Steigerung der Teilnahmebereitschaft von Protagonist*innen an Reality-TV-Formaten

Eine Praxisarbeit zu Lösungsansätzen


Research Paper (postgraduate), 2020

25 Pages, Grade: 2,0

Anonymous


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Inhaltsverzeichnis

0 Einleitung

1. Reality TV
1.1. Reality TV- Ansatz einer Begriffsdefinition und Merkmale
1.2. Formen des Reality TV
1.3 Uber Caster*innen und den Ablauf von Castings

2 Kritik am Reality TV
2.1 Argumente fur Kritik am Reality TV
2.2 Ein Medienskandal beim Westdeutschen Rundfunk
2.3 Rezipient versus Akteur
2.4 Uberleitung zum empirischen Teil

3 Die Methode qualitatives Interview
3.1.1 Auswahl der Methode
3.1.2 Quantitative Sozialforschung
3.2 Umgebung der Interviews
3.3 Aufnahme der Interviews
3.4Konzeption der Befragung

4 Ablauf der Interviews
4.1 Die Proband*innen
4.2 Uber den Fragebogen
4.3 Auswertung der Interviews
4.3.1 Suche nach Protagonist*innen und Casting-Ablauf
4.3.2 Castingablauf bei Reality-Formaten
4.3.3 Hohe der Teilnahmebereitschaft von Protagonist*innen
4.3.4 Schwierige Formate
4.3.5 Steigerung der Teilnahmebereitschaft
4.4 Ergebnisdiskussion
4.5 Herausforderung Interview

5. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

Einleitung

Reality TV ist seit Jahrzehnten aus der deutschen Fernsehlandschaft nicht mehr wegzuden- ken. Im taglichen Leben wird haufig daruber diskutiert, sei es uber das 2020 bereits in die 14. Staffel gehende „ Dschungelcamp “ auf RTL oder Loveisland bei RTL2. Auf den ersten Blick scheint demnach ein regelrechter Hype um Reality-Formate entstanden zu sein. Doch wie sieht es „hinter den Kulissen“ aus? Ist es innerhalb der deutschen Castingszene nicht mitt- lerweile schwer, Bewerber*innen fur Reality-Formate zu finden, da diese Formate von der Offentlichkeit haufig kritisiert werden?

In der folgenden wissenschaftlichen Arbeit wird unter anderem auf diese Fragestellung ein- gegangen. Das Hauptaugenmerkt liegt in der Erstellung von Losungsansatzen zur Steige- rung der Teilnahmebereitschaft von Protagonist*innen an Reality-Formaten.

Im ersten Teil der Arbeit wird anhand von themenspezifischer Literatur ein Ansatz fur die Be- griffsdefinition von „Reality TV“ dargelegt und die verschiedenen Formen des Genres, sowie einige Stilmittel, werden beschrieben.

Zudem werden Kritikpunkte am Reality-TV beleuchtet, wobei ein Medienskandal des West- deutschen Rundfunks (WDR) als aktuelles Beispiel dient.

Im letzten Punkt des ersten, wissenschaftlichen Teils der Arbeit, wird anhand von Fachlitera- tur der Beruf der Caster*innen beschrieben. In dem Zusammenhang wird zudem ein Beispiel fur den Ablauf eines Castings beleuchtet. Als finaler Punkt im Literaturteil der Arbeit, werden Hypothesen, passend zur Fragestellung, aufgestellt.

Auf den wissenschaftlichen Teil folgt der empirische Teil der Arbeit, in welchem zunachst die gewahlte Forschungsmethode beschrieben und begrundet wird.

Es folgt die Auswertung der Forschung - Interviews mit drei Caster*innen aus dem Fernseh- bereich zum Thema Casting. Alle Proband*innen wurden nach einem Leitfaden befragt, wo- durch allen dieselben Fragen in identischer Reihenfolge gestellt wurden, um die Ergebnisse miteinander vergleichen zu konnen. Diese Ergebnisse werden nach der Prasentation im em- pirischen Teil ausgewertet und interpretiert. Es wird auf die Hypothesen am Ende des Litera- turteils eingegangen und abgewagt, ob sie sich bestatigen lassen.

