Die Ungleichbehandlung von Frauen in Führungspositionen. Wege zu einer geschlechtergerechten öffentlichen Verwaltung

Macht (-) Frauen


Masterarbeit, 2018

67 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Warum offentliche Verwaltung?
1.2. These

2. Warum keine Literatur aus gegenwartigen Gender Studies?

3. Geschlecht

4. Subjektorientierte Erklarungsansatze fur Unterreprasentation
4.1. Mangel an hochqualifizierten Frauen/Benachteiligung durch „falsche“ Qualifikationen
4.2. Humankapitaltheorie
4.3. Theorie des weiblichen Arbeitsvermogens
4.4. „Typisch“ weiblich?

5. Macht und Herrschaft
5.1. Macht
5.2. Herrschaft

6. Strukturelle Erklarungsansatze

7. Strategien gegen Ungleichbehandlung

8. Schlussuberlegung

9. Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkurzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Frauenanteil an alien Leitungsfunktionen in den obersten Bundesbehorden

1. Einleitung

Es sollte eine Selbstverstandlichkeit in unserer Gesellschaft sein, dass Frauen und Manner gleichberechtigt sind. Die Gleichberechtigung von Frauen und Mannern ist in Artikel 3 II S. 1 Grundgesetz (GG) niedergeschrieben und hat damit Verfassungsrang. Zudem darf niemand, u.a. wegen seines Geschlechts, diskriminiert werden (Art. 3 III S.1 GG) und der Staat hat die Aufgabe, aktiv auf die Durchsetzung der Gleichberechti­gung von Frauen und Mannern sowie die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwir- ken (Art. 2II S. 2 GG).

Spezifiziertwerden diese Grundsatze zu Gleichstellung und Gleichbehandlung u.a. im Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz (DGIeiG) und im Allgemeinen Gleichbehand- lungsgesetz (AGG).

Dennoch zeichnet die Realitat ein differenzierteres Bild. Wir sind „heute mit einer Viel- falt von Formen und Intensitatsgraden geschlechtlicher Differenzierung und Ungleich- heit konfrontiert. Es gibt Bereiche, in denen die Geschlechterungleichheit nahezu un- verandert fortbesteht (Bsp. Einkommen, Verteilung der Hausarbeit, sexuelle Gewalt), andere, in denen die Unterschiede zwischen den Geschlechtern praktisch verschwun- den sind (Bsp. Bildungsgrad, Recht), und dritte schlieBlich, in denen die Ungleichheiten konditional sind, d.h. abhangig von spezifischen Bedingungskonstellationen (Bsp. Er- werbsverhalten, religiose Bindung)."1

Insbesondere in der Berufswelt werden Frauen nach wie vor systematisch benachtei- ligt. Dies spiegelt sich nicht nur in der sogenannten Gender Pay Gap Oder den im Ver- haltnis hohen Zahlen an weiblichen Angestellten im Teilzeitmodell wider.2 Und trotz steigender Erwerbsbeteiligung von Frauen konnte zeitweise eine (erneute) Zunahme der Geschlechtersegregation festgestellt werden.3

Insbesondere bei der Vergabe von Fuhrungspositionen sind Frauen stark unterrepra- sentiert und dort umso starker, je hoherdie jeweiligen Fuhrungspositionen in der Hie- rarchie angesiedelt sind. Daruber durfen auch positive Beispiele wie der Aufstieg von Manuela Schwesig von der Finanzbeamtin zur Bundesministerin und dann zur Minis- terprasidentin von Mecklenburg-Vorpommern4 nicht hinwegtauschen.

Die Bundesregierung initiierte in den vergangenen Jahren zwar einige gleichstellungs- politische MaBnahmen. Betrachtet man die aktuellen Zahlen, scheinen diese MaBnah- men jedoch (noch) nicht den erwunschten Effekt erzielt zu haben, insbesondere nicht bei dem hier untersuchten Thema der ungleichen Besetzung von Fuhrungskraften in den obersten Bundesbehorden.

Die Bundesregierung verpflichtete sich selbst mit § 6 Bundesgremienbesetzungsgesetz (BGremBG) zur jahrlichen Veroffentlichung deraktuellen Zahlen bezuglich Gleichbe- handlung bei der Besetzung von Fuhrungsgremien in Unternehmen und der offentli­chen Verwaltung. Die Bundesregierung veroffentlicht mittlerweile Erfahrungsberichte u.a. zu Gesetzen, die Gleichberechtigung zum Thema haben wie das Bundesgleich- stellungsgesetz (BGIeiG).

Im Gleichstellungsbericht der Bundesregierung werden die Zahlen aus den jeweiligen Ressorts (z.B. Frauenanteil an Fuhrungspositionen, Frauenanteil bei Teilzeitbeschaftig- ten) veroffentlicht. So konstatierte die Bundesregierung in ihrem zweiten Gleichstel­lungsbericht, dass der erste Gleichstellungsbericht Wirkung gezeigt habe.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass ihr erster Gleichstellungsbericht fur gleich- stellungspolitische MaBnahmen, u.a. das Gesetz fur die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Mannern an Fuhrungspositionen (FuhrposGleichberG), verantwortlich zeichnete, obwohl es hierfur keine Belege gibt.5 Von dieser politischen Augenwischerei abgesehen, betrifft dieses Gesetz nur die Besetzung von Aufsichtsgremien von Unter­nehmen sowie Fuhrungsgremien mit Beteiligung des Bundes, also nureinen Aus- schnitt von existierenden Fuhrungskraften und auch nicht die machtigsten6.

Die Daten dieser Berichte tauschen jedoch nicht daruber hinweg, dass Frauen, insbe­sondere bei der Besetzung von Fuhrungspositionen, benachteiligt werden.

