Identität in der Chicano-Literatur und der Umgang mit Sprache. Eine Untersuchung an den Werken "The House on Mango Street" und "Loving Pedro Infante"


Masterarbeit, 2021

72 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

l. Einleitung
1.1 Die Vermessung der Identitat
1.1.1 Identitat und der Umgang mit Sprache als Untersuchungsgegenstand
1.2. Zum Verhaltnis von Literatur und Identitatsbildung

2. ^El Chicano o el mejicano?
2.1. Die Besonderheiten der Chicanos
2.1.2 Chicano literaturay lengua
2.1.2.2 Bilinguismoy Code-switching

3. Die narrative Identitatsdimension nach Lucius-Hoene & Deppermann
3.1 Identitat und der Umgang mit Sprache in Sandra Cisneros The House onMango Street
3.1.1 Zwischenfazit
3.2 Code-Switching in Denise Chavez Loving Pedro Infante
3.2.1_ Zwischenfazit

4. Resumee

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Ein kurzer Blick in den Spiegel zeigt ein Gesicht, das dem Individuum vertraut ist und lasst Merkmale erkennen, die ihm die Sicherheit geben, sich tatsachlich wahrzunehmen und diese Perception als Beweismaterial fur die eigene Existenz anzunehmen.Wird der Blick noch langer in den Spiegel geworfen, blitzt eine gewisse Unsicherheit auf oder sogar ein Gefuhl der Fremdartigkeit, nun fallt es schwer zu erkennen, wer diese Person im Spiegel nun wirklich ist und weshalb sie sich in diesem besagten Moment betrachtet. Mit jedem langer andauemden Blick formen sich Stuck fur Stuck verschiedene Facetten dieses Antlitzes und reprasentieren Eigenschaften, die allmahlich auf tieferliegenden Strukturen zuruckgehen und fur Unsicherheit sorgen konnen. In einem dunkel beleuchteten Raum, wirkt das Gesicht anders, als in einem hellen, klaren und sonnendurchfluteten Zimmer. Kommmen andere Farben hinzu, verandert sich das Spiegelbild in eine ganz andere Richtung. Manches ist sichtbar, anderes unsichtbar und allmahlich stellt sich die Frage “Wer bin ich eigentlich?“ Eine offene Frage, die sich im Laufe der Zeit viele Menschen stellen und die mit einer langen Reise in die eigene Selbstanalyse verbunden ist. Es heiBt, man sei ein Leben lang „der Selbe ohne der Gleiche zu sein“ (vgl. Ziemke 2005: 14). Naturlich ist es ein biologischer Prozess, dass sich das Gesicht mit der Zeit verandert bzw. altert, sowie die Reifung der psychischen Eigenschaften, d.h., Erwachsen oder weise werden. Trotzdem kann es passieren, dass wahrend dieser lebenslangen Entwicklung das Selbstportrait nicht immer eindeutig ist, sogar beangstigend unvertraut erscheint oder es sehr lange dauert, bis etwas sichtbar bzw. erkannt wird. Ahnlich ist es mit der Frage nach der Identitat, denn sie stellt sowohl ein sichtbares als auch ein unsichtbares Konstrukt dar, das in Form von Daten ersichtlich wird. Heutzutage weist man sich mit dem Namen, Adresse, Geburtsort und Lichtbild aus, das zu einem oberflachlichen Teil der Identitat dazugehort. An diesen Angaben ist zunachst nichts AuBergewohnliches anzumerken, jedoch fassen diese Informationen nicht alle Eigenschaften eines Individuums zusammen und konnen auch veranderbar sein, wie das Foto, das nach einer gewissen Zeit erneuert werden muss oder die Adresse, die sichjederzeit andem kann. Die Identitat umfasst viele relevante sichtbare Daten, von den Personalien bis hin zur unsichtbaren intrapsychischen Begegnung. Etymologisch betrachtet wird im deutschen Worterbuch der Terminus „Identitat“ definiert als:“ 1. Gleichheit, vollige Ubereinstimmung, Wesenseinheit. 2. derjenige, der man ist.“

Diese Erklarungen vertieft das Worterbuch folgendermaBen:

„Identitat f. ‘vollige Ubereinstimmung, Gleichheit, Wesenseinheit’ wird im 18. Jh. aus spatlat. identitas (Genitiv identitatis) ‘Wesenseinheit’ entlehnt, einer Ableitung von lat. idem ‘ebendasselbe’, das aus dem Neutrum des Pers.pron. lat. id mit verstarkendem -em gebildet ist. identisch Adj. ‘vollig gleich, ubereinstimmend’ (18. Jh.). identifizieren Vb. ‘die Identitat feststellen, einander gleichsetzen’, Neubildung des 18. Jhs. nach Mustem wie klassifizieren, exemplifizieren u. dgl., denen lat. denominative Verben mit -ficare (vgl. lat. glorificare ‘glorifizieren’), der Kompositionsform von lat. facere ‘machen, tun’ zugrunde liegen. Dazu Identifizierung f. (19. Jh.)“ (Pfeifer: 1993)

Eine Ubereinstimmung bzw. Gleichheit zu finden, beginnt bereits mit dem Abgleich der auf dem Ausweis stehenden Daten und Foto, das dann mit dem Blick auf das Gesicht festgelegt wird. Bezuglich der Wesenseinheit beginnt der schwierige und kaum sichtbare Teil der Identitatsdarstellung, denn dieser Terminus entwickelte sich von einem Jahrhundert ins nachste ohne sich komplett neu erfunden zu haben. Vielmehr wurden ihm weitere Bedeutungen und Definitionen sowie ganze Werke zugeschrieben. AuBerdem ist das Themengebiet unterschiedlich gepragt: Von der Psychologie, uber die Politik bis hin zur Literatur sowie Philosophic und Geschichte. Die Identitat wandert praktisch von einem disziplinaren Feld zum anderen und bildet einen interdisziplinaren Charakter:

