Fremde Körper schreiben. Körperwahrnehmung bei Jackie Thomae und Olivia Wenzel


Master's Thesis, 2020

66 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Überblick

Kapitel 1: Fremdes schreiben
1.1 Schwarze deutsche Literatur(wissenschaft) und Critical Whiteness Forschung
1.2 ‚the body not at home‘ als Lesart
1.3 Grenzen und Transgressionen

Kapitel 2: Jackie Thomae - Brüder (2019)
2.1 Grenzen und Transgressionen in Stilmitteln und Motiven
2.2 Zuhause ist nirgendwo – Varianten des (sich) Fremdseins
2.3 Autonomie, Autoprophetie, Architektur und die Grenzen des Selbst

Kapitel 3: Olivia Wenzel - 1000 Serpentinen Angst (2020)
3.1 Alles Banane? Allegorien des triple consciousness
3.2 „Mein Herz ist ein Automat aus Blech“ - Orientierungsverlust und erweiterte Selbstwahrnehmung
3.3 Exkurs: „ Es fehlt: of colour “– Trauma als Fremdkörper und weiße Therapieräume
3.4 (Re)Generationen der Angst

Kapitel 4: Unter dem Bruchstrich

Literaturverzeichnis

Abstract

Die Arbeit beschäftigt sich mit der Frage nach der Wahrnehmung und Verortung des Körpers in privaten und öffentlichen Räumen. Hierbei stehen Fremdheitserfahrungen, bei denen der eigene Körper als ‚anders‘ markiert wird und an Grenzen stößt, im Vordergrund. Diese sollen auf der Grundlage von Sara Ahmeds phänomenologisch-soziologischer Theorie, sowie Texten der Kritischen Weißseinsforschung an zwei zeitgenössischen Romanen afro-deutscher Autorinnen (Jackie Thomaes Brüder (2019) und Olivia Wenzels 1000 Serpentinen Angst (2020)) analysiert werden. Anhand von Schlüsselszenen beleuchte ich, wie sich die Protagonist_innen selbst erleben, wie sie ihre und andere Körper wahrnehmen und beschreiben und dabei durch unterschiedliche Perspektiven und Handlungen subtil bis traumatisch beeinflusst werden. Welche emotionalen und sozialen Störungen haben ihre Erfahrungen zur Folge, wie werden sie sich selbst fremd und wie versuchen sie, Selbstbestimmung und Zugehörigkeit zu erlangen? In welchen Räumen und mithilfe welcher (Raum)Metaphern und narrativen Stilmittel finden diese Grenzerfahrungen und Entgrenzungen statt? Welche Irritationen und Alteritätserfahrungen entstehen dadurch für die Leser_innen und welche affektiven Potenziale stecken in diesen Momenten der Entfremdung und Desorientierung?

Überblick

Innerhalb der gegenwärtigen Diskussion um Fremdenfeindlichkeit, Migration und Geflüchtete, der erstarkenden Heterophobie, und der Entfremdung, die die außergewöhnliche Herausforderung der momentanen sozialen Distanz mit sich bringt, verortet sich auch diese Arbeit. Analog zu nationalen und individuellen Körper- und Hygienediskursen, Selbst- und Fremdheitskonstruktionen, Erfahrungen der Angst und Projektionen werden verwandte Denkmuster, sowie die ihnen zugrunde liegenden hegemonialen Machtstrukturen und vor allem ihre Wirkung auf die phänomenologische Wahrnehmung von Körpern hinterfragt und an zeitgenössischen Romanen untersucht.

Als theoretische Grundlage verwende ich Sara Ahmeds phänomenologisch-kulturkritische Forschungen zur Funktion und Wirkung gesellschaftlicher Differenzkonstruktionen, sowie zur Selbst- und Fremdwahrnehmung von Individuen mit intersektionalen Lebensrealitäten (die vor allem ‚mixed-race‘-Erfahrungen und nicht-heterossexuelle Orientierung betreffen). In ihren Publikationen Home and Away. Narratives of Migration and Estrangement (1999), Strange Encounters : Embodied Others in Post-Coloniality (2000) und A Phenomenology of Whiteness (2007) orientiert sie sich an den phänomenologischen Kernthesen Maurice Merleau-Pontys und Edmund Husserls, sowie den postkolonialistischen Thesen Frantz Fanons, um die Erfahrung nicht- weiße r Körper innerhalb einer sich als hegemonial weiß1 (re)produzierenden Gesellschaft zu untersuchen.

Im zweiten und dritten Kapitel möchte ich Ahmeds ‚the body not at home‘ Konzept als Lesart anwenden und Momente der Queer Phenomenology, in denen Körper „out of place“2 wahrgenommen werden, in Schlüsselszenen aufgreifen. Eben diese Momente der Desorientierung und der Instabilität gewohnter Denkmuster, den Brüchen mit der eigenen Bewegungs- und Handlungsfreiheit, spricht sie das Potenzial zu, Bewusstsein über Körpererfahrung und Produktionen des Fremden zu schaffen. Diese können dann strategisch und kritisch in ihrer Eigenschaft als Räumlichkeiten und Raumwahrnehmungen thematisiert und besser verstanden werden.

Was die beiden ausgewählten Romane verbindet, sind ihre zentralen Themenkomplexe: Subjektdiskurse zwischen unterschiedlichen alltäglichen Körperwirklichkeiten, räumlichen Verortungen und gesellschaftlichem Wandel. Sie sind durchzogen von sinnlichem und emotionalem Erleben und Verdrängen der Protagonist_innen, der Anwesenheit, dem Verschwinden und der spürbaren Abwesenheit anderer Körper, dem Zusammenbruch historischer Staatskörper, Körpermetaphern und allegorischen Beziehungen zwischen individuellen und intersubjektiven Grenzerfahrungen. Sie vermischen und kontrastieren (Erzähl)Perspektiven auf Fremdes und Eigenes und lassen ihre Protagonisten auf unterschiedlichen Wegen Orientierung und Kontrolle verlieren, während diese versuchen, Herkunft, Erinnerung, Geschichte, generationale und biographische Konflikte zu verbinden. Die einzelnen Kapitel der Arbeit ergänze ich durch Texte aus der Critical Whiteness Forschung, identitätsphilosophische und -psychologische Erkenntnisse zur Subjektkonstruktion und Ahmeds Theorien zur affektiven Ökonomie.

Vor allem fiktionale Narrativen von Migration und Entfremdung im Gesellschaftsroman, verfasst von Autor_innen der deutsch-afrikanischen Diaspora sind bis heute vergleichsweise selten. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Texten konzentriert sich auf postkoloniale, historische, soziologische und erziehungswissenschaftliche Fragestellungen. Die scheinbare Unvereinbarkeit von Schwarz-Sein und Deutsch-Sein, dem daraus resultierenden Konflikt der Identitätsverhandlung und einem fehlenden Zugehörigkeitsgefühl werden zwar auch in der vorliegenden Arbeit thematisiert, sollen aber durch den Blick auf narrative Stilmittel und die phänomenologische Perspektive Sara Ahmeds erweitert werden. Bietet doch auch der zeitgenössische Roman einen Spielraum für allegorische Möglichkeiten, mit denen hybride Empfindungszustände thematisiert und vielfältig beleuchtet werden können, die sich sonst schwer theoretisieren oder versprachlichen lassen.

Letztendlich möchte ich mit dieser Arbeit ebenso das subversive Potenzial einer Lektüre aufzeigen, die ambivalente Erfahrungen von Identität und Körperwahrnehmung auf mehreren Ebenen anbietet, aber auch auf blinde Flecken und die Gefahr einer vergleichenden und relativierenden Narrative von Diaspora- und Migrationserfahrungen sei im letzten Kapitel hingewiesen.

Kapitel 1: Fremdes schreiben

1.1 Schwarze deutsche Literatur(wissenschaft) und Critical Whiteness Forschung

Die Forschungsrichtung Critical Whiteness3 Studies kann als Epistemologiekritik verstanden werden, die sich mit sämtlichen Minderheiten in ihrem Verhältnis zu whiteness 4 als hegemonialem Diskurs der westlichen Moderne beschäftigt.5 Ihre Kernthese erklärt Weißsein zu einer unmarkierten Norm, von der aus Differenz konstruiert wird. Der Fokus wird verschoben und Weißsein als Agens, als Subjekt von Rassialisierungsprozessen und Bedeutungszuweisungen sichtbar gemacht.6 Rassismus wird als gesellschaftliches Machtverhältnis (demnach diskursiv konstruiert) verstanden, in dem Weißsein die hegemoniale Position einnimmt und konstitutiv für das Selbstverständnis ‚des Westens‘ in weiße n Mehrheitsgesellschaften ist.7 Critical Whiteness thematisiert und problematisiert Weißsein als Wissenskategorie, sowie weiße Identitätskonstruktionen, hinterfragt westliche Narrative, herrschende Normen und deren Imaginationshoheit. Critical Whiteness hat seine Ursprünge im englischsprachigen Raum in den 1980er Jahren durch Audre Lorde, bell hooks, Toni Morrisson und Sander L. Gilman. Susan Arndt übersetzt die Forschungsrichtung, die zeitgleich auch in Deutschland verwandte Theorien entwickelt, in Kritische Weißseinsforschung.8 Dabei handelt es sich nicht nur um einen Begriffs-Import, denn bestimmte Machtverhältnisse, Markierungsprozesse und Differenzproduktion gelten gleichermaßen für Deutschland.9 Die Geschichte Schwarzer Deutscher ist keine reine Migrationsgeschichte, sie findet ihren ersten Höhepunkt in den deutschen Kolonien, reicht somit bis in das 18. Jahrhundert zurück. Die Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte und des Nationalsozialismus ist demnach konstitutiv für die stereotypen Bilder, die bis heute reproduziert werden und wirken. Im deutschen Kontext entsteht die Kritische Weißseinsforschung aus der Frauenbewegung der BRD heraus10, wird parallel aber auch durch Audre Lordes US-Amerikanische Perspektive auf Rassismus innerhalb der Frauenbewegung ergänzt (Lorde unterrichtete an der FU Berlin. Unter ihren Studentinnen war derzeit May Ayim). Trotz der neuen deutschen Frauenbewegung beschränkte sich auch die Frauenforschung in den 1990er Jahren auf zur Mittelschicht gehörende weiße Frauen. Perspektiven Schwarzer Frauen und Migrantinnen wurden nicht einbezogen, Rassismus- und Ethnizitäts- bzw. Ausgrenzungsdiskurse jahrelang nicht als strukturelles Problem wahrgenommen. Innerhalb der feministischen Migrationsforschung wurden Denkmuster der Rassenlehre zwar nicht mehr explizit vertreten, neuere Rassismen wie kulturelle Differenz und Ethnizität allerdings stereotyp und hierarchisiert weiterproduziert.11

Zu den theoretischen Arbeiten, durch die erstmals eine Neu- und Selbstverortung Schwarzer Deutscher in die deutsche Geschichte und Gegenwart ermöglicht wurde, gehören die Diplomarbeit May Ayims (1984) zur afro-deutschen Geschichte und Gegenwart, Diana Bonnelamés Dissertation über Initiationsverfahren weißer evangelischer Jugendlicher (1983) und weitere erziehungs- und sozialwissenschaftliche Beiträge von Katja Kinder, Jasmin Eding, Ria Cheatom und Yara Colette Lemke Muniz de Faria. Auch die veröffentlichte Magisterarbeit von Katharina Oguntoye (1997), eine empirische Forschung zu afro-deutschen Familiengeschichten zwischen 1884-1950 lieferte wichtige historische Erkenntnisse über Schwarze deutsche Identitäten. Die Dissertation von Maureen Maisha Eggers (2005) und die Abschlussarbeit von Jeanette Sumalgy (1996) theoretisieren die Situation von Schwarzen Kindern und Schwarzen Jugendlichen in DDR und BRD. Die Arbeiten der Kulturwissenschaftlerin Peggy Piesche zu Schwarzen (Deutschen) in der DDR, zu Schwarzen in DDR-Comics, und zu weißer Identitätskonstruktion durch Schwarze Figuren in deutscher Literatur, wie auch in DEFA-Filmen geben Aufschluss über den programmatischen Umgang mit Migration und Rassismus im DDR-Sozialismus.12 Als Hauptwerk und wegbereitender Meilenstein der selbstermächtigten Geschichtsschreibung Schwarzer Frauen in Deutschland gilt der Sammelband Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte (1986) von Oguntoye, Ayim und Schulz. Erstmalig wurde damit eine Anthologie von Selbstzeugnissen, Fotos, Gedichten, Gesprächen und wissenschaftlichen Publikationen zur Gegenerinnerung veröffentlicht. Angefangen mit der Lebensrealität Schwarzer Deutscher im Kolonialismus, über Schwarze US-Soldaten im zweiten Weltkrieg, über die Vertragsarbeit und die (verfehlte) Integrationspolitik der DDR, den Mauerfall, hin zur Bedeutung für die gegenwärtige Wahrnehmung Schwarzer Deutscher, bildet der Band eine Wissensarchiv, das es möglich machte, auch im deutschen Kontext die Historizität und Geschichten Schwarzer Menschen seit dem 18. Jahrhundert aufzuarbeiten. Vor allem seit den späten 1980er Jahren, bildeten sich Afro-deutsche Interessengruppen die sich zunehmend öffentlich äußerten (ADEFRA und ISD)13. Stimmen von Aktivist_innen in akademischen Texten und literarischen Zeugnissen wurden lauter und nach dem Mauerfall konnten weitere Begegnungen und Austausch zwischen Schwarzen Ost- und Westdeutschen stattfinden.14 Der 2005 erschienene Band Mythen, Masken und Subjekte - Kritische Weißseinsforschung in Deutschland von Maureen Maisha Eggers, Grada Kilomba, Peggy Piesche und Susan Arndt vereint die prägendsten Texte der kritischen Auseinandersetzung mit Weißsein als Kategorie und dem postkolonialen Diskurs in Deutschland aus einer größtenteils Schwarzen Perspektive. Hierin finden sich interdisziplinäre Beiträge und hegemonialkritische Debatten um Rassismus, Feminismus sowie (Post)Kolonialismus, sowie die Fokusverlagerung auf das sonst unmarkierte Weißsein und den weiße n Blick in institutionellen Disziplinen wie der Geschlechterforschung (Eske Wollrad), der Philosophie (Arnold Farr), der Kulturwissenschaften (Carsten Junker) oder auch der Psychologie (Timo Wandert/Randolph Ochsmann). Weitere, die Thematik ergänzende Sammelbände sind TheBlackBook (2004) und Black Berlin (2013). Seit Anfang der 2000er Jahre etabliert sich die Kritische Weißseinsforschung in Deutschland zu einem eigenständigen Forschungsfeld, Lehrveranstaltungen zur Critical Whiteness Theory und Postkolonialismus sind mittlerweile zwar vermehrt zu finden15, allerdings ist die minimale Präsenz von Wissenschaftler_innen und Dozent_innen of Colour, vor allem jenseits der Forschungsfelder Rassismus und Postkolonialismus bis heute zu beklagen16 und verweist auf weitere intersektionale Problematiken. Aktuell beschäftigt sich die auf Deutschland bezogene Rassismusforschung mit historisch und postkolonialen Verankerungen von Alltagsrassismen. Ergänzt durch die Critical Whiteness Forschung hat sie sich mittlerweile zu einem schwer überschaubaren Forschungsfeld entwickelt, das Rassismen sowohl empirisch, als auch in Kombination mit kritischen Theorien, Postkolonialen Theorien, Cultural Studies, Erziehungswissenschaften, Psychologie und Soziologie als weitgefächertes, gesamtgesellschaftliches Phänomen untersucht.17 Die Erfahrungen der afrikanischen Diaspora Deutschlands werden außerdem erweitert durch den kritischen Okzidentalismus und verwandte Migrationskontexte und Hybriditätsdiskurse anderer rassifizierter Minderheiten.