Im Folgenden wird deshalb die Ungleichbehandlung von Frauen am Beispiel deroffent- lichen Verwaltung auf Bundesebene anhand aktueller Statistiken beschrieben. Ich be- schranke mich in dieser Arbeit auf Daten zu den obersten Bundesbehorden in Deutschland7, da ich mich aufgrund der Ubersichtlichkeit nur auf eine Ebene der offent- lichen Verwaltung konzentrieren mochte und ich daruber hinaus davon ausgehe, dass sich die Verhaltnisse und die Hintergrunde der nachfolgend dargestellten Ungleichbe­handlung von Frauen in ihrer Aussagekraft auf weite Teile der offentlichen Verwaltung (Landes- und Kommunalebene) ubertragen lassen.

DerTitel dieser Arbeit „Macht (-) Frauen" kann in dreierlei Hinsicht interpretiertwerden. Zum einen sagt er aus, dass Frauen in Machtpositionen („Macht-Frauen“) Gegenstand der Untersuchung sind.

Daruber hinaus kann er sowohl als Aufforderung an die Frauen selbst („Macht, Frau­en!" i.S. von „Tragt selbst mit zur Gleichstellung bei und unterwerft euch nicht mehr bzw. weiter!") als auch an die fur die Gleichstellungspolitik verantwortlichen Stellen („Macht Frauen [zu dem, was ihnen in gleichberechtigter Weise zusteht]!") verstanden werden. Am Ende dieser Arbeit erlautere ich, inwiefern diese Aufrufe tatsachlich Wir- kung entfalten konnten.

1.1. Warum offentliche Verwaltung?

Es stellt sich die Frage, warum ich mich in dieser Arbeit ausschlieftlich auf die offentli­che Verwaltung beziehe und auf einen Vergleich zurfreien Wirtschaft (groR>tenteils) verzichte. Wie an spaterer Stelle noch genauer aufgezeigt wird, suche ich die Ursa- chen der vorherrschenden Ungleichbehandlung in den organisationalen Strukturen. In diesem Zusammenhang konnte man in der Tat Parallelen und sinnvolle Vergleiche von Behorden zu graven Unternehmen ziehen, da mit der Grofte einer Organisation auch der Grad an Burokratisierung steigt und die Strukturen den fest geregelten Strukturen von Behorden mitunter sehr ahneln. Insgesamt durften die formalen und universelleren Regelungen und die daraus entstehende Legitimist von einzelnen (Macht-) Positionen in Behordenstrukturen jedoch starrer und verfestigter sein als bei der Mehrzahl an Un­ternehmen. Dies spieltfurdie in dieser Arbeit vertretene These eine wichtige Rolle, wie an anderer Stelle noch ausfuhrlicher erlautert wird.

Daruber hinaus erscheint es aus meiner Sicht sinnvoll, Behordenstrukturen aus histori- scherSicht separat zu beleuchten, da Frauen in der Bundesrepublik Deutschland be- reits Mitte des 20. Jahrhunderts verstarkt Anstellungen im offentlichen Dienst suchten. Zum damaligen Zeitpunkt wurden Frauen noch aufgrund gesetzlicher Hurden (Ent- scheidungsgewalt des Mannes uber Berufstatigkeit der Frau)8 und gesellschaftlich ver­festigter Stereotype von einer Vielzahl an Berufen ausgeschlossen. Eine Arbeitsstelle im offentlichen Dienst stand Frauen aufgrund der bereits damals hoch burokratisierten Strukturen bei Behorden vergleichsweise viel offenerals Positionen in Unternehmen, denn bei der Einstellung im offentlichen Dienst wurden und werden grundsatzlich uni­versell gultige Kriterien fur eine Anstellung angelegt. Obwohl Frauen nur eine Minder- heit auf dem Arbeitsmarkt stellten, nahmen sie im Vergleich zu Mannern deutlich uber­proportional Stellen im offentlichen Dienst an.9

Dies lag Mitte des 20. Jahrhunderts unteranderem darin begrundet, dass (insbesonde­re zu Zeiten des sogenannten Wirtschaftswunders nach dem zweiten Weltkrieg) Ar- beitsstellen in derfreien Wirtschaft fur Manner meist attraktiver waren, da dort ver- gleichsweise hohere Gehalter gezahlt wurden und das fur Manner als „Ernahrer der Familien" sinnvoller erschien. In der heutigen Zeit ist eine Anstellung im offentlichen Dienst eher deshalb attraktiv, weil neben der Arbeitsplatzsicherheit auch ein im Ver­gleich zu vielen Stellen in derfreien Wirtschaft solides Gehalt gezahlt wird. Dies macht eine Anstellung im offentlichen Dienst zwar auch wieder fur Manner attraktiver als noch vor 60-70 Jahren. Frauen steht eine Anstellung im offentlichen Dienst mittlerweile je­doch, u.a. aufgrund des gleichen Bildungsniveaus wie das von Mannern, grundsatzlich ebenso often wie Mannern.

Zudem zeigten bereits Studien aus der 1980er Jahren, dass Frauen im offentlichen Dienst vergleichsweise leichter in der Hierarchie aufstiegen als im privaten Arbeitssek- tor. Frauen in Fuhrungspositionen, oder mit Ambitionen in solche aufzusteigen, schie- nen bereits damals wie heute vermehrt im offentlichen Dienst vertreten zu sein.10 Die Tatsache, dass Frauen im offentlichen Dienst im Vergleich zu privaten Anstel- lungsverhaltnissen bereits fruher uberproportional vertreten waren, sollte jedoch nicht falsch interpretiertwerden. Die Mehrzahl der Frauen besetzte in den 1970er Jahren noch Stellen in „Frauenbranchen“ bzw. „weichen Metiers", wie dem Gesundheits-, dem Sozialwesen und dem Bildungssektor, in Letzterem mit mehrals der Halfte an Lehre- rinnen.11 Diese Arbeitsbereiche waren und gelten weiterhin als weniger prestigetrachtig und hatten bzw. haben deshalb damals wie heute weniger Einfluss.

