemstellung

Unsere Gegenwart unterliegt dem fortschreitenden Wandel der Digitalisierung. Diese beeinflusst als vierte Revolution durch Informationstechnologien wie wir Daten suchen und verarbeiten und beeinflusst unser Leben bis hin zur Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben in unserer Gesellschaft. Die globale Vernetzung von Dienstleistungen, Prozessen und Maschinen wird mit dem Schlagwort Industrie 4.0 thematisiert die bis hin zu künstlichen Intelligenzen neue Geschäftsfelder eröffnet. Dazu zählen beispielsweise die Vernetzung im häuslichen Bereich „Smart Home“ oder auch die Optimierung der Energieeffizienz „Smart Grids“.1 Aufgrund dieser Entwicklungen ist abzusehen, dass die Digitalisierung auch Einfluss auf das Handwerk haben wird. Über eine Million kleine und mittelständische Handwerksbetriebe, meist Ausbaugewerbe z.B. Maler und Anbietern von Dienstleistungen, wie z.B. Fotografen existieren in Deutschland. Laut Statista wird die Digitalisierung für das Handwerk als vielseitiger Wirtschaftsbereich eine bedeutende Rolle einnehmen. Diese Hausarbeit beschäftigt sich im weiteren Sinne mit dem Handwerk, wobei die möglichen Auswirkungen der Digitalisierung auf das Geschäftsmodell des fiktiven Bauunternehmens BMF analysiert wird.2

1.2 Zielsetzung

Die Zielsetzung dieser Hausarbeit ist es, anhand des fiktiven Geschäftsmodells des Bauunternehmens Müller & Friedrich GmbH (BMF) die Möglichkeiten und Risiken der Digitalisierung aufzuzeigen. Im Zuge dessen wird das Geschäftsmodell mit Hilfe des Business Model Canvas analysiert. Es werden fünf Hypothesen aufgestellt, die die Auswirkungen der Digitalisierung auf das Geschäftsmodell der BMF verdeutlichen. Dabei wird auf die Aspekte der Digitalisierung eingegangen, die mit Wahrscheinlichkeit den größten Effekt auf das Geschäftsmodell haben werden. Im Anschluss wird auf der Grundlage einer Theorie zur Entstehung von Wettbewerbsvorteilen erläutert, ob eine wesentliche Bedrohung des Geschäftsmodells der BMF durch die Digitalisierung besteht.

1.3 Aufbau der Hausarbeit

Im Einleitungskapitel 1 dieser Hausarbeit wird auf die Problemstellung, die Zielsetzung und den Aufbau der Arbeit eingegangen. Im theoretischen Grundlagenkapitel 2 werden Begriffe, Modelle und Theorien in der digitalen Ökonomie dargestellt und erläutert. Im Anwendungskapitel 3 wird der Praxisbezug am Beispiel des Geschäftsmodells des Bauunternehmens BMF GmbH hergestellt und analysiert. Außerdem werden fünf Hypothesen zu den Auswirkungen der Digitalisierung erläutert. Des Weiteren wird auf Basis einer Theorie zur Entstehung von Wettbewerbsvorteilen erörtert, inwiefern von einer essenziellen Bedrohung des Geschäftsmodells der BMF durch die Digitalisierung auszugehen ist. Es folgt eine Diskussion in Kapitel 4, die mit dem Fazit in Kapitel 5 abschließt.

2 Begriffe, Modelle und Theorien in der digitalen Ökonomie

2.1 Digitalisierung und Industrie 4.0

Laut dem Gabler Wirtschaftslexikon hat der Begriff Digitalisierung mehrere Bedeutungen. „[…] Während im 20. Jahrhundert die Informationstechnologie (IT) vor allem der Automatisierung und Optimierung diente, Privathaushalt und Arbeitsplatz modernisierte, Computernetze geschaffen und Softwareprodukte wie Office-Programme und Enterprise-Resource-Planning-Systeme eingeführt wurden, stehen seit Anfang des 21. Jahrhunderts disruptive Technologien und innovative Geschäftsmodelle sowie Automatisierung, Flexibilisierung und Individualisierung in der Digitalisierung im Vordergrund. Diese hat eine neue Richtung genommen und mündet in die vierte Revolution, die wiederum mit dem Begriff der Industrie 4.0 (auch "Enterprise 4.0") verbunden wird".3