AbschlieBend werden die Forschungsergebnisse zusammengefasst und mit den Erkenntnis- sen aus dem wissenschaftlichen Teil verglichen. Auf die gewahlte Forschungsmethode und den Ablauf der Interviews wird noch einmal Bezug genommen.

Fur den Begriff „Reality TV“ wird in der Arbeit der Begriff „Realitatsfernsehen“ simultan ver- wendet. Mit einem Stern (*) gekennzeichnete Nomen umfassen alle Geschlechter.

Die in Kapitel 4 (Ablauf der Interviews) gezeigten Tabellen, sind allesamt eigene Darstellun- gen.

1 Reality TV

Reality TV hat viele Formen. In folgenden Absatzen wird der Versuch einer Begriffsdefinition unternommen. Zudem werden verschiedene Genre beschrieben.

1. 1 Reality TV- Ansatz einer Begriffsdefinition und Merkmale

Seit mittlerweile rund 30 Jahren findet sich in der breiten Medienlandschaft eine Begrifflich- keit, die nicht nur bei Medienwissenschaftlern, sondern auch bei der breiten Offentlichkeit auf reges Interesse trifft. Das folgende Kapitel beschaftigt sich mit eben dieser Begrifflichkeit - Reality TV.

Den Ursprung findet Reality TV in den USA und tauchte 1992 erstmalig in Deutschland auf. Zunachst wurden Unfalle und Naturkatastrophen dargestellt oder zufallig aufgenommene Originalaufnahmen gezeigt. Die nachsten aufkommenden Sendeformate waren eine Reihe von Gerichtsubertragungen, welche ebenfalls aus den USA heruber schwappten. In Deutsch­land durften im Gegensatz zur USA keine Live-Videoaufnahmen in Gerichtssalen erstellt werden, wodurch man sich entschied, Gerichtsverfahren nachzustellen. (vgl. Lucke, 2002: 21ff)

Diese Technik des Nachstellens ist auch heute (Stand 2019) in Form von Scripted-Reality- Formaten noch sehr verbreitetet.

Als Beispiel fur diese Formate lasst sich beispielsweise Hilf mir auf RTL II benennen, wo die Dialoge zwischen den Darsteller*innen zwar improvisiert- das Drehbuch jedoch vorgegeben ist.

In dem Buch „ Skandalisierung im Fernsehen. Strategien, Erscheinungsformen und Rezepti- on von Reality TV Formaten.“, geben die Autoren an, es fehle bislang an einer anerkannten Definition fur das Genre. (vgl. Lunenborg, Martens, Kohler et al, 2011: 17) Sie begrunden dies mit der „breiten Differenzierung der Themen und Formen des Reality TV in den vergan- genen Jahren“. (ebd.)

Klaus und Lucke (2003) vertreten dieselbe Meinung. Laut ihnen ist Reality TV ein Hybridgen­re. Es besteht folglich aus einer Mischung von verschiedene Genre, wodurch es standigem Wandel unterzogen ist und daher kaum eine klare Eingrenzung erfolgen kann. Reality TV hat sich in den vergangenen Jahrzehnten in verschiedenste Genres unterteilt, sodass man nicht mehr von einem Genre, sondern von einer „Genrefamilie“ sprechen sollte. (vgl. Lucke und Klaus, 2003: 196)

Laut Stephanie Lucke (2002) hat die Entwicklung der 1990er Jahre deutlich gemacht, dass die Vermischung verschiedener Gattungen und Genres zu einem neuartigen Gesamtkonzept ein „Charakteristikum unserer Zeit“ ist. Der Begriff „Hybridgenre“ sei entstanden, um neue Sen- dungen zu beschreiben und es werde immer schwieriger, Gattungsschemata zu finden, die neu entstandene Sendungen einwandfrei einer Gattung bzw. einem Genre zuordnen. (vgl. Lucke, 2002: 49)

Den Literaturquellen zufolge gibt es formal also keine festgelegte Begriffsdefinition fur das Realitatsfernsehen, thematisch ist jedoch eine deutliche Ahnlichkeit zwischen den „Genrefa- milien“ (s.o.) zu erkennen.