Insgesamt waren Frauen zudem vornehmlich als Schreibkrafte und Bedienungsperso- nal fur Buromaschinen eingesetzt12, d.h. mehrheitlich im niederen Lohnsegment. Dem- entsprechend haben Frauen trotz ihres damals schon uberproportional hohen Anteils im offentlichen Dienst mitnichten Karriere i.S. eines Aufstiegs in Fuhrungspositionen gemacht.

Das Beschaftigungsverhaltnis von Frauen und Mannern im offentlichen Dienst scheint sich auch heute noch wie oben beschrieben zu gestalten. So nahm die Erwerbstati- genquote von Frauen seit den 1970er Jahren zwar stetig zu und verzeichnete in den vergangenen zehn Jahren einen besonders starken Anstieg.13 Jedoch lag die Erwerbs- tatigenquote von Frauen 2016 mit 74,5 % immer noch deutlich unter der Quote von Mannern mit 82,7 %.14 Der Frauenanteil bei den Beschaftigten im offentlichen Dienst war 2016 mit 56,4 % insgesamt jedoch hoher als der Anteil der Manner.15 Bei den hier untersuchten obersten Bundesbehorden wurde 2016 mit 54 % ein ebenfalls hoherer Frauenanteil registriert als der Anteil an Mannern.16

Trotz des hoheren Frauenanteils sind Frauen auch im offentlichen Dienst in Fuhrungs­positionen stark unterreprasentiert. Und ,,je hoher [...] die Position [...in der Hierarchie angesiedelt...] ist, desto grower ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie von einem Mann bekleidet wird.“17

Dies wird durch Daten aus Juni 2016 belegt. Demnach waren zum genannten Zeit- punkt 45 % der Beschaftigen in den obersten Bundesbehorden der Laufbahn des ho- heren Dienstes zugehorig. Der hohere Dienst stellt insbesondere in den obersten Bun- desbehorden die Mehrheit an Beschaftigten mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben. Der Frauenanteil im hoheren Dienstwar jedoch in alien obersten Bundesbehorden niedriger als der Frauenanteil aller Beschaftigten.18 Mit Fuhrungsaufgaben waren in dieser Laufbahn nur34 % Frauen betraut.19 Der Anteil von Frauen mit Fuhrungsaufga­ben in den Laufbahnen des gehobenen und mittleren Dienstes lag im selben Jahr bei nur25 %.20

,,Durch eine weitere Differenzierung nach Leitungsfunktionen gewinnen die Zahlen zu den Beschaftigten mit Vorgesetzten- oder Leitungsaufgaben zusatzliche an Aussage- kraft. Dann zeigt sich haufig, dass der Frauenanteil mit steigender Fuhrungsebene ab- nimmt. So liegt etwa im Durchschnitt aller obersten Bundesbehorden [...] der Frauen­anteil an Referatsleitungen bei 36 %, deran Unterabteilungsleitungen bei nur26 %. Fur Abteilungsleitungen einschlieBlich Direktorinnen und Direktoren wurde nurein Frauenanteil von 28 % und fur die Staatssekretarsebene von 20 % erreicht."21

Derfolgenden Abbildung ist der Frauenanteil an Fuhrungspositionen in alien obersten

Bundesbehorden (Abb. 1)zu entnehmen.22 23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Trotz der Tatsache, dass sich Frauen uber die letzten Jahrzehnte vermehrt eine An- stellung im offentlichen Dienst suchten und mittlerweile die Mehrheit an Beschaftigen im offentlichen Dienst stellen, sind sie in Fuhrungspositionen stark unterreprasentiert. Denn Jnklusion heiftt [...] zunachst nur Recht auf Zugang und sagt noch nichts uber die internen Aufstiegschancen aus.“24

Insbesondere vor dem Hintergrund der schon lange bestehenden gesetzlichen Veran- kerungen der Gleichberechtigung von Frauen und Mannern sowie der Mitwirkungs- pflicht des Staates erscheint die Ungleichstellung von Frauen gerade im offentlichen Dienst als nicht hinnehmbar. Der Staat versucht in seiner Funktion als Gesetzgeber Einfluss auf die Gleichberechtigung in Unternehmen hinzuwirken und hat es als greater Arbeitgeber in Deutschland bislang immer noch nicht geschafft, im eigenen Bereich eine annahernde Gleichstellung von Frauen und Mannern herzustellen. Diese wurde nicht nur eine Vorbildfunktion gegenuberfreiwilligen Maftnahmen von Unternehmen darstellen, sondern konnte auch graven Einfluss auf die Gesellschaft haben.

In der vorliegenden Arbeit untersuche ich deshalb die Grunde fur die nach wie vor vor- herrschende Ungleichbehandlung von Frauen bei der Vergabe von Fuhrungspositionen im offentlichen Dienst (oberste Bundesbehorden). Zwar nannten berufstatige Frauen zwischen 30-50 Jahren bei einer Umfrage aus 2015 die etwa gleiche Besetzung von Fuhrungspositionen von Frauen und Mannern als Indizfurdas Erreichen von Ge- schlechtergerechtigkeit erst an 13. Stelle.25 Doch ist das personliche Empfinden der Betroffenen nicht notwendigerweise kongruent mit den tatsachlichen Grunden fur die Ungleichbehandlung.

Ungeachtet des Empfindens der Mehrheit der erwerbstatigen Frauen muss festgehal- ten werden, dass insbesondere Fuhrungs- und Machtpositionen einen graven Einfluss auf die (Weiter-) Entwicklung der Gleichberechtigung von Frauen und Mannern in der Gesellschaft zu haben scheinen, wie an spaterer Stelle noch aufzuzeigen ist.