Innerhalb der nicht wissenschaftlichen Schwarzen deutschen Literaturtradition ist die Anzahl autobiographischer Romane afro-deutscher Autor_innen überschaubar. Die Werke verhandeln entweder die Zerrissenheiten der Jugend und der Lebenserfahrungen im Nachkriegsdeutschland,18 oder das Aufwachsen als ‚Mischlingskind‘ in der in der DDR, der BRD und weitere Einflüsse auf Alltag und Lebenswege.19 Unter der Kategorie rassismuskritischer ‚Servicebücher‘20 zur Geschichte und Gegenwart des Rassismus in Deutschland aus afro-deutscher Perspektive finden sich die auch aktuell wieder relevanten Veröffentlichungen von Alice Hasters, Anne Chebu, Tupoka Odette oder Noah Sow. Neben Lyrik,21 Sammelbänden mit Poesie und Kunst,22 gibt es nur wenige nicht lebensgeschichtliche, fiktionale Romane Schwarzer Deutscher. Zu nennen sind hier Noah Sows Die schwarze Madonna (2019), Biskaya (2016) von SchwarzRund, Krimis von Melanie Raabe und John Eichler und die in dieser Arbeit diskutierten Werke.

1.2 ‚the body not at home‘ als Lesart

In diesem und dem folgenden Kapitel sollen Grundlagen, Methodik und Grundbegriffe der Arbeit eingegrenzt und erläutert werden, um sie greifbar und auf die Romantexte anwendbar zu machen. Dem zugrunde liegen soll die Frage danach, wie ‚Fremdes‘ entsteht und wie es sozial, aber auch subjektiv erfahren wird.

Sara Ahmeds Herangehensweise23 an die kritische Weißseinsforschung orientiert sich an der Wahrnehmungsphänomenologie Maurice Merleau-Pontys, die von einer primär-leiblichen Wahrnehmung des Selbst und der Welt, der Räumlichkeit des Körpers und dem durch Gewohnheiten geprägten Handeln des Körpers ausgeht.24 Diese Wahrnehmung ist dadurch immer eine perspektivische und wird interaktiv und unreflektiert, teils unbewusst im alltäglichen Leben praktiziert.

In ihrem Artikel “A Phenomenology of Whiteness” bezieht sie sich auf die durch Edmund Husserl geprägte klassische Leibauffassung der phänomenologischen Erkenntnistheorie. Husserl fragt nach der Wahrnehmung von Gegenständen und Räumen und geht dabei von einem Optimalmodus zwischen Leiblichkeit und Weltbeziehung aus. Während er die leibliche Orientierung als den Nullpunkt des Bewusstseinsaktes voraussetzt, von dem aus die alltägliche Lebenswelt (soziale Wirklichkeit) wahrgenommen und navigiert wird,

hinterfragt und ergänzt Ahmed diese beiden ontologischen Vorannahmen und mentalen Einstellungen einer primären, präreflexiven Erfahrungsebene und verweist darauf, dass Normativität soziohistorisch geprägt, kulturell erlernt und vererbt ist.25

Sie geht von Weißsein als einer realen, aber unsichtbaren, da nicht markierten, sozialen Erfahrungskategorie aus. Ihre selbsterklärte Absicht ist es, ein erweitertes Vokabular für das konkretere Verständnis von Weißsein anzubieten,26 das sich auf die räumliche Erfahrung von Körpern bezieht. Somit auch für die Wahrnehmung dessen, was als fremd aufgefasst wird. Jegliche Vorstellungen von Körpern und deren (Be)Deutungen basieren stets auf gesellschaftlichen Normalisierungsprozessen. An den Intersektionen von postkolonialen, migrationsontologischen, feministischen und Queer-Theorien untersucht sie die Konstruktionen der Figur des Fremden und die gesellschaftlichen Machtverhältnisse, die sich dadurch in Körpern manifestieren.

Weißsein lässt sich mithilfe der Phänomenologie als eine Form der sozialen und körperlichen Orientierung verstehen, ein Nullpunkt, von dem aus auf die Welt geblickt wird bzw. die Welt sich entfaltet.27 Orientierung bestimmt darüber, welche Wege wir einschlagen28 und welche Dinge (dazu zählt sie nicht nur physikalische Objekte, sondern auch Möglichkeiten der individuellen Lebensentfaltung, wie „styles, capacities, aspirations, techniques, habits“29 ) sich in unserer Reichweite befinden. Der phänomenologische Ansatz ermöglicht die Rekonstruktion und Verdeutlichung von Weißsein als einem Effekt von Rassifizierung, die ebenfalls die Handlungsfreiheit von Körpern beeinflusst.

Die habituelle Selbstverständlichkeit und Vertrautheit, mit der sich weiße, hetero- und anderweitig normative Körper in sozialen Räumen bewegen und von der auch Husserl ausging, steht häufig in starkem Kontrast zu den körperlichen Erfahrungen von Nicht-weißen. Doch soziale Ausschlüsse können sich ebenso aus individuellen Erfahrungen, lokalen, geschlechts-, klassen- und ethnizitätsspezifisch-familiären Unterschieden ergeben.30 In jedem Fall beeinflussen sie die Bewegungs- und Handlungsfreiheit, die Selbst- und Fremdwahrnehmung, sowie die Orientierung in und die Wahrnehmung von Räumen. Dabei ist der weiße Körper der Körper, der im Modus Weißsein operieren kann,31 der „body-at-home“32. Als solcher empfindet er Zugehörigkeit durch ein Gefühl von „comfort“ und „feeling at ease“33 in seiner Umwelt. Sara Ahmed geht davon aus, dass ein Körper sich in der Welt zuhause fühlt, wenn er sich in dieser orientieren kann, sich in ihr bewegen kann, ohne dabei von anderen gehindert zu werden und wenn er sie aktiv und ohne negative Reaktionen hervorzurufen, mitgestalten kann. Genau diese Möglichkeiten sind für Menschen, die durch ihr Aussehen, ihre Sexualität und/oder andere Faktoren von den Körpern der Mehrheitsgesellschaft abweichen, eingeschränkt.

‚Away‘ bzw. ‚out of place‘ und ‚the body not at home‘ sollen allerdings nicht als Oppositionen zu ‚Home‘ verstanden werden. Die Erfahrung des Zuhause-seins ist nämlich nicht ohne Begegnung mit dem Anderen und Fremden möglich. „Home“34 ist kein statischer Raum, sondern komplex, kontingent und durch mehrere mögliche Faktoren bestimmt: „home is where one usually lives, home is where one’s family lives or home is one’s ‘native country‘“35. Aber nicht nur das, denn Zuhause beinhaltet auch körperliches, räumliches, vor allem aber ein zutiefst affektives Empfinden, in dem sich Gerüche, Geräusche, gelebte Erfahrung und die Erinnerung an Gefühltes und Erlebtes vermischen.36 Besonders Erinnerungen sind als Zugehörigkeitserfahrungen, immer auch raumspezifisch zu betrachten. Diese Aspekte werden anhand von Erinnerungen und Perspektivwechsel in den beiden Romanen noch detaillierter betrachtet.

Neben den auf sozio-kultureller Herkunft basierenden gesellschaftlichen Fremdheitskonstruktionen in Strange Encounters, untersucht Ahmed in Queer Phenomenology nicht-normative Körper an den Intersektionen von Geschlecht und sexueller Orientierung. Ahmed begreift und denkt hier ‚queerness‘ als eine räumliche Bezeichnung, die quer-sein oder schräg-sein als Gegensatz zu ‚straight‘ setzt. Intersektionen sind dabei Kreuzungspunkte mehrerer Linien, unter denen Weißsein nur eine von vielen ist.37 Der soziale Raum, seine Normen und Konventionen werden also als ein Netz aus Linien gedacht.38 Sie beschreibt Weißsein und andere normative Orientierungspunkte (heterosexuell, männlich, körperlich gesund) als richtungsweisendes Kraftfeld, als gerade Linien oder auch lineares Raster. Durch internalisiertes, wiederholtes Verhalten, institutionelle Praktiken, soziale und individuelle Gewohnheiten verankert, werden Körper in bestimmte Richtungen gewendet.39 Auch sexuelle Orientierung wird als Orientierung im Raum verstanden. Mit dem Verweis auf Edward Saids Orientalismus (1978) muss allerdings berücksichtigt werden, dass im Wort ‚Orientierung‘ bereits ‚Orient‘ als Negativkonstruktion mitklingt, ein Gegenbild zur eigenen, überlegenen Identitätskonstruktion des Westens.

Wie werden fremde Körper also wahrgenommen? Sara Ahmed legt die These zu Grunde, dass bestimmte Körper (vor allem in zeitgenössischen Diskursen der Globalisierung und des Multikulturismus) anders als andere wahrgenommen werden und ergründet die Umstände und Prozesse, in denen diese fremden Körper als solche produziert werden.40 Bspw. der ‚Fremde‘ als ‚body out of place‘ und Gefahr oder seine Fetischisierung. Hierbei bezieht sie sich des Weiteren auf Marx‘ Warenfetisch. Bekanntes und Fremdes wird immer innerhalb eines gesellschaftlichen Systems verhandelt. Ahmed beschreibt Fremdheitskonstruktionen grundlegend als Markierungen (innergesellschaftlich) bekannter Subjekte als ‚fremd‘ und somit Nicht-Zugehörig oder unerwünscht. Dieses Markiert-sein setzt sowohl ein Erkennen als auch eine Zwangsbeziehung zwischen der weißen Norm und den als ‚fremd‘ oder ‚anders‘ konstruierten Subjekten voraus, die hegemonial und hierarchisch funktioniert. Eine Norm, die über Inklusion und Exklusion entscheidet. Der Fremde muss also paradoxerweise bekannt sein41 und entsteht erst in unmittelbarer Nähe.42 Auch hier stößt man auf ein Ideal und seine negative Definitionsschablone, eine durch Weißsein definierte Phantasie, bzw. Markierungs- und Positionierungspraktiken die beständig reproduziert und aktualisiert werden. Diese Auffassung heben auch Eggers und Mecheril43 innerhalb der Critical Whiteness und Migrationsforschung, sowie Sozialpsychologie als basale Funktionsweise von rassistischen Macht- und Wissenssystemen hervor.

Auf race 44 basierende Fremdheitserfahrungen sind somit auch ein grundsätzlich ‚queeres‘ Phänomen. Auf die Funktion und Wirkung von Rassismus und Heterophobie, auch im Hinblick auf die Auswirkungen auf Protagonist_innen der Romane wird in den Kapiteln zwei und drei noch genauer eingegangen. Sie bieten für die Analyse hybrider Erfahrungen eine ideale Vorlage. Hier kollidieren sozio-kulturelle Orientierung mit Rassismus und Fragen der Sexualität und der Geschlechterrollen, die ein ständiges Verhandeltwerden des eigenen Körpers, Handelns, der Identität und des zwischenmenschlichen Verhaltens erfordern. Es finden sich Variationen des ‚Dazwischen-seins‘45, des Gefühls, zuhause fremd und ‚out of place‘ zu sein. Der Fokus bei Ahmed liegt auf ‚queeren‘ und Schwarzen Körpern. Ich möchte in den einzelnen Kapiteln vor allem auf die Intersektionen weiblicher/männlicher Schwarzer, ‚queerer‘, traumatisierter, schwangerer und versehrter Körper eingehen. Im Forschungsinteresse der Arbeit liegen Momente der Desorientierung (‚queer moments‘) die innerhalb der Norm nicht ‚linientreu‘ verlaufen, in denen die Protagonist_innen und die Leser_innen auf Grenzen stoßen. Das sich daraus ergebende Unbehagen, Ahmed beschreibt es als „discomfort“, „disorientation“, als „the cracks, the movement, the instabilities“46, das Stoßen an Grenzen, Irritationen auf Ebene der Körper- und Raumwahrnehmung, soll aufgedeckt werden, sowie Schwellenräume (‚inbetween spaces‘)47, in denen Selbstentfaltung und Identitätskonstruktion möglich scheinen, hinterfragt werden. Die disruptive Haltung und Auffassung Ahmeds, möchte ich aufgreifen. In Strange Encounters beschreibt sie ihren Ansatz als Methode, Struktur und Lesart,48 mit der ich die Schlüsselszenen beider Romane „as a form of strange encounter“49 lesen werde. Das Potenzial, das Ahmed dem hybriden Schreiben und Lesen zuspricht, ist folgendes: „[…] we might only notice comfort as an affect when we lose it, when we become uncomfortable.“50 Denn dadurch sollen kollektive Normen zugänglich für Problematisierungen, kritische Betrachtungen und Transformationen gemacht werden. Wie und ob das gelingt, möchte ich im vierten Kapitel, mithilfe der gewonnenen Erkenntnisse über die Lesart und die Romane subsumieren. Dafür soll im nächsten Kapitel zunächst das Verständnis von Fremdheits- und Grenzerfahrungen auf phänomenologischer Ebene erweitert werden.

1.3 Grenzen und Transgressionen

Körper und Identität sind unweigerlich und vielfältig miteinander verknüpft und finden immer auch im Raum statt. Wie schon bei Ahmed erwähnt, bewegt sich jeder Mensch innerhalb eines sozio-kulturell konstruierten Umfeldes, das ihm vorhergeht und welches zugrunde legt, wie er als Subjekt Zugang zu sich selbst, zu anderen und zu unterschiedlichen Dingen und Möglichkeiten findet, diese wahrnimmt und reproduziert oder mit ihnen bricht. Die daraus folgenden Fremdheits- und Zugehhörigkeitserfahrungen können auf den unterschiedlichsten Ebenen stattfinden. Versteht man sie als Wechselbeziehungen zwischen individuellen Körpern und äußeren Phänomenen, sind sie alltägliche, allminütliche Phänomene, die als solche selten bewusst reflektiert werden. Sie prägen allerdings unsere Wahrnehmung, unser Handeln, unsere Interaktionen, unsere Beziehungen und sind verknüpft mit sozialen, kulturellen und politischen Diskursen. Unser Selbstbild ist in ihnen angelegt, unser emotionales Empfinden eng mit ihnen verkoppelt. Fremdheitserfahrungen entstehen dadurch, dass Körper auf bestimmte Weise wahrgenommen werden. Diese Wahrnehmung setzt sie in räumliche Nähe oder Entfernung zu anderen Körpern. Differenzen sind immer auch Beziehungen zwischen Körpern.51

Ahmed hebt die Berührung als fundamentalen Aspekt der Körperwahrnehmung hervor. Jede Bewegung, führt zwangsläufig zur Berührung mit Dingen und Menschen. Durch Gewohnheiten und Gesten sind diese als ‚anders‘ oder ‚bekannt‘, als berührbar, unantastbar, integrierbar oder unintegrierbar markiert. Diese Erkennungsprozesse sind Teil einer visuellen Ökonomie.52 Die Haut ist dabei eine fühlende Grenze, eine affektive Öffnung, die als Mechanismus sozialer Differenzierung fungiert.53 Sie ist die Grenze zwischen Innenwelt und Außenwelt, verbindend und trennend. An ihr orientieren sich Kommunikation und Interaktion, Inklusions-, Exklusions-, Differenzierungs- und Entdifferenzierungsprozesse Unsere Haut ermöglicht nicht nur Wahrnehmung von Temperatur, Schmerz, Berühren und berührt werden, Ahmed hebt vor allem das ‚Denken über die Haut‘ als Herangehensweise an Begegnungen mit (dem) Fremden hervor.54 In ihrer Hauptfunktion ist die Haut eine Schutzbarriere zwischen Subjekt und Welt, so gesehen die Abwehr von Fremdkörpern. Gleichzeitig ist sie jedoch eine instabile Grenze,55 fetischisiert in dem Sinne, dass sie als Signifikant von Differenz wirkt und betrachtet wird, als reflektiere sie die Identität von Subjekten. Diese unausweichlichen Interaktionen zwischen dem einzelnen Körper und anderen, bzw. dem sozialen Körper machen die Haut zu einem Paradoxon, das Abwehr und Entblößung zugleich ist. Einen Körper zu haben bedeutet demnach immer auch, von anderen Körpern beeinflusst zu sein.56 Dies verdeutlicht die Unmöglichkeit der körperlichen Integrität. Aber auch im übertragenen Sinne besteht eine metonymische Beziehung zwischen körperlichem und sozialem Raum. Soziale Grenzen werden gleichzeitig phänomenologisch und objektiv erfahren.57

Ahmed stützt sich auf das Körper- und Subjektivitätskonzept Butlers und weitere Embodiment Theories,58 die sich vor allem sozialkritisch mit Körperwahrnehmung, Körperbewusstsein, Selbstverständnis und Raumbewusstsein beschäftigen. Sie geht davon aus, dass verkörperte Identität intersubjektiv verhandelt wird und in unausweichlicher Wechselbeziehung mit der Reaktion anderer steht. Wie andere uns sehen ist an normativ-soziale, körperliche Morphologien gebunden und beeinflusst rückwirkend, wie wir uns selbst wahrnehmen. Subjektivität ist demnach zutiefst unsicher und unfreiwillig.59 Auf der Ebene der Identitätsbildung überschneiden sich also ständig körperliche und räumliche Ab- und Ausgrenzungsprozesse, denn die eigene Körperwahrnehmung ist nur möglich durch die Begegnung mit anderen Körpern. Die typischen inter-embodiment Theorien kritisiert sie allerdings und möchte Begegnungen nicht als Symbiose und Inklusion verstehen, sondern als Schauplatz der Differenzierung.60 Sie erweitert ihr Verständnis, indem sie von einer phänomenologisch orientierten Berührungökonomie ausgeht, in der „some skins are touched as stranger than other skins“.61 Berührungen unterscheiden sich, beeinflussen, wer (wie) berührbar ist und wer (wie) nicht und formen dadurch Körper und den Umgang ihnen. Berührungen beeinflussen folglich die Körperwahrnehmung, Handlungs- und Bewegungsmöglichkeiten von Körpern.62 Berühren und Berührtwerden funktionieren dabei ebenso auf visueller Ebene und bedingen die körperlichen Annäherungen, beispielsweise ritualisierte Berührungen unter Freunden und Familie oder Distanzierungen und Abstandhalten zu Unbekannten und als ‚fremd‘ erkannten. Berührungen fungieren als „ fleshy metonymy “,63 zwischen sozialen und privaten Körpern, sie formen und deformieren Körper durch Berührungs- oder nicht-Berührungsverhältnisse. Als Berührungspunkte sind nicht nur die direkte Berührung von Haut zu Haut oder sexuelle Berührungen zu verstehen, sondern Formen zwischenmenschlicher und sinnlicher Kontakte. Gesten, Hören und Sprechen auf Basis einer kommunikativen Ethik,64 emotionales Berühren, generell die Begegnungen mit anderen.65

Wie wird nun eine Umwandlung von ‚strange encounters‘ in Annährung und Begegnung, in Berührung zwischen Körpern (‚tactile encounters‘) möglich? Hier übernimmt Ahmed eine Formulierung Levinas‘, nämlich der des ‚caress‘, einer zärtlichen Art der Berührung.

