Filmkritik: Der Kuss der Spinnenfrau von Maren Meyer - FAQs
Was ist die Haupthandlung des Films "Der Kuss der Spinnenfrau"?
Der Film schildert die Geschichte von Valentin, einem linken politischen Gefangenen, und Molina, einem Mann, der wegen seiner Homosexualität inhaftiert ist. Die beiden teilen eine Gefängniszelle und entwickeln eine komplexe Beziehung, geprägt von Konflikten, Vertrauen und letztendlich Liebe. Molina, ein romantischer und fantasievoller Mensch, erzählt Valentin immer wieder Geschichten aus seinen Lieblingsfilmen, welche die Handlung des Films und seine innere Gefühlswelt spiegeln. Molina arbeitet heimlich als Spitzel für die Geheimpolizei, was die Beziehung der beiden Männer zusätzlich belastet.
Welche Charaktere sind im Film wichtig und wie werden sie dargestellt?
Valentin wird zunächst als harter, gefühlskalter Revolutionär dargestellt, der seine Männlichkeit betont. Molina hingegen erscheint zunächst als weich, weiblich und fürsorglich. Im Laufe des Films durchlaufen beide eine Entwicklung: Valentin wird gefühlvoller und erkennt Molinas Menschlichkeit. Molina offenbart seine Liebe zu Valentin und zeigt, dass seine Freundlichkeit nicht nur gespielt war. Beide Charaktere brechen mit den zu Beginn des Films aufgestellten Klischees von "typischem Mann" und "typischer Frau".
Welche Rolle spielen die "Filme im Film" in der Erzählung?
Die von Molina erzählten "Filme im Film" fungieren als Metaphern für Molinas emotionale Welt und seine Sehnsüchte. Sie spiegeln seine Identität, seine Hoffnungen und seine Liebe zu Valentin wider. Die Geschichten, insbesondere die vom "Kuss der Spinnenfrau", zeigen seine Isolation und sein Verlangen nach Zuneigung und Liebe. Die offenen Enden dieser "Filme im Film" lassen Raum für Interpretation und verstärken die Spannung.
Wie entwickelt sich die Beziehung zwischen Valentin und Molina?
Die anfängliche Abneigung und der Konflikt zwischen den beiden Männern wandeln sich im Laufe des Films zu einer tiefen Freundschaft und Liebe. Valentin lernt, Molinas Verletzlichkeit und sein inneres Leben zu schätzen. Molina, trotz seiner Spitzelrolle, entwickelt echte Zuneigung zu Valentin und riskiert sein Leben für ihn. Ihre Beziehung zeigt eine Entwicklung von Hass und Missverständnis zu gegenseitiger Wertschätzung und Liebe.
Wie endet der Film und welche Botschaft vermittelt er?
Der Film endet tragisch mit Molinas Tod. Er wird nach seiner Freilassung erschossen, während er versucht, Kontakt zu Valentins Organisation aufzunehmen. Valentin bleibt im Gefängniskrankenhaus zurück. Der Film hinterlässt Fragen nach dem Wesen von Liebe, Freundschaft, Identität und dem Überwinden von gesellschaftlichen Vorurteilen. Er hinterfragt Klischees von Männlichkeit und Weiblichkeit und zeigt die Komplexität menschlicher Beziehungen in extremen Situationen.
Welche Themen werden im Film behandelt?
Der Film behandelt zahlreiche wichtige Themen: die politische Unterdrückung, Homosexualität und gesellschaftliche Vorurteile, Männer- und Frauenrollen, Liebe und Freundschaft, Identität, das Überwinden von Klischees, und die Suche nach Glück und Erfüllung trotz widriger Umstände. Der Film regt zum Nachdenken über gesellschaftliche Normen und die Bedeutung von Menschlichkeit an.
Wie wird der Film von der Autorin bewertet?
Die Autorin lobt die überzeugende Darstellung der Charaktere und die spannende Handlung, die durch die ständigen Wendungen und die "Filme im Film" erzeugt wird. Sie betont die Realitätsnähe der Darstellung und die Aktualität der behandelten Themen, trotz des Alters des Films. Sie hebt insbesondere die psychologische Tiefe der Charakterstudien hervor und würdigt die Auflösung von Klischees im Laufe des Films.