1.2. These

Ich orientiere mich bei den nachfolgenden Ausfuhrungen an den Uberlegungen von Rosabeth Moss Kanter und hier im Besonderen an ihrem Werk „Men and women of the corporation" (1977). Kanter sieht zum einen die Grunde fur eine Ungleichbehandlung von Frauen ebenfalls in der stark hierarchisierten Strukturvon Unternehmen sowie dem historisch gewachsenen patriarchalen Herrschaftssystem. Daruber hinaus hebt Kanter hervor, dass es nicht nur Frauen sind, die benachteiligt werden, so sehr sie doch als marginale Gruppe besonders stark davon betroffen sind. Kanter vermutet: “What looks like sex differences may really be power differences."26

Kanter fuhrte sehr intensive (uber funf Jahre dauernde) und stark praxisorientierte Un- tersuchungen in einem graven Unternehmen durch. Gerade diese Erfahrungen und Resultate aus der Praxis versuche ich am Ende dieser Arbeit auf die heutigen Struktu­ren derobersten Bundesbehorden zu ubertragen und daraus Strategien gegen eine Ungleichbehandlung von Frauen zu entwickeln.

Kanter argumentiert, dass strukturelle Probleme - der Mangel an (Aufstiegs-) Moglich- keiten, die Machtstrukturen und die Proportionen verschiedener Gruppen (hier: Frauen und Manner) - das Verhalten dieser Gruppen und die dadurch verursachten Benach- teiligungen erklaren. Es sei namlich gerade nicht das (individuelle) Verhalten der Frau­en selbst (vgl. Kapitel 4), welches uber den relativen Mangel an Erfolg im Arbeitsleben entscheide, sondern die Organisationsstruktur, fur die sie arbeiten. Einen Fortschritt in Richtung Gleichbehandlung von Frauen (sowie anderen Minderheiten) und Privilegier- ten (vorzuglich Manner) sei nur durch eine Anderung der jeweiligen Organisations­struktur zu bewerkstelligen und nicht durch (Verhaltens-) Anderungen der betroffenen Menschen.

Erwahnenswert erscheint mir an dieser Stelle, dass Frauen in den 1970er Jahren tat- sachlich noch eine quantitative Minderheit unterden Erwerbstatigen darstellten. Heut- zutage stellen Frauen zumindest im offentlichen Dienst knapp uber die Halfte der Be- schaftigten (vgl. Kapitel 1.1.). Und dennoch gilt, dass Frauen in Fuhrungspositionen somit nach wie vor eine quantitative Minderheit darstellen. Das quantitative Verhaltnis spielt bei den von Kanter vorgeschlagenen MaR>nahmen gegen die Benachteiligung von unterprivilegierten Randgruppen noch eine Rolle, welche ich in Kapitel 6 unter dem Begriff der Marginalitat noch genauer erlautere.

Wenn Kanter von Organisationen spricht, geht sie von graven bzw. stark burokratisier- ten Organisationen aus. Zumindest sieht sie eine Korrelation zwischen steilen Hierar- chien in Unternehmen und zunehmenden Barrieren fur den Erfolg von Minderheiten. Es liegt somit nahe, die Forschungsergebnisse von Kanter auf behordliche Strukturen - da Burokratie par excellence - zu ubertragen.

Rationale Burokratien sollen nach Max Weber gerade den Vorteil mit sich bringen, dass sie Macht durch formale Regelungen unpersonlich werden lassen und damit die unkomfortable Abhangigkeit einzelner Subjekte von Willkur und launischen Herrschern reduzieren. Nach Michel Crozier, welcher Webers Burokratietheorie folgt, wurden Bu- rokratien geschaffen, urn nicht zu ertragende Situationen personlicher Abhangigkeiten von Autoritaten zu vermeiden.27

Stratifikation

Diese systematische, durch soziale Prozesse und Beziehungen entstehende, unglei- che Verteilung von Macht zwischen mehreren moglichen Akteuren ist aus soziologi- scherSicht als ein Teil von (sozialer) Stratifikation zu bezeichnen. Stratifikation meint Schichtungsstrukturen und -prozesse i.S. einer vertikalen sozialen Differenzierung zwi­schen verschiedenen Gruppen eines sozialen Systems. Diese Herstellung einer Rang- ordnung wird bei groR>eren Bevolkerungsgruppen, welche sich durch gewisse Merkma- le unterscheiden, beobachtet. Eine Kultur der Zweigeschlechtlichkeit vorausgesetzt (vgl. Kapitel 3) setze ich in dieser Arbeit den Fokus auf das dichotomische Modell der Stratifikation, in dem sich Frauen und Manner als Gruppen mit unterschiedlichen Merkmalen und Interessen gegenuberstehen und sich (uberwiegend) Frauen bei ihrem beruflichen Aufstieg in Abhangigkeit von machtigen Mannern befinden. Denn die be- gunstigte Gruppe, hier die Macht habenden (vornehmlich Manner) versuchen ihre Privi- legien zu halten und zu manifestieren.28

2. Warum keine Literatur aus gegenwartigen Gender Studies?

In der vorliegenden Arbeit verwende ich in nicht unerheblichem Umfang Literatur aus den 1970er und 1980er Jahren (und alter). Es erscheint mir deshalb als angebracht, moglicher und legitimer Kritik am Verwenden dieser mutmaftlich „veralteten“ Literatur zuvorzukommen.

Zum einen vergleiche ich die Studien aus dem 20. Jahrhundert mit aktuelleren Er- kenntnissen und erganze Erstere.

