Der Zusammenhang von Musik Hören mit dem Erleben von Erholung von arbeitsbezogenem Stress

Eine Regressionsanalyse


Bachelorarbeit, 2020

78 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Zusammenfassung

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Erholung
2.1.1 Psychological detachment
2.1.2 Relaxation
2.1.3 Mastery
2.1.4 Control
2.2 Musik Hören
2.3 Musik Hören und Erholung
2.3.1 Aktueller Forschungsstand
2.3.2 Musikalisches Training als Moderator
2.3.3 Das effort-recovery model
2.3.4 Die allostatic load theory
2.3.5 Die conservation of resources theory

3. Fragestellung und Hypothesen
3.1 Relevanz der Fragestellung
3.2 Hypothesen

4. Methode
4.1 Versuchsdesign und Ablauf der Untersuchung
4.2 Stichprobe
4.3 Messinstrumente und verwendete Materialien
4.4 Auswertungsstrategie

5. Ergebnisse
5.1 Deskriptive Statistik
5.2 Regressionsanalysen
5.3 Moderatoranalyse
5.4 Ergänzende Analysen

6. Diskussion
6.1 Zusammenfassung und Interpretation
6.2 Einschränkungen der Untersuchung
6.3 Implikationen für Forschung und Praxis
6.4 Fazit

Literatur

Zusammenfassung

Ziel der Untersuchung war es herauszufinden, ob das Hören von Musik sich positiv auf das Erleben von Erholung von Arbeitsstress allgemein und auf die Erholungsdimensionen psychological detachment, relaxation und control auswirkt. Hierzu wurde eine Fragebogenstudie mit einem Stichprobenumfang von N =232 durchgeführt. Die Fragestellung wurde mit hierarchischen Regressionsanalysen analysiert. Als Kontrollvariablen wurden das Alter, das Geschlecht, soziales Musik Hören, der Stellenwert von Musik, die tatsächliche Arbeitszeit und die reale Erreichbarkeit aufgenommen. Zusätzlich wurde mit einer Moderatoranalyse überprüft, ob ein musikalisches Training der Teilnehmer den Zusammenhang moderiert. Die Stundenanzahl des Musik Hörens konnte die Erholung allgemein und die Erholungsdimensionen nicht signifikant vorhersagen. Es lag kein Moderatoreffekt des musikalischen Trainings vor. Die Kontrollvariablen konnten die Erholung oder Subdimensionen der Erholung teilweise signifikant vorhersagen. Die Ergebnisse und Limitationen der Studie verdeutlichen, dass ein Forschungsbedarf zu den Themen Erholung und Musik besteht und zukünftige Studien potenzielle Moderator- und Mediatoreffekte prüfen sollten.

Keywords: Erholung, Musik Hören, musikalisches Training, recovery experiences

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1. Regressionsgeraden zur Vorhersage von Erholung durch die Stundenanzahl Musik Hören, soziales Hören und Geschlecht

Abbildung 2. Regressionsgeraden zur Vorhersage von psychological detachment durch die Stundenanzahl Musik Hören und die tatsächliche Arbeitszeit

Abbildung 3. Regressionsgeraden zur Vorhersage von relaxation durch die Stundenanzahl Musik Hören und den Stellenwert von Musik

Abbildung 4. Regressionsgerade zur Vorhersage von control durch die Stundenanzahl Musik Hören

Abbildung 5. Verdeutlichung des Moderatoreffekts

Abbildung 6. Regressionsgeraden zur Vorhersage von mastery durch die Stundenanzahl Musik Hören und das Geschlecht

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Deskriptive Statistiken, Interkorrelationen und Reliabilität

Tabelle 2 Ergebnisse der hierarchischen Regression für Hypothese H1

Tabelle 3 Ergebnisse der hierarchischen Regression für Hypothese H1a

Tabelle 4 Ergebnisse der hierarchischen Regression für Hypothese H1b

Tabelle 5 Ergebnisse der hierarchischen Regression für Hypothese H1c

Tabelle 6 Ergebnisse der Moderatoranalyse für Hypothese H2

Tabelle 7 Ergebnisse der hierarchischen Regression für die abhängige Variable mastery

1. Einleitung

Seit einigen Jahren hat sich in der Psychologie der Bereich der positiven Psychologie etabliert, der wesentlich durch Seligman (2010) geprägt wurde. Seligman (2010) postuliert, dass es ebenso wichtig ist das Wohlbefinden in den Menschen zu maximieren wie es wichtig ist Krankheiten zu heilen, da die Entstehung von Krankheiten so oftmals vermieden werden kann. Ziel der positiven Psychologie ist es daher Interventionen zu entwickeln, die das Leben von Menschen erfüllender machen (Seligman, 2010). Das Hören von Musik könnte eine solche Intervention sein, indem es zu der Erholung von Menschen beiträgt. Musik ist für einen weitreichenden Teil der Population ein zentraler Bestandteil ihres Lebens und wird als eine der wohltuendsten Beschäftigungen angesehen (Mas-Herrero, Marco-Pallares, Lorenzo-Seva, Zatorre & Rodriguez-Fornells, 2013). In einer deutschen Studie mit 11000 Teilnehmern gaben 87% der Befragten an, regelmäßig Musik zu hören (SoMM zitiert nach Koehler & Neubauer, 2019). Außerdem spielt in jedem sechsten deutschen Haushalt ein Mitglied ein Instrument als eine Freizeitaktivität (SoMM zitiert nach Koehler & Neubauer, 2019). Für viele Menschen ist Musik Hören sogar die Freizeitaktivität, der sie am liebsten nachgehen (Lonsdale & North, 2011). Musik Hören hat daher eine hohe soziale Akzeptanz innerhalb der deutschen Gesellschaft (Thoma, 2010). In den Bereichen der Medizin und der Psychiatrie haben sich Formen der Musiktherapie bewährt, die eingesetzt werden um Angst, Stress und Schmerzen bei Patienten zu lindern (Aalbers et al., 2017; Nilsson, 2008). Ein Thema, das heute relevanter denn je ist, ist die Erholung von Arbeitsstress. Forschungsergebnisse der letzten Jahre haben verdeutlicht, dass Arbeitsstress mit erheblichen physischen und psychischen Risiken, wie beispielsweise koronaren Herzerkrankungen und Burnout, in Verbindung gebracht werden kann (Virtanen et al., 2012; Schaufeli & Greenglass, 2001). Burnout bezeichnet einen Zustand von physischer, emotionaler und mentaler Erschöpfung, der durch chronische Arbeitsbelastungen hervorgerufen werden kann (Schaufeli & Greenglass, 2001). Zudem verursacht Stress 30% der Kosten im Zusammenhang mit Krankheiten und Unfällen im Arbeitskontext (Nater, Graab, Rief & Ehlert, 2006). Es ist folglich elementar, dass Arbeitnehmer sich von dem Arbeitsstress ausreichend erholen können. Das Hören von Musik hat sich bereits in klinischen Bereichen als eine nichtinvasive und ökonomische Methode, die gegen Stress verhelfen kann, etabliert (Thoma, 2010). Daher wurde in der vorliegenden Untersuchung überprüft, ob es ebenfalls einen positiven Zusammenhang zwischen dem Hören von Musik und dem Erleben von Erholung von arbeitsbezogenem Stress gibt. Zusätzlich wurde untersucht ob ein musikalisches Training diesen Effekt moderiert.