„[T]he caress does not act, does not grasp possibilities. […] The caress does not anticipate the other as an object that can be grasped, but animates the very relation of self and other, overwhelms it, such that it becomes impossible to distinguish where one body might begin and another might end.“66

Dieser Schwellenraum einer liebevollen, anerkennenden, Raum für Traumata, Narben, Unausgesprochenes gebenden Berührung, ermöglicht eine Begegnung, die ihre Teilnehmer nicht objektifiziert und den anderen und sogar einen selbst in seinem Anderssein annimmt. Ahmeds Ausweg aus ‚strange encounters‘ kann gelingen, durch eine Berührungsethik, bei der die Haut als lebende Geschichte der Begegnung mit Anderen verstanden wird, denn ‚strange encounters‘ spielen sich auf dem Körper und durch Emotionen ab, sie sind ein visueller Diskurs aus Gesten, Blicken, Unausgesprochenem, keine direkte, transparente Kommunikationsform.67

Die bisherigen Schlüsselbegriffe, die über Zugehörigkeitsgefühl und Körperwahrnehmung entscheiden, sind vorerst ‚strange encounters‘ oder Fremdheitserfahrungen, die auf einer hier beschriebenen visuellen Ökonomie, sowie einer Berührungsökonomie basieren. Ahmeds Theorien gehen von marginalisierten Gesellschaftsgruppen und Begegnungen auf der politisch-sozialen, institutionellen Ebene, aber auch auf der alltäglichen, privaten Ebene aus. Im Roman sollen vor allem Letztere genauer betrachtet werden. Mit dieser Auffassung soll der Blick auf ‚strange encounters‘ und mögliche Auswege aus diesen durch ‚tactile encounters‘ in den Romanen geschärft werden.

Kapitel 2: Jackie Thomae – Brüder (2019)

2.1 Grenzen und Transgressionen in Stilmitteln und Motiven

Jackie Thomaes 2019 erschienener Familienroman Brüder wurde für den Deutschen Buchpreis nominiert. Er wurde vielfältig dafür gelobt, dass die Protagonist_innen nicht auf ihre Hautfarbe reduziert werden und das Verwandtschaftsverhältnis der beiden Brüder und ihres Vaters nicht im Mittelpunkt steht. Tatsächlich ähneln sich die Brüder nur äußerlich, ihre Lebenswege sind polar. Stattdessen wird ein breites Bild von Beziehungsgeschichten und -verflechtungen geboten. Neben der Erleichterung vieler Rezensenten darüber, dass Thomaes Protagonist_innen Rassismus, Identität und Deutschsein als Kopfsache, nicht als genetische, politische Fremdbestimmung und als strukturelles Problem empfinden, wird sie für ihr fortschrittliches, farbenblindes Schreiben gelobt. Auch Thomaes Zusammenfassung der Thematik reiht sich in diese Auffassung ein. „Brüder erzählt von zwei deutschen Männern, geboren im gleichen Jahr, Kinder desselben Vaters, der ihnen nur seine dunkle Haut hinterlassen hat. Die Fragen, die sich ihnen stellen, sind dieselben. Ihre Leben könnten nicht unterschiedlicher sein.“68 Kritisiert wird hingegen, beispielsweise von Mahret Ifeoma Kupka69, genau dieser Tenor. Die illusorische Neutralität, mit der die Protagonisten Rassismus als individuelles Problem, dem man sich größtenteils entziehen, bzw. an dem man sich einfach nicht beteiligen kann, auffassen, stößt ihr auf. Es sollte jedoch im erweiterten Kontext berücksichtigt werden, dass sich sowohl Rezensionen als auch wissenschaftliche Auseinandersetzungen mit afro-deutscher Literatur, wie die vorliegende Arbeit, oft mit problematischer Erwartungshaltung an Diaspora-Themen annähern. Sei es die in Kapitel 1.1 erwähnten Servicebuch-Annahmen, die literarische Trope des tragischen Mulatten, oder die Rekonstruktion einer vorausgesetzten Differenz, mit der sich Forschende der Mehrheitsgesellschaft den ‚Beforschten‘ aus marginalisierten Gruppen widmen.70 Mit dem Anspruch an afro-deutsche Autor_innen, sich zwangsläufig über Rassismus äußern zu müssen und nicht auch Unterhaltungsliteratur71 verfassen zu können, bricht Thomae anscheinend, wodurch das Buch wiederum an Provokanz gewinnt, da sie eine solche Erwartungshaltung der Leser_innen auflaufen lässt. Die eigentliche Kritik Kupkas bezieht sich wohl eher auf den Kanon der Rezensionen und die darin praktizierte Lesart, die Rassismus lieber als ein gesellschaftliches Rand- und Ausnahmephänomen betrachtet. Eine unter mehreren Methoden der Distanzierung von Rassismus, die historisch betrachtet lediglich dem Erhalt eines unbeschädigten Selbstbildes Deutschlands zugutekommen.72

Die Rezensionen zeigen die Dissonanz zwischen Lebensrealität, Lesart und wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit Rassismus und Diskriminierung. Erkenntnisproduktion sollte daher stets als perspektivabhängig reflektiert werden. Natürlich unterscheiden sich auch die Erfahrungen und Lebensrealitäten Schwarzer Deutscher und sind von mehreren Intersektionen abhängig. Trotzdem gibt es in Brüder immer wieder Brüche, Dissonanzen, Perspektivwechsel, angestaute Frustrationen, offensichtlich werdende Verdrängungen, die irgendwann aufplatzen und mit ihren Assoziationen provozieren, ohne diese eindeutig auslegbar zu machen – vielleicht muss man sie als Verschränkungen verstehen, als Betonung und Beleuchtung von Ambivalenzen (wie auch das Handeln und Denken der Protagonisten). Denn das Individuum konstruiert sich in seinen Subjektivierungsprozessen sowohl systematisch sozialen Praxen folgend als auch teilautonom. Es mag stimmen, dass Thomae mit Brüder kein ‚Servicebuch‘ schreibt. Sie erklärt keine diskursiven Umstände, sondern verhandelt Alltagsrassismus und Fremdheitserfahrungen durch die Protagonist_innen teils unreflektiert, teils nebensächlich, aber nicht ohne Spuren bei ihnen zu hinterlassen.

Zunächst möchte ich den Blick auf die formalen Aspekte des Buches richten. Jackie Thomae scheint in ihrem Roman Brüder einer Auffassung fremdbestimmter Identität und Körperwahrnehmung kontern zu wollen. Dabei ist das das Werk durchzogen von Fremdheits- und Entfremdungserfahrungen und Momenten des Dazwischenseins (‚inbetweenness‘). Diese betreffen zwar alle Protagonisten, unabhängig von ihrer Hautfarbe und Herkunft, können aber durchaus auch als Allegorien für das Gesamtphänomen der ‚strange encounters‘ betrachtet werden. Mit Sara Ahmed, Kimberlé Crenshaw und Homi K. Bhabha gelesen, sind intersektionale Themen durchweg in der vorliegenden Erzählung eingebunden. Denn typisch, oder zumindest passend für das hybride Schreiben sind genau solche Varianten der Grenzmetaphorik für die Konstruktion von Subjektivität zwischen race, Heimat, Klasse, Geschlecht und Sexualität. Es verknüpft die Erfahrung von Hindernissen, sich in der Welt zuhause zu fühlen, zwischen kultureller und nationaler Identität und auf physischer und psychischer Ebene Freiheit, Zugang zu sich selbst, Autonomie und Zugehörigkeit zu etablieren. Postkolonialismus und Hybriditäts-Theoretiker Bhabha bezeichnet Diaspora-Identitäten in ihrer sozialen Wirkung und folglich auch in ihrer subjektiven Selbstwahrnehmung geradezu als Verkörperungen von Grenzerfahrung:

„[…] colonials, postcolonials, migrants, minorities wandering peoples who will not be contained within the Heim of the national culture and its unisonant discourse ... are themselves the marks of a shifting boundary that alienates the frontiers of the modern nation.“73

Ahmed schreibt außerdem von Identitätsfindung als Migrationserfahrung,74 als ständiges Überschreiten von inneren und äußeren, nationalen und internationalen, zwischenmenschlichen und individuellen Grenzen. So sind auch die Protagonisten ständig mit der Instabilität der eigenen Identität und Zugehörigkeit konfrontiert. Die „überhöhte Aufmerksamkeit“,75 das Othering, oder nach Ahmed die ‚strange encounters‘, die für Gewöhnlich den Blick auf rassifizierte Andere prägen, werden durch die Multiperspektivität des Romans konterkariert. Die Fokusverlegung, die durch das Schreiben über Schwarze als Subjekte, die sich in ich Erzählform und autofiktiven Perspektiven äußern stattfindet, ist bereits ein Bruch mit weißen Normen und Schreibtraditionen.

Der Roman ist inhaltlich dreigeteilt und erzählt von Vergangenheit und Gegenwart der Hauptfiguren Mick („Der Mitreisende“), Vater Idris („Intermezzo)“ und Gabriel („Der Fremde“) in drei separaten Handlungssträngen, endend mit einem Epilog im Jahr 2017. Die Erzählstruktur ist grob chronologisch und man bekommt nur Einblicke in Fragmente der Lebensgeschichte der Charaktere und ihre (teils) vernetzten biographischen Episoden. Die Geschichte beginnt mit Micks Handlungsstrang, der sich von 1985 bis 1994 und 1996 bis 2000 abspielt. Darauf folgt Idris Teil, der im Vergleich mit zwanzig Seiten verhältnismäßig kurz ist und in dem er sich während eines Deutschlandbesuchs im Jahr 2000 an seine Zeit als Gaststudent in Ost- und Westberlin erinnert. Der zweite Teil des Buches, Gabriels Handlungsstrang, spielt in den 2000er Jahren. Schließlich der Epilog, der 2017 stattfindet, in dem Mick, Idris und zum einzigen Mal Albert, der Sohn Gabriels, jeweils ein Unterkapitel erhalten. Auch die Erzählweisen unterscheiden sich. Micks Narration beginnt durch die Perspektive eines personalen Erzählers , Idris‘ Kapitel wird ebenfalls aus personaler Perspektive erzählt, während Gabriel homodiegetisch 76 in der Ich-Erzählform berichtet und abwechselnd von der Ich-Erzählung seiner Frau Fleur ergänzt wird, wodurch sich inhaltlich mehrere Ereignisse wiederholen und aus unterschiedlicher Perspektive erlebt und rückblickend betrachtet werden. Mal spricht Gabriel über sich, dann erzählt Fleur Teile seiner Geschichte aus ihrer Perspektive und umgekehrt. Die Reflektorfiguren,77 ändern sich also, Ereignisse und Personen werden aus der Perspektive jeweils einer Figur, deren Gedanken und Wahrnehmungen, abwechselnd geschildert. Dieser Wechsel vom Modus der dritten zur ersten Person schafft vor allem emotionale Nähe, die durch die Multiperspektivität wiederum gebrochen wird. Gabriels und Fleurs interne Fokalisierungen 78 (beschränkt auf die Wahrnehmung der Reflektorfigur) hemmen die emotionalen Einblicke, die eine einheitliche Reflektorfigur sonst bietet, erweitern andererseits aber die personale Erzählhaltung, mit der der Roman beginnt. Hinzu kommen selbstreflexive Einschübe, durch die die Zuverlässigkeit der jeweiligen Erzähler und der wahrgenommenen ‚Realität‘ reflektieret und relativiert werden. Vor allem in Micks und Idris‘ Handlungssträngen wird durch den Blick der Protagonisten auf ihre Vergangenheit, Handlungen und Ereignisse ihre Selbst- und Fremdwahrnehmung kommentiert und bewertet. Widersprüchliche Ansichten finden sich daher nicht nur im Blick auf einzelne Figuren, sondern sogar innerhalb ein und derselben Figurenperspektive. Somit verschwimmen die Funktionen der Erzählperspektive, Verlässlichkeit, Objektivität und Intention werden zweifelhaft und es eröffnet sich eine metareflexive Ebene, innerhalb welcher eine skeptische Haltung und Infragestellung der Erzählinstanzen und des Blickes Dritter möglich wird. Diese offene Perspektivenstruktur ermöglicht das Aufeinandertreffen verschiedener Weltbilder und Geisteshaltungen, kombiniert mit realen Bezugsobjekten (Beispielsweise der Nennung und Beschreibung realer Orte, historischer und gegenwärtiger Ereignisse). Dadurch kann hier sogar von einem ironischen Realismus gesprochen werden, bei dem „die Distanz zu den Dingen und zum Selbst die Voraussetzung für eine kritische Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit ist.“79 Das erzählerische Grundprinzip des Romans irritiert, ja verneint die Möglichkeit eines einheitlichen Blickes auf die Protagonisten. Die Leser_innen überschreiten ständig die Grenze zwischen der Innen- und Außenperspektive der Protagonisten, werden abrupt aus einem Körper auf den Blick auf selbigen oder auf und in einen anderen gelenkt, wodurch sich ein hohes Irritationspotenzial ergibt. Grenzerfahrungen entstehen somit auch beim Lesen. Die wechselnde Perspektivstruktur verändert automatisch die Leser_innenrolle und verleitet dazu, gegebene Informationen in Frage zu stellen. Stilistisch führt der Roman also bereits zur Erkenntnis, dass die Wahrnehmungshorizonte der Figuren sehr unterschiedlich und fehlbar sind. Dies ist ein auch auf der Inhaltsebene wiederkehrendes Motiv: Die Macht und Fehlbarkeit der Blicke, Sehen und unterschiedliches Erkennen und gesehen werden, Entfremdungserfahrungen und sich verändernde Selbst- und Fremdbilder. Die Perspektivenvielfalt im Erzählverfahren kann als typisches Merkmal der Gesellschafts- und Migrationsliteratur betrachtet werden,80 durch die einerseits ‚strange encounters‘ provoziert werden und sich andererseits die Möglichkeit für mehrere affektive Öffnungen und Einfühlungsvermögen den Protagonist_innen gegenüber bietet.