Filmkritik: Der Kuss der Spinnenfrau von Maren Meyer
Inhaltsangabe mit einschließender Charakterisierung der Hauptpersonen und vorsichtiger Interpretation:
Was passiert, wenn ein linker Untergrundkämpfer und eine romantisch veranlagte Tunte eine Gefängniszelle teilen? Die Antwort gibt uns der Film „Kuss der Spinnenfrau“!
Der Film „Kuss der Spinnenfrau“ von 1985 wurde von Hector Babenco in den USA und Brasilien verfilmt.
Eine besondere Spannung bekommt dieser Film durch die unterschiedlichen Charaktere und Hintergründe der beiden Hauptpersonen Valentin und Molina.
Valentin ist ein linker politischer Gefangener, der sich mit seiner ganzen Seele dem Widerstand verschrieben hat.
Molina hingegen sitzt seine Strafe aufgrund seiner sexuellen Andersartigkeit ab, denn er liebt Männer und sieht sich selbst als Frau.
Während Valentin eine Kämpfernatur ist und seine männliche Härte mit aller Kraft im Gefängnis zu wahren versucht, indem er zum Beispiel seinen Körper mit Liegestützen trainiert, betont Molina seine weibliche Art, dadurch dass er nahezu mütterlich gegenüber seinem Mithäftling auftritt und sowohl sein Bett als auch sich selber mit bunten Stoffen schmückt. Da er eine romantische Natur hat und um die Langeweile zu vertreiben, beginnt er seinem Mithäftling seinen Lieblingsfilm zu erzählen. Bei diesem „Film im Film“ bekommt der Zuschauer schnell das Gefühl, dass Molina sich die Geschichte selbst ausdenkt oder sie zumindest immer so ausschmückt, wie es ihm gerade in den Sinn kommt. Es wir schnell deutlich, dass er selbst sich mit der weiblichen Hauptrolle dieses Films identifizieren möchte, denn er ahmt ihre Gestik und ihr Aussehen nach. Jene bewunderte Dame ist eine Sängerin, ein Star- wie Molina sie bezeichnet- mit Namen Leni. Molina beschreibt sie als wunderschön, stolz und edel. Während Molina sich auf die Liebesgeschichte in seiner Filmerzählung konzentriert, fällt Valentin sofort auf, dass es sich um einen Nazipropagandafilm handeln muss, da Leni sich z.B. in den „hübschen deutschen Werner“ verliebt, obwohl sie eigentlich Französin ist und die Deutschen im Krieg ihre Feinde sind... Valentin wird schnell wütend auf Molinas Schwärmerei für diesen Film und bekommt einen Wutanfall. Immer, wenn er das Gefühl hat, dass sich Molina sich nicht um die Politik schert, so wie er selber es leidenschaftlich tut, wird er wütend und greift Molina direkt verbal und einmal sogar körperlich an. In diesen Situationen wird deutlich, wer welche Rolle spielt, denn Molinas Reaktion ist das Weinen, so wie man es von einer „typischen Frau“ vielleicht erwartet. Auch wehrt er sich nicht gegen die Angriffe des schreienden und gewaltvollen Valentin, der hierbei ein bestimmtes Männerbild darstellt.
Dass der manchmal so sehr tobende Valentin doch „ein Herz“ hat, wie Molina an einer Stelle im Film auch selbst bemerkt, wird später deutlich. Zum Beispiel, als er beobachten muss, wie die Wärter einen anderen politischen Gefangenen nach der Folter in deine Zelle zurückbringen. In diesem Moment gehen seine Gefühle mit ihm durch und er beginnt zu toben. Zu einem späteren Zeitpunkt bekommt Molina durch vergiftetes Essen, das eigentlich für Valentin bestimmt war, schwere Magenkrämpfe und man sieht an Valentins Angst um Molina zum ersten Mal richtig, dass ihm dessen Gesellschaft doch mehr am Herzen liegt, als er sich zuvor hat anmerken lassen.
Doch auch das bisher so ungetrübte Bild des Molinas, mit dem der Zuschauer bis dahin fast automatisch sympathisierte, wird schnell zerstört. Man erfährt, dass diese fürsorgliche Person, die einen so sehr gefestigten Charakter zu haben und in ihrer Rolle als Frau vollkommen aufzugehen scheint, von den Geheimpolizisten, die gegen Valentins Untergrundorganisation ermitteln, benutzt wird, um ihn zu bespitzeln. Er soll versuchen, Valentins Sympathie zu erlangen, um so nützliche Informationen von ihm verraten zu bekommen. Im Gegenzug dafür wird Molina die Freiheit versprochen.
