Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hintergrundinformationen
2.1 Biographische Eckinformationen zu Ludwig XIV
2.2 Absolutismus
2.3 Ludwig XIV. als absolutistischer Herrscher
2.4 Ballet royal de la nuit
2.5 Institutionalisierung des Balletts und des Tanzes durch Ludwig XIV
3. Analyse
3.1 Die Symbolik der Sonne und des Apollon
3.2 Auswirkung der Institutionalisierung von Ballett und Tanz
4. Fazit
Bibliographie
Anhang
1. Einleitung
Seit seinen Anfangen im 15. Jahrhundert begeisterte Ballett die Menschen und ist durch die Epochen, Modernisierungsprozesse und unterschiedlichsten Interpretationen hinweg bis heute eine Kunstform, die fasziniert. Historisch gesehen gab es jedoch kaum eine Zeit, in welcher Ballett eine so grofte Bedeutung zuteilwurde, wie zu Zeiten von Ludwig XIV.
In diesem Aufsatz werde ich untersuchen, inwiefern dem Monarchen Ludwig XIV. seine Rolle im Zentrum des Ballettstucks Ballet Royal de la nuit aus dem Jahr 1653 bei der Ausubung und Demonstration absolutistischer Macht half. Bereits in fruher Kindheit begann Ludwig XIV. Ballett zu tanzen. Im Alter von vier Jahren wurde er zwar zum Konig gekront, doch mangelte es ihm an Regierungsfahigkeit. Daher ubernahm zunachst seine Mutter und anschlieftend ein Minister und Kardinal bis zu seinem 22. Lebensjahr seine Vormundschaft. In dieser Zeit musste der junge Konig mehrfach aus Paris fliehen und es gab grofte Probleme bei der Machtausubung. Entscheidungen des Konigshauses wurden teilweise nicht befolgt und seine Regierungsfahigkeit wurde vehement infrage gestellt.
Die dieser Arbeit zugrunde liegende Hypothese ist, dass sich dies mit seinem Auftritt im Ballet Royal de la nuit, worin er eine zentrale Rolle innehatte, anderte. Bei der Uberprufung dieser Hypothese werde ich zum Beispiel die Rolle des Monarchen als Sonnengott Apollon im Ballet Royal de la nuit und deren Symbolik untersuchen. Besonderes Augenmerk werde ich auf den Einfluss von Ballett auf die offentliche Meinung uber Ludwig XIV. legen.
Diese Arbeit stutzt sich auf die Analyse von Sekundarquellen und ist als qualitative Forschungsmethodik zu klassifizieren. Es werden hauptsachlich Geschichtsbucher des Historikers Martin Wrede, des Schriftstellers und Historikers Manfred Mai, des promovierten Altertumswissenschaftlers Dr. Helmut M. Muller und des Geschichtsdidaktikers Joachim Rohlfes verwendet. Zudem auch ein englisches Buch des Historikers T.C.W. Blanning. Um genauer auf das Thema Ballett einzugehen, nutze ich vor allem ein Buch der Abteilungsleiterin fur Musik- und Tanzwissenschaften der Uni-Salzburg, Nicole Haitzinger, und ein Kunstlexikon der Kunsthistoriker Gottfried Lindemann und Hermann Boekhoff, aber auch drei Artikel aus dem Internet von Engelbert Hellen, Manuel Brug und Gretchen Schmid. Zusatzlich nutze ich zwei Promotionen der Philosophiedoktoranten Emily A. Beeny und Melanie Cooper-Dobbin in englischer Sprache, die meine Recherche mit neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus dem Jahr 2016 vervollstandigen.
Als Balletttanzerin der Royal Academy Of Dance London machte ich bereits im Alter von drei Jahren Bekanntschaft mit Ludwig XIV., da man die franzosischen Fachbegriffe und ihre Bedeutungen fur die verschiedenen Bewegungsablaufe bereits im fruhen Alter lernt - in vielen Fallen ist Ludwig XIV. deren geistiger Vater. Vor allem aber interessierte mich die Geschichte, ob Ludwig XIV. seine Popularitat dem Ballett zu verdanken hatte oder ob dies nur eine Wunschvorstellung vieler Tanzer ist. Zudem ist dieses Thema interessant, da Ballett allgemeingesellschaftlich nur sehr selten mit Ludwig XIV. und seiner Herrschaft in Verbindung gebracht wird und dies fur Viele einen unbekannten Themenbereich darstellt.