Laut Lucke (2002) sind es „vor allem die Charakteristika der Darstellung, die bei den Sen- dungen des Reality TV ahnlich sind.“ (Lucke, 2002: 52)

Dies seien Nicht-Prominente als Akteure, Personalisierung, Emotionalisierung, Stereotypisie- rung, Dramatisierung, Live-Charakter, die Mischung von Fiktion und Realitat, Information und Unterhaltung, Authentizitat und Inszenierung. (ebd.)

Der Fokus der Reality-Sendungen liegt (wie zu seiner Anfangszeit) auch heute noch auf Be- troffenheit, Selbstdarstellung und Privatheit. (vgl. Mikos, 1999: 230ff) Dabei wird haufig be- wusst provoziert, um Zuschauer zu generieren. (Lunenborg, Martens, Kohler et al, 2011: 103)

Mikos (20079 stellt fest, dass die Darsteller in Reality-Formaten sind zum GroBteil nicht-pro- minent sind, wodurch ein starker Bezug zur Alltagsrealitat gegeben ist. (vgl. Mikos, 2007: 25) Die Sendungen geben Einblick in verschiedene Lebenssituationen und Umstande, die „nicht der burgerlichen Normalbiografie entsprechen.“ (vgl. ebd.) Dadurch wird eine Offentlichkeit fur Themen geschaffen, uber die zuvor nicht gesprochen wurde. Somit kann gesagt werden, dass Reality TV Tabus bricht, bewusst provoziert und dadurch auch zu viel Kritik in der Of- fentlichkeit fuhrt. Lucke (2002) unterstutzt diese These:

„Inhaltlich zeichnen sich Real Life Soaps dadurch aus, dass sich „normale Menschen“, d.h. keine professionellen Schauspieler und Schauspielerinnen, freiwillig bei ihrem Verhalten und ihren Handlungen im Alltag [...] filmen lassen. Die Akteure stellen ihr privates Leben in der Offentlichkeit dar und zeigen sich nicht selten auch in intimen Situationen.“ (Lucke (2002): 24)

Korner (2016) vergleicht Reality TV mit einem Theaterstuck, an welchem die Zuschauer*in- nen zwar teilhaben konnen, welches sie jedoch nicht „am eigenen Leib erfahren mussen“. (vgl. Korner, 2016: 4) In Reality-Formaten wird der Alltag der Gesellschaft inszeniert und zur Diskussion freigegeben. Die Wirklichkeit wird folglich verhandelt. (vgl. ebd.)

In dem Buch „Theatralisierung der Lebenswelt durch Reality TV Formate. Eine Simulation im grellen Licht der Wirklichkeit.“, beschreibt Korner (2016) die Grundzuge des Genres wie folgt:

„Gewalt, deviantes Verhalten, [...] sowie die Ausstellung von Ereignissen, die Alltagsmenschen aber auch Prominenten passieren und von einer bestimmten optischen und dramaturgischen Asthetik ge- pragt sind, scheinen das Genre in seinen Grundzugen auszumachen.“ (vgl. Kohler 2016: 67)

AbschlieBend kann somit zusammengefasst werden, dass sich die verschiedenen Subgen­res des Reality TV miteinander vermischen und es keine allgemeine Begriffsdefinition gibt.

