Parteien in der Mediengesellschaft


Plan d'enseignement, 2000

14 Pages, Note: 1,7


Extrait


Inhalt

1. Einleitung

2. Was meint Mediengesellschaft?
2.1 Medialer Wandel
2.2 Rolle der Medien

3. Parteienwettbewerb in der Mediengesellschaft
3.1 Wandel der Politikvermittlung
3.2 Auswirkungen des Wandels auf den Parteienwettbewerb

4. Schlussbetrachtung/Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Mediengesellschaft und Informationsgesellschaft sind Begriffe, die sich gegen Ende der 80er Jahre etablierten. Die rasche Vervielfachung der publizistischen Medien, die Heraus- bildung innovativer Medienformen einhergehend mit dem sozialen Werte- und Struktur- wandel, beinflussen und verändern die Parteien der Bundesrepublik Deutschland erheblich. Die Medien als Mittler zwischen politischen Akteuren und der Öffentlichkeit nehmen mehr und mehr die Rolle des ,,Agenda-Setters’’ein. >>Die Agenda-Setting- Hypothese unterstellt in ihrer Urform, daßdie Selektionsprozesse in den Massen- medien, durch die die reale Welt zur Medienwelt transformiert wird, die Umweltwahr- nehmung der Mediennutzer steuern<<(Uekermann/Weiss 1983: 70). Die Allgegenwart der Medien, in Form von Presse, Rundfunk und Fernsehen, gewährleistet in einem demokratischen Staat die politische Kommunikation und Information. Der mediale Wandel, die Auswirkungen auf die politische Kommunikation und auf politische Parteien als Transmissionsriemen im intermediären System sind der Rahmen, der dieser Haus- arbeit zu Grunde liegt. In den folgenden Betrachtungen wird weitestgehend versucht, den Medienwandel und die Anpassung der politischen Akteure, insbesondere der Parteien, an die Anforderungen der neuen dynamischen Medienlandschaft zu erfassen.

2. Was meint Mediengesellschaft?

>>Innerhalb der Gesellschaft vollzieht sich eine Bewußtseinsveränderung zugunsten der Medien als soziale Institutionen - weshalb von einer Entwicklung hin zur ,,Mediengesellschaft’’ gesprochen werden kann<<(Jarren 1998: 78).

Im Zeitalter des Informationsüberflusses stellt sich nicht mehr die Frage wie die Öffentlichkeit an Nachrichten gelangt, sondern welche Informationen von Relevanz sind. In einem >>ausdifferenzierten Mediensystem<<(Jarren 1998) ist Selektionskompetenz gefragt. Die Vielzahl an verschiedenartigen Medien und die damit verbundene Themen- vielfalt ist ein Faktor, der die Mediengesellschaft charakterisiert. Gesellschaftlicher Strukturwandel und Modernisierung sind die dynamisierenden Eckpfeiler des Mediensystems und bedingen dessen Veränderungen. Die Herausbildung von Massenmedien und der un- eingeschränkte Zugang der breiten Öffentlichkeit zu Rundfunk, Fernsehen und Printmedien setzte eine dynamisierende Entwicklung in Gang und veränderte den Stellenwert der Medien nachhaltig. Neue Formen, wie Online-Medien, Digitalfernsehen, Internet und pay-TV führten zu einer Ausbildung von >>Programmedien, Sparten- oder Zielgruppenmedien sowie Informations- und Kommunikationsnetzwerken<<(Jarren 1998: 83). Dem Bürger in der Mediengesellschaft wird Selektionskompetenz vorausgesetzt, er muß, um nicht die Übersicht zu verlieren, einen Großteil seiner Zeit darauf verwenden relevante Informationen von unwichtigen Nachrichten zu unterscheiden. Ein großer Teil der medialen Information bezieht sich auf verbale Berichte, Meinungen, Interpretationen, ist also Tertiärerfahrung. >>Mit höheren Ableitungstufen entfernt sich die Massenkommunikation zunehmend von dem, was altmodisch ,,Tatsachen’’heißt, und es entsteht eine verselbständigte Medien- realität<<(Schulz 1987: 136). Mediengesellschaft oder Informationsgesellschaft sind heute Begriffe, die die technische Entwicklung hervorgebracht hat. Tatsächlich sind sie gekenn- zeichnet durch einen Zuwachs an >>Informationsquantität<< und einem Verlust an >>Informationsqualität<<(Schulz 1987: 130). Winfried Schulz stellt dazu fest, das in der Mediengesellschaft generell eine Informationsflut und eine Kommunikationsknappheit herrscht. Die Flut an medialen Informationen ist ein Resultat der expandierten Medien- wirtschaft und der Ökonomisierung dieses Marktsegments, wobei Kommunikationsknappheit sich aus der Marktlogik erschließt, in der Meldungen nach ihrer Wichtigkeit geordnet und aufgemacht werden und nicht ihrer Chronologie folgend Wichtigkeit erlangen.W. Schulz sieht zwei Teile, in die das Nachrichtenbild zerfällt: >>in einige wenige thematisierte Geschehnisse von großer Tragweite, die relativ breit und differenziert dargestellt werden, und in die große Masse der Ereignisse von minderer oder geringer Bedeutung<<(Schulz 1987: 134).Die politische Kommunikation wird zunehmend von den Massenmedien und elektronischen Medien geprägt, wobei Massenmedien primär als Filter und Resonanzboden für externe Themen, Forderungen, Meinungen und Informationen fungieren und Parteien, Verbände, Oganisationen bestimmte Interessen organisieren und durchsetzen. Der Bedeutungszuwachs der Massenmedien ist vorrangig auf einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, insbesondere des intermediären Systems zurückzuführen, zu dem auch Parteien gehören, und hat letztlich evidente Auswirkungen auf die Kommunikationskultur und die Politikvermittlung politischer Parteien.