2. Hintergrundinformationen
2.1 Biographische Eckinformationen zu Ludwig XIV.
Anna von Osterreich gebar Ludwig XIV. am 05. September 1638 in Saint Germain.1 Sein Vater Ludwig XIII. starb am 14. Mai 1643, als Ludwig XIV. vier Jahre alt war, woraufhin er laut franzosischer Thronfolgetradition unmittelbar gekront werden sollte.2 Da er zu jung zum Regieren war, ubernahm seine Mutter bis zu seinem 13. Lebensjahr seine Vormundschaft. In seiner Kindheit musste Ludwig XIV. insgesamt zwei Mal aus Paris nach Saint-Germain-en-Laye fliehen. Die Fronde, eine aufstandische Gruppe des Adels, wollte Anna von Osterreich sowie Kardinal und Minister Jules Mazarin ihrer Amter entheben. Daraus resultierte die erste Flucht am 13. September 1648. Ohne Vertrauen in ihr Volk kehrten sie bereits nach knapp zwei Monaten am 31. Oktober 1648 wieder zuruck nach Paris. Anna von Osterreich war sich dessen bewusst, dass sich die konigliche Familie nur aufterhalb von Paris in Sicherheit wiegen konnte. Da dies auch der Fronde bekannt war, wurde eine Stadtblockade geplant, um eine weitere Flucht der Konigsfamilie zu verhindern. Jedoch gelang es dem Konig und seiner Mutter in der Nacht vom 5. auf den 6. Januar 1649 zum zweiten Mal zu fliehen.3 Nachdem sie sieben Monate in Saint-Germain-en-Laye gelebt hatten, kehrten Ludwig XIV. und seine Mutter am 18. August 1649 wieder nach Paris in den Palais Royal zuruck.4 Im Februar 1651 verbreitete sich das Gerucht einer dritten Flucht, woraufhin der Palais Royal in der Nacht vom 9. auf den 10. Februar 1651 umstellt wurde, und die Fronde gewaltsam in Ludwigs Schlafgemacher eindrangen, um sich von seiner Anwesenheit zu vergewissern.5
Kurz bevor Ludwig XIV. das Alter von 13 Jahren erreichte und damit volljahrig zu werden drohte, beantragte die Fronde eine Verlangerung seiner Minderjahrigkeit. Doch dieses Unterfangen blieb erfolglos und Ludwig XIV. galt ab dem 05. September 1651 als volljahrig. Fortan stand ihm Mazarin als Vormund und Berater zur Seite.6 Mazarin involvierte Ludwig XIV. bei Entscheidungen und bereitete ihn auf seine Zeit als absolutistischer Herrscher vor.7 Mit 22 Jahren, nach Mazarins Tod am 9. Marz 1661, stellte Ludwig XIV. keinen neuen Kardinal bzw. ersten Minister mehr ein und formte Frankreich weiter zu einem immer absolutistischeren Staat. So regierte Ludwig XIV. von 1661 bis 1715.8 Zahlt man jedoch seine Regierungsjahre mit Vormund mit, blieb er insgesamt 72 Jahre auf dem Thron und gilt damit bis heute als der am langsten regierende Monarch Europas.9
2.2 Absolutismus
Als Absolutismus bezeichnet man die Epoche zwischen dem 30jahrigen Krieg und der Franzosischen Revolution. In dieser Zeit hatten viele europaische Monarchen uneingeschrankte -absolute- Macht uber ihr Volk. Die absolutistische Regierungsweise strebt nach absolutem Befehl und Gehorsam.10 Laut der Staatstheorie des Absolutismus ist der Herrscher „losgelost von den Gesetzen“11 (lat. legibus absolutus), also nicht den bestehenden Gesetzen unterworfen, sondern „gottlichem und naturlichem Recht“12 verpflichtet. Er konnte sich auf „gottliche Legitimitat“ berufen. Der Monarch wurde meist von einem unabhangigen Rat unterstutzt, welcher als Kabinett, Geheimer Rat, Staatsrat o.a. bezeichnet wurde. Dieser verfugte aber uber keinerlei Macht oder Befugnisse.13
Der Absolutismus verbreitete sich im 17. und 18. Jahrhundert in Frankreich und ganz Europa, obwohl er ursprunglich der italienischen, staatlichen Diskussion des 15. Jahrhunderts entstammt.14 Damals, in einem Zeitalter der Glaubenskriege, sehnten sich viele Volker nach staatlicher Ordnung, woraus sich die absolutistische Regierungsform entwickelte.15 Ludwig XIV. regierte Frankreich als erster absolutistischer Herrscher und erkampfte zwischen 1661 und 1715 eine Groftmachtstellung in Europa, indem er eine gut funktionierende absolutistische Staatsform etablierte.16