Noch früher angesetzt, spielt bereits der Titel „Brüder“ mit unterschiedlichen Bedeutungsebenen. Erstens verweist er auf eine durch Verwandtschaft bzw. Biologie codierte Herkunftslinie der beiden Geschwister, wodurch jedoch auch der Diskurs der Blutsverwandtschaft,81 rassistischer Wissenschaften und die kategorisierende, ontologisierende Funktion rassistischer Differenzkonstruktionen anklingt. Umgangssprachlich kann man ihn als freundschaftlichen Migrantenjargon, aber auch affirmatives oder abwertendes Stereotyp verstehen. Drittens kann er Mitmensch bedeuten, was Assoziationen zur DDR und der BRD weckt, in der vermehrt nach der Wende von Brüdern und Schwestern gesprochen wird.82 Seine vierte Auslegungsmöglichkeit ist die Anspielung auf sexuelle Orientierung („warmer Bruder“), denn sowohl Gabriel als auch Albert verhandeln und suggerieren homoerotische Erfahrungen. Fünftens kann er als Synonym für Leidensgenosse verstanden werden, was sich auf die geteilte Erfahrung der Brüder und ihres Vaters beziehen würde, in einer weiße n Mehrheitsgesellschaft nicht- weiß zu sein. Einer von vielen Momenten, in denen Sprache, Bedeutung und Auslegung, Schein und Sein im Verlauf des Romans hinterfragbar gemacht werden. Die in Kapitel 1.2 erwähnten Momente der Desorientierung (vgl. Ahmeds ‚disorientation‘, ‚discomfort‘) werden hierdurch bereits zu Anfang durch variierende Bedeutungshorizonte, Motive und Missverständnisse auf der Leser_innenebene eingeleitet, und ziehen sich durch die gesamte Romanhandlung.

2.2 Zuhause ist nirgendwo – Varianten des (sich) Fremdseins

Deutschland lässt sich im ersten Teil des Romans als symbolischer und realer Raum der Grenzerfahrungen betrachten. Vor allem geht es darin um die Erinnerungen Micks an seine Jugend und seine Zwanziger, sein hedonistisches Leben und kurze Einblicke in die Lebensgeschichte seiner Mutter Monika. Beide rekonstruieren mit gegenwärtigem Blick von außen ihre damaligen Lebensentscheidungen. Überträgt man den politischen Diskurs des Zusammenbrechens und der Wiedervereinigung des Staatskörpers DDR auf die menschlichen Körper innerhalb des Systems, die dadurch ihren Halt inmitten eines sozialen Umfeldes verloren, sogar sich selbst fremd wurden, wird die Grenzüberschreitung schnell zum Moment der Ungewissheit und Angst. Auf der Suche nach Freiheit und trotz neuer, grenzenloser (Reise)Möglichkeiten und Bewegungsfreiheiten entkommen die Protagonist_innen der Materialität ihrer Körper und der daran gebundenen Identität nicht. Berlin dient als Schwellenraum, in dem sich alles relativiert. Man merkt sehr schnell, dass der subjektive Blick Micks auf seine Vergangenheit durchzogen ist von Gegensätzen. Er berichtet von Zugehörigkeiten und Verlusten, Dissonanzen und Intersektionen. Eines der für diese Arbeit relevantesten inhaltlichen Motive, welches die Protagonist_innen, ihre Körperwahrnehmung und Identitätsbildung auf unterschiedlichen Ebenen verbindet und beeinflusst, ist das des Fremdkörpers und der Varianten des (sich) Fremdseins. Hierauf werde ich nun anhand von weiteren Motiven und Schlüsselszenen eingehen. Denn genau dieses verbindet nämlich vielschichtig alle Figuren untereinander und auf skurrile und problematisch-aussagekräftige Weise auch die beiden Brüder. Mit Ahmed sei an die metonymische Verknüpfung von Körpern und sozialen Räumen erinnert, in der die von ihr beschriebene visuelle und Berührungs-Ökonomie wirken.

Mick (Michael, „Michi“) Engelmann wird 1970 in Ostberlin geboren, zieht mit fünfzehn Jahren nach bewilligtem Ausreiseantrag mit seiner alleinerziehenden Mutter Monika nach Westberlin. Der Umzug in den Westen ist einen Umbruch mit Abschiedsschmerz, für den er sich jedoch „die absolute Kontrolle über die Situation“83 bescheinigt, Vorstellungen und Realität vom Osten und von „drüben“, das coole West-Berlin, dass er erwartete und das spießige Wilmersdorf, in dem sie schließlich landen, enttäuschen ihn. Dieses Erlebnis und die Trennung seiner Mutter von ihrem wohlhabenden Lebensgefährten, der Mick stets mitfinanzierte, sowie einen weiteren damit verbundenen Umzug, empfindet er rückblickend als Verlust eines Zuhauses: „ich hatte einmal im Leben das Gefühl, ich habe ein Zuhause“, „einen Ort, an den ich zurückkommen konnte.“84 Eine weitere Szene gibt Einblick in frühere Ängste Micks. Monika bringt ihn als Kind tagsüber zu seiner Tante, da er alleine zuhause wiederholt Chaos anrichtet und begründet dies damit, dass sie nicht will, „dass dich der Einbrecher holt.“85 Sie erkennt rückblickend, dass sie „mit nur einem Satz sein sicheres Zuhause“86 zerstört hat. Mick sehnt sich fortan nach einem „Zustand“87 ist ständig auf der Suche nach diesem im Nachtleben und vertreibt sich die Zeit mit Rausch und Frauen. In einem Club fühlt er sich endlich „zu Hause“88 und frei in der dortigen „Tanzegalität“. Er stillt sein Heimweh und empfindet einen „Zustand absoluter Vollständigkeit“. Sein Leben findet nachts statt. Er betreibt das Frauen-Erobern, wie einen Sport „Das Ausstechen von sogenannten festen Freunden gehörte zu seinen Lieblingsdisziplinen“. Die Frauen sind dabei austauschbar, nicht einmal der Namensnennung wert („Frau eins“, „Frau zwei“, „die flauschigere Frau“89, eine Fotografin, eine Model-Bookerin90 ) und entweder rein sexuell interessant oder um auf sozialer Ebene Kontakte zu knüpfen. „Kurzepisoden“91 dieser Phase seines Lebens, die er ebenso schnell wieder vergisst. Tagsüber bewegt er sich nur mit „eingefahreren Antennen“ durch die Stadt. Auch seine Freundin Delia ist für ihn erst nur „eine weitere Frau“92, doch er genießt den „Komfort“, den sie ihm bietet, denn „Delia stellt diese Zustände wieder her“, in denen er sich vollständig fühlt. „Mick hatte eine konkrete Vorstellung davon, wie es zu sein hatte, wenn er sich verliebte. In dieser Vorstellung sah er keine Frau, er sah viel mehr sich selbst, der eine Frau sah, die in ihm eine Art Explosion des Bescheidwissens auf allen Ebenen auslösen würde“93. Diese „Supernova“94 der großen Liebe hatte er schon öfter, getäuscht vom Ecstasy-Rausch, empfunden. Nüchtern betrachtet, gelingt ihm eine solche Euphorie nicht. Auch im zwischenmenschlichen findet Mick also keine Zugehörigkeit. Seine Beziehungen bleiben Projektion und Illusion und letztendlich oberflächlich. Als er mit Delia in eine „DDR-Platte“95 zieht, werden die beiden als „Paar auf fremden Terrain“ beschrieben96 und er fühlt sich „wie ein Auswanderer auf Heimatbesuch“, da ihm Pankow wie die DDR vorkommt und die Erinnerungen daran ihn ersticken lassen. Laut Delia ist er re-traumatisiert und paranoid. „Wieder war er an einem Ort gelandet, den er sich nicht ausgesucht hatte.“97 Im Streit mit Delia stellt sich heraus, dass er denkt, er sei selbst ein „Unfall“98 gewesen, womit er begründet, keine Kinder haben zu wollen. Mitleid mit seiner alleinerziehenden Mutter und der Blick auf seine Kindheit machen ihn „plötzlich kreuzunglücklich“99. „Kinder brauchen Ordnung und keine Ausnahmezustände, Kinder wollen sein, wie der Durchschnitt, weil es nämlich anstrengend ist, der Freak vom Dienst zu sein.“100 Ein Einblick in die Spuren der bisherigen Umbrüche. Ein weiterer Blick auf seine Mutter Monika durch Delias Augen erklärt Micks Bindungsunfähigkeit. Sie ist unberechenbar, „eine Frau, die sie immer wieder aufs Neue kennenlernen musste“, ein „Repertoire an Persönlichkeiten“101 und damit eine instabile Bezugsperson. Der Blick auf Micks vergangenes Ich relativiert, deckt aber auch einige problematische Umgangsformen auf. Heimat- und Haltlosigkeit, ständiges getrieben sein und sein indifferenter bis destruktiver, triebgesteuerter Lebensstil ermöglichen keine affektiven Öffnungen anderen gegenüber, mit denen Fremdheitsempfindungen überwunden werden könnten. Dies spiegelt sich auch in den Räumen, in denen er sich aufhält. Verschiedene Clubs, Berlins Nachtleben und Delias Wohnung, in der er aus Geldnot unterkommt, aber nie ankommt und sich wie ein Parasit fühlt. Durch seine ständigen Geldprobleme und nach dem gescheiterten Versuch, mit zwei weiteren Freunden einen Club in Berlin zu eröffnen, kommt er schwer verschuldet bei ihr unter, bleibt aber tagelang weg und geht ihr fremd. Ein Berühren und Berührtwerden durch Emotionen lässt er nicht zu,102 hat Bindungsängste, Flieht vor Kommunikation, Verbindlichkeiten, Konflikten und Gefühlen ins Körperliche. Sein mangelndes emotionales Selbstverständnis beeinflusst seine Identitätskonstruktion und sein Selbstbewusstsein. Nach einem erhitzten Streit mit Delia über seine verheimlichte Vasektomie103 denkt er einzig an Sex und Alkohol als Ausweg.104 Eine solche impulsgesteuerte Lebensweise kann durchaus auch als Entfremdung vor den eigenen emotionalen Wunden und daraus folgender gestörter Beziehung zu sich selbst und anderen gelesen werden. Daraus ergeben sich natürlich auch Unmöglichkeiten ihrer Artikulation. Rückblickend litt er wahrscheinlich an Depressionen, die sich in Form von Rebellion und Vandalismus äußerten. „Was ihn jedoch niemand fragte, er sich selbst auch nicht“105, denn in seinem Umfeld wird das Wort Depression nicht benutzt, also weiß er nur, „dass er keine gute Zeit hatte.“106 Martha, seine Lieblingstante sieht ihn trotzdem als „das liebste Kind, das man sich vorstellen konnte“107, sie sieht in ihm „eine Person, die er nicht mehr war“108 eine weitere Dissonanz von Selbstbild und Fremdbildern, über die er auch reflektiert „Ist man nicht die Reflexion dessen, was andere in einem sehen?“109. Ein wiederkehrendes Spiel mit den Perspektiven der Protagonist_innen, bei dem eigene und fremde Wahrnehmung aufeinanderprallen. Alle diese Einblicke in das Fehlen von Zugehörigkeit haben kaum bis nichts mit Micks Hautfarbe zu tun. Er selbst ist überzeugt, „[e]in anderer Mensch ist aufgrund einer physischen Gemeinsamkeit, in diesem Fall seiner Pigmentierung, nicht mein Bruder. Oder aber: Alle Menschen sind meine Brüder.“110 Desmond wird beispielsweise sein „Wahlbruder“111, den er aufrichtig liebhat, er entscheidet sich also dazu, seine Zugehörigkeit selbst zu wählen. Hängt sich dabei aber mit Desmond an einen Menschen, der ihn ins oberflächliche, berauschte Party-Leben mitzieht. Letztendlich stellen Mick und Delia ihm für einen Drogenschmuggel „ihren Körper zur Verfügung“112. Hier wird das Motiv des Fremdkörpers am eigenen Körper deutlich gemacht. Nicht nur wird der Körper zum Vehikel,113 zum Übermittler für einen Inhalt, wie bei der in Kapitel 1.3 beschriebenen sozialen Fremdheitskonstruktion, auch auf realer Ebene wird ein Fremdkörper verinnerlicht. Damit vermischen sich außerdem rassistische Stereotype. Bei der Vorbereitung auf den Drogenschmuggel sieht Mick sich durch den Blick des „Arztes“, der ihm Beruhigungsmittel spritzt als „arme Sau“, als „ein Muli, ein armes Lastentier“ und zieht die etymologische Verknüpfung zum „Mulatte(n), eine vom Muli abgeleitete Bezeichnung für Leute wie ihn.“114 Kurz darauf liest er eine Erzählung von Gabriel García Márquez über den „Neger, der die Engel warten ließ“. Dieser, ein Saxofonist, wird fünfzehn Jahre in einem Pferdestall vergessen und „vertiert“, wodurch er nicht mehr in den Chor der Engel zurückkehren kann.115 Über dieses Wort und die stereotype Verbindung von Schwarzen mit Musikalität und Animalistik ist er verstört. Auf dem Flug von Kolumbien nach London misslingt seine Körperkontrolle und Mick muss auf die Bordtoilette, wo er das Drogenpäckchen ausscheidet. Delia, die bei ihm ist, wäscht und schluckt sein Päckchen. Später formuliert sich diese aufopfernde Geste als Schema der Beziehung der beiden: „Sie hatte seinen Scheiß auch metaphorisch geschluckt“.116 Angekommen in London, werden Mick und Desmond angehalten und verhört. Die Sonografie verrät letztlich Desmond, der später in einer Strafanstalt landet,117 während Mick gehen gelassen wird und in „gehetzte(m) Tierzustand“118 durch London läuft. Wiederholt finden sich Assoziationen zum Tierischen in Micks Gedankengängen und prägen die Körpermetaphorik seines Selbstbildes. Sie werden im folgenden Unterkapitel im Hinblick auf Rassismus und Subjektkonstruktion weiter aufgegriffen.

Idris Ernst Gabriel Loth wird 1970 in Leipzig geboren. Sein Ehrgeiz steht Micks Flucht vor Verantwortung entgegen. Die Lebenswege der beiden unterscheiden sich zumindest oberflächlich sehr. Doch auch Gabriels Handlungsstrang („Der Fremde“) spielt sich hinter einem brüchigen Staatskörper ab. Der Brexit steht bevor119 und bietet den perfekten Hintergrund für die bröckelnde Beziehung zu seiner Frau Fleur, seinem Sohn Albert und seiner eigenen Identitätskonstruktion. Er ist Stararchitekt in London, normkonform und sehr verkrampft darauf, keine Vorurteile zu erfüllen,120 bis seine Karriere 2016 plötzlich mit einem Skandal endet, bei dem er eine Schwarze Studentin angreift und mit Hundekot beschmiert. Ihr Hund hatte zuvor seinen Darm an Gabriels überteuertem Rennrad entleert, woraufhin dieser sie darauf hinweist und verfolgt. Als sie erst nicht reagiert, ihn dann aber beleidigt und ihm den Mittelfinger zeigt, bricht Gabriel in Wut aus. Absurderweise wird er von den Medien als weißer Deutscher und Rassist identifiziert, sein Handeln als sexistisch, privilegiert-klassistisch und rassistisch inszeniert, die Studentin hingegen als Opfer. Dass er selbst nicht weiß ist, wird nicht erwähnt. Stattdessen wird er anhand von vergangenen Interview-Fragmenten, einem alten schwarzweiß Passfoto, deutschen Klischees und verdrehten Tatsachen zu einem Feindbild konstruiert. Spannend ist die distanzierte Betrachtung seiner selbst in den schwarz-weißen CCTV-Videoaufnahmen, die sowohl er als auch Fleur als entfremdend wahrnehmen. Die Leser_innen betrachten Gabriel hier einerseits durch die personale Selbstschilderung in Vergangenheitsform, andererseits durch einen Einblick in seine Empfindungen während seines Handelns, durch die Videoaufnahmen und die konstruierte Darstellung Gabriels in den Nachrichten und durch den Blick Fleurs, die ihn in den Aufnahmen kaum wiedererkennt. Auch dieses Schlüsselereignis kann metaphorisch gelesen werden, handelt es sich doch um ein Getroffensein durch Fremdes, Ausgeschiedenes, Ausgeschlossenes. Dieser Wutausbruch, sein Kontrollverlust121, bricht seine bisherige Kontrollwut. Sein Ausbruch ist ein Bruch mit seinem bisherigen, zwanghaft normkonformen Verhalten. Und auch hier geht es um tierische Analogien. „Wie ein Affe im Zoo“122, spielerisch und mit Ehrgeiz, beschmiert er die Frau möglichst großflächig und will sie „besiegen“. Er wird zum Tier, befreit „sein Tier“123, wird unzivilisiert und primitiv. Die Beschreibung des Hundes als „[e]in schönes Tier, groß, schwarz“ und des „ockerfarbenen Haufen[s]“124 suggerieren weitere Assoziationen zu rassistisch-fäkalen Analogien für braune Hautfarbe (beschreibt doch Fleur seinen Hautton als „aschigen Gelbton“125 ). Rückblickend ist Gabriel schockiert von sich selbst.126 Trotz Ekel, wider sich selbst handelnd, erlebt er sich als ver-rückt. Eine Desorientierung, der Wahn selbst als etwas „im Subjekt insistierendes Fremdes“,127 als eine Ganzheit, die auf einmal zerrissen wird.128 Er erklärt sich diesen „Zwischenfall“ als „Kapitulation, in der er seine Schichten an Erziehung und Zivilisation fallen“ lässt129, weil er „einfach alles nicht mehr aushielt“130. Die sorgfältig gestaltete Fassade des Architekten bröckelt.

