Die Vertreibung der spanischen Juden (Sephardim) 1492


Élaboration, 2001

3 Pages


Extrait


Die Vertreibung der spanischen Juden (Sephardim) 1492

„ Hier leben die Juden glücklich [...] Unser Land ist fruchtbar, reich an Quellen, Flüssen und Zisternen [...] Unser König häuft Schätze von Gold, Silber und allerlei Kostbarkeiten an [...] Alle Herrscher der Welt [...] senden ihm Gaben, um sich sein Wohlwollen zu sichern... “ . Chaisdai ibn Schaprut (905-970)

1.) Juden in Spanien...

a) ...unter römischer/gotischer Herrschaft

Erste jüd. Siedlungen in Spanien vielleicht schon nach der 1. Tempelzerstörung durch Nebukadnezar (586 v. C.), Zuzug größeren Ausmaßes erst nach der zweiten Tempelzerstörung im Jahre 70.

Friedliches Zusammenleben mit der nicht-jüdischen Bevölkerung unter der römischen/ westgotischen Herrschaft.

586 Bekehrung des Gotenkönigs Rekkerad II. zum katholischen Glaube (vorher Arianismus1 ); Gotische Könige versuchen von nun an, religiöse Einheit ihres Herrschaftsgebietes herzustellen. Konsequenzen für jüd. Bevölkerung: feindliche Gesetzgebung, Demütigung, Vertreibung.

b) ...unter arabischer Herrschaft

711 Eroberung Spaniens durch die Araber. Juden sahen die Araber als Befreier an, halfen ihnen bei der Verwaltung der Städte. Auch später findet man Juden vor allem im Handel und der Verwaltung aber auch als Handwerker, Mediziner, Bauern.

Ab 10 Jahrhundert Beginn des „goldenen Zeitalters“ im Kalifat von Córdoba (Jelinek; Schubert: Seite 8): größter Wohlstand und kulturelles Niveau einer jüd. Gemeinde außerhalb Israels bis zum 18. Jahrhundert.

Das religiöse und kulturelle Zentrum des Judentums verlagerte sich nach dem Endes des babylonischen Gaonats 2 aus dem Orient nach Spanien (Akademien von Córdoba und Lucena).

Die Situation änderte sich abrupt, als zunächst die Almoraviden, später die Almohaden kamen (Mitte 12. Jahrhundert). Beide Völker waren unduldsamer gegenüber anderen Religionen; die Almohaden verlangten die Bekehrung der nicht-islamischen Bevölkerung. Der Großteil der Juden verließ daraufhin das isl. Spanien.

c) ...unter Herrschaft christlicher Könige

Im christlichen Spanien lebten zunächst nur wenige Juden, juristisch gesehen waren sie Teil der königlichen Kammer, persönliches Eigentum des Monarchen - eine Zwischenstellung zwischen Freien und Unfreien.

Mit der erfolgreichen reconquista wurde die große jüd. Bevölkerung im islamischen Spanien zu Untertanen der christlichen Könige (Mitte 13. Jahrhunderts war ganz Spanien bis auf Granada „zurückerobert“).

Für sie waren die Juden in vielerlei Hinsicht nützlich: Sie halfen, eine nicht-islamische Mehrheit herzustellen. Ihre arabischen Sprachkenntnisse halfen bei der Verwaltung, Verteidigung und Neuordnung der eroberten Gebiete.

⇒ Das Zusammenleben zwischen Juden und Christen

Fueros, Stadtrechte, regelten das Zusammenleben zwischen der jüd., isl. und christl. Bevölkerung in den eroberten Gebieten. Bemerkenswert ist, dass die Rechte der Juden nicht en bloc, sondern verstreut innerhalb der fueros festgehalten sind. Ein Indiz für Gleichberechtigung?

Juden lebten in Judenvierteln (juder í a/call), hier konnten sie die Religionsgesetze leichter einhalten. Das Leben innerhalb der Gemeinden wurde durch die Aljama 3 geregelt; ein hebräisches Gericht sprach Recht bei innerjüdischen Streitigkeiten.

Die jüdischen Gemeinden hatten das Recht, Synagogen zu errichten, ihre Mitglieder hatten auch das Recht auf Privat- und Grundbesitz (Felder und Weinberge).

Sephardim waren in allen Berufszweigen vertreten, im Geldhandel und als Mediziner (Maimonides) überproportional vertreten.

Alles Anzeichen für eine spirituelle und rechtliche Integration im Königreich.

Wie konnte es also im „Spanien der drei Religionen“ (Leroy: Seite 77) zu der Vertreibung der Juden gemäß des Ausweisungsedikts Isabellas von Kastilien und Ferdinands von Aragonien am 31. März 1492 kommen?

2.) 1492 Vertreibung aus Spanien

a) Ursachen und Gründe, sozialer Hintergrund

Vor der Ausweisung kam die Ausgrenzung: Die Kirche spielte in Spanien nach und nach eine größere Rolle; ab 13. Jahrhundert rückten Passion und der Tod Christi immer mehr in den Mittelpunkt religiösen Interesses; Juden als Gottesmörder.

