Die Finanzlöcher der Bahn
-Ursachen, Maßnahmen und neue Visionen-
Eine Bahnreform 1994 sollte dazu beitragen, daß die Deutsche Bahn (DB) ein selbständiges , rentables Unternehmen wird. Deshalb half die Unionsregierung, die Schulden zu beseitigen, damit sich die Bahn aus eigener Kraft auf dem Markt behaupten kann. 1999 als Hartmut Mehdorn DB-Chef wurde sah alles noch vielversprechend aus: der Gewinn für das Jahr 2000 sollte durch die EXPO auf über 1 Milliarde DM gesteigert werden und auch vom Börsengang 2004 versprach man sich hohe Gewinne. Für 2000 würde ein Profit von 1,2 Milliarden DM erwartet, der 2004 sogar 4,2 Milliarden betragen sollte.
Doch dann der erschütternde Einbruch: bis 2005 wird die Verschuldung auf 5 Milliarden DM anwachsen und man wird 20 Milliarden DM unter dem geplanten Ergebnis bleiben. Allerdings macht die Bahn dieses Jahr noch keine Verluste, sondern „erst“ nächstes Jahr wird mit roten Zahlen gerechnet.
Doch wie konnte es zu dieser Misere kommen? Die Investitionen wurden in völlig unrentable Großprojekte (Verkehrsknoten Berlin) gesteckt, anstatt den Bestand zu renovieren und zu sanieren. So entstand ein völlig veraltetes Schienennetz. Selbst die steigenden Benzinpreise konnten keinen erkennbaren Kundenaufschwung bewirken. Als Hauptursache dafür sieht der Spiegel den fehlenden Wettbewerb, da die Bahn ein Monopol darstellt. Außerdem können Auto und Flugzeug durch geringere Kosten mehr Kunden anziehen. Auch Mehdorn sucht nach Ursachen und findet seinen Sündenbock im alten Management: man habe auf Einnahmen-und Ausgabenseite zu optimistisch geplant, die Preisstrategie habe sich nicht durchgesetzt, der geplante Umsatz habe nicht stattgefunden, bei Investitionen wäre es zu Verzögerungen gekommen und außerdem wäre man unnötige Vertragsrisiken bei Aufträgen an Baufirmen eingegangen und habe Bauprojekte gestartet, die nicht ordentlich kalkuliert waren. Als weitere Ursachen sieht er den „gravierenden Investitionsrückstand im Bestandsnetz (vorhandenes Streckennetz der DB) und Kostenüberschreitungen in Großprojekten“, es gab keinen Verkehrszuwachs, die Mineralölsteuer stieg und Versprechen für Investitionshilfen wurden nicht eingelöst. Bundeskanzler Schröder sieht die Ursachen im Mißmanagement, da die Bahn nicht immer nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen geführt worden sei. Aber angeblich wußte die rot-grüne Regierung, daß die angestrebten Gewinne nicht zu erreichen sind. Es stellt sich die Frage warum sie nicht früher eingegriffen und zum Handeln angeregt hat, um gravierende Schäden zu verhindern.
Um weitere Verluste zu vermeiden und die Schäden einzudämmen wird die Bahn einen harten Sanierungskurs fahren: 5 Milliarden DM an Investitionen sollen in den Güterverkehr gesteckt werden, um die nötige Infrastruktur zu schaffen und neue Waggons und modernere Steuerinstrumente einzuführen. Denn obwohl die Deutsche Bahn in Europa im Güterverkehr führend ist, sind die Streckennetze vollkommen veraltet. Dadurch treten vor allem Probleme mit 6000 kleinen Kunden des Gütertransports auf. Durch Gespräche mit diesen Kunden soll nach „besseren Alternativen“ für die Zukunft gesucht werden, eine Verbesserung der Kostenstruktur wird angestrebt, 2100 Güterverkehrsstellen sollen auf ihre Rentabilität überprüft werden und die Suche nach neuen Partnern wird beginnen, so daß einige Strecken bald von privaten Betreibern geführt werden könnten. Auch in Sachsen sollen 800km Gleise ausgegliedert werden und 4 regionale Betreiber werden vielleicht in Zukunft die Mittelstandsnetze betreiben. Der Vorteil für die Bahn läge hier bei dem Wegfall der hohen Standards für Personalkosten und technische Limits, womit 30% der derzeitigen kosten gespart werden könnten. Eine weitere radikale Maßnahme der Bahn ist der Stop von Neubauprojekten, da bis 2005 schon ohne sie Investitionen von 70 Milliarden DM vorgesehen sind: 50 Milliarden DM für die Sanierung der Streckennetze, 20 Milliarden für modernere Waggons und Lokomotiven. Allerdings können diese Investitionen nicht aus eigener Tasche bezahlt werden. So müssen Kredite Am Kapitalmarkt aufgenommen werden, wodurch die Bahn bis 2005 30 Milliarden DM mehr Schulden machen würde. Dies seien allerdings noch keine endgültigen Zahlen.
