Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, welche Rolle der zu untersuchende Roman von Juan Gabriel Vásquez, La forma de las ruinas (2015), im Kontext von Kolumbiens Erinnerungskultur spielt, soll das Ziel dieser Arbeit sein.
Es soll schließlich gezeigt werden, wie es dem Roman gelingt zwei dichotome und statische Wirklichkeitskonzepte, die der offiziellen Geschichtsschreibung Kolumbiens und die der Verschwörungstheorie, so aufeinandertreffen zu lassen, dass sich herausstellt, dass die Komplexität der gewaltvollen Vergangenheit Kolumbiens nicht eindeutig bestimmbar, sondern ambivalent ist. Dabei wird keine der im Dialog vertretenen Weltansichten diskreditiert, sondern vielmehr ein Plädoyer für Toleranz und Nachvollziehbarkeit geschaffen. Die Verschwörungstheorien an sich sind dabei in La forma de las ruinas in mehrfacher Weise funktional und thematisch relevant.
Die zentrale Fragestellung richtet sich deshalb auf die Bedeutung und den Stellenwert, den die Verschwörungstheorien im Kontext der turbulenten Gewaltgeschichte Kolumbiens einnehmen können.
Der Roman weist im Großen und Ganzen drei implizit theoretische Bezüge auf: die Gattungstypologie, die Verschwörungstheorien und die Geschichtskonstruktion. Deshalb sollen im Theorieteil zunächst die infrage kommenden Genres, an die der Roman andockt, beleuchtet werden. Im Folgenden werden die Verschwörungstheorien vorgestellt; was man unter ihnen versteht, wie sie funktionieren und welche Typen bekannt sind.
Der Fokus liegt hierbei eher darauf zu verstehen, was Verschwörungstheorien leisten können und welche Funktion sie im Hinblick auf kollektive Traumata und den Umgang mit vergangenen Ereignissen haben können. Im Anschluss finden die beiden Theoriekapitel Anwendung in der Werkanalyse, wobei im ersten Unterkapitel des Hauptteils eine gattungstypologische Untersuchung erfolgt.
Da der Roman allerdings implizit noch einen dritten theoretischen Bezug herstellt, nämlich den der Geschichtskonstruktion, sollen die Ergebnisse der Arbeit am Ende des Fazits nochmals mit der kulturwissenschaftlichen Forschung zum kollektiven Gedächtnis in Verbindung gebracht werden. Die Literatur an sich zählt, laut Astrid Erll, als Gedächtnismedium par excellence und die Verschwörungstheorien im Roman können als Symptom für eine einseitige Erinnerungspolitik verstanden werden. Daher sollen die Ergebnisse abschließend nochmals auf ebendieser etwas abstrakteren Ebene betrachtet und bewertet werden.
Inhaltsverzeichnis
- ¿RECHAZAR LA EXPLICACIÓN MÁS SIMPLE POR LA MÁS FANTÁSTICA?
- GATTUNGSFRAGE: SCHWIERIGKEIT EINER EINDEUTIGEN TYPOLOGISIERUNG
- DAS ZWITTERWESEN DER AUTOFIKTION
- EINE PROBLEMATISIERUNG DER HISTORIOGRAPHIE: DIE HISTORIOGRAPHISCHE METAFIKTION
- DIE EXOFIKTION - DIE FIKTIONALISIERUNG REALER FIGUREN
- VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN, -IDEOLOGIEN ODER -GESCHICHTEN?
- DEFINITION UND CHARAKTERISTIKA
- TYPOLOGIEN
- URSACHEN UND FUNKTIONEN: VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN ALS SINNSTIFTUNG UND TRAUMAVERARBEITUNG
- NARRATIVE FUNKTIONSWEISEN UND DER MENSCH ALS HOMO NARRANS
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit untersucht den Roman "La forma de las ruinas" (2015) von Juan Gabriel Vásquez, um die Bedeutung von Verschwörungstheorien im Kontext einer einseitigen kolumbianischen Erinnerungspolitik aufzuzeigen. Die Arbeit verwendet verschiedene Genres für die typologische Untersuchung von Verschwörungstheorien sowie deren Funktionsweisen. Die Dialogizität des Romans zwischen Verschwörungstheorie und offizieller Geschichtsschreibung ermöglicht eine kritische und produktive Auseinandersetzung mit der Vergangenheit.
- Die Rolle von Verschwörungstheorien in der kolumbianischen Erinnerungspolitik
- Die Genrekonstellation des Romans und deren Auswirkungen auf die Darstellung von Verschwörungstheorien
- Der Dialog zwischen Verschwörungstheorie und offizieller Geschichtsschreibung
- Die Ambiguität des Romans und die Frage nach der Interpretation der Geschichte
- Die Bedeutung von Toleranz im Umgang mit unterschiedlichen Sichtweisen auf die Vergangenheit
Zusammenfassung der Kapitel
- ¿RECHAZAR LA EXPLICACIÓN MÁS SIMPLE POR LA MÁS FANTÁSTICA?: Dieses Kapitel führt in die Thematik der Verschwörungstheorien ein und untersucht deren Attraktivität im Vergleich zu einfacheren Erklärungen. Es wird argumentiert, dass Verschwörungstheorien ein Bedürfnis nach tiefergehender Erklärung komplexer Ereignisse befriedigen können, insbesondere in Zeiten großer Umbrüche. Anhand des Beispiels des 11. September wird der Einfluss von Verschwörungstheorien auf die öffentliche Meinung und die Verbreitung von Informationen im digitalen Zeitalter beleuchtet.
- GATTUNGSFRAGE: SCHWIERIGKEIT EINER EINDEUTIGEN TYPOLOGISIERUNG: In diesem Kapitel werden die unterschiedlichen Gattungen des Romans "La forma de las ruinas" untersucht, insbesondere die Autofiktion, die historiographische Metafiktion und die Exofiktion. Es wird die Komplexität der Gattungskonstellation herausgestellt und die Schwierigkeiten einer eindeutigen Einordnung des Romans in ein bestimmtes Genre beleuchtet.
- VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN, -IDEOLOGIEN ODER -GESCHICHTEN?: Dieses Kapitel beleuchtet die Definition und Charakteristika von Verschwörungstheorien sowie deren typologische Einordnung. Es werden die Ursachen und Funktionen von Verschwörungstheorien im Kontext von kollektiven Traumata und der Suche nach Sinn und Ordnung untersucht. Darüber hinaus werden die narrativen Funktionsweisen von Verschwörungstheorien im Kontext des „Homo narrans“ beleuchtet.
- GEDÄCHTNIS UND VERSCHWÖRUNG IN LA FORMA DE LAS RUINAS: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Analyse des Romans "La forma de las ruinas" im Kontext der kolumbianischen Gewaltgeschichte und der Erinnerungskultur. Es werden die Gesamtkonstellation und die Handlungsstruktur des Romans untersucht, um die Rolle von Verschwörungstheorien im Kontext der politischen und sozialen Konflikte Kolumbiens zu beleuchten.
Schlüsselwörter
Die Arbeit befasst sich mit den Themen Verschwörungstheorien, Erinnerungspolitik, Gewaltgeschichte Kolumbiens, Genretheorie, Autofiktion, historiographische Metafiktion, Exofiktion, „La forma de las ruinas“ (Juan Gabriel Vásquez), Dialogizität, Ambiguität, Toleranz.
- Arbeit zitieren
- Laura Krezo (Autor:in), 2021, Gedächtnis und Verschwörung in "La forma de las ruinas" (2015). Eine Analyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1036985