2.1 Medialer Wandel

Otfried Jarren schreibt über den Medienwandel: >>Gab es 1980 272 IVW-geprüfte Publikumszeitschriften, so wurden 1990 bereits 546 Titel registriert. Während es 1980 rund 350 Anzeigenblätter gab, wurden 1990 bereits 1035 Titel gezählt<<(Jarren 1994: 24).

Diese empirischen Befunde für den Printmediensektor konstatieren die große Vervielfachung des medialen Angebots und die damit verbundene Ausdifferenzierung in beachtlicher Ge- schwindigkeit. Im Bereich der elektronischen Medien lässt sich eine ähnliche Entwicklung festhalten. Waren bis 1980 die öffentlich-rechtlichen Programme Alleinanbieter, so kam es mit der Einführung des privat-kommerziellen Rundfunks zu einer rapide ansteigenden Angebotsvielfalt in den elektronischen Medien. Allgemein kann darunter die Ökonomisierung oder Kommerzialisierung der Medien verstanden werden, zumal diese Tendenzen dadurch nur offensichtlicher und verstärkt wurden. Diese Prozesse forcieren die Ausrichtung an die Logik des Marktes und der ökonomischen Regeln. Zunehmend orientieren sich die Medien an Publikumsgeschmack, im Sinne von Entertainment und ,,Infotainment’’, richten sich nach Werbemarktinteressen, wobei Vermittlungsinteressen gesellschaftlicher Organistionen und politischer Akteure an Bedeutung einbüßen müssen. Politische Informations- und Kommunikationsangebote werden unter ökonomischen Kriterien betrachtet, da Medien- unternehmen, die werbewirtschaftlich abhängig sind, Programmentscheidungen kalkulieren und nach ihrem ,,Marktwert’’ beurteilen. Dabei spielt das Massen- und Leitmedium Fern- sehen eine herausragende Rolle. Die hohe Nutzungsdauer und der >>Glaubwürdigkeits- bonus<<(Jarren 1994) des Fernsehen zeigt deutlich, welchen Stellenwert die elektronischen Medien heute haben und weiter ausbauen. Zugespitzt könnte man behaupten, dass das Fern- sehen allein durch die Macht seiner Bilder begreifbare, sinnliche Realität herzustellen vermag und dabei eine quasi Monopolstellung einnimmt. Der Marktlogik folgend sind Massenmedien heute international agierende Konzerne mit weltweiten Verflechtungen und Abhängigkeiten. Ökonomische Ziele, wie Gewinnmaximierung, Rechtehandel und technologische Forschung, kennzeichnen das Mediensystem. Gerade die Internationalisierung der Medienwirtschaft be- dingt den medialen Wandel und schafft dabei ein weltweit verfügbares Kontingent an Unter- haltungs- und Informationsangeboten. Vor allem diese ,,globalisierte Medienwirtschaft’’ stellt politische Akteure vor neue Herausforderungen, lässt in diesem Licht eine staatliche Medienregulierung nur erschwert durchsetzbar erscheinen und belegt dahingehend einen Gewinn an >>relativer Autonomie<<(Jarren 1998: 77) gegenüber dem politischen System. Der technische Fortschritt, technologische Innovationen, wie digitale Medien, Internet, weltweite Satellitenübertragung und Kommunikationsnetzwerke befördern neue qualitative und quantitative Veränderungen in der Kommunikationskultur zu Tage. Die Wahlmöglich- keiten der Nutzer erhöht sich und fördert eine ausgeweitete individualisierte Mediennutzung. Nicht zuletzt haben sich neue Medientypen etabliert, so gibt es neben den Voll- programmen (ARD, ZDF usw.) auch Sparten- oder Zielgruppenprogramme im TV-Sektor, so wie sich Spartenzeitschriften und -magazine herausgebildet haben. Diese Entwicklung hat für die Rezipienten zur Folge, das sie selektiv und individual Medienangebote nutzen oder bewußt nicht nutzen können. Alle diese Erscheinungen des Wandels der Medienstruktur wirken sich im hohen Maße auf die politische Kommunikation und Politikvermittlung der Parteien aus. Parteien sind angewiesen auf die Massenmedien, um die Öffentlichkeit zu erreichen. Sie haben aber mit dem Problem zu kämpfen, dass sie mit den Veränderungen im intermediären Bereich ihre Thematisierungskompetenz zunehmend zugunsten der Medien einbüßen und damit einem >>medialen Autoritätsverlust<<(Sarcinelli 1998: 279) hinnehmen müssen. Wie sich politische Parteien darauf einstellen wird Thema des 3. Gliederungspunktes sein.

2.2 Rolle der Medien

Nachdem die Veränderungsprozesse in der Medienlandschaft und ihre Auswirkungen auf das intermediäre System näher betrachtet worden sind, steht nun die institutionelle Rolle der Medien in der Gesellschaft im Mittelpunkt.

