Das Theater im Dritten Reich. Inwiefern wurde das Drama für politische Zwecke genutzt?


Trabajo, 2021

27 Páginas, Calificación: 1,7


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der historische und literarische Kontext um das Jahr
2.1 Die Spielplanpolitik im dritten Reich

3. Die Massenbeeinflussung durch Literatur in der NS-Zeit
3.1 Schlageter - Hanns Johst
3.2 Jugend von Langemarck - Heinrich Zerkaulen

4. Die Literatur des politischen Widerstandes
4.1 Die „Rote Kapelle“
4.2 Furcht und Elend des III. Reiches: Die judische Frau - Bertolt Brecht

5. Die Aufarbeitung und Verarbeitung des Holocausts im Drama
5.1 Die Ermittlung - Peter Weiss

6. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Riesige Massen, Jubelschreie und markerschutterndes Klatschen. Gesange und Chore. All diese Dinge sind keine Seltenheit bei Medienauftritten und Veranstaltungen im Dritten Reich. Es wurden Informationen verbreitet, Propaganda verstreut und Kontakte geknupft. Dabei kam es auch auf die Art der Darbietung von Informationen, Propaganda und politischer Aufklarung an. Auch die Moglichkeit der kulturellen Verbreitung von Informationen war popular, wozu sowohl das Kino und die Literatur mit Epik und Lyrik zahlte, aber auch das Theater war ein beliebtes Mittel, um die gegenwartige politische Situation zu behandeln.

Das Theater galt schon lange vor der Zeit des Nationalsozialismus als gangige Art der politischen Meinungsmache. Bereits im antiken Griechenland wurden Dramen genutzt, um politische Inhalte zu vermitteln. Diese Stucke wurden in den groBen Amphitheatern aufgefuhrt, die auch fur theatralische Auffuhrungen, religiose Zeremonien und politische Versammlungen genutzt wurden, sodass kontroverse Themen im inneren der Athener Gesellschaft diskutiert werden konnten.1

Im englischen Sprachraum wurde insbesondere William Shakespeare als Autor eines politischen Theaters identifiziert. Analog konnte in der deutschen Kulturgeschichte Friedrich Schiller als wichtiger Anreger eines Theaters mit politischem Einschlag herangezogen werden. Im fruhen 20. Jahrhundert gingen maBgebliche Impulse von der russischen Theateravantgarde im Zusammenhang der Oktoberrevolution von 1917 aus. Daran schlossen die verschiedenen Strome des politischen Dramas ab 1933 an, welche haufig von den vormals entstandenen Dramen des Ersten Weltkriegs gepragt waren.2

In dieser Arbeit mochte ich auf die im Seminar zum Politischen im Drama des 20. Jahrhunderts vermittelten Inhalte naher eingehen und sie in Hinblick auf einige unbeantwortete Fragen vertiefen. Die hier behandelten Dramen, welche im Folgenden analysiert werden, wurden gewahlt, da sie die politischen Inhalte des zweiten Weltkriegs und die damit verbundenen Informationen auf verschiedene Weise widerspiegeln und sich daher gut fur eine vielfaltige Darstellung eignen.

Ziel der Hausarbeit ist es, die verschiedenen Verwendungszwecke des Theaters wahrend der Zeit des Nationalsozialismus aufzuzeigen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Dramen der Zeit analysiert und einige Schlusselszenen werden in den historischen Kontext eingeordnet. Die dabei ausgewahlten Dramen habe ich einerseits aufgrund ihrer Verfugbarkeit gewahlt, da es nicht so einfach ist, geeignete Dramen zu finden, die auch fur Propagandazwecke genutzt worden sind. AuBerdem lassen sich anhand der Dramen auch sehr gut die Kernpunkte der Dramatik in der NS- Zeit aufzeigen. Daraufhin wird auch ein Blick auf die politische Gegenbewegung der Literatur geworfen, um eine moglichst weit gefacherte Darstellung der politischen Nutzung des Dramas zu entwerfen.