Durch diese Schlüsselszenen, den Drogenschmuggel und den Wutausbruch, sind die beiden Brüder auf verstörende Weise durch Körperausscheidung und -einführung miteinander verbunden. Der fremde, abwesende Körper ihres Vaters reiht sich ein in die Fremdkörperanalogien des Romans. Auch Gabriel und seine Frau Fleur sind ähnlich verknüpft: „Wir beide schleppten Phantomeltern mit uns herum. Wir beide liefen mit dem Stigma durchs Leben, unwillkommen gewesen zu sein“131. Sie, die „ewige Besucherin“132, von einer belgischen Mutter und einem britischen Vater, (beide bemerkenswerterweise Augenärzte), als einzige Weiße in einer kenianischen Provinz aufgewachsen, erfährt erst mit achtzehn, dass sie adoptiert wurde und entkommt nie dem Gefühl, „das fremde Blag“133 zu sein. Der Blick auf die Vergangenheit verschiebt mit dieser Information auch ihr Selbstbild. Sie leidet unter der fehlenden Familienähnlichkeit und empfindet Zugehörigkeit als nicht anhaltenden Zustand. „Doch sie konnte sich nicht aussuchen, wann sie sich wieder fremd fühlte.“134 Gabriel attestiert ihr ein Minderwertigkeitsgefühl, sie „litt unter der Idee, ein frühkindliches Trauma mit sich herumzuschleppen“. Um „das Kapitel Abstammung“135 aufzuklären, sucht sie nach ihrer leiblichen Mutter, und erfährt, dass diese in einer Buchhandlung tätig war, es bleibt jedoch ungeklärt, wer ihr Vater ist. Als sie ihren Job verliert, stürzt sie dies in eine Identitätskrise, denn sie selbst arbeitet als Übersetzerin136 und versucht dadurch, ihre Mutter näher zu sein. Im Laufe des zweiten Handlungsstranges deutet und durchschaut sie mit ihrem Talent auch Gabriel. Gabriel projiziert, anstatt zu durchschauen: „Ich habe meine Vorstellungen und Wünsche auf diese Frau projiziert, und es hat funktioniert. Sie hatte tatsächlich viel von dem, was ich wollte.“137 „[D]ie Einzelteile, aus denen Fleur sich zusammensetzte“138, ihre multikulturelle Weltlichkeit, ein stabiles Elternhaus und materielle Sicherheit, also alles, was er „selbst immer vermisst hatte“139, versucht er sich durch sie anzueignen und zu verinnerlichen. Doch sein Bild von ihr objektifiziert, entidividualisiert und reduziert sie auf Äußerlichkeiten. Die Beziehung der beiden ist geprägt von Missverständnissen, von scheiternden Versuchen, vom Äußeren auf das Innere zu schließen und das Paar wird sich zunehmend fremder, was auch in der abwechselnden Erzählhaltung kontrastierend dargestellt wird.

Gespiegelt wird dieser Umstand außerdem im Raum, denn Gabriel ist aufgrund von Dienstreisen hauptsächlich abwesend und wortwörtlich der ‚body not at home‘. Ist er zuhause, fühlt er sich zunehmend fremd, da Mutter und Sohn ein eingespieltes Team bilden. Ihr pubertärer Sohn Albert vertraut sich ihnen zunehmend nicht mehr an, zieht sich in sein Kellerzimmer zurück und randaliert. Auch bei ihm gelingt die Wutkontrolle nicht und sie schicken ihn auf mehrere Internate.

Der von sich selbst entfremdete Körper und Versuche der Körperkontrolle und Körpermanipulation fließen auch im Vergleich von Fleur und Delia ineinander. Die beiden verbindet neben einem eher rücksichtslosen Umgang mit ihrem Körper, das Motiv der Körperkontrolle und der Schwangerschaft. Delias Essstörung, die sie einerseits vor Mick geheim hält, andererseits als „als Geheimwaffe“140 und während des Drogenschmuggels als Talent hervorhebt141, ist nur ein Beispiel für ihr kalkuliertes Verhalten. Als sie von Mick schwanger werden will, nimmt sie Hormone zu sich, erduldet Hautausschläge, Schwellungen und das Gefühl, einer feindlichen Übernahme von innen, bei der ihr ihre Haut keinen Schutz mehr bietet.142 Danach erfährt sie durch einen Zufall, dass Mick eine Vasektomie hat durchführen lassen, die er ihr, trotz ihres Kinderwunsches, verheimlicht. Die beiden trennen sich kurz nach diesem finalen Vertrauensbruch. Delia erlebt hingegen eine Schwangerschaft, in die die Leser_innen Einblicke bekommen. Während ihrer Dreiecksbeziehung mit Mick und einem Mann namens Sean, wird sie ungeplant schwanger und versucht ihren Körper durch den Konsum von Drogen und Alkohol zu einem möglichst „unwirtlichen“143 zu machen. Sie bleibt allerdings schwanger und hofft, dass es Gabriel freut. Wie sie selbst darüber denkt, erfährt man nicht. Die ungewollte Schwangerschaft bleibt für sie der instabile Grundstein ihrer Beziehung.

Die Erfahrung einer Schwangerschaft kann als Entfremdung in der Körperwahrnehmung verstanden werden, bei der das Äußere nicht mehr so leicht zu kontrollieren ist und sich der Fokus auf den Innenraum verlagert. Gleichzeitig ist sie eine phänomenologische, sogar dialektische Erfahrung,144 bei der abermals ein Fremdkörper verinnerlicht ist. Ein Phänomen, bei dem Spaltung und Einheit gleichzeitig empfunden werden und ein Wechselspiel körperlicher Grenzen, zwischen Innen und Außen und einer dadurch veränderten Fremd- und Selbstwahrnehmung. Ein identitätsverändernder, transformierender Prozess, der sich einreiht in die bisherigen Brüche und Perspektivwechsel. Während der Schwangerschaft leidet Fleur unter Haarausfall, Aufgedunsenheit und Hormonschwankungen. Wodurch auch eine Entfremdung und ein Kontrollverlust innerhalb des medizinischen Diskurses145 erkennbar wird. Diese Zustände beschreibt sie einprägend anhand eines Hochzeitsfotos von ihr und Gabriel, das sie an Jan van Eycks Arnolfini-Hochzeit erinnert und auf dem sie sich wie eine Gestalt aus einem Horrorfilm vorkommt.146 Ein Gemälde, das als beispielloses Bilderrätsel mit Perspektiven, Blicken und Abwesenheiten spielt. Das Paar, das aneinander vorbei blickt, betont ein weiteres Mal die Entfremdung zwischen Gabriel und ihr. Ebenso wird die biblische Metaphorik der Namen der beiden Brüder aufgegriffen, hierdurch sieht sie sich anschließend (in Anlehnung an Gabriels Nachnamen) als „Loths Weib“147. Mit dem Blick zurück zerbröckeln auch ihre Identitätskonstruktionen und sie erkennt zunehmend die Illusion der Beständigkeit ihrer und Gabriels „stabiler Betonwelt“.148

2.3 Autonomie, Autoprophetie, Architektur und die Grenzen des Selbst

Wie im vorherigen Unterkapitel erkennbar wird, sind Selbstwahrnehmung und Umgangsmechanismen der Protagonist_innen auf mehreren Ebenen gestört. Ihnen gelingt kein Ausweg aus den ‚strange encounters‘ durch in Kapitel 1.3 erwähnte ‚tactile encounters‘ oder gar ‚caresses‘, die nicht oberflächlich wären. Um die Körperwahrnehmung und Identitäts(re)konstruktionen Micks und Gabriels genauer zu betrachten, ist daher vor allem die visuelle Ökonomie spannend, in der sie eingebettet sind. Realitäts- und Körperwahrnehmungen sind, wie in Kapitel eins besprochen, diskursiv. Hierbei kollidieren persönliche, psychologische und sozial-politische Ebenen und - spricht man schon von Ökonomien - so muss auch die marktökonomisch produzierte Realität, der ein westlich, kapitalistisches System und eine daran orientierte Konsumkultur zugrunde liegen, auf die Körpermetaphorik übertragen werden. Auf diese Weise sind außerdem die Allegorien des Fremdkörpers, Verdauungsprozesse, Ausgrenzungen und Konsum149 miteinander verbunden. Für Mick und Desmond, beide nicht- weiße Männer, Desmond allerdings homosexuell, definiert sich ein „gelungenes Männerleben“150 durch Geld, teure Kleidung, Konsumgegenstände und kalkuliert-ästhetisches öffentliches Auftreten. Der Rausch und die Clubszene in denen Mick Zugehörigkeit sucht, sowie sein riskanter Lebensstil sind eher Fluchten aus dem affektiven Empfinden. Alkohol und Sex können zwar als Medien der Handlungserweiterung verstanden werden,151 als Flucht vor Ängsten und dem Wachbewusstsein, führen aber letztendlich zu einer Entfremdung von sich selbst und anderen. Auch in Micks Erinnerungen an seine Jugend und Pubertät in den Neunzigern spielen Gruppenzugehörigkeiten eine Rolle. Durch provokative Modetrends und seine eigene Körperkontrolle wehrt er sich gegen die staatlichen Kontrollversuche. Sein „persönliche[r] Systemwechsel“152 quasi, mit dem er sich aufs Kalorienzählen konditioniert und erfolgreich abnimmt, um in die Clubs und Betten der coolen Leute zu gelangen. Er bewegt sich „anpassungsfähig“153 durch die sozialen Codes und verwandelt sich in den, „den die Situation erfordert“154. Eingebettet in heteronormative Männlichkeitskonstruktionen, zeigt sich Stärke und Macht bei ihm durch Emotionslosigkeit, Unverbindlichkeit und möglichst viel Sex, Gruppenzugehörigkeit durch Körpermanipulation, (drogenbezogene) Gefahr und Demonstration von Risikobereitschaft. Micks enge, aber destruktive Freundschaft zu Desmond, der Drogenschmuggel und sein Leben in der Nacht können damit durchaus auch als Versuche der Zugehörigkeitsetablierung und „als männlich konnotierte Dynamiken“155 verstanden werden. Seine betäubten Sinne werden ein weiteres Mal verdeutlicht, als er sich von dem beim Drogenschmuggel verdienten Geld eine Musikanlage kauft, diese mit voller Lautstärke testet und es ihm das Trommelfell zerreißt. Er wird dadurch auf einem Ohr fast taub und seinen Gleichgewichtssinn bleibt gestört. Die überwältigende Angst, die dieses Ereignis in ihm auslöst, tarnt er vor den Ärzten als Schmerz, damit er sie und sich in Schmerzmitteln abermals betäuben kann.156 Eine Szene, die trotz Micks selbsterklärter Nichtbeteiligung an rassistischem Kategoriendenken157, an ein prägnantes Zitat Frantz Fanons erinnert:

„Ich war verantwortlich für meinen Körper, auch verantwortlich für meine Rasse, meine Vorfahren. Ich maß mich mit objektivem Blick, entdeckte meine Schwärze, meine ethnischen Merkmale – und Wörter zerrissen mir das Trommelfell: Menschenfresserei, geistige Zurückgebliebenheit, Fetischismus, Rassenmakel [...].“158

Die Reaktion auf das Fremdwahrnehmungsphänomen, das sich hier erkennen lässt, ist das des double consciuosness. Der Begriff wurde von W. E. B. Du Bois in seinem Werk The Souls of Black Folk (1903) geprägt und beschreibt ein verschärftes Bewusstsein des eigenen Wahrgenommenwerdens und der Konsequenzen, die daraus entstehen. Er beschreibt, dass man sich als Schwarze Person ständig als von außen gespiegelt betrachtet, dadurch die eigene Wirkung auf Andere mit bedenkt und in seinem Verhalten berücksichtigt. Das Wissen, dass im sozialen Diskurs von der Hautfarbe auf den Habitus geschlossen wird, hat eine gesteigerte Sensibilisierung der Selbstwahrnehmung zur Folge. Demnach müssen Rassismuserfahrungen als besonders prägnante Grenzüberschreitungen und ‚queer moments‘ betrachtet werden. An eben diesen möchte ich, dieses Kapitel abschließend, den Umgang der Brüder mit Alltagsrassismus im Zusammenhang mit ihrer Identitätskonstruktion kritisch betrachten. Das Bild Schwarzer Männlichkeiten, das im Roman gezeichnet wird, beinhaltet neben sexistischen, auch rassistische Stereotype,159 die von den Protagonist_innen verinnerlicht und kalkuliert werden. An Tiermetaphern wurde dies bereits beleuchtet. Die im letzten Unterkapitel besprochenen Schlüsselszenen der beiden Brüder, Gabriels Affektausbruch und Micks verinnerlichter Fremdkörper können als Traumareaktion, Selbsthass oder zumindest Scham und Entfremdung durch rassistische, sexistische, visuelle und Berührungs-Ökonomien gelesen werden. Der gezielte Kontrollverlust bei Mick steht Gabriels Kontrollwut gegenüber. Bei Gabriels Beruf, seinem Erfolg und seinem Selbstbild spielen ebenfalls kapitalistische Ideale die Hauptrolle. „Hierbei ging es nicht um Hautfarben, sondern um Geld.“160 Trotzdem ist sich Gabriel rassistischer Klischees bewusst, blendet diese jedoch aus.161 Er hasst es, angestarrt zu werden162 und erinnert, wie ihn die „Glotzerei“163 anderer in den Wahnsinn trieb. Er verhält sich, je nach sozialem Umfeld anders, hat eine „deutsche Persona“164 und eine „Londoner Identität“165 und es gibt mehrere Momente, in denen er mit rassistischen Kategorisierungen, vor allem in Verbindung mit der eigenen Familiengeschichte und Herkunft konfrontiert wird. Eindrucksvoll geschieht dies durch den Ahnenpass seines verstorbenen Großvaters, dessen Nachweis arischer Reinheit mit ihm „dem Eindringling, dem ersten dunklen Fleck in dieser blütenweißen Reihe“166 endet. Eine Dissonanz mit dem Bild seiner liebenden Großeltern, bei denen er aufwuchs. Ein weiteres Mal befindet er sich in einer Arztpraxis in London, in der er einen Fragebogen zu seiner Ethnie ausfüllen muss.167 Die Absurdität und die eindeutig rassistisch basierten Unterscheidungen dieses Formulars irritieren ihn. Hierbei vergleicht er seine Fremdwahrnehmung und Gruppenzugehörigkeit als Schwarzer in New York und der amerikanischen one-drop-rule, die bis heute im Denken verankert ist, mit Deutschland, Großbritannien und seinem Arbeitsplatz in Südamerika. Gleichzeitig ist dies das erste Mal, dass er sich intensiv mit Fragen der Selbstkategorisierung beschäftigt. Er hat sich immer als weiß betrachtet,168 ist sich der Fremdwahrnehmung in unterschiedlichen sozialen Kontexten allerdings bewusst. Fleur durchschaut die Folgen. „Gabriel richtete sein gesamtes Lebenskonzept darauf aus, keine Stereotypen zu erfüllen“169. Genau deswegen bleibt er jedoch ferngesteuert von ihnen, erfüllt Gegenklischees, um mögliche Vorurteile zu kompensieren. Er ist sogar dagegen, dass sein Sohn trommelt, obwohl er dies gerne tut, um keine rassistischen Klischees von Musik im Blut zu bestätigen.170 Sein Architektendasein und sein biblischer Name suggerieren zwar, dass er sich selbst definiert und deklariert, sein „verkrampfter Kampf“ ist (laut Fleur) jedoch offensichtlich. Er ist stets überarbeitet, müde und Fleur attestiert ihm ein Burn-out, Männerdepressionen und Überforderung. Sie weist ihn darauf hin, dass seine Bemühungen ihn nicht weiß machen und nur verinnerlichte rassistische Klischees sind.171 Ironischerweise wird er während des Medienskandals von den Medien doch als weiß gelesen und inszeniert. Ein weiterer täuschender Eindruck und ein Hinweis auf die Absurdität und Arbitrarität ethnischer Gruppenkategorien und sozialer Zuordnungspraktiken. Trotz vieler Privilegien bleibt Gabriels Assimilation an weiße Räume, Normen und visuelles Vokabular ein „selbstbetrügerischer Traum“172. Paul Mecheril spricht im Hinblick auf Aneignung und Internalisierung rassistischer Fremdheitskonstruktionen als „herrschaftsbestätigende Komplizität“173, durch die weiße, heteronormative Hierarchien bestehen bleiben. Albert, ein Beispiel für Positivrassismus, der sich wiederum als Schwarz bezeichnet, sich aus Coolnessgründen die Rastafari-Ästhetik mit Dreadlocks aneignet und mit „nigger“-Zitaten und Gangster-Slang provoziert,174 zeigt dadurch auch verinnerlichte rassistische Klischees. Das Internat, dass vor lauter political corectness jegliche ethnische und religiöse Hintergründe unhinterfragt lässt, verdeutlicht die Kommodifizierung von Diversität, die ebenfalls auf ökonomischem Interesse basiert und Diversitätswissen reproduziert.