Zu Beginn der vorliegenden Arbeit wird der aktuelle Forschungsstand der verschiedenen Konstrukte dargestellt und die erwarteten Zusammenhänge mit Hilfe einer theoretischen Basis hergeleitet. Hierbei wird zunächst das Konstrukt Erholung näher definiert, und Forschungsergebnisse der verschiedenen Erholungsdimensionen analysiert. Anschließend werden zentrale Ergebnisse der Forschung zum Musik Hören präsentiert. Aufbauend auf dieser isolierten Betrachtung, werden Studienergebnisse näher beleuchtet, die die Bereiche Erholung und Musik Hören vereinen. Hier werden zudem die für die vorliegende Untersuchung zentralen theoretischen Modelle erläutert. Aus den bisherigen Forschungsergebnissen und den theoretischen Modellen ergeben sich die Fragestellung und die Hypothesen der Untersuchung. Die wissenschaftliche und praktische Relevanz der Fragestellung werden zudem verdeutlicht. Anschließend folgt ein Überblick über zentrale Aspekte der genutzten Methodik. Das Versuchsdesign und der Ablauf der Untersuchung werden, ebenso wie die Stichprobe beschrieben. Darüber hinaus werden die verwendeten Messinstrumente aufgezeigt und die Auswertungsstrategie erörtert. Die Darstellung der Ergebnisse beginnt mit der Beschreibung der deskriptiven Statistik und den Interkorrelationen der Variablen. Darauf folgt die Darstellung der Regressionsanalysen, der Moderatoranalyse und der ergänzenden Analysen. Diese Ergebnisse werden im Diskussionsteil zusammengefasst und vor dem Hintergrund anderer Studienergebnisse interpretiert. Die Einschränkungen der Untersuchung werden dargelegt. Den Abschluss bilden die Implikationen für die zukünftige Forschung und Praxis sowie ein Fazit der vorliegenden Studie.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Erholung

Zunächst soll der Begriff Erholung aus einer wissenschaftlichen Perspektive erläutert werden. Das Konstrukt Erholung wird allgemein definiert als ein Prozess der psychophysiologischen Entspannung und Regeneration, während dem das Anspannungslevel einer Person sinkt (Craig & Cooper, 1992). Anspannung kann als Reaktion auf Stressfaktoren entstehen (Sonnentag & Geurts, 2009). Stressfaktoren im Arbeitskontext sind Gegebenheiten in der Arbeitsumgebung, die Belastungsreaktionen in den Individuen hervorrufen können (Kahn & Byosiere, 1992). Stressfaktoren können beispielsweise bestimmte berufliche Anforderungen oder Konflikte sein (Sonnentag & Geurts, 2009). Der Erholungsprozess wird auch als der Gegenspieler des Beanspruchungsprozesses bezeichnet (Sonnentag & Fritz, 2007). Sonnentag und Geurts (2009) unterscheiden weiterhin zwischen der Definition von Erholung als ein Prozess und Erholung als ein Ergebnis. Unter der Perspektive von Erholung als ein Prozess werden Aktivitäten und Erfahrungen untersucht, die für eine Veränderung im Beanspruchungslevel einer Person sorgen (Sonnentag & Geurts, 2009). Erholung als ein Ergebnis dagegen, meint den psychologischen oder physiologischen Zustand, den eine Person nach einer Erholungsperiode erreicht (Sonnentag & Geurts, 2009). Die Perspektiven der Erholung als ein Prozess und der Erholung als ein Ergebnis sind jedoch nicht als unabhängig voneinander anzusehen (Sonnentag & Geurts, 2009). In der vorliegenden Studie ist die Untersuchung von Musik Hören als erholungsgenerierende Aktivität einzuordnen unter der Perspektive von Erholung als ein Prozess. Das Erleben von Erholung und deren Dimensionen ist allerdings ein psychologischer Zustand und ist unter der Perspektive von Erholung als ein Ergebnis einzuordnen (Sonnentag & Geurts, 2009). Erholung kann zudem auch in externale und internale Erholung unterteilt werden (Geurts & Sonnentag, 2006). Externale Erholung beschreibt Erholung in einem nichtarbeitsbezogenen Kontext, wie in den Abendstunden, an Wochenenden oder im Urlaub (Geurts & Sonnentag, 2006). Internale Erholung dagegen beschreibt Erholung während der Arbeitszeit, beispielsweise während Mittagspausen, Kaffeepausen, oder anderen kurzen, informellen Pausen (Geurts & Sonnentag, 2006). Die vorliegende Untersuchung fokussierte sich auf externale Erholung, da spezifisch die Erholung außerhalb der Arbeitszeit in der vergangenen Woche gemessen wurde. Nachdem das Konstrukt Erholung definiert wurde, wird nun die chronologische Entwicklung und deren zentrale wissenschaftliche Erkenntnisse beschrieben. So kann der aktuelle Stand der Forschung im Bereich Erholung daraufhin nachvollzogen werden.