Dafur wird im ersten Absatz der generelle historische und literarische Kontext um 1930 erlautert. Darauf folgt eine Darstellung der sogenannten Spielplanpolitik im Dritten Reich. Der dritte Absatz beschaftigt sich mit der Beeinflussung und Propaganda durch das Theater, wobei die Dramen Schlageter von Hanns Johst und Die Jugend von Langemarck von Heinrich Zerkaulen analysiert werden. Der vierte Teil wirft einen Blick auf die politische Gegenposition der Literatur, wobei hierfur ein Ausschnitt des Dramas Furcht und Elend des III. Reiches von Bertolt Brecht untersucht wird. Im vorletzten Abschnitt der Arbeit wird die Verarbeitung des Holocausts und die Kritik an diesem Ereignis in der Literatur behandelt. AbschlieBend wird im Fazit noch einmal ein Uberblick uber die wichtigsten Analyseaspekte gegeben und die eingangs gestellte Frage beantwortet: Wie wurde das Theater im Dritten Reich fur politische Zwecke genutzt?

2. Der historische und literarische Kontext um das Jahr 1930

Der folgende Abschnitt soll einen Uberblick uber den historischen Kontext in den 1930er Jahren geben. Dabei wird sich besonders auf die Literatur konzentriert, um die Verhaltnisse in diesem Bereich genauer darzustellen.

Nach dem Aufstieg Hitlers im Jahr 1933 wurden die demokratischen Grundrechte in Deutschland stark eingeschrankt. Dementsprechend sollten alle politischen und gesellschaftlichen Einrichtungen nach nationalsozialistischen Vorgaben ausgerichtet werden und alle Bereiche des Lebens fielen unter nationalsozialistische Kontrolle. Wer Widerstand leistete, wurde bekampft und musste um das eigene Leben und jenes seiner Familie furchten.3

Das freie Geistesleben aus allen Bereichen der Gesellschaft und der Kultur, beispielsweise Kunst, Literatur, Presse und Film, fand im Dritten Reich ein plotzliches Ende und wurde stark eingeschrankt, also unter Zasur gestellt.4 Besonders der 10. Mai 1933 war fur viele Autoren ein bedeutender Tag, denn an diesem fand die offentliche Bucherverbrennung statt. Hierbei wurde ein GroBteil der kritischen deutschsprachigen Literatur der damaligen Zeit vernichtet. Eine der Folgen derartiger Vorkommnisse war eine groBe Emigrationswelle, bei der uber 500.00 Menschen ihre Heimat verlieBen, viele von ihnen Kunstler, Schriftsteller und Intellektuelle. Diese Intellektuellen waren Vertreter der heute sogenannten Exilliteratur.5

Man unterscheidet drei Richtungen der Literatur wahrend des NS-Regimes. Einerseits die bereits genannte Exilliteratur, bei der die Autoren ihr Heimatland aus politischen Grunden verlieBen. Hierbei zeigt sich keine Einheit in Stil und Sprache.6 Weiterhin gibt es die innere Emigration, deren Schriftsteller Deutschland wahrend der NS-Diktatur nicht verlieBen, sondern die Zusammenarbeit mit den Nazis verweigerten, weshalb ein Schreibverbot folgte. Viele dieser Kunstler verschlusselten die politischen Inhalte gar nicht. Deshalb gehorte die Naturlyrik zu den wichtigsten Gattungen dieser Epoche. GroBe Lebensgefahr bestand fur diejenigen, die in der Widerstandsliteratur aktiv waren.7 Die volkische Literatur markiert die letzte Richtung, wobei ihre Autoren Mitlaufer oder Befurworter der NS-Ideologie waren. Verbreitet wurde das Gedankengut der Nationalsozialisten mit der sogenannten Blut- und Boden-Literatur, also der Verbreitung der nationalsozialistischen Ideologie. Ihre Literatur diente vor allem der Propaganda.8

Nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten erfuhr die Literatur einen Aufschwung, jedoch nur jene, welche der Weltanschauung und der Ideologie der Nazis entsprachen und sie profilierten. Viele der Autoren, die im Nationalsozialismus beruhmt wurden, schrieben und veroffentlichten ihre Werke bereits in den 20er Jahren, zum Teil mit auBergewohnlichem Erfolg.9