Nun beginnt ein Verwirrspiel und es wird erst später klar, dass Molinas Freundschaft und Freundlichkeit nicht nur gespielt ist, sondern dass er seine Spitzelposition sogar dazu ausnutzt, für beide gutes Essen zu besorgen. Molinas Verhalten wird für Valentin besonders hilfreich, nachdem er ebenfalls vergiftetes Essen bekommen hat und nur mit Molinas Hilfe wieder zu Kräften kommen kann. In jener Situation kümmert sich Molina tatsächlich wie eine Mutter um Valentin. Sein wahres Motiv für diese aufopfernde Fürsorge wird erst gegen Ende des Films klar: Er hat sich in Valentin verliebt. Im Laufe des Films erfährt man, dass Molina nur seine Mutter auf der Welt hat und dass er, was ihm fast das Herz bricht, noch nie eine glückliche Liebe erlebt hat. Da Molina ein so sehr gefühlsbetonter Mensch ist, flüchtet er aus der für ihn nahezu unerträglich werdenden Realität immer wieder in seine Phantasien; in die selbsterdachten Filme, bei denen Valentin schnell die männliche Hauptrolle spielt...
In seiner zweiten und gleichzeitig letzten Filmerzählung hat sich dann ein eindeutiger Wandel vollzogen. Molina erzählt von dem „Kuss der Spinnenfrau“, wobei er sich offensichtlich wieder mit der weiblichen Hauptrolle der im eigenen Netz gefangenen einsamen Spinnenfrau identifiziert, gespielt übrigens von derselben Schauspielerin, die auch schon Leni darstellte. Man kann sehr leicht das Netz als Molinas männlichen Körper interpretieren, indem er sich als eigentliche Frau ebenso gefangen fühlt. Und auch das einsame Dasein der Spinnenfrau auf einer Insel steht symbolisch für Molinas Gefühl, niemanden auf der Welt zu haben. Doch auch seine Hoffnungen spiegeln sich in seiner Erzählung wider. Denn die Spinnenfrau findet und verliebt sich in einen Schiffbrüchigen, der im Film und wohl in Molinas Vorstellung von Valentin dargestellt wird. So hofft anscheinend auch Molina auf die Erlösung durch Valentin. Diese bisher nur indirekte Offenbarung seiner Liebe wird in Molinas letzter Nacht im Gefängnis zu einem Geständnis.
In Valentin hat sich bis dahin ein eindeutiger Wandel vollzogen. Während seiner Magenkrämpfe lernt er Molinas Art schätzen. Durch dessen Unterhaltung und das Abgeben des guten Essens bildet sich eine starke Vertrauensbasis zwischen beiden. Zuerst gegen seinen Willen von Molinas Filmerzählungen fasziniert, vertraut er sich nun viel offener seinem Freund an und gesteht ihm sogar, dass er gegen seinen Willen in ein reiches Mädchen aus der Oberschicht verliebt ist. Die vorherige Hartherzigkeit weicht- wenigstens für kurze Zeit- einem weichen Kern. Seine zunächst entfremdete Reaktion auf Molinas Art weicht einem gewissen Verständnis.
Der Wandel von Valentin zu einem gefühlvollerem Menschen mit sogar ein wenig Verständnis für Molina und von letzterem vom Spitzel zum Freund gipfelt in der letzten gemeinsamen Nacht darin, dass beide, nachdem Molina Valentin seine Liebe gestanden hat, die Nacht zusammen verbringen und sich am nächsten Tag zum Abschied umarmen und küssen. Doch dieser Wesensveränderung geht noch weiter: Molina lässt sich von Valentin überzeugen, eine Nachricht an die Untergrundorganisation weiterzugeben und führt dieses nach einigen Tagen Freiheit auch aus, von den Geheimnissen, die Valentin ihm anvertraut hat, verrät er selbstverständlich keins. Der Film endet damit, dass Molina nach seiner Freilassung beschattet wird und bei dem Versuch, einen Kontaktmann aus Valentins Organisation zu treffen, erschossen wird.