Viel entscheidender fur die Wahl der hier verwendeten Literatur ist jedoch der Urn­stand, dass die gegenwartigen akademischen Gender-Studies sich zunehmend vom Praxiswissen entfernen, welches die Gender-Expertlnnen und Gleichstellungspolitike- rlnnen benotigen und umsetzen.29

Das Auseinanderdriften der Frauen- und Gleichstellungspolitik auf der einen und der Frauen- und Geschlechterforschung auf der anderen Seite mag zwarein Problem im soziologisch-wissenschaftlichen Diskurs sein.30 Die (Mehrheit der) aktuellen akademi­schen Gender-Theorien halte ich jedoch fur meinen Ansatz als nicht zielfuhrend.

Da das hier zugrunde gelegte Konzept der Zweigeschlechtigkeit (vgl. Kapitel 3) eine wichtige Rolle in meiner Argumentation spielt, lasse ich beispielsweise die in heutigen Gender-Studies vorgenommene Dekonstruktion von Geschlecht (z.B. von Judith But­ler) vollstandig auften vor.

Angelika Wetterer31 argumentiert, dass gleichstellungspolitisch engagierte Gender- Expertlnnen, feministische Theoretikerlnnen sowie „die Frauen und Manner auf der Strane" heute sehr Unterschiedliches uber die Geschlechter zu wissen scheinen, diese drei Wissenstypen mit unterschiedlichen Konstellationen sozialer Praxis korrespondie- ren und eine spezifische Form sozialen Handelns nach sich ziehen.

In den 1970erund 1980er Jahren bauten Frauenforschung und Frauenpolitik noch auf- einanderauf, es wurden praktisch-politische MaR>nahmen umgesetzt, die auf den wis- senssoziologisch erarbeiteten Erkenntnissen basierten.

Das Geschlechterwissen, welches sich bis zu den 1980er Jahren angesammelt hat und durch Studien generiert bzw. belegt wurde, stellt somit den fur diese Arbeit beno- tigten, soziologischen Wissensstand dar. Es soil ja gerade untersucht werden, wie Ge- schlechtergerechtigkeit zwischen Frauen und Mannern in der Arbeitswelt hergestellt werden konnte. Zwar sind im Vergleich zu Mitte des 20. Jahrhunderts viel mehr Frauen erwerbstatig und vermehrt auch in Fuhrungspositionen tatig. Jedoch sind es, nach meiner Auffassung, immer noch dieselben strukturellen Mechanismen wie vor 50 Jah- ren, welche Frauen nach wie vor von einer proportional gerechten Verteilung von Fuh­rungspositionen, insbesondere solcher weit oben in der Hierarchie, fernhalten. Deshalb halte ich es fur legitim, die damals zugrunde gelegten Uberlegungen bezuglich der Ursachen des Missverhaltnisses von Frauen und Mannern in (hohen) Fuhrungspo­sitionen aufAktualitat bzw. ihre Gultigkeit in derGegenwart hin zu uberprufen. Dies scheint fur die Praxis der hier behandelten Gleichstellungsfragen nicht nur passend, sondern ist aus meiner Sicht auch bezeichnend, da die Uberlegungen von Soziologln- nen von vor 50 Jahren nach wie vor aktuell erscheinen.

3. Geschlecht

"Enter most organizations and you enter a world of sexuality."32

Im Folgenden gehe ich darauf ein, was heute in der Soziologie unter dem Begriff Ge­schlecht verstanden wird. Im Privaten durften die Vorstellungen vom Begriff Geschlecht namlich sehr subjektiv und individuell unterschiedlich sein. In der Arbeitsweltjedoch werden Weiblichkeit und Mannlichkeit bzw. deren Verhaltnis zueinander mehr uber offentliche Herrschaftsverhaltnisse geregelt.33 Das Verstandnis von Geschlecht im so- ziologischen Sinne ist deshalb essentiell fur die in dieser Arbeit untersuchten Macht- und Herrschaftsbeziehungen.

Entscheidend fur die Geschlechterforschung (als Weiterentwicklung der isolierteren Frauenforschung) war die Ubernahme der aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum stammenden Unterscheidung zwischen „gender“ als Bezeichnung fur das soziale Ge­schlecht, welches ,,auf die soziale Konstruktion von geschlechtsspezifischen Rollen und Attributen"34 abzielt, und „sex“ fur das biologische bzw. korperliche Geschlecht. Der Begriff „gender“ stammt ursprunglich aus dem Bereich der Psychologie und be- schreibt dort die Widerspruchlichkeit zwischen der Geschlechtszuordnung aufgrund der korperlichen (primaren) Geschlechtsmerkmale und dem gefuhlten Geschlecht, welches mit ersterer nicht ubereinstimmen muss, z.B. bei Transsexuellen.35

Diese Aufteilung von Gender und biologischem Geschlecht ermoglichte die Beschrei- bung von Gender als soziales Konstrukt und die darauf aufbauende Analyse, „dass [...] Geschlechterzuschreibungen, Geschlechterrollen und Hierarchisierungen historisch entstanden sind und durch gesellschaftliche Strukturierungen [...] und Bedeutungszu- schreibungen zustande kommen".36

Die Befurchtung, die Geschlechtszugehorigkeit konnte aufgehoben werden, weil Ge­schlecht (bzw. viel mehr eigentlich Gender) „nur“ konstruiert ist, ist laut Stefan Hirsch- auer unbegrundet. Denn die Geschlechtszuordnung nach dem System derZweige- schlechtlichkeit ist in unserer Gesellschaft aufgrund der sehr langen, historischen ge­schlechtsspezifischen Sozialisation derart stark verankert und dadurch (uberwiegend) gelebte Wirklichkeit. Dieses Wissenssystem reproduziere sich nach Hirschauer uber die stetig fortlaufende, soziale Praxis. Denn im Alltag ordnen die Menschen auf reflexi­ve Weise anderen Personen ein Geschlecht zu, urn mit ihnen entsprechend dergesell- schaftlichen Gepflogenheiten zu interagieren. Diese Geschlechtsattribuierung schafft eine Geschlechterwirklichkeit mit (uberwiegend) zwei Geschlechtern, namlich Frauen und Mannern.37