Aus der Sicht der klassischen liberalen Theorie kann die Rolle der Medien als Forum öffentlicher Meinungsbildung dahingehend erklärt werden, das sich politische Öffentlichkeit in einer wechselseitigen Kommunikation von Regierten und Regierenden konstruiert. Die Medien dienen als Mittler des Diskurses, sie informieren die Öffentlichkeit und die politischen Akteure in Bezugnahme über Verlauf, Erfolg und Akzeptanz dieses Prozesses. Politische Willensbildung und Entscheidung vollzieht sich letztlich auf der Basis der Einbeziehung aktualisierter Interessen aller Beteiligten. Formale Unabhängigkeit der Medien ist dabei Voraussetzung für ihre Vermittlerrolle. Das Bundes- verfassungsgericht hat diese Unabhängigkeit in einer Reihe von Entscheidungen ausdifferenziert. Ausgangspunkt ist dabei Artikel 5 GG, das Jedermann-Grundrecht der Meinungs- und Informationsfreiheit, ein Abwehrrecht, das dem Schutz vor staatlichen Eingriffen dient. Es erstreckt sich im einzelnen auf : 1. den Schutz der Meinungsäußerung vor Strafe, 2. das Verbot von Zensur, 3. einen freien Zugang zu publizistische Berufen, 4. die Auskunftspflicht der Behörden gegenüber publizistischen Organen, 5. das Zeugnisverweigerungsrecht der Journalisten. Anders aber als die Presse, haben die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten der Bundesrepublik eine ,,Grund- versorgung’’, die einen freien öffentlichen Kommunikationsprozess ermöglicht zu gewährleisten und die privaten eine ,,Zusatzversorgung’’ im Sinne des Bundesver- fassungsgerichts. >>Die politische Sozialisationsforschung seit den siebziger Jahren hat die Rolle der Medien bei der Herausprägung politischer Kenntnisse, beim Aufbau des Interesses an öffentlichen Angelegenheiten und bei ihrer Sichtweise hervorge- hoben<<(Oberreuter 1997: 15). Politische Öffentlichkeit kann sich daher in Flächenstaaten und pluralistischen Gesellschaften erst über kontinuierliche Kommunikationsströme im Sinne eines funktionsfähigen Mediensystems bilden. Die Aufgabe der Medien ist nicht nur die Verbreitung von Informationen, sondern auch Kritik, Kontrolle und Transparenz gegenüber den politisch Herrschenden zu etablieren. Politische Positionen und Institutionen müssen sich dem öffentlichen Diskurs stellen, dies ist Grundlage einer westlichen pluralistischen Demokratie. Den Gemeinwillen oder das Gemeinwohl gibt es nicht, er oder es muss sich in steten öffentlichen Auseinander- setzungen neu definieren. Daher führt der Weg zum Konsens innerhalb von Politik, Medien und Öffentlichkeit nur über Meinungs-, Interessen- und Positionenstreit. Im Zuge der Transformation der Medien ist es aber evident, dass in der Medien- gesellschaft Symbiosen zwischen Politik und Medien zu beobachten sind, die in >>...Verflechtungen zwischen dem politischen Entscheidungsbereich und dem Mediensystem, die Max Kaase einmal treffend als ,,reflexive Verschränkung’’ (Kaase 1986, 370) bezeichnet hat.<<(Sarcinelli 1994: 39) zum Ausdruck kommen.

3. Parteienwettbewerb in der Mediengesellschaft

Gesellschaftlicher Werte- und Strukturwandel, insbesondere der Medienwandel haben die Anforderungen an Parteien nachhaltig verändert. In welcher Form sich Parteien verändert haben und weiter verändern, wie die innere Organisation, die Wahlkampfführung, die Strategie massenmedial angepaßter Politikvermittlung aussieht und inwieweit der Grad der Professionalisierung der Parteien voranschreitet, ist zentrales Thema und wird in den Gliederungspunkten 3.1 und 3.2 näher zu erläutern sein. Die Folgen mit denen Parteien in der Mediengesellschaft zu kämpfen haben sind vielfältig, durch den sozialen und technologischen Wandel zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft stehen Parteien vor dem Problemen struktureller Erosionen der Parteibindungen, der Wähler- mobilisierung und der Instabilität des Wählerverhaltens, das in der Mediengesellschaft mehr und mehr kommunikationsabhängig, emotionaler und unkalkulierbarer geworden ist. Fritz Plasser schreibt dazu treffend: >>Die Öffnung des politischen Informations- verhaltens durch die neuen elektronischen Medien beschleunigte die Erosion der sozialen und organisatorischen Integrationsstrukturen der politischen Parteien. Die ,,Visualisierung’’ der Politik (Plasser/Ulram, 1982) revolutionierte aber nicht nur die Wahrnehmung des politischen Prozesses durch Bürger und Wähler, sondern bewirkte auch einschneidene Veränderungen in der Selbstdarstellung der politischen Akteure und Institutionen. Die ,,elektronische’’ Arena verlangte nach neuen Spielregeln im politischen Wettbewerb, denen sich die Parteien zu beugen hatten - wollten sie weiterhin überleben - was im Jargon der politischen Technostruktur fortgeschrittener Fernsehgesellschaften soviel bedeutet wie ,,am Schirm’’ präsent zu sein, um im permanenten Wahlkampf bestehen zu können<< (Plasser 1987: 72). Wie aber nun sehen die neuen ,,Spielregeln’’ im politischen Wettbewerb aus und im welchen Maße haben die Parteien sich gebeugt?