Das Spiel des Romans mit Blicken und Perspektiven macht den Körper als Zeichenträger erkennbar und zeigt den Blick als (eigenes und fremdes) Machtwerkzeug in seiner Fehlbarkeit und Unvollständigkeit. Er wird als widersprüchlich und inkonsequent offengelegt, als normierende, unterwerfende Kraft. Der unausweichlichen Tatsache, dass Identität und die eigene Körperwahrnehmung immer auch in einer intersubjektiven Wechselbeziehung durch das soziale Umfeld und den Blick der Anderen zugeschrieben werden, kann man nicht entkommen. Der Versuch der Protagonist_innen, diesen Machtverlust durch Selbstinszenierung oder Selbstkontrolle zu konterkarieren, kann nie komplett gelingen. Da es sich jedoch um einen Roman handelt, der die Themen literarisch verhandelt, muss betont werden, dass es weniger um das Aufzeigen sozial konstruierter Unterschiede oder der hybriden Identitätsentwicklung der Protagonist_innen geht. Anstatt dessen wird ihre Konstruiertheit durch wiederholt miteinander brechende Multiperspektivität, Fremdkörpermetaphorik und Identitätskonstruktionen hervorgehoben. Man stößt auf die „Inszenierung einer unhintergehbaren Selbst-Differenz“175. Die Narration der Protagonist_innen, durch die sie ihren Lebenslauf erzählen, sich selbst entwerfen und beschreiben, beinhaltet grundlegend eine Grenzüberschreitung. Es ist immer auch ein Entfremden und Verkennen von sich selbst und ihrer eigenen Geschichte, sowie eine Differenzierung von anderen im Prozess des Entwerfens ihrer sozialen Identität implizit. Der in Kapitel 2.1 aufgegriffene ironische Realismus und seine kritische Funktion finden dadurch ihre Pointe.

Kapitel 3: Olivia Wenzel – 1000 Serpentinen Angst (2020)

3.1 Alles Banane? Allegorien des triple consciousness

Olivia Wenzels Debütroman 1000 Serpentinen Angst, ebenfalls nominiert für den Deutschen Buchpreis und den Aspekte Literaturpreis des ZDF, verhandelt Fremdheitserfahrungen und Normabweichungen (‚queer moments‘), das Ringen um Zugehörigkeit zwischen DDR, BRD, Ost- und Westdeutschland, den USA, Angola und Vietnam, zwischen Schwarz-Sein und Deutsch-Sein, sexueller Orientierung und dem daraus resultierende Dilemma der Identitätsverhandlung. Die (namenlos bleibende) Protagonistin ist sich selbst auf körperlicher, geistiger und intersubjektiver Ebene fremd geworden. Sie verarbeitet und bewältigt die eigene Vergangenheit, verknüpft die Ängste und Vergangenheit ihrer Mutter und ihrer Großmutter (deren Erleben des Zusammenbruchs des Staatskörpers der DDR), wie auch die traumatischen Spuren durch Rassismuserfahrungen und den verschwundenen Körper ihres Zwillingsbruders miteinander. Wenzel schreibt in autofiktionaler Form. Sie versteht die Protagonistin als „eine düstere Variante“176 von sich selbst. Ihr Alltagserleben als afro-deutsche Frau kann sie nachvollziehen, ihren Umgang damit könnte sie allerdings nicht ertragen. Der Roman ist dreigeteilt. Das erste Kapitel „I (points of view)“ ist im Interviewstil geschrieben. Die Protagonistin ist unterwegs in den Südstaaten der USA und New York, reist in Flugzeugen, rekapituliert vergangene Reisen, ihre Beziehung zu einer Frau namens Kim und andere Affären. Drängend und unerbittert reißt eine Stimme (in Majuskeln) einen Fragenkatalog ab, der einem Verhör ähnelt und alles Gesagte der Protagonistin noch weiter hinterfragt und manchmal ergänzt oder kommentiert. Vor allem ein sich ständig wiederholendes „WO BIST DU JETZT?“ treibt die Protagonistin durch das Buch. Weitere Fragen gleichen einer Verhörsituation („WAS UNTERSCHLAGEN SIE?“177, „WARST DU JEMALS TEIL EINER TERRORISTISCHEN ORGANISATION?“178, „WELCHES DETAIL UNTERSCHLÄGST DU?“179, „WO BIST DU GEMELDET?“180, WAS IST DER GRUND DEINES AUFENTHALTS?“181 ), andere sind sozialkritische und politische Gedanken zum Thema Rassismus und der Geschichte der Sklaverei in den USA182 oder thematisieren Ängste und traumatische Erlebnisse. Das zweite Kapitel „II (picture this)“ ist hingegen in Prosa-Form verfasst und verhandelt Erinnerungen, Therapiesitzungen, den Umgang mit ihrer Angststörung und davon geprägte (Körper)Wahrnehmungen, Illusionen und Suizidgedanken, die Beziehung zu Freunden, zur Mutter, der DDR und die Erinnerung an Reisen, ihren Bruder und Kim. Auch die Beschreibung von Fotografien ihrer Eltern durchziehen das Kapitel. Erster und dritter Teil („III (fluchtpunkte)“) des Buches bestehen aus dem in der erwähnten Dialogform gehaltenen Zwiegespräch der Protagonistin (höchstwahrscheinlich) mit sich selbst. Dabei fragt die Stimme im dritten Kapitel aus der Ich-Perspektive („WO BIN ICH JETZT“183 ), wechselt dann in die zweite Person184 und wieder in die erste.185 Beide Kapitel sind durchzogen von in kursiv gehaltenen Gedankenblitzen und Assoziationen, darunter Gespräche mit ihrer Mutter und Kim, aber auch Sätze und Zitate in Englisch und Französisch, deren Ursprünge kaum klar voneinander zu unterscheiden sind. Fragen, Antworten, Unbeantwortetes, Ablenkungen, Rückblicke, Versuche der Verortung, die ständige Konfrontation mit Unterbrechungen, Infragestellungen und die nie ganz klar bestimmbare fragende Instanz ergeben ein schizophrenes Leseerlebnis, und verdeutlichen die Zerrissenheit der Sprecherin. Auch das Spiel mit Typografie, Kursivschreibung, Majuskeln, Zitaten und dem Wechsel ins Englische erschafft eine Vielstimmigkeit, die infolgedessen auf innere Spaltungen schließen lassen. Momente der Irritation und Desorientierung finden sich demnach bereits auf stilistischer Ebene.

Der geschärfte Blick dieser Arbeit auf Fremdheits- und Identitätskonstruktionen führt zwangsläufig auch über den Blick auf Rassismus und darauf, wie er sich auf das Subjekt auswirkt.

Bei Wenzel lässt sich die Wirkung von Rassismus als extreme Form der Grenzüberschreitung und Entfremdung auf Ebene der subjektiven Körperwahrnehmung beobachten. Mehr noch als auf das double consciousness, stößt man hier auf das triple consciousness, ein im 21. Jahrhundert erweitertes Konzept, dass die Bandbreiten intersektionaler Identitäten berücksichtigt. Der Psychologe Frantz Fanon (Black Skin, White Masks, 1952), auf den Sara Ahmed ihre Theorie stützt, geht auf die sozialpsychologische Wirkung des Kolonialismus ein und beschreibt das Phänomen des entfremdenden Blickes auf sich selbst auf körperlicher, sprachlicher und phänomenologischer Ebene als einen gespaltenen Zustand und als internalisierte Minderwertigkeit Schwarzer186 als ‚fremd‘ markierte und fremdmarkierte Menschen.

Die Protagonistin beschreibt „die Tatsache, einem Blick ausgeliefert zu sein, der uns, wenn ich überhaupt von einem Uns sprechen kann, als das Gleiche begreift, als das gleiche markiert, als das Nichtweiße, das Andere, als Beleg einer Idee von Hautfarben und Differenz“187 und entschlüsselt dieses Denken damit als wirkungsmächtige, vererbte „Konstrukte“ von Schwarz und weiß. Es handelt sich bei all diesen Fremdheitskonstruktionen um verwandte, binäre, negativ-dialektische Denkstrukturen.188 Mecheril nennt sie aufgrund ihrer auf einem Schema von Über- und Unterordnung basierenden Struktur „asymmetrische Reflexionsbestimmungen“. Anwenden bzw. übertragen lassen sie sich auf den oder die „Heterosexuelle als Reflexionsbestimmung der lesbischen oder schwulen Position, „Whiteness“ („Europeanness“, „Civilizationness“ etc.) als Reflexionsbestimmung des schwarzen, muslimischen Anderen, de[n] Mann als Reflexionsbestimmung der Frau.“189 Die intersektionale Identität der Protagonistin, die Schwarz, weiblich, ostdeutsch und bisexuell ist, wird also zu einem vierfach sensibilisierten Bewusstsein und hat eine permanente Anspannung zur Folge, die zu einer unerträglichen Anstrengung, den Alltag zu bewältigen, führt. Sie geht direkt darauf ein und beschreibt ihre Gedanken, während sie in New York die Fifth Avenue entlanggeht und unbefangen eine Banane isst, folgendermaßen:

DAS DREIFACHE PROBLEM DER BANANE.

Let me explain:

1. Öffentlich eine Banane essen als schwarze Person: Rassistische Affenanalogien, uga uga uga. Aua.
2. Eine Banane essen als Ossi – die Banane als Sinnbild für die Unterlegenheit des beigen Ostens gegenüber dem goldenen Westen. Die Banane als Brücke in den Wohlstand, exotische Südfrüchte als Symbol wirtschaftlicher Übermacht. Boah und die blöden Ossis standen da nach’m Mauerfall stundenlang für an, ey.
3. Eine Banane essen als Frau – Blowjob, dies das. Die Banane als Penisanalogie und Werkzeug des Sexismus. Unsichere, pubertierende Teenager traumatisieren andere unsichere pubertierende Teenager. Mach doch mal Deepthroat, hähähä. Hähähä.190

Hier spricht sie drei der genannten Differenzkonstruktionen an. Erstens, den rassifizierten Schwarzen/die rassifizierte Schwarze als Negativschablone des ‚ weißen Westens‘, der/die mit Wildheit und Primitivität assoziiert wird, selbst als sexuell hyperpotent konstruiertes Klischee191 kann er/sie in diesem Zusammenhang gelesen werden. Zweitens, die bis heute politisch und medial geotherten ‚Ostdeutschen’, bzw. ‚Ossis‘ in abwertender, stereotypisierender Bezeichnung der „anderen Deutschen“.192 Ein Negativkonstrukt zu ‚Westdeutsch‘, basierend auf dem gleichen hegemonialen Denkmuster, an die auch die Wahrnehmungsweise der Ostdeutschen als zweitklassig und abweichend, oder sogar anormal im Vergleich zum Westen strategisch konstruiert wurden und werden.193 Der Ossi wird lange Zeit nach der Wiedervereinigung als Ausländer, Einwanderer und Fremdkörper dargestellt, Wenzels Protagonistin zieht sogar Vergleiche zum Kolonialismus im Umgang der BRD mit der DDR.194 Drittens, die Konstruktion der Frau als „Symptom des Mannes“.195 In diesem Fall in Form einer misogynen, heteronormativen und sexualisierenden Geste. Ergänzend klingt hier noch der kolonialistische Hintergrund der wirtschaftlichen Ausbeutung dritter-Welt-Länder (für Südfrüchte, Kaffee, Kakao, Zucker etc.) an, der sich ebenfalls durch hegemonial-westliche Machtverhältnisse legitimiert. Im weiteren Verlauf des Buches wird auch der deutsche und britische Kolonialismus196 erwähnt. Selbst, und dies unterstreicht die Dissonanzen, Unvereinbarkeiten und Entfremdungen des Romans, die Schwangerschaft (ihrer Großmutter) vergleicht sie mit einer kolonialistischen Belagerung.197

Auch ist erkennbar, dass sie sich abhängig vom sozialen Umfeld anders verhält, sich mehr oder weniger zugehörig, in diesem Beispiel in New York endlich „unbefangen“198 und für einen Moment frei fühlt. In den Südstaaten erstaunt sie, dass sie auf der Straße von anderen Schwarzen gegrüßt wird,199 im Restaurant von einer Schwarzen Kellnerin freundschaftlich ein Kompliment ausgesprochen bekommt200 und dass eben solche ‚tactile encounters‘ ortsabhängig sind, dass es im Gegensatz zu Deutschland, afroamerikanische Communitys und ein stärkeres Zugehörigkeitsgefühl gibt, in dem sie sich zum ersten Mal nicht als ‚fremd‘ markiert wahrnimmt. In Angola eckt sie wiederum an und wird als „Kokosnuss“, als „außen braun und innen weiß“201 bezeichnet. Eine Anspielung auf ihre dort als deutsch und damit ‚anders‘ auffallende Herkunft und Manierismen. Sie empfindet die Dissonanz der eigenen Privilegien, des eigenen Konsumverhaltens, der eigenen Vorurteile und trotzdem „keinen Ort zu kennen, an dem man selbst die Norm ist“202 vor allem im (erinnerten) Dialog mit ihrer Großmutter,203 im Vergleich mit vorherigen Generationen204 oder auch mit der normabweichenden Mutter, die als Punkerin im Osten oft rebellierte und (negativ) auffiel.205 In diesen ‚tactile encounters‘ spiegelt sich die visuelle Ökonomie und die Berührungsökonomie innerhalb des sozialen Körpers. Die Anwesenheit oder das Fehlen von räumlichen und zwischenmenschlich-körperlichen Grenzen ermöglichen spezifische Beziehungen, Nähen oder Entfernungen und verändern die eigene Körperwahrnehmung, machen eine finale Verortung von Zugehörigkeit hingegen umso instabiler. Das Bewusstsein der Protagonistin ist vielfach gespalten. Sie selbst entkommt dem Kreislauf aus sensibilisierter Wahrnehmung und Angst schon zu Anfang nicht. „Alle wollen ständig mit mir über Rassismus sprechen. Das ist doch nicht meine Lebensaufgabe. DU HAST DOCH DAMIT ANGEFANGEN.“206 Die Vielzahl der erläuterten entfremdenden Differenzkonstruktionen, vor allem aber die gesamte Frage-Antwort Struktur des ersten und dritten Kapitels erinnern an die Aussage Toni Morrisons zum Thema Rassismus:

„It‘s important, […] to know the function, the very serious function of racism, which is distraction. It keeps you from doing your work. It keeps you explaining, over and over again, your reason for being. Somebody says you have no language and you spend twenty years proving that you do. Somebody says your head isn’t shaped properly, so you have scientists working on the fact that it is. Somebody says you have no art, so you dredge that up. Somebody says you have no kingdoms, so you dredge that up. None of this is necessary. There will always be one more thing.”207

Sie beschreibt damit die aus der Ablenkungsfunktion entspringenden, an den ‚body out of place‘/‘body not at home‘ gerichteten Behauptungen und Fragen, die von der Protagonistin verinnerlicht werden. Diese funktionieren immer auch als Markierungs- und Verweisungsakt,208 da sie Rechtfertigung gegenüber weißer Autorität einfordern. Die nicht endenden Fragen nach Herkunft, Ziel und Verortung spielen sich hier allerdings innerlich ab, wodurch die gewohnte Dynamik der Fragestellung zu einer internalisierten Praxis wird und die Protagonistin sich, zwischen all den anderen desorientierenden ‚queer moments‘, selbst als ‚fremd‘ markiert. Sara Ahmed spricht im Kontext solcher Fragen von „stopping device[s]“209 innerhalb einer „phenomenology of being stopped“.210 Diese sind nicht nur als eine Technologie des Rassismus zu verstehen, sondern auch als räumliches Phänomen, bei dem der Körper angehalten und in seiner Bewegungsfreiheit blockiert wird. Diese Erfahrung ist verbunden mit Stress und macht den Körper gleichzeitig zum Ort und Schauplatz sozialer Spannung, denn sie reproduziert die ihm zugrunde liegenden Fremdheitskonstruktionen. Ahmed beschreibt am Beispiel des Angehaltenwerdens aufgrund ihres muslimischen Nachnamens, die Kontrolle ihres (britischen) Passes und die Frage nach ihrer Abstammung durch das Flughafenpersonal,211 als eine Unterbrechung, einen Bruch, der dem Angehaltenen sein Recht auf Zugehörigkeit und Durchgang strittig macht, der Unbehagen und die Antizipation ähnlicher Momente zur Folge hat. Der ‚discomfort‘ des ‚body not at home‘, im Gegensatz zum im Kapitel 1.2 erwähnten ‚ease‘ und ‚comfort‘ des ‚body at home‘, wird erkennbar und ebenso intensiv wie intrusiv durch die Fragestruktur des Romans erzeugt. Der provozierte Stillstand des sich Rechtfertigens lenkt die Protagonistin davon ab, sich auch nur annähernd selbstbestimmt konstruieren zu können. Er lässt sich besonders gut am wiederkehrenden und wohl irritierendsten Motiv des Buches untersuchen: Dem Automaten am Bahnhof als Körper- und Raummetapher.

3.2 „Mein Herz ist ein Automat aus Blech“ - Orientierungsverlust und erweiterte Selbstwahrnehmung

Desorientierung, Stillstand und die Vorstellung von Ausnahmezuständen prägen das Erleben der Protagonistin. Der Roman beginnt mit einem von insgesamt zweiundzwanzig größtenteils skurrilen Szenen, in denen sie anfangs ihr Herz als einen Automaten aus Blech beschreibt, der sich jeweils an unterschiedlichen (unbekannten) Bahnhöfen befindet. Dann wechselt ihre Verortung mehrmals. Sie blickt auf den Automaten, befindet sich in ihm, wartet auf Züge, steht allein am Gleis, liegt nackt auf den Gleisen und sieht ihren toten Zwillingsbruder auf den Gleisen liegen, bis der Automat sich später an einer Hauswand befindet. Im Laufe des Romans erfährt man, dass die Protagonistin sowohl den Selbstmord ihres Zwillingsbruders, der sich vor einen Zug warf, miterlebte, als auch ein weiteres Schlüsselerlebnis aus ihrer Erinnerung mit Bahnhöfen verbindet, bei dem sie und ihr Bruder, noch Kinder, auf dem Weg in einen Urlaub von einem Pärchen angestarrt, dann angeschrien und rassistisch beleidigt werden.212 Keiner der anwesenden Passanten greift ein, bis ihre Mutter, die auf einem anderen Gleis stand, zu ihnen kommt und sie verteidigt. Die in Kapitel 1.2 erläuterten ‚strange encounters‘ lassen sich hier wiederkehrend finden. Die Protagonistin stößt durch mehrere rassistische Alltagserlebnisse an soziale Grenzen und verliert dadurch die Möglichkeit, sich in der Welt zuhause zu fühlen, sich frei zu entfalten, ohne negative Reaktionen hervorzurufen. Die Bahnhofsszenen verdeutlichen ihren Orientierungsverlust, sie weiß nicht, an welchem Ort sie sich befindet.213 Allein unter Fremden steht sie immer von neuem am Gleis, nur die verbleibenden vier Minuten bis der nächste Zug kommt, sind ihr bekannt und vergehen nicht, die Zeit steht still. Die Bahnhofsszenen sind außerdem durchsetzt mit weiteren Erinnerungen aus ihrer Kindheit. An die Schildkröte eines Schulkameraden, die im Wasser angebunden war, damit sie nicht fortschwimmen konnte und an den Schulfreund, der nun an ALS erkrankt ist.214 Sich wiederholende Motive für ihren eigenen Stillstand, ihre Bewegungsunfähigkeit und das Gefangensein im Körper. Sie sehnt sich nach Schutz und Sicherheit und stellt sich vor, im Automaten Unterschlupf zu finden.215 In diesem sitzt sie dann zusammengekauert, mit gebastelten Tieren aus Zellophanfolie, Essensresten, Kot und Urin, bis dieser letztendlich, samt ihr zerdrückt wird und zerbeult auf den Schienen ausgebreitet liegt. Vergleichbar mit dem Selbstmord ihres Bruders, der sich vor einen Zug warf. Auch ihn sieht sie auf den Gleisen, tot, lächelnd und in Zellophan eingewickelt, schleift sie ihn vom Gleis. Im Laufe des Romans, in einem imaginären Gespräch mit ihrem toten Zwillingsbruder, erfährt man, dass sie sich am Bahnhof einen Snack holte, als ihr Bruder sich vor den Zug stürzte.216 Folglich ist sie nicht nur von diesem traumatischen Erlebnis, sondern auch von Schuldgefühlen geplagt, die sie ebenfalls lähmen. Ihre Körper- und Raumwahrnehmung verlegt sich ins Illusionäre. Als der Bahnhof und das Gleis sich plötzlich in Bewegung setzen, verliert sie die Orientierung ganz und fällt in Ohnmacht.217 Erneut lassen sich hier Allegorien von Entfremdung und Machtverlust auf Ebene der Körperwahrnehmung finden. Körperliche Zeichen werden missverstanden, ihr ständig glucksender Magen218 signalisiert keinen echten Hunger. Trotzdem schaut sie nach Essbarem in den Automaten. Daneben stößt man auf eine Spiegelmetaphorik. Sie sieht sich selbst, aber auch andere Menschen in der Oberfläche des Automaten.219 Die teils erkennbar oder verzerrt reflektierenden Glasoberflächen, das matte Blech, dass nur Umrisse sichtbar macht und der Inhalt des Automaten, den man „anschauen, kaufen, einspeicheln und runterschlucken“220 kann, erinnern an die kapitalistisch orientierte, visuelle Ökonomie, an (auch zwischenmenschliches) Konsumverhalten und den Kontrollverlust durch den unausweichlichen, fehlbaren Blick der Anderen. Das intersubjektive Dilemma der umkämpften Selbstbestimmung und Handlungsmacht, wie auch die daraus folgenden Auswirkungen auf den Körper und die Selbstwahrnehmung aus Kapitel 1.3 finden sich hier wieder. Die metaphorischen Reflektionen können gleichzeitig als Reflexionen der Protagonistin verstanden werden. Ihre Flucht in die Dissoziation vom Körper, der zum Automaten wird, in den sie sich imaginiert oder durch den sie Teile ihres Körpers und ihres affektiven Empfindens metaphorisch entmenschlicht und metaphorisiert, all diese Analogien betonen und formulieren die veränderte Wahrnehmung ihrer eigenen Person, ihres Körpers, ihrer Identität, zwangsläufig auch mit Einfluss auf die Beziehung zu sich selbst und anderen. Ein Verdrängen und Wegfokussieren von ihren emotionalen Leiden in diesen Schlüsselszenen führt allerdings nur zu weiteren Fremdheitserfahrungen. Ihre Aus/Ein/Ander-setzung mit Befremdlichem, mit Erlebtem und ihren eigenen Empfindungen, die ständige Wiederholung ähnlicher Szenen und die unterschiedlichen Abspaltungen von ihnen drückt aber auch eine Sehnsucht nach Autonomie und Zugang zu sich selbst aus. Ihr Herz, der Automat aus Blech, wird im dritten Romankapitel vom Koloss zu einem kleinen, leichten, unauffälligen Kaugummiautomaten, dessen Innenleben nicht mehr leicht zu erkennen ist.221 Er hängt nun an einer Hauswand, sie selbst steht zuletzt vor ihm. Ihre Perspektive ändert sich ein weiteres Mal und verschiebt sich aus dem Inneren auf den Blick von außen. Keiner außer ihr weiß, „wer den Kaugummiautomaten an die Wand montiert hat oder wer ihn immer wieder befüllt.“222 Den Leser_innen verrät sie es nicht. Die Hoffnung und die Enttäuschung, mit der sie sich letztendlich in Form der Stochastik und Willkür des Automaten konfrontiert sieht, der einen Kaugummi anstatt des gewünschten Ringes auswirft,223 verdeutlichen eine Kontingenz, an der auch sie nichts ändern kann. Der Kaugummi als Symbol für eine repetitive Mundbewegung, ziellos, zwecklos ausgeführt, wie schon die nicht endenden Fragen, erinnert erneut an den Stillstand, die Schockstarre, die Frustration und Reproduktion des immer gleichen Musters, in dem sie sich am Bahnhof gefangen sieht. Spannend für die Interpretation ist auch die Etymologie des Automaten: ein Lehnwort des lateinischen ‚automatus‘ (freiwillig, aus eigenem Antrieb handelnd), dieses wiederum dem griechischen ‚automatos‘ (aus dem Wurzeln ‚autos‘: selbst, ‚men‘ denken/wollen, von selbst geschehend) entlehnt.224 Gegen die erwünschte Autonomie stellen sich zwangsläufige, festgelegte Reaktionen und Unfreiheiten. Als sie den Automaten anhaucht erkennt sie, dass er übersät ist von „Fettflecken mit klitzekleinen eingravierten Schlangenlinien, hinterlassen von zigtausend unsauberen Fingerkuppen“225 die eintausend Serpentinen Angst aus dem Romantitel werden hierdurch mit Grundfragen der Identität verknüpft. Dagegen die emanzipatorische Vorstellung: „Eines Tages, wenn ich erwachsen bin und noch viel mehr Zeit habe als heute, flüstere ich, werde ich wiederkommen und jeden einzelnen Fingerabdruck mit meinem eigenen überlagern“226. Möglichkeiten der Berührung, und das von Sara Ahmed thematisierte Denken über die Haut, sowie die Berührungsökonomie aus Kapitel 1.3 werden hier relevant. Die Protagonistin würde durch diese Metapher und in diesem imaginierten Moment nicht von der äußeren Welt markiert, definiert und konstruiert, sondern könnte sich allen Fremdmarkierungen entziehen kann.

Der sprunghafte Erzählstil und die fragmentarischen, wahnhaften Einblicke in die Vergangenheit können als ständige Brüche in der Kommunikation des Selbst verstanden werden. Die Protagonistin versucht durch ihr Erzählen Handlungs- und Definitionsmacht über ihre Identität zu erlangen, scheitert allerdings durch die verinnerlichten, unterbrechenden Fragen, die lähmenden Erinnerungen und Ängste. Trotzdem sind die zwanghaften Fragen des Romans ein gleichzeitiges Ankämpfen gegen den Orientierungsverlust, ein Versuch der Selbstversicherung und Selbstkonstruktion. Geht man davon aus, dass der Erzählstil einen inneren Dialog abbildet, so hilft die Selbstreflexion und die Artikulation der eigenen Affekte und Gedanken gegen die Entfremdung von sich selbst durch rassistische, sexistische und andere Differenzkonstruktionen. Die Narration des Romans bietet so gesehen sogar die Möglichkeit eines ‚tactile encounters‘, wo andere Berührungen scheitern. Die Versuche der Überwindung und Bewältigung der Vielzahl an ‚strange encounters‘, die den Leser_innen abverlangt wird, aber auch zwischen der Protagonistin und sich selbst und in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen stattfinden, können als mehrschichtiges Kommunikationsangebot interpretiert werden. Zugang zu sich selbst durch Narration, als eine die Selbstwahrnehmung und Subjektivität stabilisierende, kognitive Tätigkeit, durch die ihre überwältigende affektive Verwirrung bewältigt und Flucht aus der sonst so entmachtenden Angst und Antizipation von lebensbedrohlichen Ausnahmezuständen gestattet wird. Eine affektive Öffnung auf metatextueller Ebene im Roman wird möglich und innere Prozesse werden abbildbar, ihr Bedürfnis nach introspektiver Klarheit, ihre Sehnsucht danach, intim verstanden und anerkannt zu werden, steht allerdingt dem Scheitern der Kommunikation mit ihren Mitmenschen entgegen. Bemerkenswert ist hierfür das Archiv, von dem sie spricht. Ein Wunsch nach einer jederzeit abrufbaren, greif- und fühlbaren Erinnerung. Eine Art Album, „das alle Berührungen der Haut gespeichert hätte und jederzeit abrufbar wäre.“227, durch das sie sich an Kindheitserlebnisse mit ihrem Bruder, aber auch mit ihrer Großmutter, mit ihrer Freundin Kim und ihrem besten Freund erinnert. Und das „Negativ-Archiv von Berührungen“228, das sie diesem gegenüber stellt und in dem sie all die verpassten Gelegenheiten aufzählt, zu berühren und berührt zu werden. Sei es in der Beziehung mit ihrer Freundin Kim, die Brüche in der Kommunikation, Unausgesprochenes, aus Angst, Wut oder Scham Verdrängtes oder im weiteren Sinne ihr ständiges Übernachten bei Freunden und das nie ankommen, das zuhause fremd sein und die Schlaflosigkeit in ihrer eigenen Wohnung.229 Dieser Berührungsstillstand kann als weiterer Bewegungsstillstand und Verlust von Zugehörigkeit und Orientierung erkannt werden. Die Angst vor und das Nichtzulassen von intimer, nicht-objektifizierender Berührung führt dazu, dass der erwähnte ‚caress‘ als Überwindung und Ausweg aus den ‚strange encounters‘ kontinuierlich misslingt. Ihr auf unterschiedlichen Ebenen als fremd stigmatisierter Körper und die daraus entstehende verinnerlichte Entfremdung, der Bruch in ihrer körperlichen, emotionalen und kognitiven Selbstwahrnehmung (erkennbar durch Illusionen, Halluzinationen, den sexualisierten Blick auf sich selbst230, die Kompensation von Angst durch Konsum von Medikamenten oder auch sexueller Freizügigkeit und einem gewissen Eskapismus durch ständiges Reisen) verdeutlichen eine extreme Fragilität der körperlichen Integrität. Unberührbarkeit macht die Haut gleichermaßen zur materiellen und sozialen Grenze. Wenn die Berührung des (traumatisierten) Körpers selbst immer auch die Berührung der traumatischen Wunde(n) mitbedeutet, dann ist die räumliche Orientierung, ebenso wie die sexuelle, mit Ängsten, Entfremdung, Distanz, Abwesenheit und dadurch instabilen Beziehungen verbunden und trotz Sehnsucht nach Berührung, stets erschwert. Ihr Geist berührt und umkreist ständig die traumatischen Erlebnisse. Umso wichtiger wird ein Blick auf die versuchte Auflösung und Überwindung der Entfremdungserfahrungen, die für sie innerhalb mehrerer Therapie-Sitzungen, auf der Suche nach geeigneten Therapeut_innen zum weiteren Hindernis wird.