Aufgrund dieser digitalen Vernetzung unserer Umwelt, Vernetzung von Unternehmen, Kunden, Prozessen und Produkten, wie beispielsweise Haushaltsgeräten oder Gebäuden, ist laut Brühl unsere Wirtschaft auf dem Weg zu einer Hightech-Ökonomie. Damit entwickelt sich das „World Wide Web“ hin zum „Internet der Dinge“ bzw. „Internet der Dienste“. Dadurch werden beispielsweise Produkte, Systeme und Prozesse intelligenter, was z.B. durch „Smart Product“, „Smart Factories“ oder „Smart Grids“ ausgedrückt wird. Diese Entwicklung hat eine Beschleunigung zur Folge, die die gesamte Wertschöpfungskette von Produktionsprozessen über den Handel bis hin zum Kunden betrifft. Das Internet ermöglicht durch „Enabler“-Technologien wie Breitbandtechnologien und E-Commerce, Unternehmen mit neuen Geschäftsmodellen. Diese können den Kunden und Lieferanten ihre Werteversprechen bei schnelleren Reaktionszeiten und gleichzeitig niedrigeren Transaktionskosten anbieten. Dies erhöht damit den Druck auf traditionelle Unternehmen, sich dem Wandel anzupassen, um weiterhin wettbewerbsfähig zu bleiben. Aufgrund dieses permanenten Wandels müssen beispielsweise Geschäftsmodelle, Prozesse und Technologien kontinuierlich angepasst und hinterfragt werden. Laut Brühl scheint damit die Restrukturierung eine Daueraufgabe zu werden.4

„Internet der Dinge“ und „Internet der Dienste“ sind essenzielle Teilaspekte der Industrie 4.0 in Verbindung mit „Cyber-Physical Systems“, „Augmented Reality“, „Semantic Web“ und „Robotik bzw. künstlicher Intelligenz“. Alltagsgeräte wie Smartphones, Stromzähler und Autos werden mit Sensor-Technologien ausgestattet und aus ehemals passiven Objekten werden intelligente „Smart Objects“ die eigenständig auf Veränderungen der Umgebung reagieren können. Dies geschieht mit Hilfe von „Big-Data-Technologien“ und „intelligenten Netzen“ durch kontextbezogenen automatisierten Austausch von Daten. Sensor-Technik kommt beispielsweise bei der Heimvernetzung „Smart Home“, der Energiebilanz „Smart Grid“, beim Verkehr „Smart Mobility“, im Gesundheitswesen „Smart Health“ oder in der Fertigung „Smart Factory“ zum Einsatz.5 Diese technologischen Fortschritte ermöglichen Geschäftsmodelle, bei denen die Kundenbedürfnisse im Mittelpunkt stehen.

2.2 Definition „Geschäftsmodell“

Laut dem Gabler Wirtschaftslexikon gibt es seit 1998 viele Definitionsansätze, wobei keiner davon als allgemeingültig anerkannt wurde. „[...]Timmers lieferte eine der ersten Definitionen für ein Geschäftsmodell (1998): „… an architecture for the product, service and information flows, including a description of the various business actors and their roles, and a description of the potential benefits for the various business actors, and a description of the sources of revenues”. Eine neue, relative kurze Definition haben Osterwalder und Pigneur (2010) beigetragen: „A business model describes the rationale of how an organization creates, delivers, and captures value.” Bieger und Reinhold (2011) liefern eine der detailliertesten Definitionen: „Ein Geschäftsmodell beschreibt die Grundlogik, wie eine Organisation Werte schafft. Dabei bestimmt das Geschäftsmodell, (1) was eine Organisation anbietet, das von Wert für Kunden ist, (2) wie Werte in einem Organisationssystem geschaffen werden, (3) wie die geschaffenen Werte dem Kunden kommuniziert und übertragen werden, (4) wie die geschaffenen Werte in Form von Erträgen durch das Unternehmen „eingefangen“ werden, (5) wie die Werte in der Organisation und an Anspruchsgruppen verteilt werden und (6) wie die Grundlogik der Schaffung von Wert weiterentwickelt wird, um die Nachhaltigkeit des Geschäftsmodells in der Zukunft sicherzustellen.“)"6 Zuletzt legen Müller-Stevens und Lechner den Begriff Geschäftsmodell wie folgt aus: „Ein Geschäftsmodell kann definiert werden als ein Design von vernetzten Aktivitäten, welches ein bestimmtes Nutzenversprechen realisieren will, um eine Wertschöpfung zu erzielen.“7 Der Fokus ist demnach das Nutzenversprechen oder auch Werteversprechen mit dem Ziel die Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Dies sind auch zentrale Aspekte im integrativen Geschäftsmodell des „Business Model Canvas“ von Osterwalder und Pigneur worauf im Folgenden näher eingegangen wird.