,,Die Identitat konnte nicht auf einen kleinen, bescheidenen Platz bleiben, sie weigerte sich , ein gewohnliches Wort zu sein. Sie musste sich unbedingt in den Vordergrund drangen und moglichst weit oben auf dem Umschlag als Titel erscheinen, auch wenn sie dann zwischen Buchdeckeln auf wenigen Seiten vorkam.“ (Huber 2007: 19, zitiert nach Kaufmann2005: 37)

Dieser ungestume weitlaufige Charakter tragt noch mehr Facetten auf, durch die unterschiedlichen Individuen, die sie in sich tragen:

,,Wie vermag sich der einzelne als ein besonderes, von anderen zu unterscheidendes Individuum mit einer einmaligen Biographie und ihm eigentumlichen Bedurfnissen darzustellen, wenn er sich den angesonnenen Erwartungen, die ihn von vomherein typisierend festzulegen suchen, nicht ungestraft entziehen kann?“ (Krappmann 1969: 8)

Die Identitat zu definieren durchlauft einen ewigen Prozess der Vernunft und Unvernunft, uberschuttet mit auBeren sowie inneren Konflikten, die allesamt eine unvollendete Qual sind. Daruber hinaus spielen auch gesellschaftliche sowie individuelle Einflusse eine groBe Rolle, da die Identitat durch die Bestatigung der anderen tatsachlich wahrgenommen wird. Jedoch kann diese Bestatigung schadlich auf die intrapsychische Diskussion wirken, weil sie mit unterschiedlichen Erwartungen einhergeht, die das identitatssuchende Individuum vor vielen Herausforderungen stellen. Daraus wird ersichtlich, dass die Identitat zum Menschsein dazu gehort und unvermeidbar ist, um sich selbst uberhaupt eine Definition geben zu konnen. Sich selbst definieren und finden zu konnen reiBt weitere diskursive Momente auf, die mit dem Vergessen und dem Erinnern zusammenhangen. Bestimmte Ereignisse zu vergessen kann die Grundlage fur die Herausbildung einer neuen Identitat bzw. eine erweiterte Identitat sein (vgl. Bednarska-Kociolek 2016: 149). Insbesondere verletzende Momente oder gar historische Erlebnisse, die das Individuum sehr stark verandern. Fazit: Da die Identitat ein weitrangiges und vor allem endloses Feld ist, entspringen aus ihr weitere grenzuberschreitende Bereiche und fuhren zu einer interdisziplinaren Auseinandersetzung mit jeglicher Art von Themengebieten. Nach der Identitat zu suchen, sie zu konstruieren und festzulegen, greift von einer Disziplin in die nachste hinuber und resultiert als unvermeidliches komplexes Phanomen in der menschlichen Geschichte. Auch AuBerhalb der Wissenschaft ist die Diskussion mit der Identitat zwingend bzw. man kann ihr nicht entfliehen. Obwohl es kaum bemerkbar ist, verkleidet sich der Begriff der Identitat unter verschiedenen Konzepten wie die intrapsychische Diskussion bzw. vertiefte intrapsychische Vorgange und verbindet sogar einige Disziplinen miteinander.

1.1 Die Vermessung der Identitat

Im Hinblick auf die intrapsychische Identitatsdiskussion gibt es zwei Merkmale nach Janich & Thim-Mabrey (2003) zu beachten:

1. Die Reflexion uber die Identitat bzw. unter Einbezug der Metaebene, weil die Identitat erst dann zum Leben erweckt wird.
2. Das Identitatsbewusstsein zu analysieren, denn ,,mit dem Bewusstwerden“ setzt das Selbstbeobachten und Reflektieren ein.

Dementsprechend stellt die Reflexion sowie die Bewusstmachung uber dieses Gebiet weitere Bezuge zu anderen Wissenschaften her. Mindestens zwei weitere Disziplinen, die mit der Identitatsforschung verbunden werden konnen, sind Linguistik und Literaturwissenschaft. Identitat und Sprache sind eng miteinander verbunden, denn wird man nach seiner Identitat in Form eines Ausweises gefragt, musste man schon die Sprache in der gefragt wird, verstehen, um in derselben Sprache zu antworten. Falls das nicht geschieht und derjenige der nach seiner Identitat gefragt wird, in einer anderen Sprache antwortet, dann bildet sich bereits ein weiteres Merkmal der Identitatskonstruktion: Identitaten konnen vielseitig sein und in Verbindung mit einer bestimmten Sprache noch mehr Eigenschaften enthalten. Aus diesem Grund konnen Identitaten und Sprachen nicht getrennt voneinander betrachtet werden (vgl. Scharioth 2015: 36). Es werden mehr wissenschaftliche Zweige benotigt, um der Identitatssuche einen messbaren Charakter zu geben, als es bisher sprachlich aufgegriffen wurde, daher ist die Bewegung von einer Disziplin zur nachsten bzw. die fachubergreifende Diskussion mit verschiedenen Materien unvermeidlich. Die Selbstanalyse sowie die Konstruktion einer Identitat, ohne jegliche Personlichkeitskrisen, wird kaum moglich sein und ist eine ewige Herausforderung oder mit Florian Hubers Worten:

,,Sich selbst verstehen zu konnen, ist ein lebenslanger Anspruch und wir finden etwas uber uns heraus, wenn wir unsere inneren Welten, die in ihnen reprasentierten Bedurfnisse und Ideale ins Verhaltnis setzen zur auBeren Welt, ihren Texten, Bildem, Ideen und Normen.“ (Huber 2008: 9)