1.2 Formen des Reality TV

Wie bereits im Abschnitt 1.1 (s.o.) verdeutlicht, hat Reality TV hat viele verschiedene For- men, da es innerhalb der Genres immer mehr Subgenres gibt, die sich standig neu kombi- nieren. Kohler (2016) beschreibt das Realitatsfernsehen als strukturelles, aber auch astheti- sches „Bindeglied zwischen Nachrichten und Dokumentationen auf der einen und fiktionalen Filmen und klassischen Serien auf der anderen Seite“. (vgl. Kohler, 2016: 86)

Die Formate haben gemein, dass haufig versucht wird, die „Frage nach der Wirklichkeitsge- halt der Formate nicht einmal mehr aufkommen zu lassen.“ (ebd,)

Als Beispiel dazu nennt Kohler (2016) die (auch Stand 2019) sehr verbreiteten Scripted-Rea- lity-Formate, bei welchen beispielsweise Bilder realer Orte eingeblendet werden, um den An- schein von Realitat zu erwecken. (vgl. Kohler, 2016: 86) Anleihen in Form eines Skripten wurden dazu auch nach Moglichkeit nicht offen thematisiert. (ebd.) Dies kann damit begrun- det werden, dass der Anschein von Authentizitat gewahrt werden soll.

Als Ansatz, die Formen des Realitatsfernsehens zu definieren, unterteilte Keppler bereits 1994 das Realitatsfernsehen in narrativ und performativ. (Keppler, 1994: 8)

Narratives Realitatsfernsehen zeigt die „authentische oder nachgestellte Wiedergabe tat- sachlicher Katastrophen“, wahrend beim performativen Realitatsfernsehen „in die Alltags- wirklichkeit von Menschen eingegriffen wird“. (vgl. ebd.)

Formate des performativen Realitatsfernsehens konnen beispielsweise durch Geldgewinne Lebensveranderungen zur Folge haben. (vgl. ebd.)

Als aktuelles Beispiel (Stand 2019) fur narratives Realitatsfernsehen lasst sich Blaulichtre- port (RTL), ein gewaltzentriertes Scripted-Reality-Format, nennen. Als Beispiel fur performa­tives Realitatsfernsehen „Ich bin ein Star- holt mich hier raus (RTL)“.

Kepplers Unterteilung greift Lucke (2002) in ihrem Buch „ Real Life Soaps. Ein neues Genre des Reality TV.“, auf. Sie unterteilt das narrative Realitatsfernsehen in „gewaltzentrierte Sen- dungen“ wie beispielsweise Aktenzeichen XY (ZDF), „Real Life Comedy“ und „Gerichts- shows“. Performatives Realitatsfernsehen unterteilt sie in „Beziehungsshows“, „Beziehungs- Game Shows“, „Daily Talks“, „Problemlosesendungen“ und „Real Life Soaps“. (Lucke, 2002: 51)

Narrative Formate sind somit oft nachgestellt, sollen jedoch den Anschein von Authentizitat erwecken, wahrend performative Formate Menschen in echten, teils lebensverandernden Situationen zeigen.

Reality TV lasst die Grenze zwischen realer und medial inszenierter Situation verwischen. (vgl. Keppler, 1994: 61)

Da sich die Genrefamilie des Reality TV jedoch rasant weiterentwickelt, sind in den letzten Jahren weitere Formen dazugekommen. „Coaching-Formate“, „Swap-Dokus“ wie Frauen- tausch (RTL II), Make-Over-Sendungen wie Mieten, Kaufen Wohnen (VOX) und vor allem Castingshows sind zu den Formaten dazugekommen. (vgl. Lunenborg, Martens, Kohler et al, 2011: 23f) Die fruher gerne gezeigte „Gerichtsshows“ wurden mittlerweile durch Scripted- Reality-Formate (z.B Verdachtsfalle, RTL) ersetzt. (ebd.) Dieses Genre lasst sich dem per- formativen Realitatsfernsehen zwar zuordnen, ist jedoch nochmal eine besondere Form der Reality-Genres, da die Handlung vorgegeben ist.