Die Anfänge der Erholungsforschung wurden schon vor etwa 100 Jahren gemacht, als Graf (zitiert nach Sonnentag, Venz & Casper, 2017) den Einfluss von Pausen auf die Arbeitsperformance untersuchte. Vermehrt Aufmerksamkeit bekam der Forschungsbereich Erholung allerdings erst vor rund 30 Jahren. Eden (1990) ergründete die Wirkung von Urlaub auf Stress- und Belastungsprozesse innerhalb einer erwerbstätigen Stichprobe. Die Urlaubszeit wurde in seiner Studie subjektiv zwar als weniger stressig wahrgenommen als die Arbeitszeit, das objektive Belastungslevel war allerdings während der Urlaubsperiode genauso hoch wie während der Arbeitszeit (Eden, 1990). Auch die theoretische Basis im Bereich der Erholungsforschung wurde nun zunehmend ausgebaut. Die bis heute zentralen Modelle, wie das effort-recovery model (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006), die allostatic load theory (McEwen, 1998) und die conservation of resources theory (Hobfoll zitiert nach Kinnunen, Feldt, Siltaloppi & Sonnentag, 2011) gewannen an Bekanntheit. Maßgebend für den Bereich Erholung war die Forschung der letzten 20 Jahre von Sabine Sonnentag. Sonnentag (2001) zeigte in einer ihrer ersten Studien in der Erholungsforschung unter anderem, dass körperliche und soziale Freizeitaktivitäten sowie Aktivitäten mit einem niedrigen Aufwand förderlich für das Erholen von der Arbeitsbelastung sein können. Aktivitäten, die in einem Zusammenhang mit der Arbeit standen (z.B. administrative Tätigkeiten), konnten dagegen mit einem niedrigeren Wohlbefinden am Ende eines Tages in Verbindung gebracht werden (Sonnentag, 2001). Sie waren daher nicht förderlich für die Erholung von der Arbeitsbelastung (Sonnentag, 2001). In einer weiteren Studie zeigte Sonnentag (2003), dass das Maß von Erholung am Morgen ein Prädiktor ist für das Arbeitsengagement und das proaktive Verhalten, das Mitarbeiter während dem folgenden Arbeitstag zeigen. Sonnentag machte damit die Relevanz der Erholung für den Arbeitskontext besonders deutlich. Einen weiteren Meilenstein in der Erholungsforschung setzten Sonnentag und Fritz (2007), indem sie die zugrundeliegenden psychologischen Prozesse von Erholung untersuchten und darauf basierend den recovery experience questionnaire (REQ) entwickelten. Diese zugrundeliegenden psychologischen Prozesse und deren Relevanz für die Erholungsforschung werden nun genauer definiert und aufgezeigt.

Sonnentag und Fritz (2007) entwickelten die These, dass spezifische psychologische Erfahrungen dem Erleben von Erholung zugrunde liegen, die sogenannten recovery experiences. Die recovery experiences beschreiben das Ausmaß, in dem Freizeitaktivitäten einem Individuum dabei helfen können, Energieressourcen zu schützen und wiederherzustellen (Sonnentag & Fritz, 2007). Es sind nicht die spezifischen Aktivitäten, sondern die zugrundeliegenden Attribute dieser Aktivitäten, die die Erholung von arbeitsbezogenem Stress auslösen (Sonnentag & Fritz, 2007). Es wurden die recovery experiences psychological detachment, relaxation, mastery und control definiert (Sonnentag & Fritz, 2007). Diese vier recovery experiences hängen zwar positiv zusammen, können aber konzeptuell unterschieden werden (Sonnentag & Fritz, 2007). Die recovery experiences haben das Potenzial, die durch arbeitsbezogenen Stress verursachten negativen Folgen zu reduzieren (Sonnentag & Fritz, 2007). Sie liefern zudem eine Erklärung, warum spezifische Freizeitaktivitäten als erholungsgenerierend wahrgenommen werden können (Sonnentag & Fritz, 2007). Damit das Hören von Musik eine erholungsgenerierende Maßnahme sein kann, sollte Musik daher die recovery experiences positiv beeinflussen. Die recovery experiences werden im Folgenden zunächst definiert und es werden die wesentlichen Forschungsergebnisse der einzelnen recovery experiences zusammengefasst.

2.1.1 Psychological detachment

Die Fähigkeit, sich während der Freizeit mental von der Arbeit zu lösen wird als essentiell für den Erholungsprozess betrachtet (Sonnentag & Fritz, 2007). Psychological detachment meint einerseits, dass man abseits der Arbeitszeit keine arbeitsbezogenen Aufgaben zu erledigen hat (Sonnentag & Fritz, 2007). Andererseits beinhaltet es darüber hinaus die psychologische Distanz, die jemand zu seiner Arbeit hat (Sonnentag & Fritz, 2007). Man denkt folglich in dem Zustand des psychological detachments nicht an die Arbeit oder arbeitsbezogene Probleme oder Chancen (Sonnentag & Fritz, 2007). Dieser Zustand geht daher über die körperliche Distanz zum Arbeitsplatz und die Nichterfüllung von Arbeitsaufgaben hinaus (Sonnentag & Fritz, 2007). Psychological detachment ist die am besten untersuchte recovery experience und die Forschungsergebnisse sind weitestgehend konsistent. Es folgt daher nun ein Überblick über die Prädiktoren, sowie die positiven und negativen Zusammenhänge, die für die recovery experience psychological detachment gefunden wurden.