Ebenfalls stellt die Literatur ein relevantes Medium zur „Identitatsproduktion“ und Identitatsreprasentation“ dar (Huber 2008: 34). Dabei wird die Wichtigkeit des Schreibens und des Lesens von Erzahlungen gleichermaBen betont: ,,Lesen wird im Sinne der aufklarerischen Parole sapere aude, zum Spiegel der eigenen Identitat“ (Nitropisch 2017 : 28). Jede Art von Narration ist auch eine intrapsychische Diskussion:

,,Die Idee von Begegnungsraumen fur Identitatsdiskurse und Literatur drangt sich vor allem dort auf, wo die Identitatsforschung sich selbst als Analyse der Resultate von Identitatserzahlungen begreift, die eine textuale Struktur aufweisen. Das ist der Ansatz, der Identitat als eine narrativ konstruierte Sicht der eigenen Person versteht“ (Huber 2008: 10­11).

Mittels Literatur nach der eigenen Identitat zu suchen, bildet eine weitere Subkategorie der Identitat und wird laut Huber folgendermaBen erklart und betitelt: „Das Konzept der 'narrativen Identitat' beschreibt Identitat als Prozess, der wesentlich in Erzahlungen eingebettet ist“ (Huber 2008: 25). Vertiefte Analysen und Theorien zur narrativen Identitatskonstruktion reprasentiert die Untersuchung nach Lucius-Hoene & Deppermann, die mit ihren Ergebnissen die Grundlage fur diese vorliegende Arbeit bilden. Lucius-Hoene & Deppermann gehen davon aus, dass das Erzahlen, sei es in Form einer kurzen Anekdote, die Leidensgeschichte eines Patienten wahrend einer Psychotherapie oder die Schilderung eines Tathergangs vor Gericht, die Grundform jeglicher sprachlicher Darstellung ist (vgl. Lucius-Hoene & Deppermann 2004: 19). AuBerdem haben sie herausgefunden, dass die Rekonstruktion der narrativen Identitat auf verschiedenen Dimensionen basiert. Daruber hinaus spielen auch linguistische Merkmale bzw. die Sprache selbst als ubergeordnete Disziplin eine wertvolle Rolle bei der Identitasarbeit.

„Wichtigstes Medium der Identitatsarbeit ist die Sprache: Sie ist bevorzugtes Mittel der interpersonalen Verstandigung und der Behauptung und Aushandlung unserer Identitat in Begegnungen mit anderen Menschen, die fur dieses Selbstverstandnis von Bedeutung sind. [...] Uber sprachliche Kommunikation werden Identitaten entworfen, dargestellt, ausgehandelt, zuruckgewiesen, bestatigt.“ (Lucius-Hoene & Deppermann 2004: 49)

Ebenfalls begrunden Janich & Thim-Mabrey die Wichtigkeit der Sprache mit folgendem Ansatz:

„Sprache bildet eine wesentliche Grundlage des Selbstverstandnisses sowohl von Volkem und ethnischen Minderheiten als auch von kleineren und groBeren, regionalen oder sozialen Gruppen. Sie kann als soziales, kulturelles oder politisches Mittel zur Identitatsstiftung und -vergewisserung oder - im Konfliktfall - zur Identitatssicherung verstanden und instrumentalisiert werden. Das Bedurfnis, sich auch auf einer sprachlichen Ebene reprasentiert zu fuhlen, das Bedurfnis nach Identitat durch Sprache und Sprachenidentitat, ist ein genuin menschliches, das sich im Zusammenleben mit anderen ergibt.“ (Janich & Thim-Mabrey 2002: 5)

Diesem Bedurfnis sich mittels Literatur auszudrucken und die eigene Identitat zu konstruieren bzw. durch eine bestimmte Sprache eine Identitat zu formen, finden sich speziell in den Chicano-Werken wieder:

,,The literature is a reflection, a mirror of people, it reflects sociological, economic, political, historical, and cultural dimensions. The hopes, aspirations, the problems, the lifestyles, the past, the present the future is found in the literature. Literature gives identity.“ (Armas 1977: 6)

AuBerdem beschaftigt sich die Chicano-Literatur mit der Suche und Festlegung einer speziellen Ethnizitat, die eben mittels narrativer Identitatsarbeit gefunden wird:

,,Chicano power simply means that in the finding of identity - that is, a right to be as he is, not Mexican, not Spanish, not speaking either a 'pure' Spanish, but as he is, a Mexican-Spanish-Indian heritage, [...]“ (Aguirre 1978: 177)

Es stellt sich heraus, dass die Chicano-Literatur alle drei Aspekte beinhaltet: Identitatskonstruktion - Sprachenidentitat - Narrative Identitat mit sprachlichen Besonderheiten und auch multikulturelle Themen erortert, die immer zeitlos sind.

1.1.1 Identitat und der Umgang mit Sprache als Untersuchungsgegenstand

Das erste Ziel dieser vorliegenden Arbeit ist die Untersuchung der unterschiedlichen Identitatsdimensionen anhand des literarischen Chicano-Werkes The House on Mango Street der Autorin Sandra Cisneros, aus dem Blickwinkel der Studienergebnisse von Lucius-Hoene & Deppermann (2004).

An den Textpassagen soil ermittelt werden, um welches der vier Dimensionen es sich handelt und wie sich die Autorin mit diesen Dimensionen auseinandersetzt. Dazu gehort auch die Interpretation von auffallenden sprachlichen Merkmalen wie Zeitformen, Lexemen sowie die Analyse der Satze, um die Situationalitat bzw. den Sinn hinter den geschriebenen Worten zu verstehen.