Es zeichnen also identitatsbildende, gesellschaftliche Prozesse dafur verantwortlich, dass wir insbesondere in der Berufswelt nur zwischen den (sozialen) Geschlechtern weiblich und mannlich unterscheiden und diesen sozialen Geschlechtern bestimmte (stereotype) Eigenschaften zuordnen. Demnach handelt es sich beim sozialen Ge­schlecht urn eine soziale Kategorie38, welche durch ein stetiges „doing gender"39 in der Gesellschaft konstruiert und reproduziert wird.

„Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird es"40 bzw. wird durch soziale Prozesse dazu gemacht. Gemaft den Uberlegungen von Simone de Beauvoir zeichnen „Charak- tereigenschaften und Kompetenzen, wie Emotionalitat, Durchsetzungsfahigkeit oder Kommunikationsfahigkeit [...] demnach aus sich heraus kein naturliches, trennscharfes und polarisiertes Bild der Zweigeschlechtlichkeit."41

Die „kulturelle Konstruktion der Zweigeschlechtlichkeit"42 ist insbesondere im berufli- chen Bereich der Gesellschaft nach wie vor sehr wirksam und mit „Macht und Herr- schaft durchsetzt"43.

,,Kulturelle“ Konstruktion deshalb, weil den sozialen Geschlechtern in unterschiedlichen Kulturen mitunter komplett andere Eigenschaften zugeordnet werden und andere, ge- schlechtsidentitatsbildende Prozesse ablaufen als in der hier zugrundeliegenden west­lichen, abendlandischen Kultur.44

Warum sind nun das Geschlecht bzw. die Kategorisierung des Geschlechts so wichtig fur die Ursachenfindung bezuglich der Ungleichbehandlung von Frauen und Mannern in der Berufswelt?

„Die in der Regel automatisch ablaufende geschlechtliche Kategorisierung aktiviert insbesondere im Arbeitsbereich Geschlechterstereotype [kognitive Strukturen, die so- zial geteiltes Wissen uber die charakteristischen Merkmale von Frauen und Mannern enthalten], die die beruflichen Interaktionen und Identitaten beeinflussen"45 und eben- falls Ungleichheiten in Organisationen verursachen.

Diese Geschlechterungleichheiten sind einer Organisation dann immanent, wenn sie (auch) in deren „verborgener Struktur" zu finden sind. Im Umkehrschluss wirken solche Gesellschaftsformationen strukturbildend, Geschlecht wird deshalb in derfeministi- schen Diskussion der 1980er Jahre auch als Strukturkategorie bezeichnet.46 Dass Geschlecht als Strukturkategorie angesehen werden kann, halte ich deshalb fur relevant, da im weiteren Verlauf dieser Arbeit gerade die Strukturen von Organisatio­nen als Hauptursache fur die Ungleichbehandlung von Frauen und Mannern herausge- stellt werden sollen.

Denn gerade in den taglichen Interaktionen in Organisationen kommt die geschlechtli­che Kategorisierung immer wieder zum Ausdruck. Die ,,automatische und kontinuierli- che Kategorisierung aller Menschen nach ihrer Geschlechtszugehorigkeit [ist] die trei- bende Kraft im System der geschlechtlichen Unterscheidungen und Ungleichheiten"47. Anhand der kulturell definierten aufteren Merkmale, wie z.B. Kleidung Oder Frisur, wer­den die Akteure (insbesondere im Berufsleben) in die Kategorie „weiblich“ oder ,,mann- lich“ eingeordnet.

Die Menschen glauben zu wissen, dass jemand, der einen Rock oder Lippenstift tragt, eine Frau ist. Jedoch sieht man nicht die primaren Geschlechtsmerkmale, die eine ein- deutige Zuordnung auf das biologische Geschlecht zulassen, sondern nur kulturell konstruierte „Gender-Marker“, aus denen man auf das Geschlecht schlieftt. Dieser „zweigeschlechtliche Erkennungsdienst"48 scheint in unserem Alltag tiefverankert und reduziert Personen unreflektiert auf die Kategorien „Frau“ oder „Mann“ und den damit assoziierten Vorurteilen.49

Diese stereotype Einordnung fuhrt in Organisationen u.a. deshalb zur Benachteiligung von Frauen, weil mit der Kategorie „weiblich“ nach wie vor personliche Eigenschaften assoziiert werden, die Fuhrungs- bzw. Leitungsfahigkeit tendenziell eher ausschlieften und diese Zuordnung bei Minderheiten (hier: Frauen) umso starker zutage tritt, worauf ich im Kapitel 6 zu Tokenism und Marginalitat noch genauer eingehe.50

Die beiden Geschlechtskategorien werden weiterhin in unserer Gesellschaft als objek- tiv schon immer existent wahrgenommen. Damit einhergehend gehen die meisten Menschen scheinbar von einer Legitimist der bestehenden und ungleichen bzw. unge- rechten Herrschaftsverhaltnisse aus.51