3.1 Wandel der Politikvermittlung

>>Mediatisierung der Politik bedeutet, daßdie Medien, das Fernsehen voran, die Politik wethin ihren Eigengesetzlichkeiten unterworfen haben<< (Oberreuter 1988: 36).

Mediatisierung der Politik und der Parteien ist gekennzeichnet von extremer Personifizierung, d.h. Persönlichkeitseigenschaften von Politikern, sprich von Kandidaten und Amtsinhabern, haben einen höheren Stellenwert und verursachen eine >>Simplifizierung<< (Oberreuter 1988: 37) von Politik, sie reduzieren die enorme Komplexität politischer Willensbildungsprozesse und Entscheidungen und intimisieren bzw. privatisieren das Politische, indem die Grenze zwischen politischer Sachkompetenz und ,,medienkompetenten’’ Auftreten fast gänzlich verschwimmt. Der Distanzabbau und der Autonomieverlust zwischen Medien und Parteien ist das wesentliche Merkmal, das den Wandel der Politikvermittlung in der Mediengesellschaft kennzeichnet.

Im einzelnen haben sich Parteien an die neuen Gegebenheiten versucht anzupassen, um im ,,Wettbewerb um Wählerstimmen’’ nicht als Verlierer herauszugehen.

Konzepte dieser Politik sind vor allem eine übersteigerte Medienorientierung, die Etablierung einer professionellen Kommunikationsstrategie und die Inszenierung von ,,symbolischer Politik’’. Anpassung an die Medienlogik ist erforderlich für Parteien, da angewiesen auf die Medienberichterstattung es ihnen in der Mediengesellschaft nicht mehr vergönnt ist alleinige Thematisierungskompetenz zu besitzen. Daher ist es auch ein Ziel von Parteien ihren Einfluss auf das Agenda-Setting positiv zu verstärken. Nun ist es nicht weiter verwunderlich das Parteien immer mehr versuchen die Medien, vor allem das Massenmedium Fernsehen, zu nutzen oder anders ausgedrückt zu instrumentalisieren. Ein Anpassungsfaktor ist die Professionalisierung des Kommunikationsmanagements, das in letzter Konsequenz eine personelle Partei- bzw. Medienelite hervorbringt. Professionelles Management der Parteizentralen ist heutzutage vergleichbar mit einem hierachisch untergliederten Wirtschaftsunternehmen. Ein ganzer Stab von Medienberatern, Meinungs- forschern, Marketingberatern, Computerspezalisten und extern beratenden Experten ist permanet in der Pflicht, den Kommunikatinsstrom nicht abreißen zu lassen, neue poltische Themen zu setzen und die Außendarstellung der Partei zu koordinieren. Der geschulte Medienauftritt, das Image von Politikern in der Mediendarstellung ist heute weitaus wichtiger als politische Substanz und rationale Entscheidungen, deren Inhalt nicht immer populär sein muss. Politische Eliten sind gezwungen, wenn sie erfolgreich im Legitimations- prozess bestehen wollen, mediengeschult und medienkompetent auftreten zu müssen. Diskontinuität, ,,theatralische’’ Inszenierung, variable und flexible Themensetzung sind nur einige Merkmale, die die politische Realität in der Mediengesellschaft ausmachen. Diese beschriebene Verlagerung der innerparteilichen Entscheidungs- und Legitimations- strukturen hat erhebliche Auswirkungen auf die Mitglieder, Aktivisten und Delegierten der mittleren Ebene von Parteiorganisationen. Medienorientierte Politikvermittlung geht vor allem mit einer Dominanz der Parteiführung einher, wobei gleichzeitig die ,,Basis’’ an Bedeutung verliert und nunmehr bei personellen, organisatorischen und thematischen Entscheidungen umgangen wird. Zugespitzt könnte man behaupten, die Mitglieder sind nur noch Ressource zur Mobilisierung im Wahlkampf und Finanziers aufgrund ihrer Mitglieds- beiträge. Mit dem Verschwinden der traditionellen sozialen Schichten haben die Programmatiken der Parteien sich wesentlich angeglichen und an Bedeutung verloren. Pragmatismus ist der vorherrschende politische Stil, um den Erfordernissen einer wähler- orientierten Politik gerecht zu werden. Themen müssen flexibel und austauschbar sein.