Bestimmte Faktoren im Job können den Zustand des psychological detachments erschweren und gelten als Prädiktoren für ein niedriges Level von psychological detachment. Hierzu gehören Zeitdruck (Sonnentag & Fritz, 2015), ein hohes Arbeitspensum (Sonnentag & Fritz, 2015), negative Erlebnisse, die während der Arbeit passieren (Bono, Glomb, Shen, Kim & Koch, 2013), unerledigte Aufgaben und Ziele (Smit, 2016; Syrek, Weigelt, Peifer & Antoni, 2017) und ein geringes Maß an Achtsamkeit während des Arbeitstages (Hülsheger et al., 2014). Achtsamkeit bezeichnet einen Bewusstseinszustand, in dem ein Individuum sich möglichst bewusst seinem Erleben des aktuellen Moments zuwendet (Brown & Ryan, 2003). Fritz, Yankelevich, Zarubin und Barger (2010) prüften die Zusammenhänge von psychological detachment mit der Aufgabenperformance sowie proaktivem Arbeitsverhalten. Sie fanden sowohl für die Aufgabenperformance als auch für proaktives Arbeitsverhalten eine kurvilineare Beziehung. Die Aufgabenperformance und ein proaktives Arbeitsverhalten waren unter mittleren Leveln von psychological detachment am höchsten (Fritz et al., 2010). Eine Erklärung hierfür könnte sein, dass ein starkes psychological detachment dazu führt, dass Mitarbeiter länger brauchen, um sich wieder in ihre Arbeitsaufgaben einzufinden, und die Arbeitsperformance so darunter leidet (Fritz et al., 2010). Neben diesen Beziehungen konnten zahlreiche positive Zusammenhänge für den Zustand des psychological detachments gezeigt werden. Diese verdeutlichen weiter, welche Rolle psychological detachment für die Erholung und das Wohlbefinden spielt. Fritz et al. (2010) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen psychological detachment und der allgemeinen Lebenszufriedenheit. Mitarbeiter mit einem hohen Niveau von psychological detachment gaben außerdem an, mehr Elan während der Arbeit zu haben (Kinnunen, Mauno & Siltaloppi, 2010) und weniger Arbeit-Familien Konflikte zu erleben (Molino, Cortese, Bakker & Ghislieri, 2015). Fritz et al. (2010) konnten mit ihren Studienergebnissen eine negative Korrelation zwischen psychological detachment und emotionaler Erschöpfung nachweisen. War das Niveau an psychological detachment hoch, fühlten sich die Studienteilnehmer weniger emotional erschöpft (Fritz et al., 2010). Siltaloppi, Kinnunen und Feldt (2009) fanden einen negativen Zusammenhang zwischen psychological detachment und Erschöpfung, sowie zwischen psychological detachment und dem Bedürfnis nach Erholung. Das Bedürfnis nach Erholung war geringer, wenn die Studienteilnehmer ein hohes Level von psychological detachment angaben (Siltaloppi et al., 2009). Mitarbeiter, die sich während ihrer freien Zeit von der Arbeit distanzieren konnten, gaben geringere Level von psychologischer Belastung sowie weniger physiologische Beschwerden an (Shimazu, Sonnentag, Kubota & Kawakami, 2012). Studien, die den Effekt von psychological detachment am Abend untersuchten, fanden ebenfalls ein positives Bild. Individuen, bei denen das psychological detachment am Abend hoch war, erlebten niedrigere Level von negativem Affekt vor dem Schlafengehen (Feuerhahn, Sonnentag & Woll, 2014), eine verbesserte Schlafqualität in der darauf folgenden Nacht (Clinton, Conway & Sturges, 2017), höhere Level von Gelassenheit (Hahn, Binnewies & Dormann, 2014) und mehr positiven Affekt (Feuerhahn et al., 2014). Diese Ergebnisse sprechen dafür, dass der Zustand des psychological detachments eine Dimension von Erholung darstellt und verdeutlichen die Relevanz von psychological detachment für das Wohlbefinden. Eine weitere recovery experience ist relaxation (Sonnentag & Fritz, 2007). Diese wird nun definiert und der aktuelle Forschungsstand für diese Dimension wird skizziert.

2.1.2 Relaxation

Die recovery experience relaxation beschreibt einen Zustand von geringer Aktivierung des sympathischen Nervensystems und einem erhöhten positiven Affekt (Sonnentag & Fritz, 2007). Das Potenzial dieses Zustands, die sympathische Aktivierung zu reduzieren, ist besonders wichtig für den Erholungsprozess und könnte chronischem Stress vorbeugen (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006). Ein erhöhter positiver Affekt kann ebenfalls hilfreich sein, um durch Stress verursachte negative Emotionen zu reduzieren. Fredrickson, Mancuso, Branigan und Tugade (2000) zeigten auf, dass positive Emotionen die Effekte von negativen Emotionen reversieren können. Zu der recovery experience relaxation gibt es bereits einige Studienergebnisse, die ein größtenteils konsistentes Bild aufweisen. Daher folgt nun ein Überblick über die wichtigsten Zusammenhänge der recovery experience relaxation.

Es konnten positive Zusammenhänge für die recovery experience relaxation ermittelt werden. Bloom, Kinnunen & Korpela (2015) fanden positive Zusammenhänge zwischen der recovery experience relaxation und der Gesundheit der Mitarbeiter, sowie mit Arbeitsengagement- und Arbeitsperformanceindikatoren. Es wurde außerdem gezeigt, dass das Erleben von relaxation am Abend positiv mit der Gelassenheit (Sonnentag, Binnewies & Mojza, 2008) und Kraft (Brummelhuis & Bakker, 2012) am nächsten Morgen zusammenhing. Shimazu et al. (2012) konnten in ihrer Studie zeigen, dass Mitarbeiter, die während ihrer Freizeit ein hohes Level an relaxation erlebten, weniger psychologische Belastung und weniger physiologische Beschwerden angaben. Relaxation wies, ebenso wie psychological detachment, einen negativen Zusammenhang mit Arbeits-Familien Konflikten auf (Molino et al., 2015). Diese traten seltener auf, je höher das Maß an relaxation bei den Studienteilnehmern war (Molino et al., 2015). Diese Studien zeigen auf, dass der Zustand relaxation eine weitere Dimension des Konstrukts Erholung mit weitreichender Relevanz für das Wohlbefinden ist. Sonnentag und Fritz (2007) definierten zudem die recovery experience mastery. Diese wird nachfolgend erläutert und zentrale Untersuchungsergebnisse für mastery werden berichtet.

2.1.3 Mastery

Die recovery experience mastery tritt bei Aktivitäten auf, die von der Arbeit ablenken, indem etwas in einem anderen Bereich gelernt wird oder das Individuum auf eine andere Art herausgefordert wird (Sonnentag & Fritz, 2007). Diese Aktivitäten bieten dem Individuum die Möglichkeit Kompetenz zu erfahren (Sonnentag & Fritz, 2007). Das Individuum wird herausgefordert und zusätzlich beansprucht, was ein gewisses Maß an Selbstregulation erfordert (Sonnentag & Fritz, 2007). Das Individuum wird aber nicht überstrapaziert, und da neue Ressourcen in Form von Fähigkeiten oder Kompetenzen aufgebaut werden, können diese mastery Erfahrungen zur Erholung beitragen (Kinnunen et al., 2011). Diese recovery experience wurde bisher weniger als psychological detachment und relaxation erforscht. Die bisherigen Studienergebnisse verdeutlichen aber dennoch die Relevanz von mastery für die Erholung von arbeitsbezogenem Stress.

Die recovery experience mastery weist einige positive Zusammenhänge auf. Mastery korrelierte positiv mit dem Elan bei der Arbeit (Bloom et al., 2015). Nach einem Abend, an dem ein hoßes Maß von mastery erlebt wurde, gaben Mitarbeiter höhere Level von positivem Affekt an (Sonnentag et al., 2008). Ferner steht das Erleben von mastery während der arbeitsfreien Zeit in einem Zusammenhang mit niedrigeren Leveln von psychologischer Belastung und physiologischen Beschwerden (Shimazu et al., 2012). Personen, die mastery in ihrer Freizeit erlebten, gaben an sich weniger erschöpft zu fühlen und ein vermindertes Bedürfnis nach Erholung zu haben (Siltaloppi et al., 2009). Sie erlebten außerdem weniger Arbeits-Familien Konflikte (Molino et al., 2015). Auch hier zeigen die Studienergebnisse auf, warum mastery als eine Dimension von Erholung betrachtet wird und dass mastery relevant für das Wohlbefinden ist. Die vierte und letzte Dimension nach Sonnentag und Fritz (2007) nennt sich control. Im Folgenden wird control definiert und die Zusammenhänge aufgezeigt.