Zumal die Identitatsforschung transzendent ist und in unzahlige Disziplinen hinubergeht, ist das Werk Durch Lesen sich selbst verstehen von Florian Huber (2008) von immenser Bedeutung, um weitere Aspekte der narrativen Identitat zu begrunden und zu verstehen, weshalb sich das Schreiben als eine der elementarsten Tatigkeiten zur Identitatskonstruktion etabliert hat. AuBerdem dient auch das philosophisch gepragte Werk von Halina Nitropisch „Franz Kafkas Roman 'Das Schlofi'. Der moderne Mythos des Bewusstseins“ als Unterstutzung fur die literarisch-philosophischen Ebenen des Identitatsbegriffes, sowie das Werk „Identitaten. Die Fiktionen der Zugehorigkeiten“ von Appiah (2019), das verschiedene soziale und kulturelle Aspekte aufgreift.

Im zweiten Teil wird im Werk Loving Pedro Infante der Chicana-Autorin Denise Chavez der Umgang mit Sprache nach bilingualen Besonderheiten analysiert. Dazu soil die Art und Weise sprachlicher Codes erforscht und die Absicht dahinter erkundet werden, wie z. B. der Bezug zum ethnischen Hintergrund, der anhand von spanischen Wortern zum Ausdruck kommen.

Dazu wird auch in Kapitel 2 ein kurzer Uberblick in den sprachlich-geschichtlichen Hin- tergrund der Chicanos gegeben und gilt als Voraussetzung fur das Verstandnis dieser Ar­beit. Dabei werden die relevanten Werke von Tonn (1988), Piller (1991), Herms (1990), sowie Rodriguez del Pino (1985) hinzugezogen.

Theorien und Erkenntnisse zu den spezifischen Merkmalen der Zweisprachigkeit basieren auf den Studienergebnissen von Fredric Field (2011), der sich mit „Bilingualism in the USA. The case of the Chicano-Latino community" befasst hat, sowie die Einfuhrung in die Mehrsprachigkeitsforschung von Muller & Kupisch (2006), Multilingualism nach Horner & Weber (2018) und auch die Ergebnisse von Kabatek (2011) zur spanischen Sprach- wissenschaft liefem wichtige Grundsatze zur spanischen Sprache. Die sprachwissenschaft- liche Untersuchung zu Diskursmarker von Hennemann (2019) bietet bereichernde Er­kenntnisse zu sprachlichen Phanomenen. AuBerdem ist das Werk uber die interkulturelle Untersuchung von Ikas (2000) sehr wichtig, um die Zusammenhange von Sprache und der Chicano-Literatur zu ergrunden.

Ebenfalls stellt das Werk Regionales Sprechen von Claudia Scharioth (2015) einen uberaus relevanten Bezug zu Sprache und Identitat dar, sowie Sprachenidentitat. Identitat durch Sprache von Janich & Thim-Mabrey (2002).

Das Augenmerk auf die Intratextualitat und sprachlichen Besonderheiten zu legen, sowie sich innerhalb dieses sprachlich-literarischen Gebietes zu bewegen, stellt einen wichtigen Teil der vorliegenden Untersuchung dar. Von daher wird die Analyse von zwei unterschied- lichen Sichtweisen geleitet, die sich zum einen auf literarische Merkmale der Identitatspro- blematik fokussieren und zum anderen auf sprachliche Eigenschaften der Chicano-Identitat konzentrieren.

Im Anschluss werden die theoretischen Daten aus beiden Chicana-Werken zusammengefuhrt und die „Chicano-Identitat und der Umgang mit Sprache“ aus einer neuen Perspektive betrachtet.

1.2 Zum Verhaltnis von Literatur und Identitatsbildung

In diesem Kapitel werden Zusammenhange zwischen Subjekt und Literatur als Medium zur Identitatsbildung erortert und sollen als Voranalyse der kommenden Kapitel dienen.

,,Die Rezeption von Literatur ist eine von vielen Situationen, in denen Subjekte ihre personliche Geschichte vor einem „imaginarem Publikum“ verhandeln. Gleichzeitig ist sie im Hinblick darauf, dass Identitat narrativ konstruiert wird, eine der bedeutendsten. Literarische Texte liefem den Identitatskonstrukteuren standig neuen Erzahlstoff und schlagen dem Ego Drehbucher vor, [...]“ (Huber 2008: 49)

Die Autorin Sandra Cisneros reprasentiert ihre Zeilen ebenfalls als eine personliche Geschichte und signalisiert Botschaften, die meist eindeutig und manchmal auch verwirrend sein konnen, diese Eigenschaftjedoch ist typisch fur viele Texte: ,,Die Worter konnen zwar [...] in die Irre fuhren, sie verweisen jedoch auf einen verborgenen Sinn, (Nitropisch 2017: 29). Die Identitat ist ein dynamischer Prozess und wird als interdisziplinares Feld betrachtet, da sich sowohl die Linguistik, als auch die Psychologie, sowie unzahlige andere Zweige damit befassen. In Bezug auf die narrative Identitatskonstruktion lassen sich literarische Werke in Form eines Romans am besten charakterisieren, weil sie ein weites Terrain an tiefgrundiger Selbstverstandnis und intrapsychischer Diskussion aufwerfen. Die reflektierende Selbstanalyse geht mit der Auseinandersetzung der auBeren Wirklichkeit einher und spiegelt sich in verschiedenen Formen als Abbilder wider. Injedem literarischen Werk ist nicht nur eine Botschaft an den Leser gerichtet, sondem auch eine autobiographische Gesprachsfuhrung verborgen.