Sie werden entweder von den Parteien über die Medien aufgenommen oder umgekehrt. Dabei hat der Emotionalisierungsgrad und der ständig wechselnde Aktualitätsgrad politischer Inhalte und Themen eine stärkere Bedeutung bekommen. Die, von der Meinungsforschung, als wichtig und relevant eingestuften Themen werden von der Parteiführung variabel und schnell infiltriert und bleiben so lange aktuell, bis andere Themen in den Vordergrund treten und die ,,alten’’ von der Medienbühne verschwinden lassen. So sichern sich Parteien eine ständige Medienpräsenz, die ihnen die nötige Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ver- schafft. Das veränderte Anforderungsprofil personenzentrierter Politik beschreibt Franz Walter mit der Aussage: >>Der erfolgreiche Politikertypus verbindet politischen Instinkt, Populismus, Stimmungs- und Problemsensibilität, Konzentration auf das Wesentliche, virtuose Medienpräsenz und Pragmatismus miteinander.<< (Franz Walter: 1995) und bringt damit das Problem mit dem die politische Elite heute konfrontiert ist auf den Punkt. Der Politker der Gegenwart muss, wenn er erfolgreich sein will, auf der Bühne der Medien sicheren Boden haben und gleichzeitig sachgerechte politische Arbeit, sei es in Regierung oder auf parlamentarischer Ebene, versuchen in ihrer Komplexität zu reduzieren und in mediengerechten ,,Informationshäppchen’’ zu präsentieren. Über diese vereinfachenden Fernsehstatements, die meist nicht länger als 30 Sekunden sind, hat die mediale Politikvermittlung eine neue Qualität erfahren, eine Qualität die im Konkurrenz- kampf um mediale Aufmerksamkeit nicht mehr wegzudenken ist.