2.1.4 Control

Grundsätzlich versteht man unter control die Möglichkeit eines Individuums, eine Handlungsalternative aus mehreren Optionen auszuwählen (Sonnentag & Fritz, 2007). In dem Kontext der recovery experience control ist damit gemeint, dass eine Person auswählen kann, welche Aktivität sie in ihrer Freizeit ausübt und wann und in welchem Rahmen sie dies tut (Sonnentag & Fritz, 2007). Diese Kontrollerfahrung stärkt die Selbstwirksamkeit und das Gefühl von Kompetenz, und kann auf diese Weise das allgemeine Wohlbefinden und das Erleben von Erholung fördern (Sonnentag & Fritz, 2007). Unter Selbstwirksamkeit wird die Überzeugung eines Individuums verstanden, eine Herausforderung bewältigen zu können (Bandura, 1982). Die Studienlage zu der recovery experience control zeigt ähnliche Zusammenhänge wie die der anderen recovery experiences auf und wird im Folgenden kurz skizziert.

Bloom et al. (2015) fanden einen positiven Zusammenhang zwischen der recovery experience control und der subjektiv angegebenen Gesundheit. Nach einem Abend, an dem Mitarbeiter ein hohes Maß an control erfahren hatten, war ihre Stimmung verbessert (Dettmers, Vahle-Hinz, Bamberg, Friedrich & Keller, 2016). Die verbesserte Stimmung wurde charakterisiert durch eine positive Valenz, energetische Erregung und Ruhe (Dettmers et al., 2016). Die recovery experience control steht, analog zu den anderen recovery experiences, in einem negativen Zusammenhang mit psychischer Belastung und physiologischen Beschwerden (Shimazu et al., 2012). Erlebten Mitarbeiter in ihrer Freizeit viel control, fühlten sie sich weniger belastet und berichteten von weniger körperlichen Problemen. Auch das Bedürfnis nach Erholung (Siltaloppi et al., 2009) und die angegebenen Arbeits-Familien Konflikte (Molino et al., 2015) waren geringer und traten seltener auf, wenn die Dimension control sich auf einem hohen Level befand.

Aufbauend auf der begrifflichen Erklärung und der Annäherung an das Konstrukt Erholung aus der heutigen wissenschaftlichen Sicht, verdeutlichen die in diesem Kapitel ausgewählten Studienergebnisse die Relevanz der einzelnen Dimensionen für die Erholung von arbeitsbezogenem Stress. Für die Annäherung an das zweite wichtige Konstrukt der Fragestellung, wird im folgenden Kapitel nun zunächst der Begriff Musik allgemein definiert und erläutert, welche Gehirnareale für die Verarbeitung der Musik eine Rolle spielen. Zudem wird beschrieben, inwieweit das Hören von Musik als eine Therapieform eingesetzt wird.

2.2 Musik Hören

Thoma (2010) definiert die Musik als ein abstraktes, von Menschen gemachtes und organisiertes Produkt von Schallwellen, welches aus Tonhöhe, Rhythmus, Dynamik, Textur und Klangfarbe besteht. Zudem wird die Musik unbewusst oder bewusst mit der Intention gehört, Wohlbehagen zu empfinden (Thoma, 2010). Musik kann von dem Konstrukt Sprache abgegrenzt werden. Sprache und Musik sind beide ein abstraktes, komplexes und auf Regeln basierendes System (Warren, 2008). Diese Ähnlichkeit ist jedoch eher oberflächlich (Warren, 2008). Es wurde lange angenommen, dass Sprache und Musik zwei analoge menschliche Fähigkeiten sind, die sich weitestgehend ähneln und dass der Hauptunterschied darin besteht, dass sie in verschiedenen Gehirnhälften verarbeitet werden (Warren, 2008). Forschung in der Neuropsychologie hat gezeigt, dass bei Patienten die unter Schäden am auditiven Kortex leiden, der bei akustischen Reizen jeglicher Art eine Rolle spielt, die sprachlichen und intellektuellen Fähigkeiten, sowie das Gedächtnis intakt sein können, die Patienten jedoch Schwierigkeiten bei der musikalischen Verarbeitung haben (Dalla Bella & Peretz, 1999). Dies zeigte sich dadurch, dass die Patienten Melodien, mit denen sie einst bekannt waren, nicht wiedererkennen konnten (Dalla Bella & Peretz, 1999). Musik und Sprache können dementsprechend nicht als Fähigkeiten bezeichnet werden, die analog zueinander verarbeitet werden (Warren, 2008). Man nahm zudem früher an, dass die Verarbeitung von Musik einem bestimmten Gehirnareal zugeordnet werden kann (Warren, 2008). Neuere Forschung, die bildgebende Verfahren nutzte, um das Gehirn zu analysieren, zeigte, dass Musik nicht nur den auditiven Kortex aktiviert, sondern dass eine Vielzahl von Gehirnarealen bei der Verarbeitung von Musik eine Rolle spielen (Koelsch, Offermanns & Franzke, 2010; Warren, 2008). Blood und Zatorre (2001) verzeichneten eine erhöhte Gehirnaktivität beim Musik Hören unter anderem im ventralen Striatum, im Mittelhirn, in der Amygdala, im orbitofrontalen Kortex und im ventromedialen präfrontalen Kortex. Dies sind Hirnregionen, die auch involviert sind in den Bereichen Belohnung und Motivation sowie Emotion und Erregung (Blood & Zatorre, 2001). Außerdem werden diese Hirnregionen ebenfalls aktiviert als Reaktion auf Euphorie induzierende Stimuli wie Essen, Sex oder Drogen (Blood & Zatorre, 2001). Diese Ergebnisse von Blood und Zatorre (2001) zeigen auf, dass Musik gleichermaßen ein Stimulus sein könnte mit Relevanz für das Wohlbefinden. Zusätzlich wurde hierdurch deutlich, wie weitreichend der Einfluss von Musik auf verschiedenste Bereiche des menschlichen Erlebens ist.

