Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
I Inhaltsverzeichnis
II Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Grundlagen und Begriffe der Ethik
3 Die Berufsethik der Sozialen Arbeit
3.1 Ursprung und Funktionen des berufsethischen Ansatzes
3.2 Grundhaltungen der Berufsethik der Sozialen Arbeit
4 Stationäre Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche
4.1 Definition und rechtliche Rahmenbedingungen
4.2 Formen stationärer Erziehungshilfen
4.3 Beispiel: Albert-Schweitzer Kinderdorf Hanau
4.4 Akteure stationärer Erziehungseinrichtungen
4.4.1 Kinder und Jugendliche als Leistungsempfänger
4.4.2 Erziehungs- und Sorgeberechtigte als Leistungsberechtigte
4.4.3 Pädagogische Fachkräfte als Leistungserbringer
4.4.4 Organisationen als Leistungserbringer und Leistungsträger
5 Vergleich: Berufsethik - Stationäre Erziehungshilfen
6 Reflexion
7 Fazit
Literaturverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1 Einleitung
Soziale Berufe, ein Sammelbegriff für ein breites Spektrum unterschiedlichster Tätigkeiten. Die Arbeit an und mit Menschen ist hierbei selbstverständlich die allumfassende Gemeinsamkeit. Doch welche Gemeinsamkeiten bleiben bei genauerer Betrachtung tatsächlich noch bestehen? Sind die berufsalltäglichen Abläufe und Umstände nicht zu divers, um sie in einem vagen Begriff unterzuordnen? Die Bearbeitung dieser Fragen würde vermutlich selbst eine ausgiebige Arbeit benötigen, um ihnen auch nur ansatzweise gerecht zu werden. Die ethischen und moralischen Hintergründe des beruflichen Handelns sind jedoch ein äußerst interessanter Forschungsbereich. Aus diesem Grund gilt das Forschungsinteresse dieser Ausarbeitung der Berufsethik der Sozialen Arbeit.
Für die unterschiedlichen Bereiche der sozialen Berufe sind im Verlauf der Zeit verschiedene berufsethische Kodizes verfasst worden. Die Anforderungen der Arbeit definieren hierbei den Fokus der jeweiligen Berufsethik. Da die Soziale Arbeit selbst jedoch eine durchaus breitgefächerte Disziplin darstellt, soll das Hauptaugenmerk dieser Arbeit auf den stationären Hilfen zur Erziehung liegen. Genauer gesagt lautet die Forschungsfrage: Inwiefern ist es möglich, den berufsethischen Prinzipien der Sozialen Arbeit im Kontext der stationären Unterbringung von Kindern und Jugendlichen gerecht zu werden?
Um diese Frage strukturiert und begründet beantworten zu können bedarf es zunächst einer knappen Übersicht der wichtigsten Grundlagen und Begrifflichkeiten der Ethik. Anschließend wird ein berufsethischer Kodex der Sozialen Arbeit vorgestellt und die wichtigsten Grundhaltungen werden erläutert. Im Anschluss werden die Definition und die rechtliche Rahmung der stationären Erziehungshilfen beschrieben. Infolgedessen werden unterschiedliche Formen stationärer Unterbringung aufgeführt, bevor anhand einer Beispieleinrichtung ein Praxisbezug geschaffen wird. Anschließend folgt eine Erläuterung der zugehörigen Akteure und ihrem Verhältnis untereinander. Zum Abschluss erfolgt ein Abgleich zwischen den berufsethischen Grundprinzipien und den Umständen der stationären Erziehungseinrichtungen.
2 Grundlagen und Begriffe der Ethik
Die Betrachtungsperspektive dieser Ausarbeitung soll auf der Grundlage der Berufsethik basieren. Um diese jedoch passend darstellen zu können, bedarf es zunächst einer grundlegenden Auseinandersetzung mit dem Begriff der Ethik. Im alltäglichen Gebrauch werden beispielsweise die Worte Ethik, Ethos und Moral häufig als Synonyme verwendet und Ausdrücke wie moralischer Kompass und ethische Verwerflichkeit sind ohne weitere Beachtung Teil des alltäglichen Sprachgebrauchs. Obwohl all diese Begrifflichkeiten Zweifels ohne in Zusammenhang miteinander stehen, ist ihre tatsächliche Beziehung meist weniger bekannt. Um dieser Verwechslung entgegen zu wirken folgen zunächst Definitionen der Begriffe und ihre gegenseitige Verbindung und Abhängigkeit untereinander.