Im Hinblick auf die verschiedene Formen des Realitatsfernsehens, sollte auch der Ursprung der Formate bedacht werden. Armbruster und Mikos stellen dazu folgende These auf:

„All diese Programmtrends haben eins gemeinsam: Sie basieren nicht auf Konzepten oder Ideen deutscher Produzenten oder Sender. Es handelt sich um lizensierte Formate, die auf dem interna- tionalen Markt adaptiert wurden. Lief ein Lizenzformat mit einigem Erfolg, wurde es von anderen Sendern kopiert und imitiert. Auf diese Weise hat sich eine besondere Dynamik des deutschen Fernsehmarktes entwickelt, die im Wesentlichen vom Lizenzerwerb internationaler Formate und deren Imitation lebt. Das fuhrt zu einer Angleichung der Programme der (meist) gro&en Sender, so dass nicht nur eine Formatierung der Programmstruktur, sondern ebenso eine gewisse Standardi- sierung von Formaten entsteht.“ (Armbruster, Mikos, 2009: 31)

Dem deutschen Fernsehmarkt fehle dadurch die Unabhangigkeit vom globalen Fernseh- markt. (ebd.) Dies begrunden Armbruster und Mikos damit, dass fur Innovationen im Sinne von Programmexperimenten das Geld und die Zeit fehlen und sich dadurch an Formaten be- dient wurde, welche international eben schon erfolgreich seien und deren Imitation gute Er- folgsaussichten biete. (vgl. Armbruster, Mikos, 2009: 33)

Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass es sehr viele Reality-TV-Formate gibt, welche sich stetig verandern und sich miteinander vermischen. Die Formate werden auf dem internationalen Markt adaptiert, wodurch der deutsche Fernsehmarkt vom Lizenzerwerb in- ternationaler Formate abhangig ist und eine Standardisierung von Formaten entsteht. Inner- halb der Formate soll der Anschein von Authentizitat gewahrt werden, denn dieser macht den Reiz fur die Zuschauer*innen aus. Daher ist es gewollt, dass sich Reales nicht mehr von Fik- tivem unterscheiden lasst. Zuschauer*innen entscheiden selbst, was sie fur „wahr“ empfin- den. (s.o.)

1.3 Uber Caster*innen und den Ablauf von Castings

Laut dem Berufsverband Casting e.V. haben Caster*innen die Aufgabe „Kontakt zwischen Schauspieler, Regie und Produktion herzustellen“. (Website Deutscher Castingverband, o.d)

Sie fuhren Archive, erledigen anfallende Verwaltungsarbeiten, organisieren Castings und fuh- ren diese durch. Manche Caster*innen arbeiten freiberuflich, andere sind bei Sendern oder Produktionsfirmen angestellt. (ebd.)

Laut Boldt (2008) gibt es neben vielen privaten Castingagenturen auch die staatliche Kunst- lervermittlung der Vermittlungsstelle der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bun- desagentur fur Arbeit (ZAV). Die ZAV betreibt Agenturen in Berlin, Leipzig, Hamburg, Koln, Stuttgart und Munchen. (vgl. Website ZAV Arbeitsagentur, o.d)

Boldt (2008) beschreibt in ihrem Buch „Casting fur Film, Fernsehen und Buhne. Der Weg- weiser zum Erfolg.“, allgemein den Castingprozess fur Film- und Fernsehformate, wodurch ein Bezug zum Genre Reality TV gegeben ist.

Wahrend fur groBere Haupt- und Nebenrollen bei Kino- und Fernsehfilmen meist ein Kame- racasting an einem festgelegten Ort gemacht wird, werden Tages- und Episodenrollen (in Fernsehserien) „meist anhand eines Demobandes besetzt“. (vgl. Boldt, 2008: 27ff)

Die Schauspieler*innen fur die Tages- und Nebenrollen werden von den Caster*innen haufig bei Agenturen angefragt. Dabei wird meist darauf geachtet, dass die Darsteller*innen aus der Nahe des Drehorts kommen, um Reise- und Hotelkosten einsparen zu konnen. (vgl. Boldt, 2008: 45)

Zur Auswahl fur die Hauptrolle(n), halten Caster*innen ein Besetzungsgesprach ab, an dem meistens Regisseur*innen, Produzent*innen und Redakteur*innen der Produktion teilneh- men, um Fotos und Viten der Darsteller*innen zu sichten. (ebd.)