Musik wird bei verschiedenen psychischen und physischen Problemen als Therapie oder als Therapieergänzung eingesetzt. So findet die Musiktherapie in der Psychiatrie erfolgreich Einsatz bei Patienten mit Schizophrenie und Krankheitsbildern, die der Schizophrenie ähneln (Mössler, Chen, Heldal & Gold, 2011), bei Patienten mit depressiven Störungen (Aalbers et al., 2017; Chan, Wong & Thayala, 2011) und bei Patienten mit akuten oder chronischen Schlafstörungen (Wang, Sun & Zang, 2014). In der Medizin wird die Musiktherapie unter anderem effektvoll eingesetzt in der Kardiologie (Bradt, Dileo & Potvin, 2013), in der Onkologie (Archie, Bruera & Cohen, 2013; Oh, 2010) und bei Demenzerkrankungen (Sherratt, Thornton & Hatton, 2004). Diese zahlreichen Einsatzgebiete zeigen den Einfluss des Musik Hörens auf die Gesundheit weiter auf. Im folgenden Kapitel wird genauer beschrieben, welche Relevanz musiktherapeutische Ergebnisse für die Erholung haben könnten, und wie sich Musik Hören abseits von klinischen Umgebungen auf die Erholung auswirken könnte. Nachdem die Erholung von arbeitsbezogenem Stress und die Musik bisher separat betrachtet wurden, wird nun die theoretische Basis und die Forschungslage des kombinierten Bereichs dargestellt.

2.3 Musik Hören und Erholung

2.3.1 Aktueller Forschungsstand

Aus wissenschaftlicher Sicht stellt die Kombination der Bereiche Erholung von Arbeitsstress und Musik Hören eine interessante Perspektive dar. Es gibt zu beiden Themenfeldern zwar viele Publikationen, dem direkten Zusammenhang zwischen den beiden Feldern wurde bisher jedoch wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Trotzdem gibt es einige Studienergebnisse, die aufzeigen wie Musik Hören Erholungsprozesse beeinflussen könnte, die im Folgenden erläutert werden. Aktivitäten außerhalb der Arbeitszeit können in sogenannte high-duty- und in leisure activities eingeteilt werden (Brummelhuis & Bakker, 2012). Unter high-duty activities versteht man Aufgaben, die mit der Arbeit zusammenhängen (z.B. administrative Aufgaben), Haushaltstätigkeiten (z.B. Einkaufen), und Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung (z.B. Kinder anziehen) (Brummelhuis & Bakker, 2012). Unter leisure activities werden soziale Aktivitäten (z.B. Telefonat mit Freunden), körperliche Aktivitäten (z.B. Sport) und Aktivitäten mit niedrigem Aufwand (z.B. lesen) verstanden (Brummelhuis & Bakker, 2012). Brummelhuis und Bakker (2012) fanden positive Zusammenhänge mit allen Arten von leisure activities und psychological detachment und relaxation. Musik Hören könnte zum einen als eine Aktivität mit niedrigem Aufwand eingeordnet werden und so positiv zu Erholung beitragen. Zum anderen könnte Musik auch eine soziale Aktivität sein, wenn diese im Kreis von Freunden oder der Familie gehört wird, und auf diese Art die Erholung positiv beeinflussen. Eine Studie von Linnemann, Strahler und Nater (2016) zeigte, dass Musik einen größeren stressreduzierenden Effekt hatte, wenn die Musik in der Anwesenheit von anderen Personen gehört wurde, im Vergleich dazu, wenn Musik alleine gehört wurde. Das wurde dadurch erklärt, dass soziale Unterstützung ebenfalls mit einem stressreduzierenden Effekt assoziiert wird (Linnemann et al., 2016). Boer und Abubakar (2014) demonstrierten zudem, dass Musik Hören im Kontext von Familien, Freunden oder anderen sozialen Gruppen die Kohäsion fördert und das emotionale Wohlbefinden positiv beeinflusst. Dieser Effekt zeigte sich über mehrere Kulturen hinweg (Boer & Abubakar, 2014). Musik Hören wird oft instinktiv zur Erholung genutzt (Peretz, 2001). So nutzen Eltern aus den verschiedensten Kulturen Musik zur Beruhigung Ihrer Kinder, indem sie diesen ein Musikstück vorspielen oder ihnen etwas vorsingen (Peretz, 2001). Musik Hören könnte daher besonders in sozialen Situationen einen wirksamen Effekt auf die Erholung haben. Es zeigten sich aber auch für andere Situationen positive Effekte des Musik Hörens auf Indikatoren, die mit Erholung zusammenhängen könnten, beispielsweise im klinischen Bereich.

Wie bereits im vorherigen Kapitel beschrieben wird Musik in verschiedenen Bereichen der Psychiatrie und Medizin gezielt als therapeutische Intervention eingesetzt. Klainin-Yobas, Oo, Suzanne Yew und Lau (2015) verglichen die Wirksamkeit von verschiedenen Entspannungsinterventionen für die Depression und Ängstlichkeit bei älteren Personen. Es zeigte sich, dass Musik Hören, neben progressiver Muskelentspannung und Yoga den stärksten positiven Effekt auf die Depressionswerte hatte (Klainin-Yobas et al., 2015). Auch für eine Reduktion von Angstsymptomen, war Musik Hören neben Yoga und kombinierten Entspannungstrainings am effektivsten (Klainin-Yobas et al., 2015). Diese Effekte waren bis zu 24 Wochen nach der Intervention sichtbar (Klainin-Yobas et al., 2015). Dieser systematische Überblick deutet darauf hin, dass Musik Hören potenziell auch für die Erholung von arbeitsbezogenem Stress und über andere Altersgruppen hinweg wirksam sein könnte, vor allem im Hinblick auf die recovery experience relaxation. Im medizinischen Bereich werden musikalische Interventionen und verschiedene Formen der Musiktherapie genutzt zur Linderung von Schmerzen, Angst und Stress von Patienten. Es gibt einige Studien, die verdeutlichen, dass Musik Hören einen angstlindernden Effekt hat und zur Entspannung und Erholung von Patienten in klinischen Situationen beiträgt. Nilsson (2008) lieferte einen systematischen Überblick über 42 randomisierte kontrollierte perioperative Studien. In 50% der Studien, die den Effekt von Musik auf das Angstlevel gemessen haben, zeigte sich eine signifikante Reduktion der Ängstlichkeit der Patienten und in 59% der Studien, die einen schmerzlindernden Effekt prüften, zeigte sich eine signifikante Schmerzreduktion der Patienten (Nilsson, 2008). Zudem konnte in einigen Studien die Verabreichung von Sedativa und Analgetika zur Beruhigung und Schmerzlinderung signifikant reduziert werden (Nilsson, 2008). Diese Effekte zeigten sich für verschiedene Arten von Musik und für verschiedene operative Umgebungen (Nilsson, 2008). Eine neuere Metaanalyse prüfte ebenfalls angstlösende und schmerzlösende Effekte von Musikinterventionen (Kühlmann et al., 2018). Hier wurden 81 randomisierte kontrollierte Studien einbezogen. Es zeigte sich über die Studien hinweg ein signifikant positiver Effekt in der Angstreduktion von Musik (Kühlmann et al., 2018). Dieser Effekt war am stärksten, wenn die Musikintervention vor einer Operation durchgeführt wurde (Kühlmann et al., 2018). Auch für die schmerzreduzierende Wirkung von Musikinterventionen zeigte sich ein signifikant positiver Effekt (Kühlmann et al., 2018). Dieser war am stärksten, wenn die Musikintervention nach einer Operation stattfand (Kühlmann et al., 2018). Der zugrundeliegende Mechanismus für diese Effekte ist noch nicht ausreichend erforscht. Es wird angenommen, dass Musik die Aufmerksamkeit des Patienten von negativen Stimuli umlenkt auf etwas Angenehmes, was förderlich für die Entspannung ist (Nilsson, 2008). Musik könnte außerdem die Wahrnehmung von Kontrolle stärken und so positiv auf die Erholung der Patienten wirken (Nilsson, 2008). Besonders die recovery experiences psychological detachment und control könnten so positiv beeinflusst werden. Diese Metaanalysen zeigen das Potenzial von Musik auf, Stress innerhalb von medizinischen und psychiatrischen Umgebungen zu reduzieren. Es ist naheliegend, dass Musik auch für die Reduktion von arbeitsbedingtem Stress wirksam sein könnte und sich positiv auf die Erholung auswirkt.