Hanns Grimm beispielsweise galt als der erfolgreichste Autor im NS-Regime, bevor er sich davon distanzierte. Dabei war besonders sein 1926 erschienener Roman „Volk ohne Raum“, welcher die Kolonialpolitik thematisiert, von hoher Bedeutung, denn dieser wurde von den Nationalsozialisten zur Begrundung ihrer Lebensraumpolitik genutzt.10

Zu den bevorzugten Genres der NS-Literatur gehort neben Historien-, Heimat- und Bauernromanen naturlich auch Kriegs- und Heldendarstellungen. Autoren wie Hans Friedrich Blunck entwarfen in ihren Notizen Ideologien, welche sich auf unvergangliche Werte und Traditionen beriefen. Andere glorifizierten die Gemeinschaft des Volkes als einzige Losung fur alle politischen und sozialen Problemstellungen. Als fuhrender Dramatiker und nationalsozialistischer Vorzeigedichter wurde Hanns Johst ernannt, welcher ab 1935 die Reichsschrifttumskammer leitete. Sein 1932 entstandenes Drama „Schlageter“ widmete der Dramatiker Adolf Hitler selbst und es wurde zu einem der bekanntesten und mistgespielten Stucke auf deutschen Buhnen jemals.11

Josef Weinheber galt als bedeutendster Lyriker der damaligen Gegenwart und heroisierte und propagierte die deutsche Geschichte und das Fuhrerprinzip. Die Erzahlungen waren zu dieser Zeit haufig von Antisemitismus, Sozialdarwinismus und volkisch-nationalen Ideologien gepragt.12

Hohe Auflagen erreichten ab 1933 vor allem Kriegsromane und Heldendarstellungen, deren Autoren von Nationalsozialisten aufgrund der Kriegsvorbereitungen besonders gefordert wurden, wobei der Krieg haufig positiv und euphorisch geschildert wurde.13 Der vorangegangene Abschnitt gab einen Uberblick uber den historischen Kontext in den 1930er Jahren. Dabei fiel auf, dass sich die Literatur dieser Zeit grob in drei Bereiche einteilen lasst, um die Verhaltnisse in diesem Bereich genauer darzustellen.

2.1 Die Spielplanpolitik im dritten Reich

Der nun folgende Absatz wird naher auf die Theaterorganisation im Dritten Reich eingehen, um ein besseres Verstandnis fur den Aufbau des Theaters und die damals vorherrschende Situation zu schaffen.

In der nationalsozialistischen Theaterlandschaft war Kulturpolitik im Wesentlichen durch die Institutionen unter der Fuhrung von Joseph Goebbels bestimmt. Dieser wurde 1933 sofort nach der Machtubernahme der Nationalsozialisten als Minister fur das Reichsministerium fur Volkaufklarung und Propaganda berufen. Hierunter fiel auch die Reichskulturkammer, sodass die gesamte Kulturpolitik zentralisiert wurde.14

Eine Unterabteilung der Reichskulturkammer war die Reichstheaterkammer, welche alle auf dem Gebiet des Theaters, des Variete, der Kleinkunst und des Tanzwesen angesiedelten Tatigkeiten organisierte. Dabei wird sie von einem Prasidenten geleitet und ist zustandig fur die Genehmigung standiger und fur den allgemeinen Besuch geeigneter Theaterveranstaltungen. Die Kammer hatte auch ein Mitspracherecht bei der Bestatigung von Buhnenleitern und kummerte sich um die Ausbildung des Nachwuchses.15

An diese Organisation angeschlossen wurde 1934 das sogenannte „Reichstheatergesetz“ erlassen, welches die Wunsche und Belange des Theaters regelte. Jenes Gesetz betonte noch einmal die Vormachtstellung Goebbels, indem es ihm die Verantwortung uber die Zulassung der Veranstaltung von Theaterauffuhrungen, die Bestatigung der Anstellungen von Buhnenleitern, die Aufsicht uber Buhnenorganisationen und uber das Verhangen von Auffuhrungsverboten und -geboten von bestimmten Stucken zusprach.16 Hieraus folgte die Schaffung eines Instruments, um das gesamte Theaterleben zu kontrollieren und somit die freie Verbreitung der Kunst und Kultur zu unterbinden.