Leidtragende dieses Neubaustops sind z.B. Frankfurt und Stuttgart, deren Kopfbahnhöfe aufgrund fehlender Mittel nicht umgebaut werden können. Auch für eine ICE-Strecke Stuttgart-München fehlt das Geld. Außerdem sollen die Finanzlöcher durch den Verkauf weiterer Beteiligungen gestoppt werden z.B. der DVM- Gruppe, zu der die Bahnreinigunsgsellschaft und die Bahn Schutz & Service GmbH (BSG) gehören, was der Bahn 100 Millionen DM Gewinn einbringen würde. Auch die Gründung eines Unternehmens für Logistik und Dienstleistungen mit Stinnes (führender Dienstleistungskonzern) soll die Kassen wieder zum Klingeln gebracht werden. Auch die Kunden können von dem Sanierungskurs profitieren, da neue Familienpreise eingeführt werden sollen: demzufolge können Kinder unter 14 Jahren in Begleitung ihrer Eltern in Zukunft gratis die Bahn benutzen.
Leider fällt der Rationalisierungsprozeß zu Ungunsten der Bahnangestellten aus: laut der Unternehmensberatung MC Kinsey muß die Bahn ihren Personalbestand halbieren. Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ berichtet, daß die Bahn im Jahr 2015 nur noch 120 000 Mitarbeiter braucht. Von den derzeitig 240 000 beschäftigten Menschen sollen bis 2005 51 000 gehen, was allerdings die Steigung der Personalkosten nicht verhindern kann. So hat der Bund Hilfe bei Personalabbau zugesagt: aus dem Erlös aus Eisenbahnerwohnungenn von 500 Millionen DM sollen Vorruhestandsregelungen mitfinanziert werden. Auch anderweitig sei der Handlungsbedarf der Regierung nötig, da die Belastungen durch die Öko-, Mineralöl- und Mehrwertsteuer, welche die Bahn als einzige in Europa voll bezahlen muß, zu groß für das Unternehmen sind. Die Mittel des Bundes sollen vor allem für die Sanierung des Streckennetzes verwendet werden: 3 Jahre lang sollen 2 Millionen DM zusätzlich zur Verfügung Stehen, aber zur Tilgung der Schulden sind Zuschüsse für 6 Jahre nötig. Der Aufsichtsrat der DB hat die Mittel für das 1. Quartal 2001 genehmigt, aber den Haushalt für das Gesamtjahr noch nicht freigegeben. Trotzdem entwickelt Mehdorn schon wieder neue Visionen: durch Investitionen von 10 Milliarden DM soll das Schienennetz saniert werden, ein leichtverständliches Preissystem soll die Orientierung der Kunden erleichtern und eine Verbesserung des Komforts durch renovierte Bahnhöfe ist geplant. Hoffen wir für Kunden wie für Mitarbeiter, daß dieses Mal besser gewirtschaftet und nicht utopisch geplant wird, damit der Traum einer zukunftsweisenden Bahn nicht wieder wie eine Seifenblase zerplatzt.