Daneben antijüdische Argumente, die instrumentalisiert wurden (auch aus Rachsucht, Geldgier) und langsam Gehör beim einfachen Volk fanden: „Juden leihen Geld, nehmen Zins und Pfand und nehmen Christen somit die Lebensnotwendigkeiten. Juden ziehen Steuern und Zölle ein, regieren über Christen.“

Auch Ausschreitungen, Pogrome im Zuge der Pest (1348, 1361, 1375 und 1383); die Vorwürfe des Ritualmordes oder der Hostienschändung gelangten dagegen erst spät nach Spanien (1490).

Größte Eruption des aufkommenden antijüdischen Einstellung war der Pogrom 1391 von Sevilla, der sich auf ganz Nordspanien ausweitete und zur Verödung oder sogar der Auslöschung vieler juder í as führte.

⇒ Conversos4

Aufgrund dieses und weiterer Vorfälle beschlossen viele Juden, die Taufe einem möglichen Martyrium vorzuziehen.

Auch die „Disputationen“ zwischen christlichen und jüdischen Vertretern führten zu vielen Glaubenswechsel; Ihnen vorausgegangen waren eine Schwäche des jüd. Glaubens bzw. ein spiritueller Vefallsprozess (Jelinek; Schubert: Seite 11).

Im 15. Jahrhundert gab es dann innerhalb der christlichen Gesellschaft zwei Parteien: Altchristen und conversos.

Conversos genossen die Rechte der Christen, nahmen aber auch zum großen Teil noch am jüd. Leben teil (Sabbat, Beschneidung).

Zogen Neid und Unbill von beiden Seiten auf sich: sozial höher gestellt, „Kryptojuden“.

Kirche verfolgte das Ziel, aus den conversos gute Christen zu machen, Inquisitoren verfolgten Konvertierte wg. Häresie.

Alle Maßnahmen (Verfolgung, Errichtung abgegrenzter Judenviertel) fruchteten nicht. Letzte Konsequenz: Vertreibung aus Spanien per Dekret 1492: Juden hatten entweder drei Monate

Zeit, christlichen Glauben anzunehmen, sonst mussten sie das Land (ohne Geld, Gold und Entschädigung für Landbesitz) verlassen.

Thesen: Mögliche Motivationen für Vertreibungen:

a) Bürgertum begann Berufszweige für sich in Anspruch zu nehmen, die ehemals von Juden dominiert wurden. Eine Ausgrenzung/ Vertreibung der jüdischen Konkurrenz kam diesem Streben zugute.

b) Die Könige hatten nach Beendigung der Bürgerkriege und der beendeten reconquista (1492: Eroberung Granadas) den Wunsch nach einer religiösen Einheit des Reiches .

c) Conversos in hohen Ämtern wollten allen möglichen Anfeindungen die Grundlagen nehmen, indem sie die Vertreibung befürworteten.

Kommentiertes Literaturverzeichnis

Greive, Hermann: „Die Juden - Grundzüge ihrer Geschichte im mittelalterlichen und neuzeitlichen Europa“, Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, 1980. Ü bersichtswerk zur Einordnung in europäischen Kontext. Heimann-Jelinek, Felicitas; Schubert, Kurt: „Sparadim-Spaniolen - Die Juden in Spanien - die sephardische Diaspora“, Österreichisches-Jüdisches Museum in Eisenstadt, 1992. Gutes Ü bersichtswerk, breit gefächert. Henrix, Hans Hermann: „1492-1992: 500 Jahre Vertreibung der Juden Spaniens“, Einhard Verlag, Aachen, 1992. Inhaltlicher Schwerpunkt auf die Geschichte der Conversos.

Leroy, Béatrice: „Die Sephardim - Geschichte des iberischen Judentums“, Nymphenburger Verlags GmbH, München, 1987. Bestes und ausführlichstes Werk, sehr anschaulich und leicht verständlich.

[...]


1 Arianismus = nach dem Bischof Arius benannte „Irrlehre“: Dieser leugnete die menschliche Seele Christi.

2 Gaonat = Meint die jüdische Hochschulen in Babylonien, deren Leiter die jüd. Religionsgesetze deuteten.

3 Arabisch für Versammlung; Aljama sind das jüd. Pendant zur Munizipalität.

4 Im Volksmund wurden Konvertierte „ Marrana “ (Schweine) genannt, Juden nannten sie „ Anusim “ (Gezwungene).

Fin de l'extrait de 3 pages

Résumé des informations

Titre
Die Vertreibung der spanischen Juden (Sephardim) 1492
Université
University of Cologne
Cours
Einführungsseminar: Juden im Spätmittelalter
Auteur
Année
2001
Pages
3
N° de catalogue
V103772
ISBN (ebook)
9783640021499
Taille d'un fichier
340 KB
Langue
allemand
Mots clés
Vertreibung, Juden, Einführungsseminar, Juden, Spätmittelalter
Citation du texte
Thomas Kiechle (Auteur), 2001, Die Vertreibung der spanischen Juden (Sephardim) 1492, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103772

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