2.3 Ludwig XIV. als absolutistischer Herrscher
Da Ludwig XIV. bereits in jungen Jahren mehrfach die Flucht vor der Fronde ergreifen musste, lernte er fruh, wie fragil seine Macht war.17 Der Machtkampf zwischen der Fronde und dem Konigshaus eskalierte immer wieder, was sich etwa in stadtischen Volksaufstanden oder Nichtbefolgen koniglicher Rechtsakte aufterte.18 Die Fronde nutzte konsequent das junge Alter Ludwigs als Argument, um seine Regierungsfahigkeit infrage zu stellen. In einem Zeitalter, in dem es nur sehr begrenzte Moglichkeiten medialer Nachrichtenubertragung gab, hatte das Konigshaus diesem kommunikativen Angriff wenig entgegenzusetzen. Als Teil des Adels und damit Teil der „Schicht“ zwischen Konigshaus und Volk, kommunizierte die Fronde seine Argumentation wirkungsvoll. Entsprechend hatte die Fronde groften Einfluss auf die offentliche Meinung und brachte die Monarchie ins Wanken. Doch Ludwig XIV. wollte keine „Bedrohung oder Einschrankung der koniglichen Gewalt“ dulden.19
Durch Mazarins Tod 1661 entstand eine Situation, die Ludwig XIV. nutzte, um die Macht neu zu verteilen. Der Konig begann ohne Vormund ungefiltert zu regieren. Aufgrund seines fehlenden Vertrauens dem Adel gegenuber, begann er alle Entscheidungen eigenstandig zu treffen, was zur Folge hatte, dass er eine Quasi- Selbstregierung erschuf.20 Da seine Autoritat seit seiner Kindheit sehr stark in Frage gestellt wurde, konzentrierte sich Ludwig XIV. besonders darauf, Macht an sich zu reiften. Oder Wie Machiavelli dies beschrieb: „ein Furst [...] muss oft handeln, um seinen Platz zu behaupten“21
Die Schwachung des Adels stand an oberster Stelle. Es sollte keine Moglichkeiten mehr geben Ludwig zu sturzen. Er tauschte die adligen Gouverneure aus und erteilte jeder Provinz einen koniglichen Vertreter.22 Vor Ludwigs XIV. vormundschaftsfreier Amtszeit unterstutzen sich Krone, Kirche und Adel gegenseitig, was er jedoch abschaffte, indem er adlige und kirchliche Gerichte zunehmend durch konigliche Gerichtshofe ersetzte. Die daraus resultierende Abnahme bis hin zur Abschaffung der Gewaltenteilung fuhrte dazu, dass Ludwig XIV. uber fast „uneingeschrankte Gesetzgebungsgewalt“23 verfugte. Obwohl es keinerlei Beweisgrundlage dafur gibt, dass der Ausdruck L’Etat c’est moi (der Staat bin ich) tatsachlich von Ludwig XIV. stammt, charakterisiert er das Herrschaftsgefuhl des Konigs - die Gleichsetzung von Staat und Herrscher.24
Damit die Aristokratie nicht zu rebellieren versuchte nachdem Ludwig den Adel fast vollstandig entmachtet hatte, stellte er viele adlige Berater in seinem Schloss ein. Da Ludwig XIV. dem Adel misstraute, beschaftigte er ihn mit Einschrankungen durch Formalitaten und Etikette zu Hofe, an welche man sich zu halten hatte, wenn man seinen Status aufrechterhalten wollte.25 Dies kostete den Adel viel Geld, was Ludwig in die Karten spielte. Der Adel musste kontinuierlich Geld beschaffen und erlitt entsprechend einen Mangel an Zeit - Zeit, die der Adel benotigt hatte, um sich gegen Ludwig XIV. zu formieren. Zu bedenken ist hierbei, dass der Adel zur Geldbeschaffung klassischerweise keiner „Arbeit“ im heutigen Sinne nachgehen musste. Der Adel hatte Kapital in Form von Geld, Land und sonstigen Gutern aus denen er Einnahmen generierte, die zur Deckung laufender Ausgaben dienten. Normalerweise wurden so sogar grofte Uberschusse erwirtschaftet. Doch die Besitzverhaltnisse verschoben sich im Laufe der 10jahrigen Amtszeit von Jean-Baptiste Colbert als Finanz- und Wirtschaftsminister im Verwaltungs- und Finanzrat. Er entwickelte ein staatliches Finanz- und W irtschaftssystem: den Colbertismus. Dessen Credo: „Reichtum des Staates“ durch standig wachsende Staatseinnahmen.26