Um auch die Spielplangestaltung der einzelnen Theater zu uberwachen, fuhrten die Nationalsozialisten das bis dahin nicht vorhandene Amt des Reichsdramaturgen ein. Dieser bestimmte also das geistige Gesicht des deutschen Theaters und hatte Kontrolle uber alle Gattungen: Die Oper, das ernste und heitere Schauspiel und die Operette. Dem Offiziellen evaluierte auf Grundlage des Reichstheatergesetzes die Zuverlassigkeit von Autoren und Komponisten und er war dafur verantwortlich zu entscheiden, ob, wann und wie welche Dramen gespielt werden konnten und hatte daruber wiederum vor Goebbels Rechenschaft abzulegen.17

Im gerade gelesenen Absatz wurde ein grober Uberblick uber die Strukturen in der Welt des Theaters im Dritten Reich gegeben. Hierbei fiel besonders das groBe AusmaB der Zentralisierung ins Auge, welche beinahe den ganzen Prozess ausmacht und dafur sorgt, dass die freie Entfaltung und Entwicklung der Kunst zum Erliegen kommen.

3. Die Massenbeeinflussung durch Literatur in der NS-Zeit

Im Dritten Reich wurde alle Bereiche der Literatur sowohl zur AuBerung von Kritik an der aktuellen Situation als auch zu Propagandazwecken und Massenbeeinflussung genutzt. Der nun beginnende Abschnitt wird sich mit diesem Thema beschaftigen.

Im Mittelpunkt dieser Literatur standen Schriftsteller, welche in ihren Werken die NS- Ideologie, den Fuhrerkult und den Rassenhass, insbesondere gegen Juden, propagierten und das deutsche Volk durch ihre Literatur auf den kommenden Angriffskrieg vorbereiteten. Die fuhrenden Nationalsozialisten forderten fur die Propaganda, dass auch der Inhalt der Werke und die dort verwendete Sprache einfach, unkompliziert, einpragsam und verstandlich sein sollte, wobei der heroische Mensch als positiver Held im Mittelpunkt stand. Der Leser sollte sich an ihm begeistern, und sich mit ihm identifizieren. Als Beispiel hierfur lasst sich wieder Hanns Johst anfuhren, damals der fuhrende dieser Schriftsteller, denn er kam diesen Forderungen in seinem Schauspiel "Schlageter" nach, welches im Verlauf noch analysiert wird.18

Neben der mehr oder weniger offenen Glorifizierung Hitlers und seines Aufstiegs, eingearbeitet in die literarischen Stoffe, wie bei Hanns Johst, standen Werke mit einem primitiven Antisemitismus im Vordergrund.19

Des Weiteren sollte die NS-Lyrik zum einen Grundlage der Lieder der NS-"Bewegung" sein, war aber ansonsten von der Einfachheit und von der Brutalitat der dort verwendeten Sprache, aber auch von romantisierender Hitler-Verehrung gepragt. Diese einfache Sprache trug auch zur Tauglichkeit fur die breite Masse bei, da die Werke so fur mehr Menschen zuganglich und verstandlich wurden.20

Im Folgenden sollen, die hier gerade im Groben getroffenen Aussagen anhand von zwei Dramen bewiesen werden. Hierbei wird besonders auf die oben erwahnten Kernaussagen eingegangen: Die Werke der NS-Literatur leisteten Propaganda fur das Weltbild des Nationalsozialismus. Bevorzugte Genres waren Kriegs- und Heldendarstellungen. Stets ging es darum, die Politik und die Unrechtstaten der Nationalsozialisten zu legitimieren und die entsprechenden Rollenvorbilder fur einzelne gesellschaftliche Gruppen die bereitzustellen.