Sollte(n) die Hauptrolle(n) bereits nach der Besprechung feststehen, bekommt der Darsteller/ die Darstellerin direkt das Drehbuch zum Lesen zugeschickt. Sollte dies nicht der Fall sein, werden die Darsteller*innen fur ein Casting terminiert. Dieses findet beispielsweise im eige- nen Castingstudio des Casters/der Casterin statt, am Set oder in einem angemieteten Raum. Am Castingtag werden Probeaufnahmen der Darsteller*innen erstellt und anschlieBend den Entscheidungstragern vorgelegt. (vgl. Boldt, 2008: 44f)

Zu den weiteren Aufgaben der Caster*innen zahlen die Sichtung und Einordnung von Kunst- ler-Bewerbungen in Archive und das Entdecken neuer Talente. (ebd.)

Das Zusenden eines Drehbuchs an die Darsteller*innen ist im Hinblick auf Reality TV fur die Scripted-Reality-Formate von Bedeutung, da bei diesen ein fester Plot vorgegeben ist.

Bei dem personlichen Kameracasting, auf welches auch Boldt (2008) bezugnimmt, werden die Bewerber*innen fur Reality-TV-Formate zumeist gebeten, sich kurz vorzustellen und dar- auffolgend eine vorgegebene Szene mit verschiedenen Emotionen vor der Kamera nachzu- stellen.

Die daraus entstehenden Aufnahmen werden von den Caster*innen und deren Agenturen/ Unternehmen gesichtet und die besten Bewerber*innen werden den Mitarbeiter*innen des Senders vorgestellt, welche die Teilnehmer*innen fur das jeweilige Format auswahlen.

Doch in der Realitat bleibt nicht immer die Zeit fur ein personliches Casting. Haufig geben die Caster*innen im Reality-Bereich aus Zeitgrunden Anweisung an die Bewerber*innen, die „Kameracastings“ selbst zu erstellen. Dies kann beispielsweise einfach mit dem Handy erfol- gen. Die Bewerber*innen bekommen ein vorgegebenes Thema per Mail zugesendet, zu wel- chem sie den Text improvisieren und so eine Szene von wenigen Minuten spielen. Im Scrip- ted-Reality-Bereich geht es vor allem darum, starke Emotionen zu zeigen, beispielsweise Wut oder Trauer. In anderen Reality-Bereich geht es darum, moglichst viel uber die Person- lichkeit der Darsteller*innen aus den Bewerbungsvideos herauszufinden. Das entstandene Video senden sie dann an die Caster*innen zuruck, welche dieses beurteilen und an die Mit- arbeiter*innen des Senders weiterleiten.

2. Kritik am Reality TV

Kaum ein anderes Genre wird so stark kritisiert, wie das Realitatsfernsehen. In den beiden folgenden Absatzen werden die Grunde dafur verdeutlicht. Zur Veranschaulichung wird bei- spielhaft auf den Skandal eines groBen deutschen Unternehmens eingegangen.

2.1 Argumente fur die Kritik am Reality TV

Kritiker bezeichnen das Genre Reality TV als „Trash-TV“, „Psycho-Formate“ oder „Unter- schichtenfernsehen“. (vgl. Lucke; 2002: 11) Besonders das performative Realitatsfernsehen ist Teil einer hitzigen Debatte. Als eines der am meisten kritisiertesten Formate lasst sich Big Brother (RTL II) nennen, welches seit Jahren immer wieder fur Negativschlagzeilen sorgt.

Das „Argument des Jugendschutzes“ facht jene Debatten haufig an. (vgl. Armbruster, Mikos, 2009: 32) Lunenborg, Martens, Kohler et al (2011) unterstutzen diese These und zahlen da- bei einige Kritikpunkte am Gerne auf.