Ethik sei generell als philosophische Disziplin des sittlichen Handelns zu verstehen. Sitte und Sittlichkeit sind wiederum ein Konglomerat aus gesellschaftlichen Normen, Werten und Regeln, die gemeinhin als Moral und Moralität bekannt sind (vgl. Großmaß/Perko 2011:20). Moral und demnach moralisches Handeln, bezieht sich auf konkrete, einzelne Situationen. Die Ethik hingegen, als Wissenschaft der Moral, agiert auf einer höheren, umfassenderen Ebene, die grundsätzliche Handlungsweisen thematisiert (vgl. Pieper 2017:24). Die Synonyme Verwendung der Bezeichnungen ethisch und moralisch im alltäglichen Sprachgebrauch und oftmals innerhalb wissenschaftlicher Arbeiten, ist folglich durchaus nachvollziehbar. Zu betonen sei jedoch das im Rahmen wissenschaftlicher Diskussionen die Bezeichnungen „Ethik wie auch das Adjektiv ethisch ausschließlich der philosophischen Wissenschaft vom moralischen/ sittlichen Handeln des Menschen vorzubehalten“ sind. (ebd.:23).
Die Bezeichnung der Wissenschaftsdisziplin als Ethik beruht auf dem Ursprung der beiden griechischen Begriffe ethos (s9o^) und ëthos (p9o^). Während Ersterer übersetzt etwa Brauch, Sitte oder Gewohnheit bedeutet, lässt sich ëthos zusätzlich als Charakter definieren. Eine Handlung sei anhand dieser ursprünglichen Beschreibungen ethisch, wenn sie den Sitten der Gemeinschaft, beziehungsweise den gesellschaftlichen Normen entspricht (vgl. ebd.:22). Die Perspektive des ëthos grenzt die Definition ethischen Handelns insofern ein, dass zu dem schlichten Befolgen der nach ethos beschriebenen, erstrebsamen Sittlichkeiten, eine zusätzliche Hinterfragung des moralischen Konsen erforderlich sei (vgl. Werner 2021:6). Somit handle derjenige ethisch, „der überlieferte Handlungsregeln und Wertmaßstäben nicht fraglos folgt, sondern es sich zur Gewohnheit macht, aus Einsicht und Überlegung das jeweils erforderlich Gute zu tun[.]“ (Pieper 2017:22). Die lateinische Übersetzung beider ethos-Begriffe lautet mos und bildet die Grundlage der Herleitung des heutigen Moralbegriffs.
Die Verwobenheit der verschiedenen Bezeichnungen ist nunmehr unverkennbar, ihre genauere Bedeutung hingegen noch nicht. Trotz des griechischen Ursprungs und der folgenden lateinischen Übersetzung sind Ethos und Moral nicht synonym zu verwenden. Ethos beruht auf einem bereits existierenden Moralverständnis, auf Normen und Werten, einer Definition von gutem Verhalten. Somit ist Ethos als „die gelebte Moral“ zu verstehen (Blum 2018:16). Moral wiederum spiegelt als Ordnungsbegriff gemeinschaftlicher Normen und Werte die Prinzipien einzelner Gruppen wider (vgl. Großmaß/Perko 2011:20).