3.1 Schlageter - Hanns Johst

Hier werden, anhand des Werks Schlageter von Hanns Johst, die gerade angesprochenen Punkte der Massenbeeinflussung durch das Theater bewiesen und anhand von Beispielen belegt. Dafur werden ausgewahlte Teile des Dramas analysiert und in Hinblick auf die Aspekte der Propaganda bezogen.

Bei Schlageter handelt es sich um ein Theaterstuck in vier Akten von 1933, welches von Hanns Johst geschrieben worden ist. Die Urauffuhrung fand am 20. April 1933 statt, an Adolf Hitlers Geburtstag, und es ist Johsts erfolgreichstes Stuck, denn es wurde binnen eines Jahres, im Jahre 1933, von mehr als 200 Theatern und in mehr als 1000 Stadten in ganz Deutschland aufgefuhrt.21

Der Protagonist des Werkes, Albert Leo Schlageter, war ehemals Soldat im Ersten Weltkrieg und ist an die reale Person des Leo Schlageter angelehnt. Dieser war auch Freikorpskampfer im Baltikum und beteiligt an der Ruckeroberung Rigas. Als die Franzosen 1923 das Ruhrgebiet besetzten nahm er als Saboteur an einer nicht genehmigten Operation zur Vernichtung der Franzosen im Ruhrgebiet teil. Dabei wurde Schlageter verhaftet, vor ein franzosisches Gericht gebracht und zum Tode verurteilt.22 Genau so ergeht es auch der Figur in Johsts Drama.

Ein Unterschied zwischen der realen und der dramatischen Figur ist jedoch, dass letztere zunachst als braver Student eingefuhrt wird, welcher nach der Niederlage der Deutschen im Ersten Weltkrieg und nach seinem Soldatenleben nun als ruhiger Burger leben will. Er schlieBt sich dem Widerstand gegen die franzosische Besatzung lediglich aus Gewissensgrunden an.23 Hier wird bereits eine gewisse Verdrehung der Tatsachen deutlich, welche dem Zuschauer damals die Tugendhaftigkeit der Hauptperson aufzeigen sollte und ihn zum „Vorzeigesoldaten“ im Kopf des Publikums machte. Interessant an dem Werk ist gleich zu Beginn die Widmung. Der Autor widmete das Stuck dem neuen Fuhrer: „Fur Adolf Hitler, in liebender Verehrung und unwandelbarer Treue.“24 Hier wird die Faszination Hanns Johsts fur Adolf Hitler deutlich. Jener war deshalb so im Bann seines Oberhauptes, weil dieser es verstand, in den Massenversammlungen und auf den Parteitagen, den eigentlich unsichtbaren Begriff „Volk“ sichtbar zu machen.25 Es war, als wurde das Volk in seinen Ansprachen eine Gestalt hatte. Dazu nutzte Hitler Fanfaren, Fahnen, Aufmarsch, Gliederung und die beschworende Rhetorik. Diese Elemente versuchte Johst auch in sein Stuck einzubauen, indem er Rhythmus, Marschgruppen, Gesange und preuBische Disziplin und Tugend nutzte, um eine Sympathie zum Publikum und zum gesamten deutschen Volk aufzubauen.26 Ein Beispiel fur solchen Gesang findet sich in der ersten Szene des dritten Aktes, wo auch ein Chor zur Betonung der Stimmung eingesetzt wird.27

Hanns Johst setzt in seinem Drama zu einem groBen Teil auf Satire der Regierung der damaligen Weimarer Republik. Fur Schlageter galt es damals zu handeln, als die Franzosen das Ruhrgebiet besetzten, denn die Weimarer Republik hingegen handelte nicht, sie distanzierte sich sogar von der Widerstandsbewegung. Der General X. erklart dem Protagonisten, dass jener die Verantwortung fur den Widerstand selbst ubernehmen musse. Allerdings kann der General X. Schlageter weder einen Befehl erteilen noch der Regierung die Wahrheit seines Verhaltens auf Schlageters Bitte hin mitteilen.28