Neben der subjektiven Erfassung von Angst-, Stress,- und Schmerzniveaus haben einige Forscher auch physiologische Indikatoren erfasst. Yung, Chui-Kam, French und Chan (2002) untersuchten zusätzlich den Effekt einer musikalischen Intervention auf den Blutdruck von Patienten in einem präoperativen Setting. Im Vergleich zu zwei Kontrollgruppen, konnte der Blutdruck der Patienten durch eine musikalische Intervention signifikant reduziert werden (Yung et al., 2002). Nilsson, Unosson und Rawal (2005) fanden neben einem angst-, und schmerzlindernden Effekt und einem geringeren Bedarf an Morphium durch prä- und postoperative musikalische Interventionen, eine signifikante Reduktion der Cortisol Level bei den Patienten. Eine Reduktion des Blutdrucks und der Cortisol Level der Patienten sind Indikatoren für eine Stressreduktion (Nilsson et al., 2005; Yung et al., 2002). Diese Ergebnisse verdeutlichen einen Effekt von Musik Hören auf die physiologische Komponente von Erholung. Hierbei besteht das Potenzial, dass Musik nicht nur für klinische Settings einen stressreduzierenden Effekt hat, sondern dass dieser Effekt auf die Erholung von arbeitsbezogenem Stress übertragbar sein könnte. Da oft angenommen wurde, dass nur langsame Musik einen entspannenden Effekt hat, prüften Bernardi, Porta und Sleight (2005), ob die Art der Musik, die gehört wird, eine Rolle für den Erholungseffekt spielt. Sie verglichen die Wirkung von sechs verschiedenen Arten von Musik auf physiologische Indikatoren (Bernardi et al., 2005). Die ausgewählten Musikstücke unterschieden sich in ihren rhythmischen, harmonischen und melodischen Strukturen (Bernardi et al., 2005). Es zeigte sich, dass mit steigendem Tempo die physiologischen Indikatoren wie die Atemfrequenz, die Herzfrequenz und der Blutdruck zunahmen (Bernardi et al., 2005). Dieser Effekt basierte nicht auf der Art der Musik, sondern nur auf deren Tempo (Bernardi et al., 2005). Allerdings zeigte sich auch für die Musikstücke mit einem schnellen Tempo ein entspannungsgenerierender Effekt (Bernardi et al., 2005). Dieser Effekt zeigte sich, wenn in dem Musikstück eine Pause war oder nach dem Hören eines Musikstücks (Bernardi et al., 2005). Dieser entspannungsgenerierende Effekt war sogar größer als der Effekt, den langsame Musik auf die Erholung hatte (Bernardi et al., 2005). Die Autoren erklärten sich diesen Effekt dadurch, dass insbesondere schnelle Tempi durch fokussierte Aufmerksamkeit das Erregungsniveau im Körper erhöhen (Bernardi et al., 2005). Während einer Pause oder nach dem Musik Hören lässt das Erregungsniveau nach und bringt den Zuhörer so in einen entspannten Zustand (Bernardi et al., 2005). Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen Hutchinson und O’Neil (2019) im Bereich der Sport- und Performancepsychologie. Sie fanden einen positiven Effekt von stimulierender Musik auf die körperliche Erholung, die während der Pause zwischen zwei Sporteinheiten gehört wurde (Hutchinson & O’Neil, 2019). Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass das Musikgenre und das Tempo für den Erholungseffekt nicht ausschlaggebend zu sein scheinen.

Es ist kritisch anzumerken, dass einige Studienergebnisse im Bereich Musikforschung uneindeutige und widersprüchliche Ergebnisse aufwiesen (Nilsson, 2008; Pelletier, 2004). Eine mögliche Erklärung hierfür ist, dass Musik eine hohe Komplexität aufweist und viele Dimensionen hat (Warren, 2008). Das macht es schwierig die genauen Wirkungsweisen zu bestimmen (Warren, 2008). Studien, die im Kontext medizinischer Interventionen in klinischen Umgebungen durchgeführt werden, haben zudem eine große Varianz in der Umgebung und eine Generalisierbarkeit ist nur schwer vorzunehmen (Thoma, 2010). Zusätzlich ist es problematisch, dass viele Studien im Bereich Musik methodische und konzeptuelle Mängel aufweisen (Thoma, 2010). Hierzu zählen unter anderem zu kleine Stichprobengrößen und eine mangelnde Kontrolle von alternativen Einflussvariablen und Moderatoren (Thoma, 2010). Es besteht demzufolge ein Bedarf an methodisch und konzeptuell einwandfreien Untersuchungen. Aus diesem Grund wurde ein potenzieller Moderatoreffekt in der vorliegenden Studie untersucht. Die theoretische Basis für die Aufnahme des musikalischen Trainings als einen Moderator wird im Folgenden dargestellt.