3.2 Auswirkungen des Wandels auf den Parteienwettbewerb

Die politische Kultur der Bundesrepublik Deutschland ist im Prozess der Mediatisierung enormen Veränderungen ausgesetzt worden. Heutige Formen der politischen Auseinander- setzung von Parteien hat ein Maßerreicht, beeinflusst durch Mediendruck und den Vertrauensverlust in die Politik, das an Niveau und Substanz eindeutig verloren hat. Verunglimpfungen und persönliche Angriffe auf Personen des poltischen Gegners haben derzeit Hochkonjunktur. Politische Sachargumentation, so hat es den Anschein, ist Diffamierungen von Personen des politischen Gegners untergeordnet und verfolgt letztlich den Zweck medial präsent zu sein. Verunglimpfung von Personen hat es zwar schon zu Zeiten von Strauß, Kiesinger und Barzel gegeben, aber nie wurden so viele persönliche Vorwürfe und Diffamierungen gegen Personen erhoben wie heutzutage. So wird im Bundestag der Stiefbruder des Bundeskanzlers als Kronzeuge in die Haushaltsdebatte hineingezogen, die Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt in die Nähe des Rotlichtmilieus gedrängt und der Bundeskanzler selbst auf einem Wahl- plakat der CDU, dessen Darstellung Fahndungsfotos gleicht, als Rentenbetrüger krimi- nalisiert. Der Unterschied zwischen der politischen Streitkultur früherer Zeiten und unserer Gegenwart liegt darin, das Marketinggesichtspunkte herangezogen werden, Aufsehen er- regt werden will, sich in Szene gesetzt werden muss und dies alles im Zwang der Medien- performance geschieht. Nicht nur moralische Wertmaßstäbe und das Gewissen von Politikern hat sich gewandelt. Permanenter Wahlkampf, >>symbolische Pseudopolitik<<(Plasser 1989: 217), professionalisierte und personalisierte Wahlkampfführung sind die Stichworte des ver- änderten Parteienwettbewerbs. Die Entkopplung von Sozialstruktur und Wählerverhalten hat den Wechselwähler hervorgebracht und erzwingt von den politischen Parteien die Möglich- keiten der Medienorientierung und des Marketings exzessiv zu nutzen. Im Konkurrenzkampf um Wählerstimmen ist der ‚Fernsehwahlkampf’ das überlegene Kommunikationsmittel der Parteien. Plakate, Anzeigen, Schriften, sonstiges Werbematerial, Wahlkampf- und Werbe- veranstaltungen spielen in modernen Wahlkämpfen nur noch eine nachgeordnete Rolle. ,,Amerikanisierung’’ nennen sich diese Erscheinungen von Ereignis- und Themen- management, der Professionalisierung und Personalisierung, die in der Bundes- republik Deutschland zunehmend der Wahlkampfmethodik in den USA gleichen. Sogenannte Imagekampangnen stehen im Vordergrund der Wahlkämpfe. Die Medien- kompetenz und Souveränität von Kandidaten stellt dahingehend den entscheidenen Faktor eines angestrebten Wahlerfolgs dar. Das sich die Parteien verändert haben und sich auch weiterhin verändern müssen ist unbestritten. Neue Anforderungen erfordern neue Strategien und verändert die politischen