Diese Situation ist als Seitenhieb Johsts auf eine Regierung zu verstehen, in welcher seinem Empfinden nach keine Offenheit herrschte, sondern jeder sein eigenes Spiel spielte, um keine Verantwortung ubernehmen zu mussen.29

Diese Satire erreicht ihren Hohepunkt vierten Akt. Hier wird der Sohn des Regierungsprasidenten Schneider, August wegen seiner Freundschaft mit Schlageter inhaftiert. Auf Befehl der deutschen Regierung hin verhaftet ein Wachtmeister einen weiteren Gefahrten Schlageters, Peter Fischer.30 Dieses Geschehen wird von Alexandra, einer Freundin Schlageters, kommentiert: „Deutsche liefern Schlageter an das Messer ... Deutsche fangen seine Kameraden wir streunende Hunde!! Ich hatte geglaubt, Taten wurden Deutschland wie Brisanz aufreiBen. Aber Deutschland laBt selbst uber seine Heldentaten Frankreich zu Gericht sitzen!!“31

Klarer hatte Johst seine Ablehnung gegen die Weimarer Republik kaum ausdrucken konnen. Schlageter im Drama und auch der Autor in der realen Welt betrachten die Politiker der Weimarer Republik als skrupellose Mitlaufer, die ihre politische Macht nutzen, um ihre Karriere zu fordern und den eigenen Wohlstand zu vermehren. In dieser Ansicht versagte zuerst die Monarchie, da sie den Ersten Weltkrieg fur beendet erklarte, und nun versagt auch die Republik, weil sie nicht gegen die Franzosen vorgehen will.32

Besonders deutlich werden diese Ansichten im Drama anhand der Unterhaltung zwischen Regierungsprasident Schneider und dem Reichstagsmitglied Willi Klemm, in welcher Johst der Regierung indirekt politische Inkompetenz, fehlendes Engagement und Heuchelei in Bezug auf die politische Verantworte vorwirft.33

Fur die Regierung der Weimarer Republik haben Schlageter und seine Freunde also nichts auBer Hohn und Spott ubrig. Aus diesem Gefuhl der Einsamkeit und des Im- Stichlassens entwickelt sich bei ihnen die Sehnsucht nach einem neuen Deutschland. Dieser neue Glaube fuhrt, beinahe wie bei einer Religion, zu einem Gemeinschaftsgefuhl, welches die ehemaligen Kameraden zum Handeln vereint. Dieser Wunsch verbindet die Gruppe, intensiviert die Ablehnung der bestehenden Gegebenheiten und radikalisiert die Teilnehmer auch in ihren Gedanken.34 Schlageter erklart: „Wir sind keine Republikaner .? Gut! Die Republik will von uns auch nicht mehr. Sie will nicht mal etwas von uns wissen! Wir sind ausrangierte, abservierte, kaiserliche Offiziere. [.] Und die Republik hat sich weiBgewaschen . Wir sind an allem schuld: am Krieg, am verlorenen Krieg . Und die ehrenhafte Republik

[...]


1 Vgl. Henning Ottmann: Die griechische Tragodie und ihre politische Bedeutung. In: Geschichte des politischen Denkens. Hg.: J.B. Metzler. Stuttgart 2001, S. 13.

2 Vgl. Ottmann: Die griechische Tragodie und ihre politische Bedeutung. S. 14.

3 Vgl. Arnulf Scriba: NS-Literatur. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/kunst-und-kultur/ ns-literatur.html (10.04.2021).

4 Vgl. Thomas Eicher u.a.: Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanpolitik, NS- Dramatik. Leipzig 2000, S. 13.

5 Vgl. Eicher: Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanpolitik, NS-Dramatik. S. 93.

6 Vgl. Scriba: NS-Literatur. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/kunst-und-kultur/ns- literatur.html (10.04.2021).

7 Vgl. Eicher: Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanpolitik, NS-Dramatik. S. 95.

8 Vgl. Eicher: Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanpolitik, NS-Dramatik. S. 126.

9 Vgl. Brigitte Weinzierl: Spielplanpolitik im Dritten Reich und das Spielplanprofil 1932/33 bis 1943/44 des Bayerischen Staatsschauspiels Munchen. Dissertation. Munchen 1981, S. 10.