Dies ist ein typisches Beispiel wie oft der Kunde im Unklaren über den Zustand eines Unternehmens gelassen wird, dessen Dienstleistungen er in Anspruch nimmt. Es ist unbegreiflich wie solch riesige Verluste bis zur letzten Sekunde verheimlicht werden, so daß nur noch knallharte Sanierungsmaßnahmen eine größere Katastrophe verhindern können. Es ist verständlich, daß die Bahn hohe Kosten zu tragen hat und mit Auto und Flugzeug noch nicht mithalten kann. Aber indem man nicht offen über die Probleme redet, kann auch keine Lösung zustande kommen. Außerdem hat die Bahn ihren Kundenschwund größtenteils selbst zu verantworten, denn indem man die Preise bei immer weniger Service und heruntergewirtschafteten Bahnhöfen (vor allem im Osten) erhöht, kann man keine Steigerung der Kundenzahlen erreichen. So sind die Familienpreise, die Sanierung veralteter Streckenabschnitte und der Stop der Großprojekte vielversprechende Maßnahmen, die einen Kunden - und somit finanziellen Zuwachs möglich machen könnten. Allerdings zeigt sich auch in diesem Fall, daß, wenn ein großes Unternehmen in Geldnöte gerät, immer zuerst der kleine Mann, also der Angestellte, der Verlierer ist. Aber ein paar Beschäftigte weniger, ein paar Menschen mehr ohne Job dürften den großen Chefs keine Gewissensbisse bereiten.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in dem Artikel "Die Finanzlöcher der Bahn"?
Der Artikel befasst sich mit den finanziellen Schwierigkeiten der Deutschen Bahn (DB), ihren Ursachen und den geplanten Maßnahmen zur Sanierung. Er beleuchtet die Bahnreform von 1994, die eigentlich eine profitable Zukunft für die DB ermöglichen sollte, und die anschließende Verschuldung des Unternehmens.
Was waren die Hauptursachen für die finanziellen Probleme der Bahn?
Mehrere Faktoren trugen dazu bei: Fehlgeleitete Investitionen in unrentable Großprojekte, Vernachlässigung der Sanierung des bestehenden Schienennetzes, fehlender Wettbewerb aufgrund des Bahnmonopols, steigende Kosten für Energie und fehlende Investitionshilfen. Das Management wurde auch für zu optimistische Planungen und unnötige Vertragsrisiken verantwortlich gemacht.
Welche Maßnahmen wurden ergriffen, um die finanzielle Situation der Bahn zu verbessern?
Die Bahn leitete einen Sanierungskurs ein, der Investitionen in den Güterverkehr, Überprüfung der Rentabilität von Güterverkehrsstellen, Suche nach neuen Partnern für Streckenbetrieb, Stopp von Neubauprojekten und den Verkauf von Beteiligungen umfasste. Außerdem wurden neue Familienpreise eingeführt, um mehr Kunden zu gewinnen.
Welche Auswirkungen hatte der Sanierungskurs auf die Mitarbeiter der Bahn?
Der Rationalisierungsprozess führte zu einem Personalabbau. Es wurde erwartet, dass die Bahn ihren Personalbestand deutlich reduzieren muss. Der Bund sagte Hilfe bei Personalabbau zu.
Welche Rolle spielte die Regierung in Bezug auf die finanziellen Probleme der Bahn?
Die Regierung wurde kritisiert, weil sie nicht frühzeitig genug eingegriffen hat, obwohl sie angeblich wusste, dass die angestrebten Gewinne nicht zu erreichen sind. Sie sollte auch die Belastungen durch Steuern für die Bahn reduzieren.
Welche Visionen gab es für die Zukunft der Bahn?
Es gab Pläne, das Schienennetz zu sanieren, ein verständlicheres Preissystem einzuführen und den Komfort durch renovierte Bahnhöfe zu verbessern.
Welche Kritik wurde im Artikel geäußert?
Kritisiert wurde die mangelnde Transparenz gegenüber den Kunden hinsichtlich der finanziellen Situation der Bahn sowie die Tatsache, dass bei Sanierungsmaßnahmen oft die Angestellten die Leidtragenden sind.
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- Jana Beer (Author), 2001, Die Finanzlöcher der Bahn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103463