2.3 Das Geschäftsmodell „Business Model Canvas“

Osterwalder und Pigneur entwickelten das „Business Model Canvas“ (BMC) Konzept, mit dem Ziel Geschäftsmodelle „simpel, treffend und intuitiv zu erfassen […].“8 Das „Business Model Canvas“ Konzept berücksichtigt dabei die wichtigsten Kompetenzfelder eines Unternehmens oder einer Organisation. Das Geschäftsmodell eines Unternehmens wird darin in neun Bausteinen visualisiert und zeigt durch ihre Anordnung und ihr Zusammenwirken auf, wie das Unternehmen einen Mehrwert und letztendlich Umsatz generieren möchte. Ein zentraler Aspekt des „Business Model Canvas“ ist das Werteversprechen (WV), das die Lösung eines wesentlichen Kundenproblems anbietet und so die Kundenbedürfnisse im besten Fall besser als die Konkurrenz befriedigt. Ein Alleinstellungsmerkmal im Werteversprechen ist nach Osterwalder und Pigneur der Grund für Kundenbindung an ein einziges Unternehmen. Voraussetzung ist, dass das Geschäftsmodell es schafft, erfolgreich Kundenprobleme zu lösen oder zu befriedigen. Des Weiteren schlagen sie vor beispielsweise die Kosteneffizienz im Sinne der Kunden zu verbessern oder die Produkte, wenn möglich, an die individuellen Kundenbedürfnisse anzupassen. Die Fragen, die sich ein Unternehmen dazu stellen muss, sind: Wie generieren wir Werte für meine Kunden? Welche Kundenprobleme möchten wir lösen? Welche Kundenbedürfnisse möchten wir befriedigen? Welche Auswahl von Produkten und Dienstleistungen bieten wir unserem Kundensegment an? Es gibt vielfältige Möglichkeiten für Unternehmen, sich bzgl. Werteversprechen zu positionieren, wie beispielsweise durch Innovation (z.B. Erfindung des Mobiltelefons), durch Leistung (z.B. schnellerer Laptop, mehr Speicherkapazität oder bessere Grafikkarte), durch Individualisierung (z.B. Kundenanpassungen für mehrere Kundensegmente), durch Effizienz und Service (z.B. baut und wartet Rolls-Royce die Flugzeuge seiner Kunden, so dass sie sich auf ihr Kerngeschäft fokussieren können. Im Gegenzug erhält Rolls-Royce eine Gebühr für jede Stunde, die eine Maschine läuft), durch Markenbekanntheit (z.B. Mercedes), durch Preispolitik (z.B. wenn das Angebot mit ähnlichem Nutzerversprechen zu einem geringeren Preis angeboten werden kann wie beispielsweise beim indischen Autohersteller Tata), durch Kosteneffizienz und durch Risikominderung in Form von Garantien (z.B. inkl. einer Ein-Jahr-Service Garantie), durch Verfügbarkeit (z.B. Car-Sharing) und Anwenderfreundlichkeit (z.B. ipod und iTunes von Apple).9