Es stellt sich an dieser Stelle jedoch die Frage, ob bzw. warum nur Geschlecht als (Struktur-) Kategorie zu beschreiben ist. Mitnichten ist nur das Geschlecht zu kategori- sieren. Bei anderen Minderheiten bzw. diskriminierten Gruppen handelt es sich eben- falls urn Kategorien, welche bei einer generellen Untersuchung von Benachteiligungen in einer Gesellschaft zu berucksichtigen sind. Die hier thematisierte Kategorie Ge­schlecht uberschneidet sich bei der Analyse von Ungleichheitslagen zum Teil mit den Kategorien (soziale) Klasse/Status, Ethnie Oder Rasse. In dieser Arbeit wird jedoch ausschlieftlich die Ungleichbehandlung der (sozialen) Geschlechter untersucht, auch wenn der Vergleich zu anderen Minderheiten im spateren Teil dieser Arbeit (Stichwort: Marginalitat) erneut kurz aufgegriffen wird. Daruber hinaus scheint das „weibliche Ge­schlecht [...] von alien sozial diskriminierten Gruppen diejenige [Kategorie] zu sein, in der Benachteiligungen am haufigsten kumulativ auftreten."52

Die Entkoppelung des sozialen vom korperlichen Geschlechts erlaubt es also, die so­zialen und kulturellen Einflusse auf die (sozialen) Geschlechter konzeptionell zu begrei- fen und damit Geschlechterungleichheiten unabhangig vom korperlichen Geschlecht zu erklaren. Die Differenzierungen zwischen den (sozialen) Geschlechtern sind gesell- schaftlich und kulturell gepragt, geschlechtstypische Vorurteile und deren Auswirkun- gen sind mit Gender, also dem sozialen, nicht dem korperlichen Geschlecht, verknupft. Zudem ermoglicht diese Entkoppelung eine bessere Analyse der Macht- und Herr- schaftsbeziehungen im Verhaltnis von Weiblichkeit und Mannlichkeit. „Gender [sei un- ter anderem] als eine Art und Weise zu verstehen, wie Machtverhaltnisse in einer Ge­sellschaft reproduziert werden."53

Dem Vorschlag von Hagemann-White54 folgend vertrete ich die Meinung, dass an- schlieftend an die Voruberlegungen zur Entkoppelung von Gender und Geschlecht die Menschen (zumindest im westlich gepragten kulturellen Gesellschaftssystem) in ein System der Zweigeschlechtlichkeit hineingeboren werden, in welchem die den Ge- schlechtern uberwiegend zugeordneten Stereotype, z.B. weibliche Emotionen, mannli- ches Durchsetzungsvermogen, bereits fruhkindlich vermitteltwerden und sich kontinu- ierlich reproduzieren und zu der vorherrschenden Ungleichbehandlung von Frauen und Mannern sowie zur Marginalisierung auch anderer (Gender-) Minderheiten fuhren.55

Wir leben nicht in einer ausschlieftlich dual-geschlechtlichen Gesellschaft. Zweifelsoh- ne existieren weitere Geschlechtsidentitaten, welche trotz des gesetzlichen Schutzes bzw. gesetzlicher Diskriminierungsverbote weiterhin benachteiligt werden. Die Akzep- tanz weiterer Geschlechtsidentitaten ist jedoch noch nicht so weit fortgeschritten, wie es einer offenen und toleranten Gesellschaft als die wir uns sehen, gerecht erscheint. Entwicklungen, wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 10. Oktober 2017 bezuglich der Notwendigkeit, neben „weiblich“ und „mannlich“ ein drittes Ge­schlecht eintragen lassen zu konnen56, deuten jedoch an, dass sich die Gesellschaft wandelt.

4. Subjektorientierte Erklarungsansatze fur Unterreprasentation

Wie eingangs dargelegt wurde, sind Frauen in Fuhrungspositionen im offentlichen Dienst nach wie vor stark unterreprasentiert und hier umso starker, je hoher die Fuh­rungspositionen in der Hierarchie angesiedelt sind. Es stellt sich somit die Frage nach den Ursachen fur diese vertikale Arbeitsmarktsegregation.

In der Soziologie gibt es eine Vielzahl von theoretischen Uberlegungen. Zum uberwie- genden Teil wird jedoch zwischen subjekt- und strukturorientierten Erklarungsansatzen unterschieden. Auf diese Unterscheidung konzentriere auch ich mich, da ich gemaR> meiner dargelegten These strukturelle Hindernisse als Hauptursache sehe und es die­se gegen die subjektorientierten Erklarungsansatze abzugrenzen gilt.57 „Subjektorientierte Erklarungen stellen individuelle Eigenschaften, Handlungen und Interessen der Beteiligten [hier der Frauen] als Ursache von Benachteiligungen in den Vordergrund und betrachten geschlechtsspezifische Berufsentscheidungen als Ergeb- nis dieses Zusammenspiels."58

Strukturorientierte Barrieren hingegen sind in den Organisationen selbst sowie in den informellen Strukturen hinterdem formalen Aufbau der jeweiligen Institution angelegt.

Im Folgenden erlautere ich zunachst verschiedene subjektorientierte Erklarungsansat­ze und bemuhe mich, diese argumentativ zu widerlegen, urn zu zeigen, dass diese aus meiner Sicht nicht, auch nicht im Zusammenspiel, ursachlich sein konnen fur das Mate an ungleicher Verteilung von Fuhrungspositionen zwischen Frauen und Mannern. Die Uberlegungen mogen vereinzelt auf Frauen zutreffen und im Einzelfall erklaren, warum eine Frau in einer Organisation nicht weiter aufsteigt. Dies kann jedoch ebenso fur Kar- rierehindernisse bei einzelnen Mannern gelten. In solchen Fallen sind die Grundefur eine Benachteiligung aus meiner Sicht in der individuellen Personlichkeit zu sehen und nicht in geschlechtsspezifischen Unterschieden, die die gesamte Gruppe der Frauen und Manner betreffen.

Es wird an dieser Stelle bereits kritisch darauf hingewiesen, dass sich die einzelnen theoretischen Ansatze uberschneiden bzw. auch an anderen Punkten voneinander abgrenzen lieften.59

[...]