10 Vgl. Scriba: NS-Literatur. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/kunst-und-kultur/ns- literatur.html (10.04.2021).

11 Vgl. Gunther Ruhle: Zeit und Theater. Diktatur und Exil 1933 - 1945. Berlin 1974, S. 12.

12 Vgl. Scriba: NS-Literatur. https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/kunst-und-kultur/ns- literatur.html (10.04.2021).

13 Vgl. ebd.

14 Vgl. Weinzierl: Spielplanpolitik im Dritten Reich und das Spielplanprofil 1932/33 bis 1943/44 des Bayerischen Staatsschauspiels Munchen. S. 10-11.

15 Vgl. ebd., S. 13 ff.

16 Vgl. ebd., S. 19-20.

17 Vgl. Weinzierl: Spielplanpolitik im Dritten Reich und das Spielplanprofil 1932/33 bis 1943/44 des Bayerischen Staatsschauspiels Munchen. S. 20-21.

18 Vgl. Eicher: Theater im „Dritten Reich“. Theaterpolitik, Spielplanpolitik, NS-Dramatik. S. 490.

19 Vgl. Thomas Aust, J.W. Aust: Literatur im Nationalsozialismus: Uberblick Werke und Autoren. https://www.bpb.de/geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39573/ ueberblick-werke-und-autoren?p=all (23.04.2021).

20 Vgl. Aust: Literatur im Nationalsozialismus: Uberblick Werke und Autoren. https://www.bpb.de/ geschichte/nationalsozialismus/dossier-nationalsozialismus/39573/ueberblick-werke-und- autoren?p=all (23.04.2021).

21 Vgl. Hermann Wanderscheck: Deutsche Dramatik der Gegenwart. Eine Einfuhrung mit ausgewahlten Textproben. Berlin 1938, S. 93 ff.

22 Vgl. Hans Daiber: Schaufenster der Diktatur. Theater im Machtbereich Hitlers. Stuttgart 1995, S. 51 ff.

23 Vgl. Daiber: Schaufenster der Literatur. Theater im Machtbereich Hitlers. S. 53 ff.

24 Hanns Johst: Schlageter. Schauspiel. In: Gunther Ruhle: Zeit und Theater. Diktatur und Exil 1933 - 1945. Berlin 1974, S. 76.

25 Vgl. Ruhle: Zeit und Theater. Diktatur und Exil 1933 - 1945. S. 31.

26 Vgl. ebd., S. 23.

27 Vgl. ebd., S. 115.

28 Vgl. ebd., S. 94 ff.

29 Vgl. Helmut F. Pfanner: Hanns Johst. Vom Expressionismus zum Nationalsozialismus. Paris 1970, S. 228 ff.

30 Vgl. Johst: Schlageter. Schauspiel. In: Ruhle: Zeit und Theater. Diktatur und Exil 1933 - 1945. S. 134 ff.

31 Ebd., S. 137.

32 Vgl. Pfanner: Hanns Johst. Vom Expressionismus zum Nationalsozialismus. S. 229 ff.

33 Vgl. Johst: Schlageter. Schauspiel. In: Ruhle: Zeit und Theater. Diktatur und Exil 1933 - 1945. S. 110 ff.

34 Vgl. Pfanner: Hanns Johst. Vom Expressionismus zum Nationalsozialismus. S. 230 ff.

Final del extracto de 27 páginas

Detalles

Título
Das Theater im Dritten Reich. Inwiefern wurde das Drama für politische Zwecke genutzt?
Universidad
University of Tubingen
Calificación
1,7
Autor
Año
2021
Páginas
27
No. de catálogo
V1037213
ISBN (Ebook)
9783346450623
ISBN (Libro)
9783346450630
Idioma
Alemán
Palabras clave
theater, dritten, reich, inwiefern, drama, zwecke
Citar trabajo
Yannick Schult (Autor), 2021, Das Theater im Dritten Reich. Inwiefern wurde das Drama für politische Zwecke genutzt?, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1037213

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