,,Im Abgleich innerer und auBerer Standards wird uns bewusst, wer wir sein wollen, von wem wir uns unterscheiden und was uns in ganz besonderer Weise auszeichnet. [...] Ein wichtiger Zugang zu unserer Identitat und ihrer Konstruktion erschlieBt sich durch Bucher, die uns erreichen, beruhren oder gefangen nehmen. “ (Huber 2007: 9)

Wer man sein mochte hangt groBtenteils von unveranderlichen Aspekten, die seit der Ge- burt bestehen und von gesellschaftlichen Normen ab oder mit anderen Worten „Identitaten konnen einem nicht beliebig aufgezwungen werden, man kann sie aber auch nicht einfach so gerade gestalten, wie man mochte“ (Appiah 2019: 40). Die Gestaltung einer bestimmten Eigenschaft, das Gewohnen und Abgewohnen neuer und alter Verhaltensmuster sowie ein klares Bild uber das eigene Ich zu schaffen, stellt ein komplexes Phanomen in der mensch- lichen Natur dar. Jedoch kann zumindest eine Diskussion uber diese Merkmale gehalten werden und in schriftlicher Form am tiefsten reprasentiert werden. Die Sicht uber die eige­ne Perception der inneren und auBeren Welt wird meist uber Bucher erbracht, da dem Ver- fassen von einzelnen Wortern, sowie der Zusammenfassung mehrerer Zeilen ein hoher Stellenwert zugeschrieben wird:

„Gerade Menschen, die sehr viel lesen, werden von dem Gelesenen unterschiedlich beruhrt und manche Bucher haben einen besonderen Stellenwert, der mit der literarischen Qualitat zu tun haben kann oder mit der entfalteten Erzahlung und den in ihr enthaltenen Losungen.“ (Huber 2007: 10)

Die Literatur druckt nicht nur die Wahmehmung des Autors aus, sondem gibt dem Leser Antworten auf intrapsychische Diskussionsvorgange, die selten in der Realtitat mit anderen Personen besprochen werden konnen. AuBerdem entscheidet der Leser selbst, wann das ausgewahlte literarische Exemplar gelesen wird:

,,Lesen ist daher als konstruktiver und interpretativer Prozess zu verstehen, »bei dem der Leser die Auswahl, den Zeitverlauf und den Informationsfluss der Lekture individual und zielorientiert steuert« (Huber 2008: 54, zitiert nach Jager 2000: 489).

Die Antworten werden erst dann herausgegeben, sobaid der Leser beginnt sie zu lesen. ,,Bucher sind »kuhle Medien« (Huber 2008: 54, zitiert nach McLuhan 1965: 13), die den Rezipienten zu einer aktiven Beteiligung auffordern.“ Dieser Aufforderung kann innerhalb dieser Arbeit nur Folge geleistet werden, sobaid das folgende Kapitel als Representation und Voranalyse der Chicano-Literatur tatsachlich durchforstet wird.

2.^El chicano o el meiicano ?

Ganz Amerika war seit jeher ein Kontinent, dessen Land und Boden schon immer von Einwanderern und somit auch von Eroberern besetzt wurde. Jede dieser „importierten Identitaten“ (Appiah 2019: 23) brachte seine eigene Geschichte mit und beeinflusste kulturell die jeweilige Gesellschaft, die ihnen begegnete. Diese einzigartigen Besonderheiten sind auch heute aktuell und markieren die Wurzeln jener Vorfahren: „Importantly, every single immigrant group has had its own unique history/ (Field 2011: 3). Die Chicanas und Chicanos stellen keine Ausnahme dar, denn sie kommen aus Mexiko und prasentieren eine andere Welt, gefullt mit sprachlichen Besonderheiten sowie mythischer Kultur. Die Einzigartigkeit dieser mexikanischen Identitat ergibt sich aus der Vielzahl der Vermischung unterschiedlicher Ethnien ,,the most racially mixed“ (vgl. Munoz 1989: 8). Diese mestizaje bzw. Rassenmischung begann mit der spanischen Kolonialisierung indigener Volker Amerikas. Mit der Zeit wurden afrikanische Skiaven nach Amerika gebracht, vor allem an die ostliche Kuste Mexikos im Gebiet von Vera Cruz. Daraufhin folgten die Asiaten und „weiBe“ Europaer, sowie die EheschlieBung zwischen Mexikanem, Afroamerikanern, Asiatische-Amerikaner und den Anglos, die alle insgesamt zur mestizaje beitrugen. Laut des spanischen unilengua-Worterbuches wird der Begriff „Chicano/Chicana“ folgendermaBen definiert: „chicano, -na adj./m.f. De la comunidad mejicana que vive en los Estados Unidos.“ (DELE 2017: 162). Die Entstehung und Entwicklung von „chicano“ zu „mejicano“ entspringt einer Verschiebung des Graphems „x“, das Edmundo Garcia-Giron unter diachronem Aspekt erklart:

,,In Old Spanish and throughout the sixteenth century, the sign x was pronounced as a palatal sibilant[...] (approximately like English [J ]), but by the middle of the seventeenth century, its pronounciation had changed to modem Spanish ch (approximately like English [tf]). Thus, the Mexicas, the tribe from which the name Mexico is derived, sounded to Heman Cortes, conqueror of Mexico and future Marques del Valle de Oaxaca (Washaca) like Meshicas. And the term Mexico, mexicano, changed from Meshico, meshicano to Mechico, mechicano before finally becoming modem Mejico, mejicano in 1815, [...] In short, 'Chicano' is an apocopation ofMechicano/ (Garcia-Giron 1976: 5)