Die Ethik als wissenschaftliche Disziplin der Moral ist in Hinblick auf die innewohnende Betrachtung und Bewertung von Handlungsweisen letztlich eine zielorientierte Theorie menschlichen Handelns (vgl. ebd.:21). Welche Ziele eine Ethik verfolgt hängt letzten Endes immer von dem gegeben Kontext ab. „[Wie] Menschen moralisch handeln, wie sie sich behandeln sollen, wird in jeder Gesellschaft und in allen historischen Epochen immer wieder neu und anders ausgehandelt[.]“ (ebd.:21). Eine unumstößliche Voraussetzung für die Bezeichnung einer ethischen Konzeption als solche, sei jedoch die Wahrung der Unversehrtheit aller Menschen einer Gesellschaft. Aus diesem Grund könne beispielsweise niemals die Rede von einer „Ethik des Nationalsozialismus“ sein (vgl. ebd.:22). Um zukünftige Wiederholungen der zutiefst unmoralischen Handlungen während der Zeit des Dritten Reichs zu verhindern, wurde die Unversehrtheit, die Würde des Menschen im ersten Artikel des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschlands verankert. „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ (GG Art. 1, Abs. 1)
3 Die Berufsethik der Sozialen Arbeit
3.1 Ursprung und Funktionen des berufsethischen Ansatzes
Bevor auf die grundlegenden Aspekte der Berufsethik innerhalb der Sozialen Arbeit eingegangen werden kann, bedarf es zunächst einer theoretischen Eingrenzung des Begriffes und einer Definition anhand welcher die fortlaufende wissenschaftliche Auseinandersetzung vollzogen werden kann. Hierfür bieten sich die Veröffentlichungen des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) aus dem Jahre 2014 an und die darin ausführlich präsentierten Kriterien für einen berufsethischen Ansatz. Neben der umfangreichen Erarbeitung durch fachspezifisch qualifizierte Autoren, spricht zudem die Mitgliedschaft in der interantional federation of social workers (IFSW) für die Auswahl dieser berufsethischen Definition. Aufgrund dieser Einordnung innerhalb eines internationalen Dachverbandes ist die Anerkennung der ethischen Grundprinzipen über die Grenzen des deutschsprachigen Raumes hinaus gewährleistet und folglich als valides Fundament weiterer wissenschaftlicher Auseinandersetzungen gerechtfertigt. Vor der genaueren Untersuchung der Berufsethik bedarf es allerdings einer Erläuterung dessen, was allgemein hin als Soziale Arbeit zu verstehen ist. Der Vollständigkeit und sachlichen Kontinuität halber wird zu diesem Zweck ebenfalls die Definition des DBSH herangezogen, welche eine autorisierte, sinngemäß übersetzte Version der globalen Definition der IFSW entspricht (vgl. IFSW 2021b).
„Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfalt bilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human- und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Meschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein (DBSH 2021).
Diese breitausgelegte Definition bildet die Grundlage dessen, was in dem vielfältigen Tätigkeitsgebiet der Sozialen Arbeit als erstrebenswerter Konsens verstanden wird. Funktion einer Berufsethik sei nun eine Orientierung zu Verfügung zu stellen, welche selbstgewählte Handlungspraktiken im professionellen Kontext ermöglichen soll, die im Einklang mit den vereinbarten ethisch-moralischen Vorstellungen stehen (vgl. Ge- une/Maus/Schuhmacher et al. 2014: 14). Diese professionstypischen, ethischen Prinzipien der Sozialen Arbeit seien stark mit dem Gedanken der Demokratie und dem damit unmittelbar verbundenen Toleranzverständnis verknüpft. „Es geht dabei nicht nur um die Duldung von Abweichung, nicht nur darum, Gewalt zu ächten, sondern vielmehr um eine Erziehung zur Toleranz. [...] Ziel ist die gesellschaftliche Inklusion.“(ebd.:24).