Der Baustein Kundensegmente (KS) beinhaltet die verschiedenen Kunden-Zielgruppen, die das Unternehmen mit ihrem Geschäftsmodell erreichen und bedienen möchte.10 Auf die Bedürfnisse dieser Kundengruppen oder laut Mettig Anspruchsgruppen ist die Leistungserbringung des Geschäftsmodells ausgerichtet, denn die Kunden sichern dem Unternehmen oder der Organisation langfristig das Überleben und somit meist auch das finanzielle Fortbestehen.11 Aus diesem Grund ist es wichtig für ein Unternehmen, die Art seiner Kunden zu ermitteln. Dies kann in Form von Marktsegmentierung12 durch das Marketing erfolgen. Nach der Analyse muss anschließend die Entscheidung bewusst für oder gegen bestimmte Anspruchsgruppen im Kundensegment getroffen werden. Ist dies einmal definiert, ist es notwendig ein Verständnis für ihre speziellen Bedürfnisse zu entwickeln. Die Kundensegmente können laut Osterwalder und Pigneur in Massenmarkt, Nischenmarkt, Segmentierung, Diversifizierung und Multi-Sided-Platforms unterteilt werden. Beim Massenmarkt wird ein und dasselbe Produkt allen Kundengruppen unverändert angeboten.13 Die Interaktionen oder Aktivitäten, die ein Unternehmen oder eine Organisation im Zuge der Geschäftstätigkeit mit unterschiedlichen Akteuren durchführt, wird laut Zott und Amit „Aktivitätssystem“ genannt. Dazu gehören die Bausteine Schlüsselressourcen, Schlüsselaktivitäten sowie Kanäle und Kundenbeziehungen, wie sie auch im BMC vorhanden sind.14

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Business Model Canvas. (Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Osterwalder / Pigneur (2011), S. 48).

Beim Massenmarkt betrifft das Aktivitätssystem im BMC die Bausteine Werteversprechen, Kanäle und Kundenbeziehungen, die auf die ähnlichen Bedürfnisse und Problemstellungen der Kundenzielgruppe ausgerichtet sind.15 Dies trifft laut Mettig beispielsweise u. a. auf den Elektro-Sektor, den Lebensmitteleinzelhandel sowie auf Nahverkehrsdienstleister oder Telekommunikationsdienstleister zu. Das Produktangebot des Geschäftsmodells muss dabei die „durchschnittlichen“ Kundenbedürfnisse ansprechen, um möglichst viele Kunden für sich zu gewinnen. Zu berücksichtigen ist dabei die gleichzeitige Kosteneffizienz, da Konkurrenz zu erwarten ist.16 Beim Nischenmarkt zielt das Geschäftsmodell auf ein selektives Nischen-Kundensegment ab, das spezifische Kundenbedürfnisse hat. Laut Osterwalder und Pigneur trifft dies meist auf Anbieter-Käufer-Beziehungen zu, wo eine spezifische Abhängigkeit zueinander besteht. Ein Beispiel dafür ist die Beziehung zwischen Autoherstellern und Autoteilezulieferern.17 Laut Mettig besteht die Herausforderung bei diesem Geschäftsmodell darin, ein sehr spezifisches Verständnis für die Lösung des Kundenproblems zu entwickeln, um dieses zu befriedigen. Auch hier kommen im BMC die Bausteine Werteversprechen, Kanäle und Kundenbeziehungen zum Einsatz, um sich auf die spezifischen Herausforderungen dieses Nischen-Kundensegments zu fokussieren.18 Segmentierte Geschäftsmodelle bedienen mit Hilfe ihrer jeweils leicht abgewandelten Werteversprechen die Bedürfnisse von mehrere Kundengruppen. Laut Osterwalder, Pigneur und Mettig ist ein Beispiel dafür eine Bank, die ihr Kundensegment in zwei Budgetklassen verwaltet. Die erste große Kundengruppe, die ein Vermögen von bis zu 100.000 Euro investiert hat, erhält eine standardisierte Beratung und Betreuung. Der zweiten Kundengruppe mit einem Vermögen ab 500.000 Euro wird hingegen eine individuelle Betreuung und Beratung angeboten. Die Schwierigkeit bei der Segmentierung ist, eine für den Kunden offensichtliche Leistungsdifferenz zu erreichen, wie beispielsweise bei dem Geschäftsmodell eines Fluganbieters der zwischen Businessclass-, Premium-Economy- und Economy-Kunden unterscheidet.