Dieser Terminus, der zuerst auf einen pejorativen Hintergrund fundierte, etablierte sich ab den sechziger Jahren zu einem positiven Begriff und wurde auch zu einem aufstandischen Ruckgrat der mexikanisch-amerikanischen Gesellschaft. Aus chicano bildete sich Chicanismo heraus und deutete auf eine eigenstandige Nation. Allmahlich entwickelte sich nun eine Bewegung als Inbegriff einer besonderen Identitat der Mexikaner, die sich im Sudwesten der USA niederlieBen und im weiteren Verlauf sogar eine neuartige politische Dynamik in Gang setzten:

„The Chicano movement was a historic first attempt to shape a politics of unification on the basis of a nonwhite identity and culture and on the interests ofthe Mexican American working class. The movement rejected all previous identities, and thus represented a counter-hegemonic political andcultural project.“(Munoz 1989: 12)

AuBerdem soil diese besondere Bewegung sogar das Denken, Fuhlen und Handeln der in den USA lebenden mexikanischstammigen Einwohnerinnen und Einwohner beeinflusst haben:

“The Chicano Movement became 'a full fledged transformation of the way Mexican Americans thought, played politics, and promoted their culture“ (Maciel & Ortiz 2000 : Introduction).

Mit diesem Fortschritt und dem neuen Verstandnis zum Chicano-Begriff1, entstand eine modeme ursprungliche Mischgesellschaft, die eine neutrale Einstellung zum Chicano- Terminus bildete:

„The term Chicano has been applied uncritically by both Mexican American scholars and political activists since it was popularized in the late 1960s. It has come to mean simply those who are of Mexican descent, whether bom in the United States or in Mexico.“ (Munoz 1989: 7).

Es ist bereits unabdingbar von einer Chicano-Gesellschaft zu sprechen, ohne die sprachlichen Einflusse zu betonen, die mit weiteren Merkmalen versehen sind, die im folgenden Kapitel naher beschrieben werden.

f In dieser Arbeit wird der Begriff chicano neutral als Herkunftsbezeichnung fur alle US-Buger mit mexikanischem Hintergrund verwendet

2.1 Die Besonderheit der Chicanos

„Culturally, the word Chicano, in the past a pejorative and class-bound adjective, has now become the root idea of a new cultural identity for our people. It also reveals a growing solidarity and the development of a common social prefix. The wide spread use of the term Chicano today signals a rebirth of pride and confidence/ (Ikas 2000: 5 zitiert nach Antonia Castaneda 1972: XIV).

Nachdem sich der Begriff „Chicano“ zum positiven entwickelte, sahen nun auch viele Chicanas eine neue Kultur voller Dynamik aufkommen, die mit den Worten Tafollas am besten erklart wird: ,,We are more than simply half-Mexican and half-American. We are a unique synthesis of these, a transformation of these, and a new, dynamic culture“ (Tafolla 1985: 6). Demzufolge ist die Ideologic dieser Bewegung die Kreation einer neuen Gesellschaft, die sich mit dem Bewusstsein aus unterschiedlichen Volkern zusammensetzt und neue Ziele verfolgt. Zudem haben sich die Chicano-Literaten mit der Zeit verandert und positive Ruckschlusse aus ihrer Ethnie entnommen und insbesondere ihre Herkunftssprache symbolisiert:

„Otro de los rasgos sobresalientes de esta narrativa, e importante culturalmente, es el lenguaje, la forma de expresion del chicano; uno no puede menos que admitir que existe un vinculo estrecho que relaciona la condition sociocultural con el lenguaje de los chicanos.“(Rodrlguez del Pino 1982 : 8-9)

Nicht nur sprachliche Einflusse gehoren zu den Besonderheiten der Chicano-Gesellschaft, sondern auch die Bestandteile ihrer aztekischen Kultur, die die Chicanos in ihrem Identitatsbewusstsein beeinflussen (vgl. Herms 1990: 14). Im Allgemeinen hat jede Art von Kultur und Sprachen, insbesondere Sprachvarietaten einen Effekt auf die Identitat: ,,It should be clear that all the languages or varieties that we use have both instrumental and identity functions/ (Horner & Weber 2018 : 104). Ebenfalls gesellt sich hierzu auch die Literatur:„Multikulturelle Literatur berucksichtigt ebenfalls die kulturelle bzw. ethnische Herkunft als ein pragendes Element der individuellen Personlichkeit, [,..](Ikas 2000: 28, zitiert nach Wotschke & Himmelsbach 1997: 34).

2.1.2 Chicana literaturay len^’uu

,,Der ethnische Autor schafft seine Werke aus diesem gesellschaftlichen und kulturellen Kontext heraus, er 'artikuliert und vertritt die Interessen seiner Gruppe gegenuber der Gesamtgesellschaft.' (Tonn 1988: 18). Die Ethnizitat in der Chicano-Literatur macht sich vor allem aufgrund ihrer Minderheiten und ihrer rebellischen Ader bemerkbar:

,,Of course, not all the Mexican American youth in the 1960s were rebellious. But thousands were. It is also true that the Chicano movement was not restricted to those under the age of thirty, but the fact is that the overwhelming majority of those who identified with it were. Mexican American youth and particularly students were central to the building of the Chicano movement and especially to the shaping of its ideology.“ (Munoz 1989: 6).

Diese Entwicklung von einer unmenschlichen Situation der Unterdruckung und Marginalisierung der Chicanos, bis hin zu rebellischen Phasen, die letztendlich in einer friedlicheren literarischen Bewegung sowie Chicanismo-Identidad ausmundet, greift in den Werken die folgenden Themen auf:

Akkulturation, Assimilation, Identitatsverlust, Sprachlosigkeit, Kollision der Werte und soziale Verhaltensnormen, Fremdartigkeit, stillschweigende Akzeptanz, Anpassung, Amerikanisierung, Elemente mexikanischer Kultur (vgl. Tonn 1988: 83-85).