Parteien in einem hohen Maße. Die ge- stärkte professionelle Führung erzwingt folgenreich einen Autonomievorteil gegen- über den Parteigremien, die gesamte Organisationsstruktur wird sich spannungsreich zwischen politischer Elite und Delegierten polarisieren und neue medienspezifische Kommunikationswege eröffnen. Politische Legitimation über die Medien scheint dahingehend der nicht umkehrbare Prozess, dem sich die Parteien unterworfen haben. Als Folge dieser Transformation werden Parteien mehr und mehr mit dem Problem zu kämpfen haben, die Wahlentscheidungen der Wähler langfristig zu beinflussen und vorauszusagen. Aus dieser Pespektive scheint es für die Parteien unumgänglich zu sein, ihre professionalisierten Zentralen weiter auszubauen, deutlich mehr externe Berater zu beschäftigen und im Hinblick auf die finanziellen Ressourcen größere Budgets für den Wahlkampf bereitzustellen.

4. Schlussbetrachtung/Zusammenfassung

Ohne Zweifel stehen die Parteien in der Mediengesellschaft neuen Anforderungen gegen- über und müssen sich diesen weiterhin stellen. Die politische Kommunikation ist im Konkurrenzdruck um öffentliche Aufmerksamkeit erheblich härter geworden. Trotzdem werden politische Parteien auch in Zukunft die dominierenden politischen Akteure in unserer Gesellschaft bleiben. Ihre hervorgehobene verfassungsrechtliche Stellung im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland garantiert, dass das Parteiensytem nicht, wie von vielen kritischen Beobachtern befürchtet, von einer sogenannten >>Medien- demokratie<<(Sarcinelli 1998: 274) ersetzt wird. Wenngleich Parteien an Autorität verloren haben und sie sich im Modernisierungsdruck und Funktionswandel be- finden, so werden sie auf lange Sicht weiterhin entscheidend an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken. Die Verschränkung von Partei- und Medien- system hat neue mediale Kommunikationswege eröffnet. ,,Boulevardisierung’’ des Politischen, Professionalisierung, Personalisierung und die ,,Entsachlichung’’ der politischen Auseinandersetzungen sind nur einige Transformationsresultate, die die Anpassung an die Medienlogik hervorgebracht hat. Die Veränderungen in der Parteienlandschaft sind in Tendenzen europaweit zu beobachten. Dieser Wandel wird sich fortsetzen, die Globalisierung und der technische Fortschritt werden un- zweifelhaft Schrittmacher für diesen irreversiblen Prozess sein. Die Entwicklung zu >>Medienkommunikationsparteien<<(Jun 1999: 476) ist dahingehend der notwendige Schritt, wollen die Parteien in der Mediengesellschaft nicht von der politischen ,,Bühne’’ verschwinden. Pointiert konstatiert Uwe Jun diesen Wandel folgendermaßen: >>Das Zusammenwirken einer Ausrichtung der Politik- und Personalangebote un die damit einhergehende Veränderungen der Organisationsstruktur bilden den Kern des Modells der Medienkommunikationspartei.<<(Jun 1999: 490).