Bei der Diversifizierung adressiert das Geschäftsmodell wieder mehrere Kundengruppen, wie bereits vorher in der Segmentierung beschrieben. Der entscheidende Unterschied ist, dass das Geschäftsmodell Problemlösungen für die sehr unterschiedlichen Kundenbedürfnisse der Kundengruppen anbieten muss. Das Geschäftsmodell von Amazon ist ein Beispiel dafür. 2006 beschloss Amazon sein Einzelhandelsgeschäft um den Cloud-Computing-Service zu erweitern, indem es Online-Speicherplatz und seine Infrastruktur zur Verfügung stellte. Dies akquirierte ihm eine neue Kundengruppe von Web-Unternehmen, die ein komplett anderes Werteversprechen als das Einzelhandelsgeschäft anzog. Laut Mettig ist der Übergang zwischen einem segmentierten und diversifizierten Geschäftsmodell fließend. Aufgrund des unterschiedlichen Werteversprechens an die Kundengruppen ist zu überlegen, ob nicht von zwei Geschäftsmodellen zu sprechen ist. "Multi-Sided Platforms" bedienen ebenfalls mehrere unterschiedliche Kundensegmente, die jedoch voneinander abhängig sind. Dies trifft auf Handelsplattformen im Internet zu, wie beispielsweise auf die Suchmaschine Google. Das Geschäftsmodell von Google bietet Endnutzern kostenlose Dienstleistungen, wie z.B. Internetsuche oder Mailservice an, welche von Werbekunden finanziert werden, die ihre Werbung bei Google platzieren. Die von Google gesammelten Daten der Endnutzer bilden die Basis für die effektive Platzierung von Werbung für die Kundengruppen der Werbepartner. Dieses Prinzip ist auch in werbefinanziertem Fernsehen oder bei Gratiszeitungen wiederzufinden.19

Der Baustein Kanäle (K) zeigt im BMC auf über welche Kommunikations-, Distributions- oder Vertriebskanäle das Geschäftsmodell sein Nutzungsversprechen an die Kundensegmente weitergibt und seine Kunden erreicht. Bei dem Baustein Kundenbeziehung (KB) wird dargestellt, wie das Unternehmen die Beziehungen zu seinen Kundensegmenten pflegt und gestaltet. Dies kann durch eigene Kanäle, z.B. durch persönliche Kundenbetreuung oder über Partnerkanäle, wie beispielsweise durch digitale Dienstleistungen via Onlineshops, wie z.B. bei der Zimmerbuchung bei booking.com, erfolgen. Auch können Zwischenhandelsstufen, wie z.B. Großhändler, zur Kundeninteraktion genutzt werden. Ziel ist es, durch die passende Kommunikationskanäle die Aufmerksamkeit des Kundensegments auf die Angebote des Geschäftsmodells zu lenken.20 Mit der fortschreitenden Digitalisierung und der damit einhergehenden Informationsflut wird die Aufmerksamkeit zu einem knappen Gut, was mit der „Ökonomie der Aufmerksamkeit" prägnant zusammengefasst wird.21 Schlüsselressourcen (SR) sind laut Osterwalder und Pigneur die Wirtschaftsgüter, ohne die das Geschäftsmodell nicht funktionieren kann. Dabei unterscheiden sie in physische, intellektuelle, menschliche und finanzielle Wirtschaftsgüter. Mit Schlüsselaktivitäten (SA) werden alle Aktionen zusammengefasst, deren Durchführung für das Unternehmen essenziell sind, um das Geschäftsmodell durchführen zu können. Für Osterwalder und Pigneur gehören dazu beispielsweise die Lösung von Kundenproblemen, Produktion oder digitale plattformbezogene Schlüsselaktivitäten. Unter Schlüsselpartner (SP) sind die wichtigsten Partner und Lieferanten aufgeführt, die für die Leistungserstellung zur erfolgreichen Umsetzung des Geschäftsmodells notwendig sind. Der Baustein Kostenstruktur (KO) zeigt sämtliche Kosten auf, die beim Betrieb des Geschäftsmodells entstehen. Diese können Fixkosten, variable Kosten, Mengenvorteile und Verbundvorteile sein. Im Baustein Einnahmequellen (EQ) werden alle durch das Geschäftsmodell akkumulierten Umsätze erfasst. Beispiele sind dafür Einnahmen aus Nutzung von Dienstleistungen, Vergabe von Lizenzen oder Produktverkäufen.22