Diese Themen, die die Chicano-Kultur betreffen, werden in deren Werken als Selbstbilder ihrer Identitaten aufgegriffen und unterstutzen nach Tonn den Gemeinschaftssinn:

„Der literarische Text kann eingreifen in Verstandigungsprozesse zur Korrektur und Neudefinierung kollektiver und individueller Selbstbilder und/oder dominanter Werte- und Normensysteme.[...].Die Literatur kann auBerdem zur Fokussierung und Artikulierung von kollektiv erfahrenen gesellschaftlichen Defiziten beitragen und damit den Selbstfindungsprozess der Gruppe unterstutzen“ (Tonn 1988: 18).

2.1.2.2 Bilinguismoy Code-Switching

Ein weiteres Merkmal der Chicano-Literatur besteht aus zweisprachigen Satzbausteinen und erfordert den Lesen beider Sprachen machtig zu sein. Durch den Austausch einzelner Ausdrucke vom Englischen ins Spanische oder auch umgekehrt, ergeben sich sprachliche Mischphanomene, die zur Charakterisierung der Protagonisten und einem transkulturellen Vergleich dienen. Durch diesen sprachlichen Wechsel kann die Botschaft und die Ideologic bzw. Identitatsmerkmale der Autoren und ihrer Werke hervorgebracht werden, die generell durch die Gegenuberstellung der Anglo- und Chicano-Welt geschieht. Aus linguistischer Sicht sind zweisprachige Individuen aufgrund des Performanz-Kompetenz-Verhaltnisses besonders interessant zu erforschen:„Das bilinguale Individuum ist nun deshalb so interessant, da wir es mit einem einzigen Performanzsystem zu tun haben, aber zwei Kompetenzen erworben werden mussen“ (Muller & Kupisch 2006: 27). AuBerdem betont die Bilingualismusforschung die Unterscheidung zwischen dominanter bzw. starkerer und schwacherer Sprache, die auf Ungleicheiten des allgemeinen Spracherwerbes zuruckzufuhren sind, wie z. B. die Universalgrammatik, die angeboren ist und erst durch den „Input“ aktiviert wird (vgl. Muller & Kupisch 2006: 27). Bezuglich der Sprachdominanz bei zweisprachigen Sprechem, hat die Umgebungssprache einen sehr groBen Einfluss darauf, welche der beiden Sprachen starker beherrscht wird und somit gewinnt die starker vorherrschende Sprache mehr Einfluss auf die schwachere. Dementsprechend unterscheidet die Mehrsprachigkeitsforschung zwischen unterschiedlichen Formen der Bilingualitat und im Faile der Chicano-Werke zeigt sich der Typ drei von insgesamt sechs Arten der Bilingualitat nach Kupisch & Muller in der die Muttersprache zu Hause gesprochen wird und die Zweitsprache in der Umgebung bzw. die monolinguale Landessprache in Institutionen und in alien Bereichen, die sich auBerhalb des Hauses befmden (vgl. Muller & Kupisch 2006: 45). Aus diesem Zusammenspiel ergibt sich das Mixen zweier Sprachen, die folglich der Kategorie Code-Switching oder Code­Mixing zuzuordnen sind. Das Code-Switching sowie das Code-Borrowing sind das Ergebnis verschiedener dynamischer, psychologischer und sprachlicher Faktoren. (vgl. Field 2011: 72). Ein Faktor kann die sprachliche Interferenz (interferencia linguistica) sein, die eine Abweichung beim Sprechen einer Sprache aufgrund der Kenntnisse einer anderen Sprache darstellt (vgl. Kabatek 2011: 188).

,,Die Interferenz wird in der Literatur als ein Performanzphanomen bezeichnet und oft von der Entlehnung („borrowing“) abgegrenzt, [...]“ (Muller & Kupisch 2006: 16). Demnach resultiert das „Borrowing“ als Werk einer Sprachgemeinschaft bzw. einer Gruppe innerhalb einer bestimmten Sprachgemeinschaft. Das Gegenstuck von Interferenz bildet die Transferenz (vgl. Kabatek 2011: 189). Muller & Kupisch (2006) greifen diesen Begriff auf und definieren ihn wie folgt:“Ubernahme von Elementen, Merkmalen und Regeln aus einer anderen Sprache“ (Muller & Kupisch 2006: 19, zitiert nach Clyne 1975 und Weinreich 1970). Zudem unterscheiden Muller & Kupisch (2006) zwischen weiteren Arten des Code-mixing

1. Insertion („insertion“).
2. kongruente Lexikalisierung („congruent lexicalization“)

Ersteres bezieht sich auf Elemente einer Sprache, die in eine andere Sprache gemischt werden „Morgen fahren wir zum rio“. Die kongruente Lexikalisierung ruhrt soziolinguistischer Natur hervor, d. h., die beiden Sprachen weisen typologisch ahnliche Merkmale auf oder es handelt sich um Dialekt und Standardsprache. Demzufolge etabliert sich im Code-Switching“ eine weitere Subkategorie, namlich das „code-shifting“ oder auch „style-shifting“ (vgl. Muller & Kupisch 2006: 177), das den speziellen sprachlichen Merkmalen einer Sprechergemeinschaft zugeschrieben wird. Eines dieser sprachlichen Codes, derer sich besonders die Autorin Denise Chavez bedient, ist das „Intersentential“ (intersentencial), das von Satz zu Satz stattfmdet, wie z. B. : GutenTag. (,Como estas? Intrasententiales code-switching meint den Wechsel innerhalb des Satzes: Sometimes I'll start a sentence in English y termino en espanol (vgl. Kabatek & Pusch 2011: 186). Weitere Erkenntnisse ergeben die Analysen von Kebeya und Lipski:

,,On the other hand, intrasentential code-switching occurs when speakers switch from one language to another within the same sentence. Thus, “a sentence will be made up of two or more languages” (Hennemann 2019:6, zitiert nach Kebeya 2013: 229). In his study of code-switching of immigrants living in the United States who have a good knowledge of English, Lipski (2005) found out that intrasentential switching represents the most prominent code change (Hennemann 2019: 7).