Um seinen Machtanspruch zu sichern, erlaubte Ludwig dem Klerus und dem Adel keine Steuern zu zahlen.27 Dafur sollten die Bauern nun hohere Steuern zahlen - aber nicht mehr an Adel und Kirche. Die erhohten Steuern der Bauern „wanderten“ von nun an in die Staatskasse und Ludwig XIV. bestimmte, wofur dieses Geld verwendet wurde - unter anderem fur den Bau von Versailles.28 Versailles sollte den hohen Adel und die Elite Frankreichs anziehen und das Gefuhl verbreiten, dass es eine Ehre war, dort zu hausen.29 Alles, was relevant war, passierte in Versailles - mit dem Adel als standig anwesendem Zuschauer auf das Geschehen, aber ohne Einfluss darauf.
Der Glanz des Hofes von Versailles, welcher nach dem typischen Baustil des Barocks erbaut worden war, sollte die Gegner Frankreichs , wozu damit auch die Gegner Ludwigs zahlten, dazu bringen Ludwig XIV. zu bewundern und zu ihm aufzusehen.30 Charakterisierend fur den Barock ist die Kunst. So ist Ludwigs Schloss Versailles, zusammen mit dem Park, als Gesamtkunstwerk zu betrachten. Ein, unter anderem ausschlaggebendes Merkmal der Flora des Barocks ist das Broderieparterre, welches eine aufwendige und kostspielige Blumenkunst des Barocks ist, in welcher systematische Formen in Blumenbeete strukturiert werden. Zudem gehoren zu dieser Kunst auch die zurechtgeschnittenen Hecken und Baume. All dies gab es in Versailles reichlich. Die Allgegenwartigkeit von Kunsten wie Musik, Gesang, Tanz, Dichtkunst, Malerei und Architektur spiegelt den Zeitgeist wider. Ludwig XIV. personlich und auch sein Schloss verkorperten die meisten dieser Kunste in besonderer Weise.31 Und all dies war zu dieser Zeit hochgradig innovativ und modern.
[...]
1 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 128
2 Mai, Manfred (2005), S. 87
3 Hengerer, Mark (2015), S. 32 f.
4 Ebd., S. 35
5 Blanning, T. C. W. (2003), S. 29 Org. Text: „During the night of 9-10 February 1651, the 12-year-old King Louis XIV was obligated to feign sleep in the Palais Royal, as a mob of rebellious Parisians forced their way into his room to see for themselves that he was still in his capital and still their hostage.“
6 Wrede, Martin (2015), S. 37
7 Ebd., S. 24
8 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 127
9 Mai, Manfred (2005), S. 87
10 Muller, Dr. Helmut M. (2004), S. 114
11 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 127
12 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 127
13 Muller, Dr. Helmut M. (2004), S. 114
14 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 127
15 Muller, Dr. Helmut M. (2004), S. 114
16 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 127
17 Hengerer, Mark (2015), S. 30
18 Hengerer, Mark (2015), S. 28
19 Wrede, Martin (2015), S. 32
20 Ebd., S. 39; Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 129
21 Machiavelli, Niccolo: S. 100ff.
22 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 129
23 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 129
24 Mai, Manfred (2005), S. 88
25 Schmid, Gretchen (2017)
26 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 130
27 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 131
28 Mai, Manfred (2005), S. 87
29 Wrede, Martin (2015), S. 124
30 Ebd., S. 124
31 Rohlfes, Joachim und Volker, Peter (1993), S. 129