Die große Herausforderung, der sich alle in sozialen Berufen tätigen Fachkräfte stellen müssen, sei es, die bestmögliche Wahrung der Autonomie der Adressat*innen zu gewährleisten, während gleichzeitig die nötigen, inklusiven Hilfen umgesetzt werden können. Die Empfänger der Hilfen seien immerhin selbstständige und moralfähige Subjekte, die in einem stetigen „dialogischen Miteinander“ mit den professionellen Arbeiterinnen, ihre persönlichen Moralvorstellungen darlegen können (vgl. Großmaß/Perko 2011:28). Die ethischen Anforderungen an Sozialarbeiterinnen und sämtliches, in sozialen Berufen tätiges Personal, sind umfangreich und berufsfeldspezifisch ausdifferenziert. Aus diesem Grund wurden in der Vergangenheit vermehrt verschiedene ethische Kodexe für die unterschiedlichen sozialen Berufsgruppen verfasst, welche die jeweils relevantesten Inhalte enthalten (vgl. ebd.:29). Einige Anforderungen bleiben jedoch berufsübergreifend gleich. Darunter sind unteranderem „[...] der Respekt vor dem Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen, die Verpflichtung verantwortlich mit den öffentlichen Ressourcen umzugehen und den Bedürfnissen des anderen Menschen gerecht zu werden, die Berücksichtigung kultureller Differenzen [...] und die Beförderung von Gender-Gerechtigkeit[.]“ (ebd.:29).
Aufgrund des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit wird im Folgenden der berufsethische Standard für Soziale Arbeit von der „International Federation of Social Workers“ (IFSW) und der „International Association of Schools of Social Work“ (IASSW) verwendet.
3.2 Grundhaltungen der Berufsethik der Sozialen Arbeit
Die Grundhaltungen der berufsethischen Grundprinzipien des Deutschen Berufsverbandes für Soziale Arbeit e.V. werden unter den Begriffen Personalität, Solidarität, Subsidiarität und Verantwortung aufgeführt.
Personalität sei insofern zu verstehen, dass die Einzelperson im Fokus des sozialen Handelns stehe und dessen individuelle Rechte auf Selbstbestimmung, Unversehrtheit und Wahrung der Menschenwürde zu jeder Zeit gewährleistet sein müssen (vgl. Ge- une/Maus/Schuhmacher et al. 2014:25). In der praktischen Zusammenarbeit mit Kli- ent*innen, bzw. Adressat*innen von sozialpädagogischen Maßnahmen, sieht sich die Fachkraft somit einem ambivalenten Anspruch des eigenen Handelns gegenüber, bestehend aus der Förderung von Selbstbestimmung und Autonomie einerseits und des Hinterfragens der eigenen Handlungsweise, sowie potentieller struktureller Hindernisse andererseits (vgl. Blum 2018:44). Die Gewährleistung der Abdeckung von grundlegenden Versorgungsmaßnahmen, körperlicher, als auch geistiger Natur wird in diesem Kontext ebenso hervorgehoben wie der Anspruch, den Klienten*innen zu einem selbstbestimmten Leben zu verhelfen. Zusammenfassend lässt sich die Quintessenz des Personalitätsprinzips des DBSH in folgendem Zitat darstellen:
„Primär geht es [...] um die Sicherstellung der physischen und psychischen Existenz. Gerade aber in Zeiten der forcierten Ökonomisierung geht es darum, den ,Menschen davor zu bewahren, als wohlfunktionierendes Glied in Autonomieprozessen und Wirtschafsmechanismen anzusehen und zu bewerten‘.“ (Geune/Maus/Schuhmacher et al. 2014:25).
Das Prinzip, bzw. die Haltung der Solidarität wird anknüpfend an die Position der Personalität als Bindung des Einzelnen an die Gesellschaft beschrieben, die von einem unausweichlichen, wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnis zwischen Individuum und der Allgemeinheit ausgeht (vgl.ebd.:25). Der einzelne Mensch sei auf sich alleingestellt und losgelöst von jeglicher Gesellschaft „nur bedingt existenzfähig“ (Blum 2018:45). Aus dieser gegenseitigen Abhängigkeit entstehe eine solidarische Umgangsweise zwischen Menschen innerhalb einer Gemeinschaft. Zu betonen sei hierbei jedoch das keine allumfassende Definition von Solidarität im Zusammenhang sozialer Arbeit vorliegt, sondern das unterschiedliche Autor*innen verschiedene Schwerpunkte setzen (vgl. Ge- une/Maus/Schuhmacher et al. 2014:25). In welcher Form und Ausprägung die gegenseitige Abhängigkeit und Bindung der Individuen vorliegt ist folglich bis zu einem gewissen Maß dem Einzelnen überlassen.