Ob es sich nun um die eine oder andere Art des Switching handelt, Fakt ist, dassjeder Satz an Ausdruck gewinnt und eine bestimmte Botschaft an den Rezipienten sendet. Sei es die Mutter-oder die Umgebungssprache, jeder Code hat einen Einfluss auf menschliches Verhalten in sozialen Interaktionen.

„As much research has shown, going from one language to another in different ways or combining the two together can serve to express ethnic and/or social identity and, in some cases, to indicate social solidarity with other members of the community.“ (Field 2011: 81)

Ebenfalls bestatigen weitere wissenschaftliche Untersuchungen die Annahme, dass das sprachliche Mischen, nicht unbedingt aus unbewussten Fehlern hervorruhrt, sondern auf besonderen bestimmten linguistischen Fahigkeiten zuruckzufuhren sei, uber die sich der Sprecher bewusst ist:

,,Thus, the speaker chooses to alternate his*her language, register or style in his*her communicative act in order to (additionally) communicate a meta-message, that is, a message about the message. Choosing a code.. „conlleva una serie de derechos y obligaciones. Es decir, un tipo de conversation determinado, en una comunidad especlfica, presenta una serie de caracteristicas situacionales. Estas caracterlsticas situacionales varian entre las comunidades e, incluso, entre los diferentes tipos de conversation dentro de una misma comunidad [...],,(Hennemann 2019: 9, zitiert nach Flores Ohlson 2008: 84; und MyersScotton 1993: 84-90 and Myers-Scotton 1998)

Dementsprechend werden diese sprachlichen Codes verwendet, um eine Botschaft mittzuteilen, die sich auf individuelle und auf gemeinschaftliche Merkmale innerhalb einer Sprachgemeinschaft bezieht.

3. Die narrative Identitat nach Lucius-Hoene & Deppermann

Die vorliegende Arbeit folgt den Ansatzen von Lucius-Hoene & Deppermann (2004), die die Auseinandersetzung mit der Identitat anhand von unterschiedlichen Merkmalen des Erzahlens darlegen: Zum einen ist das Erzahlen ein Mittel zur Identitatskonstruktion, zum anderen bildet der literarische Ausdruck die narrative Identitat und erweitert dieses facet- tenreiche Gebiet durch neuere Sichtweisen. „Language acts are acts of identity“ (Scharioth 2015: 37, zitiert nach Le Page/ Tabouret-Keller 1985: 205). Demzufolge ergibt sich der Sprachakt immer aus dem Identitatsakt und stellt somit eine explizite Form des sprachli- chen Ausdrucks dar. Mittels der narrativen Erzahlung kann die Identitat konstruiert wer- den, dennjede Art von Erzahltext kann als Protokoll fur die Identitasdarstellung und-her- stellung erachtet werden (vgl. Scharioth 2015: 39). Nach Lucius-Hoene und Deppermann (2004) gibt es vier Dimensionen die fur eine sprachliche Identitatskonstruktion verantwort- lich sind:

1. Personliche Dimension
2. Soziale Dimension
3. Regionale Dimension
4. Temporale Dimension

Die personliche Dimension beruht auf individuellen Merkmalen, mit denen alle Menschen ausgestattet sind: Unverwechselbarkeit und spezifische Biographie. Dabei geht es um die Fahigkeit sich selbst analysieren zu konnen und reflektierend ein Selbstbild zu erstellen. In dieser Dimension spiegelt sich das erzahlende Individuum und druckt aus, wie es von seiner AuBenwelt verstanden und angenommen werden mochte. Hierbei spricht man auch vom „identity claim“: So bin ich, ich mochte mich als diese Person verstehen und verstanden werden (Lucius-Hoene & Deppermann 2004: 68). Wahrend dieses narrativen Selbstentwurfes konnen Emotionen aus vergangenen Zeiten entstehen, sowie auch tiefgrundige personliche und sogar schmerzliche Erinnerungen auftauchen, laut Tabouret- Keller (1997) kann vor allem die Identitatsanalyse ein verletzender Moment sein:“C'est la que nous sommes le plus vulnerables“. (Scharioth 2015: 40, zitiert nach Tabouret-Keller 1997, Richter 2005: 174-182).

[...]

Ende der Leseprobe aus 72 Seiten

Details

Titel
Identität in der Chicano-Literatur und der Umgang mit Sprache. Eine Untersuchung an den Werken "The House on Mango Street" und "Loving Pedro Infante"
Hochschule
Universität Potsdam  (Romanistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
72
Katalognummer
V1037366
ISBN (eBook)
9783346454645
ISBN (Buch)
9783346454652
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Eine sprachwissenschaftliche Untersuchung an den Chicana-Werken "The House on Mango Street" der Autorin Sandra Cisneros und "Loving Pedro Infante" von Denise Chávez.
Schlagworte
Identität - Sprache - Chicanos - Literatur - Narrative Identität - Rekonstruktion der Identität, Sandra Cisneros - Denise Chávez, Code-Switching - Sprachliche Codes
Arbeit zitieren
Nilofar Nassiri (Autor:in), 2021, Identität in der Chicano-Literatur und der Umgang mit Sprache. Eine Untersuchung an den Werken "The House on Mango Street" und "Loving Pedro Infante", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1037366

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