„Die Bandbreite reicht von Beleidigungen uber beinahe nackte Korper von minderjahrigen Mad- chen, Alkohol- und Tabakkonsum von Minderjahrigen, Selbstverletzungen von Protagonisten und Gesundheitsproblemen infolge der Teilnahme, dem akustischen und optisch inszenierten Toten von Tieren, kamerabegleitete Geschwindigkeitsuberschreitungen (...), bis zu Gewalt an Kindern durch Erziehungsberechtigte.“ (Lunenborg, Martens, Kohler et al: 2011, 102)

Diese Skandale werden bewusst inszeniert, um das Interesse der Zuschauer*innen zu we- cken und sie an das Format zu binden. (vgl. ebd.)

2.2 Ein Medienskandal beim Westdeutsche Rundfunkt

Zur Veranschaulichung fur Kritik am Reality TV kann ein Stand 2019 aktuelles Beispiel auf- gegriffen werden. Anfang 2019 machte der Westdeutsche Rundfunk (WDR) mit Negativ- schlagzeilen auf sich aufmerksam. Der Sender stand in der offentlich Kritik, da er drei TV- Dokumentationen der Reihe „Menschen hautnah“ veroffentlicht hatte, in denen nachweislich dieselben Komparsen/Komparsinnen eingesetzt wurden und sich als unterschiedliche Men- schen ausgaben. (vgl. Berliner Morgenpost, 17.01.2019)

Der Komparse Sascha Mahlberg behauptete in der Dokumentation gemeinsam mit seiner Frau, in einer Vernunft-Ehe zu leben und wurde auf Facebook von einer Nutzerin aus Wup­pertal wiedererkannt. Die Nutzerin erkannte ihn aus verschiedenen anderen Sendungen wieder, in denen er sich mit anderem Namen und veranderter Lebensgeschichte vorstellte. (vgl. ebd.)

Es fiel auf, dass Mahlberg und seine Frau nicht nur in der Folge „Ehe aus Vernunft- Geht es wirklich ohne Liebe?“, vom 10. Januar 2019 aus der Sendung „Menschen hautnah“ mitge- wirkt hatten, sondern auch in der bereits am 27. November 2018 erschienenen Folge „Liebe ohne Zukunft? Heimliche Affaren und ihre Folgen“. Dasselbe portratierte Ehepaar wurde in beiden Folgen verschieden benannt und sie waren unterschiedlich alt.

Die Zuschauer*innen, welche auf den Skandal aufmerksam geworden waren, kritisierten den Sender stark und der WDR prufte den Fall. Unstimmigkeiten wurden seitens des WDR ein- geraumt und als Konsequenz wurde die fur die Dokumentation verantwortliche Autorin vom Sender nicht mehr beauftragt.

Der Skandal des WDR zeigt deutlich, dass in diesem Fall die Zuschauer*innen bewusst ge- tauscht wurden, indem Dokumentationen als „wahr“ verkauft wurden, welche in Wirklichkeit von Komparsen nach den Wunschen der Autorin vorgespielt wurden.

Eine solche Tauschung fuhrt zumeist zu heftiger Kritik, wie dieses Beispiel verdeutlicht. Zu- schauer*innen verlieren das Vertrauen in Medieninstitute und sehen ihre Kritik am Realitats- fernsehen als begrundet an.

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Details

Title
Steigerung der Teilnahmebereitschaft von Protagonist*innen an Reality-TV-Formaten
Subtitle
Eine Praxisarbeit zu Lösungsansätzen
College
Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft
Grade
2,0
Year
2020
Pages
25
Catalog Number
V1033199
ISBN (eBook)
9783346443038
ISBN (Book)
9783346443045
Language
German
Keywords
Casting, Reality TV, Medien, Kommunikationswissenschaft, Fernsehen, Praxisarbeit, HMKW, Teilnahmebereitschaft, Lösungsansätze, Caster, Casterin, Casten, Realitätsfernsehen, Protagonisten
Quote paper
Anonymous, 2020, Steigerung der Teilnahmebereitschaft von Protagonist*innen an Reality-TV-Formaten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1033199

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