2.4 Mögliche Auswirkungen der Digitalisierung auf Geschäftsmodelle

Die Digitalisierung prägt als vierte Revolution mit disruptiven Technologien, digitaler Vernetzung und innovativen Geschäftsmodellen unsere Gegenwart (siehe Kapitel 2.1). Die Frage, die sich laut Mettig stellt, ist welchen Einfluss die Digitalisierung auf unser wirtschaftliches Handeln in den drei wesentlichen Bereichen Leistungsangebot, Branche- / Wettbewerb und Kundenerwartung haben wird. Diese Bereiche beeinflussen und verstärken sich gegenseitig in ihrer Wirkungsweise, daher ist es ratsam,d diese Aspekte als Unternehmen oder Organisation im wirtschaftlichen Handeln zu berücksichtigen.23 Im weiteren Verlauf dieses Kapitels werden die vielfältigen Wirkungsweisen der Digitalisierung auf bestehende Geschäftsmodelle anhand des Konzepts des „Business Model Canvas“ (BMC) von Osterwalder und Pigneur erläutert.

Mögliche Auswirkungen auf das Werte-/ Nutzenversprechen (WV) Laut Mettig ist das Werte-/ Nutzenversprechen von der Digitalisierung gleich auf mehrfache Art und Weise betroffen. Zum einen sind ursprünglich analoge Produkte und Dienstleistungen durch digitale Angebote ersetzt worden. Dies führte oftmals zu einer Veränderung des Werteversprechens und ganze Branchen verloren ihre Geschäftsgrundlage. Ein Beispiel dafür ist die Musik-CD, die durch mp3 Dateien und spätere Musik-Streaming-Dienste ersetzt wurde. Reisebüros und Einzelhandel sehen sich durch Online-Angebote einer starken Konkurrenz ausgesetzt und der Briefverkehr wurde weitestgehend durch E-Mails und digitale Nachrichtendienste ersetzt. Zum anderen ist durch die Digitalisierung ein Wegfall von ganzen Wertschöpfungsketten zu beobachten, da ehemals physisch produzierte Güter nun als digitale Produkte den Kunden angeboten werden. Diese Entwicklung entzieht z.B. Zwischenhändlern die Geschäftsgrundlage. Allerdings können Unternehmen durch die geschickte Nutzung und Entwicklung von neuen digitalen Technologien, neuartige Formen von Werte- und Nutzenversprechen entwickeln und ihr Geschäftsmodell den neuen Umständen anpassen oder neu definieren.24

[...]


1 Vgl. Brühl (2015), S. V.

2 Vgl. Statista (o.J.), o.S.

3 Gabler Wirtschaftslexikon (o.J), o. S.

4 Vgl. Brühl (2015), S. 10-16.

5 Vgl. Brühl (2015), S. 59-64.

6 Gabler Wirtschaftslexikon (2018), o. S.

7 Müller-Stewens / Lechner (2016), S. 372.

8 Osterwalder 7 Pigneur (2011), S. 19.

9 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 27-28.

10 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 24.

11 Vgl. Mettig (2017), S. 17-18.

12 Vgl. Meffert / Burmann / Kirchgeorg (2015), 174 ff.

13 Vg. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 24-26.

14 Vgl. Zott / Amit (2010), S. 219-220.

15 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 25.

16 Vgl. Mettig (2017), S. 18.

17 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 25.

18 Vgl. Mettig (2017), S. 19.

19 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 25-26 und Vgl. Mettig (2017), S. 19.

20 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 30-31 und Vgl. Mettig (2017), S. 19-22.

21 Vgl. Clement / Schreiber (2013), 63 ff.

22 Vgl. Osterwalder / Pigneur (2011), S. 38-45.

23 Vgl. Mettig (2017), S. 49-50.

24 Vgl. Mettig (2017), S. 75-77.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Geschäftsmodelle. Möglichkeiten, Risiken und praktische Anwendung auf ein Bauunternehmen
Université
SRH - Mobile University  (SRH - Mobile University)
Cours
Digitale Geschäftsmodelle
Note
1,0
Auteur
Année
2021
Pages
29
N° de catalogue
V1032333
ISBN (ebook)
9783346419644
ISBN (Livre)
9783346419651
Langue
allemand
Mots clés
Digitale Geschäftsmodelle, Bauunternehmen, Geschäftsmodel, Digitalisierung, Handwerk, Wissentransfer, Wettbewerbsvorteile, Business Model Canvas
Citation du texte
SV Rielke (Auteur), 2021, Die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf Geschäftsmodelle. Möglichkeiten, Risiken und praktische Anwendung auf ein Bauunternehmen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1032333

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