Die auf den ersten Blick gegensätzlich erscheinenden Haltungsprinzipien der Personalität und Solidarität werden durch den Grundsatz der Subsidiarität ergänzt. Hierdurch soll ein „Ausgleich zwischen dem Recht auf Personalität und der Solidarität“ gewährleistet werden (ebd.:25). Dieser Ausgleich soll ermöglicht werden, indem eine der grundlegenden Prämissen der Soziale Arbeit gewahrt wird; die Hilfe zur Selbsthilfe. Um diesem Grundsatz gerecht werden zu können sei es durch Abwägung des Einzelfalls möglich, die Solidarität mittels des Subsidiaritätsprinzips anzupassen, bzw. zu „modifizieren“ (Blum 2018:46). Diese situative Anpassung sei notwendig für die Einhaltung der berufsethischen Legitimationsgrundlage, lediglich in die Persönlichkeitsrechte der Hilfeempfän- ger*innen einzugreifen, falls selbstständige Bemühungen nicht ausreichen oder gar gänzlich nicht möglich sein sollten (vgl. Geune/Maus/Schuhmacher et al. 2014:25).
Die vierte und letzte Haltung des berufsethischen Ansatzes des DBSH ist dem Verantwortungsbegriff gewidmet. Die hierbei zugezogene Verantwortungsethik sei aus den neuen An- und Herausforderungen der modernen Gesellschaft, sowie der schnell lebigen Wissenschafts- und Technologiewelt heraus entstanden. Im Vordergrund stehe die Einschätzung einer Handlung in Hinblick auf die potentiellen Auswirkungen in naher und vor allem ferner Zukunft. Somit ist von einer Verantwortung die Rede, die über die der nächsten Generation hinaus geht. Als ethischen Bewertungsrahmen einer Handlung und der daraus absehbaren Folgen wird das „zu vermeidende Übel“ genannt, wodurch kein vermeintlich gutes moralisches Ziel als Richtwert Verwendung findet, sondern lediglich die Abwesenheit negativer Auswirkungen als Maß dient (vgl. Geune/Maus/Schuhmacher et al. 2014:25).
4 Stationäre Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche
Nach der obigen Darstellung der berufsethischen Grundlagen der Sozialen Arbeit soll nun, im nächsten Teil der Ausarbeitung, auf die stationären Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche in Deutschland eingegangen werden. Hierzu erfolgt zunächst eine genauere Erläuterung der Hilfen anhand der zugehörigen Gesetzestexte im Achten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VIII). Anschließend werden gängige Formen der stationären Erziehungshilfen beispielhaft aufgeführt, bevor im nächsten Schritt die einzelnen Akteure im System der stationären Hilfen zur Erziehung näher beleuchtet werden.
4.1 Definition und rechtliche Rahmenbedingungen
Hilfen zur Erziehung werden anhand des ersten Unterabschnittes im Vierten Abschnitt des SGB VIII definiert. Grundlage jener Hilfen zur Erziehung ist der für Personensorgeberechtigte gewährleistete Hilfsanspruch des §27 Abs.1 SGB VIII:
„Ein Personensorgeberechtigter hat bei der Erziehung eines Kindes [...] Anspruch auf Hilfe [...], wenn eine dem Wohl des Kindes [...] entsprechende Erziehung nicht gewährleistet ist und die Hilfe für seine Entwicklung geeignet und notwendig ist.“ (§ 27 Abs. 1 SGB VIII)
Der gesetzliche Rahmen ist somit dem Anspruch der Personensorgeberechtigten nach formuliert und zu dessen Gunsten ausgelegt (vgl. Esser 2010 :19). Um im weiteren Verlauf potentielle Ungereimtheiten zu vermeiden sei zu diesem Zeitpunkt anzumerken, dass die Begriffe „Hilfen zur Erziehung“, „Erziehungshilfen“ und „erzieherische Hilfen“ synonym genutzt werden. Die §§28 bis 35 des SGB VIII definieren des Weiteren die unterschiedlichen Angebote und Formen der Erziehungshilfen. Diese wiederum können in drei Kategorien unterteilt werden; familienunterstützende, familienergänzende und familienersetzende Angebote (KJB 2001:132).
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