1 Knapp, Gudrun-Axeli (2001), S. 9.

2 vgl. Greiner, Lena und Himmelrath, Armin (2016). vgl. Knaup, Horand (2017). s. MeiBmer, Christian (2017), S. 10.

3 s. Wetterer, Angelika (2003), S. 311.

4 s. GroBbongardt, Annette (2018).

5 s. Bundesministerium fur Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2017), S. 33.

6 „Machtigsten“ bezeichnet in diesem Fall solche obersten Bundesbehorden, die mit am meisten Prestige sowie Aufmerksamkeit verbunden sind und ihnen damit mehr Einfluss und Gewicht verleihen, wie z.B. dem BMI mit dem Thema Offentliche Sicherheit oder dem BMF mit der Fi- nanzverantwortung.

7 Fur eine Auflistung der obersten Bundesbehorden siehe MeiBmer, Christian (2017), S. 4.

8 vgl. von Munch, Eva Marie (1976).

9 s. Epstein, Cynthia F. (1970), S. 970-971.

10 s. Moore, Gwen (1988), S. 567-568.

11 vgl. Statistisches Bundesamt (1973), S. 592 ff. s. auch Tofaute, Hartmut (1975), S. 80.

12 vgl. Statistisches Bundesamt (1970), S. 8. s. auch Tofaute, Hartmut (1975), S. 80.

13 s. Trenkmann, Jeannette (2017), S. 38-39.

14 Statistisches Bundesamt (Hrsg.).

15 Statistisches Bundesamt (Hrsg.).

16 MeiBmer, Christian (2017), S. 6.

17 Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 33.

18 MeiBmer, Christian (2017), S. 6.

19 Ebenda, S. 6.

20 Ebenda, S. 7.

21 Ebenda, S. 8.

22 Teilzeitarbeit, die hauptsachlich von Frauen verrichtet wird, ist ebenfalls ein Karrierehindernis fur Leitungsfunktionen, ist fur die hier verfolgte Argumentation jedoch nicht relevant. Nachzu- schlagen: MeiBmer, Christian (2017), S. 11.

23 Ebenda, S. 7.

24 Knapp, Gudrun-Axeli (2001), S. 12.

25 s. Prof. Dr. Wippermann, Carsten (2016), S. 76.

26 Kanter, Rosabeth Moss (1977), S. 9.

27 s. Crozier, Michel (2010), S. 54. s. Kanter, Rosabeth Moss (1977), S. 171.

28 s. Scott, John (2014), S. 731-732. s. Brusten, Manfred (2013), S. 595.

29 s. Wetterer, Angelika (2009).

30 Beck, Ulrich und Bond, Wolfgang (1989), S. 9. Wetterer, Angelika (2009), S. 49.

31 s. Wetterer, Angelika (2008a), S. 39 ff. s. Wetterer, Angelika (2009).

32 Hearn, Jeff und Parkin, Wendy (1987), S. 3.

33 s. Burkhart, Gunter (2008), S. 4737.

34 s. Kuppers, Carolin (2012), S. 4.

35 s. Knapp, Gudrun-Axeli (2001), S. 60. s. Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 24.

36 Kuppers, Carolin (2012), S. 4.

37 s. Wetterer, Angelika (2008b), S. 25-28. s. Hirschauer, Stefan (1996), S. 241-249.

38 vgl. Hirschauer, Stefan (2001), S. 208-235. Auf die Diskussion zu einem moglichen Bedeutungsverlust der Kategorie Geschlecht gehe ich in dieser Arbeit nicht weiter ein, da es fur die hier formulierten Uberlegungen keine Relevanz hat bzw. nicht zielfuhrend ist. vgl. Knapp, Gudrun-Axeli (2001), S. 53-74.

39 vgl. West, Candace und Zimmerman, Don H. (1987), S. 125-151.

40 Beauvoir, Simone de (2017), S. 334.

41 s. Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 59.

42 Butler, Judith (2016), S. 41.

43 Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 29.

44 vgl. Ebenda, S. 62-63.

45 Ridgeway, Cecilia L. (2001), S. 250.

46 Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 36. Ebenda, S. 38. Becker-Schmidt, Regina (1991). Becker-Schmidt, Regina (1989).

47 Ridgeway, Cecilia L. (2001), S. 252.

48 Tyrell, Hartmann (1986), S. 463.

49 Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 68. Ebenda, S. 129.

50 vgl. Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 129 f.

51 vgl. Looman, Marijke (2011), S. 10-11.

52 Becker-Schmidt, Regina (2007), S. 80.

53 Scott, loan W. (1994). s. Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 24-25.

54 vgl. Hagemann-White, Carol (1984).

55 s. Aulenbacher, Brigitte u.a. (2010), S. 24-25.

56 BVerfG (2017).

57 Ich orientiere mich hier an den Uberlegungen von Trenkmann (2017) und blende weitere Erklarungen wie angebots- und nachfragezentrierte bzw. umweltbezogene Erklarungen aus, da sie fur meine These irrelevant sind. vgl. Trenkmann, Jeannette (2017), S. 18.

58 Ebenda, S. 18.

59 vgl. Ebenda, S. 18.

Ende der Leseprobe aus 67 Seiten

Details

Titel
Die Ungleichbehandlung von Frauen in Führungspositionen. Wege zu einer geschlechtergerechten öffentlichen Verwaltung
Untertitel
Macht (-) Frauen
Hochschule
Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin
Note
1,0
Jahr
2018
Seiten
67
Katalognummer
V1034461
ISBN (eBook)
9783346453389
ISBN (Buch)
9783346453396
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gleichbereichtigung, Benachteiligung von Frauen
Arbeit zitieren
Anonym, 2018, Die Ungleichbehandlung von Frauen in Führungspositionen. Wege zu einer geschlechtergerechten öffentlichen Verwaltung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1034461

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