Als Zuschauer kann man nur vermuten, dass Molina trotzdem einen glücklichen Tod hatte; doch diese Frage bleibt offen.
Valentins Geschichte endet im Gefängniskrankenhaus. Dort träumt er nach einer Dosis Morphium glücklich von seiner Geliebten und denkt sogar im Traum noch an seinen Freund Molina.
Meine Beurteilung des Films:
Mich hat an diesem Film besonders die Charakterstudie der beiden doch sehr unterschiedlichen Hauptpersonen beeindruckt, die sich in ihrer Zeit im Gefängnis doch immer mehr einander annähern, bzw. voneinander lernen.
Molina bringt seine Rolle als „wunsch-weiblicher“ Mann sehr überzeugend vor und auch Valentin wird in seinen Wut-, aber auch in seinen Gefühlsausbrüchen sehr gut dargestellt. Besonders die Darstellung der Konflikte zwischen den so unterschiedlichen Männern, die sich eigentlich trotzdem mögen lernen, hat mich sehr beeindruckt.
Der Film lebt nicht von teuren Spezialeffekten, sondern wird dadurch spannend, dass er zunächst Klischees aufstellt, wie z.B. das Bild von Valentin als gefühlslosen typischen Mann oder von Molina als die typisch verweichlichte und mutlose Tunte, die dann später wieder, wie oben beschrieben, zerstört werden.
Das Männer- bzw. Frauenbild, das beide zu Anfang des Films anscheinend darstellen sollen, wird im Laufe des Films anhand der mehrfachen Wendungen immer aufs Neue vernichtet. Immer, wenn der Zuschauer gerade beginnt, mit einem der beiden Männer zu sympathisieren, kommt im Anschluss sicher eine Szene, in der sich diese Vorliebe wieder erledigt und oder zu dem anderen Charakter wechselt. Teilweise liegt die Sympathie aber auch bei beiden gleichmäßig verteilt und an anderen Stellen kann man mit keinen von beiden sympathisieren. Durch diese ständigen Wechsel bekommt der Film etwas sehr Realistisches, denn ich denke, dass es immer so ist, dass Menschen sich in Extremsituationen wie dieser sich oft nicht so verhalten, dass man sie unbedingt sympathisch findet.
Eine weitere Besonderheit des Films sind die bereits angesprochenen „Filme im Film“, die immer wieder in kurzen Episoden zwischen die Haupthandlung geschnitten sind. Da man als Zuschauer immer wissen möchte, wie der Film, den Molina gerade erzählt weiter- bzw. ausgeht, besteht eine stetige Spannung. So ist es schon fast enttäuschend, wenn diese Spannung zum ersten Mal aufgehoben wird und Leni und Werner als glückliches Paar enden. Die Bedeutung des zweiten Films als Spiegel von Molinas Seelenleben wird wohl noch dadurch zusätzlich betont, dass Molina nicht mehr dazu kommt, ein Ende zu erzählen. Das
Ende muss sich der Zuschauer selber ausdenken... Ich halte das für eine sehr gute Lösung, da sich ja auch im richtigen Leben der Filmhelden keine Lösung ergibt. So bleibt für jeden die Hoffnung, sich ein „Happy End“ zu erträumen, so wie es Molina sicher auch getan hätte.
Obwohl ich abschließend sagen kann, dass mir der Film sehr gut gefallen hat und dass ich ihn weiterempfehlen würde, halte ich doch die Thematik an sich für nicht mehr so aktuell, wie sie vielleicht zum Entstehungsdatum des Films einmal gewesen ist. Ich denke, dass sich gerade im Bereich der Tolerierung von Menschen, die sexuell „nicht normal“ sind, in den letzten Jahren viel getan hat. Auch sind die typischen Frauen- und Männerbilder lange nicht mehr so stark in den Köpfen wie früher. Wo in den 80er Jahren noch gekämpft werden musste, ist heute kaum noch Diskussionsbedarf.
Doch abgesehen von dieser Problematik bietet der Film ja noch viel mehr: es geht auch um Freundschaft, Ehre, Mut, Identifikation mit Helden und um viele weitere Probleme oder Themen, die vermutlich immer aktuell bleiben werden.
Insofern ist also der Film auch heute noch sehr sehenswert.
- Arbeit zitieren
- Maren Meyer (Autor:in), 2001, Filmkritik: Kuss der Spinnenfrau, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103824