5. Literatuverzeichnis

Monographien

Kamps, Klaus (1998): Die offene Gesellschaft und ihre Medien. Transformations- und Modernisierungsprozesse, ZV Zeitungs-Verlag Service, Bonn.

Plasser, Fritz (1987): Parteien unter Stress. Zur Dynamik d. Parteiensysteme in Österreich, d. Bundesrepublik Deutschland u. d. Vereinigten Staaten, Böhlau.

Sammelbände

Jarren, Otfried/Rudzio, Kolja (1994): Medien-Gewinne und Institutionen-Verluste?- Zum Wandel des intermediären Systems in der Mediengesellschaft, in: Jarren, Otfried (Hrsg.), Politische Kommunikation in Hörfunk und Fernsehen, Opladen.

Jarren Otfried (1998): Medien, Mediensystem und politische Öffentlichkeit im Wandel, in: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.), Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Bonn.

Jun, Uwe (1999): Forza Italia - Der Prototyp einer Medienkommunikationspartei?, in: Dürr, Tobias/Walter, Franz (Hrsg.), Solidargemeinschaft und fragmentierte Gesellschaft: Parteien, Milieus und Verbände im Vergleich, Opladen.

Meyer, Thomas (1999): Inszenierung und Rationalität, in: Schicha, Christian/Ontrup, Rüdiger (Hrsg.), Medieninszenierung im Wandel, Münster.

Oberreuter, Heinrich (1989): Mediatisierte Politik und politischer Wertewandel, in: Böckelmann, Frank (Hrsg.), Medienmacht und Politik, Berlin.

Oberreuter, Heinrich (1997): Medien und Demokratie. Ein Problemaufriß, in: Rohe, Karl (Hrsg.), Politik und Demokratie in der Informationsgesellschaft, Baden-Baden.

Plasser, Fritz (1989): Medienlogik und Parteienwettbewerb, in: Böckelmann, Frank (Hrsg.), Medienmacht und Politik, Berlin.

Sarcinelli, Ulrich (1994): Mediale Politikdarstellung und politisches Handeln: analytische Anmerkungen zu einer notwendigerweise spannungsreichen Beziehung, in: Jarren, Otfried (Hrsg.), Politische Kommunikation in Hörfunk und Fernsehen, Opladen.

Sarcinelli, Ulrich (1998): Parteien und Politikvermittlung: Von der Parteien- zur Mediendemokratie?, in: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.), Politikvermittlung und Demokratie in der Mediengesellschaft. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Bonn.

Schulz, Winfried (1987): Politikvermittlung durch Massenmedien, in: Sarcinelli, Ulrich (Hrsg.), Politikvermittlung. Beiträge zur politischen Kommunikationskultur, Bonn.

Ueckermann, R. Heinz/Weiss, Hans-Jürgen (1983): Agenda-Setting: Zurück zu einem medienzentrierten Wirkungskonzept?, in: Saxer, Ulrich (Hrsg.), Politik und Kommunikation, München.

Weitere Quellen

Walter, Franz: Fortschrittlichkeit der siebziger Jahre, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 13. Oktober 1995.

Jünemann, Elisabeth: Tugend muss sich wieder lohnen, in: Der Tagesspiegel vom 2. März 2001.

Fin de l'extrait de 14 pages

Résumé des informations

Titre
Parteien in der Mediengesellschaft
Université
University of Potsdam
Cours
Seminar: Volksparteien im Wandel
Note
1,7
Auteur
Année
2000
Pages
14
N° de catalogue
V103737
ISBN (ebook)
9783640021154
Taille d'un fichier
360 KB
Langue
allemand
Mots clés
Parteien, Mediengesellschaft, Seminar, Volksparteien, Wandel
Citation du texte
Rene Stüwe (Auteur), 2000, Parteien in der Mediengesellschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103737

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