2.3.2 Musikalisches Training als Moderator

Mehrere Studien deuten darauf hin, dass Musik Hören einen größeren Effekt auf Musiker haben könnte als auf Nichtmusiker. Pelletier (2004) bietet hierzu einen Überblick. Bernardi et al. (2005) entdeckten, dass Musiker im Vergleich zu Nichtmusikern eine höhere respiratorische Sensitivität in Bezug auf das Tempo der Musik aufweisen. Bei einem hohen Tempo der Musik erhöhte sich die Atemfrequenz der Musiker stärker als die der Nichtmusiker (Bernardi et al., 2005). Bildgebende Verfahren indizierten zudem, dass es strukturelle Unterschiede in den Gehirnen von Musikern und Nichtmusikern gibt und in der Art und Weise, wie sie Musik verarbeiten (Münte, Altenmüller & Jäncke, 2002). Daher wurde in der vorliegenden Untersuchung geprüft, ob der Effekt von Musik Hören auf die Erholung von arbeitsbezogenem Stress durch ein musikalisches Training der Versuchspersonen verstärkt wird.

Trotz methodischer Defizite und der Komplexität des Konstruktes Musik, lassen die bis hierhin erwähnten Forschungsergebnisse erkennen, dass Musik Hören einen positiven Effekt auf die Erholung von arbeitsbezogenem Stress haben könnte. Im Folgenden wird dieser potentielle Zusammenhang auf Basis von theoretischen Modellen aus der Erholungsforschung weiter begründet.

2.3.3 Das effort-recovery model

Die theoretische Basis für das Konstrukt Erholung stellen drei zueinander komplementäre Modelle dar: das effort-recovery model (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006), die allostatic load theory (McEwen, 1998) und die conservation of resources theory (Hobfoll zitiert nach Kinnunen et al., 2011). Zunächst werden das effort-recovery model (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006) und die allostatic load theory (McEwen, 1998) beschrieben.

Die zentrale Annahme des effort-recovery models (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006) ist, dass Arbeitsaufwand zu kurzfristigen Belastungsreaktionen führt, wie beispielsweise Müdigkeit oder physiologischer Aktivierung. Wenn ein Individuum der Arbeit nicht länger ausgesetzt ist, werden diese Belastungsreaktionen umgekehrt und Erholung tritt ein (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006). Nach diesem Modell können sich chronische Belastungsreaktionen entwickeln, wenn Individuen kontinuierlich einem starken Arbeitspensum ausgesetzt sind und Erholung nur unvollständig erfolgen kann (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006). Erfolgt der Erholungsprozess nicht vollständig, bleiben die psychischen und die physiologischen Systeme aktiviert und kehren nicht zu ihrem Basisniveau zurück (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006). Um auf der Arbeit weiterhin angemessene Leistungen zeigen zu können, müssen nun zusätzliche Kräfte aufgewendet werden, die wiederum das Belastungslevel des Individuums erhöhen (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006). Es entsteht somit ein akkumulativer Prozess, der langfristig zu chronischen Gesundheitsproblemen führen kann (Meijman & Mulder zitiert nach Geurts & Sonnentag, 2006). Die recovery experiences psychological detachment und relaxation sind auf dieses Modell zurückzuführen (Kinnunen et al., 2011). Sie könnten zu einer vollständigen Erholung beitragen, da die psychischen und physiologischen Systeme während der Erfahrung von psychological detachment oder relaxation nicht weiter belastet werden und zu ihrem Basisniveau zurückkehren können (Kinnunen et al., 2011). Die allostatic load theory baut auf diesem Modell auf und wird daher im nächsten Schritt ebenfalls beschrieben.

2.3.4 Die allostatic load theory

McEwen (1998) ergänzte dieses Modell zusätzlich, indem beschrieben wurde, welche psychischen und physiologischen Systeme relevant sind für den Erholungsprozess. Ein zentrales System ist hierbei, neben der Hypothalamus-Hypophysen-Achse, dem metabolischen System und dem Immunsystem, besonders das autonome Nervensystem (McEwen, 1998). Dieses besteht aus dem sympathischen und parasympathischen Nervensystem (McEwen, 1998). Das sympathische Nervensystem wird als Reaktion auf einen Stressor aktiviert und veranlasst die Ausschüttung der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin (McEwen, 1998). Außerdem erhöht sich die Herzrate, der Blutdruck, die Muskelaktivität, die mentale Aktivität und es wird mehr Energie verbraucht (McEwen, 1998). Das parasympathische Nervensystem als Gegenspieler setzt ein, wenn die Stresssituation vorbei ist und der Organismus sich in einem ruhigen und entspannten Zustand befindet (McEwen, 1998). Es soll die destruktiven Effekte der sympathischen Aktivierung ausgleichen, indem die Herzrate sich verlangsamt, der Blutdruck sinkt, die Muskelanspannung nachlässt und die Energielevel wiederhergestellt werden (McEwen, 1998). Den Prozess der Balanceerhaltung zwischen sympathischer und parasympathischer Aktivierung (Homöostase), trotz Veränderungen in der äußeren Umgebung, nennt McEwen (1998) Allostase. Chronischer Stress, der aus einer andauernden Aktivierung des sympathischen Nervensystems resultiert, kann dieses Gleichgewicht auseinanderbringen (McEwen, 1998). McEwen (1998) bezeichnet dieses Ungleichgewicht als allostatic load. Ein solches Ungleichgewicht hat verheerende Folgen für die psychologischen und physiologischen Systeme (Geurts & Sonnentag, 2006). Hierzu zählen eine chronisch erhöhte Herzschlagfrequenz, Bluthochdruck, chronische Erschöpfung, und anhaltende Schlafprobleme (Sluiter, Frings-Dresen, Beek & Meijman, 2001). Musik Hören könnte zur Erholung von arbeitsbezogenem Stress beitragen, indem es Erholungsprozesse erleichtert und das homöostatische Gleichgewicht erhält. Um vollständig theoretisch begründen zu können, wie Musik Hören die Erholungsprozesse von Arbeitsstress begünstigen könnte, ist das Heranziehen einer weiteren Theorie notwendig, der conservation of resources theory (Hobfoll zitiert nach Sonnentag & Fritz, 2007).

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Ende der Leseprobe aus 78 Seiten

Details

Titel
Der Zusammenhang von Musik Hören mit dem Erleben von Erholung von arbeitsbezogenem Stress
Untertitel
Eine Regressionsanalyse
Hochschule
Fachhochschule Bonn-Rhein-Sieg
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
78
Katalognummer
V1033879
ISBN (eBook)
9783346441300
ISBN (Buch)
9783346441317
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erholung, Musik, Burnout, Stress, Arbeit
Arbeit zitieren
Marie Klamer (Autor:in), 2020, Der Zusammenhang von Musik Hören mit dem Erleben von Erholung von arbeitsbezogenem Stress, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1033879

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