3.3 Exkurs: „ Es fehlt: of colour “– Trauma als Fremdkörper und weiße Therapieräume

„Immer wieder warte ich auf die Stimme, die nicht wie meine klingt, aber doch meine ist, erschrecke mich vor ihr, beobachte, wie ich auf die Stimme warte, beobachte meine Gedanken von außen; da ist etwas in mir, denke ich oder werde ich gedacht, das mich vielleicht, denke oder sehe oder beobachte ich, auslöschen könnte; alles bedroht mich.“231

Nicht nur ist die Protagonistin mit intrusiven Gedanken und unnachgiebigen Fragen als einer Art Fremdkörper, als verinnerlichtes, innerliches Fremdes konfrontiert, auch kann das Trauma selbst wie ein Fremdkörper verstanden werden. Ist es doch eine zutiefst paradoxe Erfahrung. Es gehört einem nicht und im Trauma gehört man sich nicht selbst, da es sowohl intersubjektiv als auch generational mit anderen geteilt ist232 und immer auch die Erfahrung und Perspektive anderer impliziert. Die Wunde, die das Trauma dem Wortursprung nach bezeichnet, ist eine doppelte, körperliche und seelische. Die überwältigenden Ereignisse am Bahnhof sind für die Protagonistin nicht vollständig be-greif-bar, stets durch Abwesenheit gekennzeichnet und trotz der Unmöglichkeit des direkten Bezugs und Zugangs233, ständig präsent. Die erneute Unmöglichkeit einer Berührung. „Ich habe nicht mich verloren, ich habe nicht einen Teil von mir verloren, sondern eine andere Person“234, redet sie sich ein, verwechselt und empfindet jedoch die affektiven Folgen und ihr phänomenologisches Erleben des Todes ihres Zwillingsbruders wie einen eigenen Tod: „als ich starb, äh, ich meine, er.“235

In seiner grundlegenden Definition ist das Trauma die überwältigende Erfahrung plötzlicher, katastrophaler Ereignisse. Die Reaktion darauf erfolgt oft zeitlich versetzt, unkontrolliert und wiederholt.236 Das ständige Wiedererleben und Rückerinnern, meist mit persönlichkeitsverändernden Symptomen ist typisch. Halluzinationen, Schlafstörungen, Angststörungen und Selbstmordgedanken durchziehen damit kongruent, unterbrechend, intrusiv und desorientierend die Romanhandlung und das Leben und Erleben der Protagonistin. So auch während des (imaginierten) Gesprächs mit ihrem Bruder237, der sie nach Erinnerungen an ihn fragt und sie auf Folgendes hinweist:

„es gibt immer nur die wiederholung des rätsels, so dass du denkst, deine antwort wäre falsch. aber ich sage nie, dass es falsch gewesen wäre.

ich kann dir nicht folgen.

der affe in der kiste.

der zweck des rätsels ist, dir auf die nerven zu gehen,

dich zu verwirren, das ist alles. du sollst glauben,

es gäbe eine antwort, und das macht dich irre. nur darum geht's. aber es gibt keine richtige antwort.

okay. und warum?

keine ahnung.“238

Erneut die Ablenkung durch Fragen ohne finale Antwort. Der Affe in der Kiste239, ein Kinderspiel ohne Ende, absichtlich darauf ausgelegt, nie die richtige Antwort zu finden und in den Wahnsinn zu treiben, entpuppt sich als Allegorie für die (gedankliche) repetitive Reinszenierung der traumatischen Erlebnisse. Diese wirken psychisch und entmachtend, und bewirken ein weiteres Zurückversetzt-werden. Das Erlebte wird schmerzhaft und unfreiwillig mental als eine Art „repetition compulsion“240 nachgespielt. Die Frage nach dem Warum („warum bist du gesprungen?“241 ) wird nie beantwortet, kann nicht beantwortet werden. Stillstand, obwohl der Zwillingsbruder bereits seit zwölf Jahren tot ist.242

Wie schon die Ablenkung durch Fragen als lähmende Technik des Rassismus, so können Rassismuserfahrungen selbst als vielfach desorientierende, massive inter- und innersubjektive Grenzerfahrung und Traumata verstanden werden.243 Die dadurch verinnerlichte Entfremdung, ein solches „Introjekt als fremdkörperartiges Gebilde, kann neben Schuldgefühlen, Selbstwerterniedrigung, Strafbedürfnis und Aggression erzeugen“244. Ein kurzer Blick auf die Therapie-Szenen des Romans soll ein grundlegendes Problem des Zugangs zum eigenen Trauma für Schwarze Menschen beleuchten. Die Protagonistin erinnert sich an ihre erste Sitzung, bei der sie anspricht, wie ihr zum ersten Mal auffiel, dass sie und Kim, mit der sie im Berliner Ensemble ein Theaterstück besuchte, „die einzigen Nichtweißen in einem Raum mit circa 1000 Personen sind“245 aus dem Gedankengang heraus fragt sie sich nach dem Ursprung dieses Bewusstseins „WANN HAST DU ANGEFANGEN, AUF SO ETWAS ZU ACHTEN?“246. Bei ihrer ersten Therapeutin, die sie darauf hinweist, wie erstaunlich es sei, „dass sie von sich als weißer Person träumt“247, was sie unerwartet trifft, „erschlägt“ und reduziert. Gleichzeitig aber auch Dynamiken des Misstrauens gegenüber sich selbst und Unmöglichkeiten der Assimilierung an hegemoniale Normen offenbart. Möglichkeiten der Öffnung und Berührung werden dadurch auch im therapeutischen Raum aufgehalten, wenn nicht sogar verwehrt. Beim zweiten Anlauf fällt es ihr noch schwerer, sich zu öffnen, von Kim erzählt sie nur als guter Freundin und verschweigt den romantischen Aspekt ihrer Beziehung.248 Die Therapeutin weist sie darauf hin, dass sie keine Rassismus-Therapie anbiete und ihre Fragen im Grunde „nicht therapeutisch zu klären seien“249. Die nächste Therapeutin250 konfrontiert sie im Vorgespräch mit Theorien vererbter Angst und vergleicht sie mit im KZ gezeugten Kindern, sowie mit einem Schwarzen, ostdeutschen Kind, dass sie einst behandelt hat. Beispiele für rassistische, kategorisierende Narrative, die in der Wissenschaft und Medizin bis heute kursieren. Von einem weiteren Therapeuten fühlt sie sich ebenfalls pathologisiert.251 Anschließend verändert die Protagonistin ihre Onlinesuche in „Berlin, Therapeut*innen of colour“252, jedoch ohne Erfolg. Unter jedem Suchergebnis steht: „Es fehlt: of colour“ eine durchaus treffende Lagebeschreibung. Da sie sich auch hier mit Differenzkonstruktionen und sozialer Bewegungsunfreiheit konfrontiert findet, soll eine Aussage May Ayims aufgegriffen werden, die bereits 1997 beklagte: „Für Menschen afrikanischer Herkunft und Schwarze Deutsche, die sich in akuten Krisensituationen befinden, gibt es keinen Ort, der von Rassismus frei ist“253 Ayim bezeichnet Rassismus als allgegenwärtigen Stressfaktor. Die daraus resultierenden „psychosoziale[n] Notlagen“ durch „subtile Formen von Mißachtung und Ausgrenzung“254 können nur erschwert verarbeitet werden, denn „für ihre speziellen Belange fühlen sich Psychologen und Therapeuten nicht zuständig“255. Erneut ist die koloniale Geste zu erkennen, die Markierungspraxis, ein hierarchisiertes, rassifizierendes Differenzwissen und das Ausgehen von „strukturell normative(m) Weißsein“256. Wie schon die intrusiven Fragen als „stopping devices‘, wirkt das Verhalten der Therapeut_innen wie ein Verweisungsakt, der verbal ausgrenzt und nicht anerkennt, körperliche Befindlichkeiten enteignet257, den Subjektstatus abspricht und zum Schweigen bringt. Ein bis heute aktualisierter Habitus innerhalb der akademischen Wissensproduktion258, der Krankheitssymptome direkt ans Schwarzsein koppelt. Hinzu kommen weitere Intersektionen, wie Ableismus259, Sexismus, Heteronormativität, Klassismus, durch die unterschiedlichen bis entfremdeten Machtgefälle zwischen Ärzt_innen und Patient_innen. Patient_innen werden problematisiert, nicht die krankmachenden Verhältnisse oder die persönlichen und gesellschaftlichen Zusammenhänge.260 Pseudowissenschaftliche Begründungen, Pathologisierung und Negierung, wie es die Protagonistin erlebt, häufig mit herabwürdigender Bewertung, bieten keinen Rückhalt, der eigene Erfahrungen bestätigen oder relativieren könnte, sondern schüren im schlimmsten Fall noch mehr Zweifel und verschlimmern Ängste und Unsicherheiten der Betroffenen. Rassismus gegenüber der eigenen Person überhaupt benennen zu können, wird zu einer ambivalenten Verhandlung zwischen Außensicht und Innensicht. Durch die Ungewissheit, die eigenen Erfahrungen tradieren und dekodieren zu können, werden die Subjektivierung und der Zugang zum eigenen Trauma auf sprachlicher Ebene und innerhalb von sozialen Räumen extrem erschwert. Die Negativ-Beispiele des Romans verdeutlichen, dass eine affektive Kommunikation ihrer Traumata für die Protagonistin hauptsächlich mit Hindernissen verbunden bleibt. Letztendlich findet sie auf Empfehlung einer Freundin eine neue Therapeutin, bei der sie eine intensive Sitzung hat, die allerdings nicht genauer geschildert wird.261

3.4 (Re)Generationen der Angst

Verstehen wir schlussfolgernd auch das Trauma als Fremdkörper und Entfremdungsmotiv, als Ursprung und Quelle der Angst, so möchte ich einen letzten Blick auf Erinnerungen und die generationalen Ängste und ihre Auswirkungen auf die Körper- und Raumwahrnehmung, beziehungsweise auf die Räume und Körper selbst richten. 1000 Serpentinen Angst verknüpft drei Generationen, die eingebettet in die deutsche Geschichte und Gegenwart, mit ähnlichen, einander ergänzenden Motiven konfrontiert sind. Desorientierung und ‚discomfort‘ finden vorrangig vor dem Hintergrund sowjetischer Besatzungsherrschaft, staatlicher, aber auch familiärer Kontrollzwänge und dem Scheitern von Einheit und Freiheit nach dem Mauerfall bis in die Gegenwart statt. Die Großmutter der Protagonistin wird von ihr als tief verunsicherte und repressive, ängstliche Frau geschildert. Aufgewachsen in den 1950ern in einem kleinen Dorf, träumt sie davon Stewardess zu werden, wird hingegen unehelich schwanger und lässt sich nach erzwungener Ehe als erste Frau in eben diesem Dorf scheiden. Alleinerziehend in der DDR und zudem aufgrund der Eskapaden ihrer rebellierenden Tochter von der Stasi eingeschüchtert, erlebt sie soziale Ächtung und Bewegungsunfreiheit in den Schwellenräumen Ostdeutschland und DDR, fühlt sich seitdem anhaltend eingesperrt262, hat mittlerweile panische Angst vor Flugzeugen263 und beengenden Räumen (Fahrstühlen) und „vor allem, was sie nicht kontrollieren kann und was sie nicht kennt.“264 Ihre Verstöße gegen die strenge Sittlichkeit ihres Heimatdorfes versucht sie durch adrette Äußerlichkeiten wiederherzustellen.265 Gegenwärtig wird sie von so vielen Ängsten und Schmerzen in Folge eines Bandscheibenvorfalles geplagt, dass sie nur noch zwischen ihrer Wohnung und Ärzten pendelt. Sie ist insofern auf mehreren Ebenen bewegungsunfähig. Die Mutter lehnt sich in ihrer Jugend als optisch auffällige Punkerin in der ostdeutschen Provinz auf, ist allerdings gegenwärtig abgetaucht in ein Haus im Wald. Sie deutet an, von der Polizei gesucht zu werden.266 Als die Protagonistin sie besucht, ist sie paranoid genug, aus einer Telefonzelle anzurufen und darauf zu bestehen, dass ihre Tochter sich die Adresse nicht aufschreibt, sondern merkt und sie niemandem verrät, was sie auch tut. Selbst ihrer inneren, fragenden Stimme beantwortet sie die Frage nach dem genauen Ort nicht.267 Die Großmutter wird als „ein Leben lang an dieselbe Stelle gesetzt“268 beschrieben. „MEINE MUTTER HAT SICH AN KEINE STELLE GESETZT“269. Ihr nur temporärer Aufenthaltsort reiht sich ein in die mütterlichen Instabilitäten. Auch ihr Aussehen fluktuiert, vor allem durch radikale Diäten. „Zu jedem Weihnachtsfest ein anderer Körper, zu jedem Geburtstag eine neue Haarfarbe.“270 Sie versucht ihr Leben lang der Einengungen der DDR zu entkommen. Nach wiederholten, scheiternden Ausreiseversuchen mit und ohne ihre Kinder,271 renoviert sie schließlich ein baufälliges Haus, in dem sich die Protagonistin erinnert, mit ihrem Bruder in einem Zimmer eingeschlossen gewesen zu sein272. Eine der vielen unerwähnten Ereignisse aus ihrer Kindheit in Thüringen. Auch warum die Mutter damals von der Stasi verhaftet wurde, offenbart sie nicht. Die erhoffte Aussprache wehrt sie schroff ab („ Wie kommst du überhaupt auf die Idee, dass du ein Recht hast, irgendwas über meine Vergangenheit zu erfahren? Das war mein Leben, nicht deins.“273 ) Damit werden die Analogien der Abgrenzungen, Ausgrenzungen, Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen, die räumliche Dissoziation der Mutter auch auf körperlicher Ebene verdeutlicht. Unausgesprochenes charakterisiert die Beziehungen zwischen Großmutter, Mutter und Tochter. Unfreiheiten, nicht aufgearbeitete seelische Blockaden, Gefühlsstaus und ein repressiver Umgang mit erlebten Traumata, vor allem aber Ängste als Resultat dessen, prägen das Leben und Erleben der drei.

Die Sprachlosigkeiten zwischen den Generationen erschweren einen Zugang zum eigenen Trauma und seiner Bewältigung durch potenzielle ‚tactile encounters‘. Wie in 3.4 geschlussfolgert, sind Berührung und Berührbarkeit verbunden mit Traumata. Die private Berührungsökonomie ist dadurch ebenfalls stark an Erinnerungen geknüpft. Verletzung, Herabwürdigung, Beschämung und Verunsicherung durch vergangene Demütigungen und Grenzerfahrungen prägen die phänomenologische Wahrnehmung. Ihre Wirkung ist immer auch auf psychologischer und kognitiver Ebene zu betrachten. Erinnerung ist emotional kodiert. Emotionen beeinflussen was und wie wir erinnern. Ein Emotionsaustausch zwischen Körpern, eine intersubjektive Verknüpfung von Traumata erfordert somit den Zugang zum eigenen Trauma und die Fähigkeit, es zu verbalisieren. Genauso wie man sich in seinem Trauma nicht gänzlich gehört, folgt auch unsere Vergangenheit dem gleichen Muster. „[H]istory is precisely the way we are implicated in each other‘s traumas“274. Unsere Erinnerung, unsere Emotionen, gehören uns nicht vollständig. Dieser Machtverlust zeigt sich im Roman vielfältig durch die Angststörung der Protagonistin, ihre „Angst zu jeder Zeit“275, die ihr auch die Therapien nicht nehmen können. „Angst vor dem Einschlafen, […] Angst vorm Grübeln, […] Angst vor der Angst, […] immer mehr Angst“276, „die Angst hat sich festgesetzt“277. „AM BAHNHOF DER NAZI. IMMER WIEDER DIESE GESCHICHTEN, IN DENEN DIR FAST ETWAS PASSIERT, ABER LETZTENDLICH DOCH NICHT. UND IMMER WIEDER BAHNHÖFE.“ Rassistische Angriffe auf sie und ihren Bruder seit ihrer Kindheit, die daraus resultierende ständige Sorge um den Bruder und sich, Angst und das ständige Antizipieren von rechtem Terror,278 sowie die Angst, sich selbst noch weiter zu entgleisen279 und wie ihre Mutter, „sich selbst unhaltbar ausgeliefert“280 zu sein. Die Wortwahl verweist erneut auf das Bahnhofmotiv und den damit verbundenen körperlichen und seelischen Stress, den Kontrollverlust, die Ohnmacht und Sprachlosigkeit. Die Angst verhindert Zugang: „fear does something; it reestablishes distance between bodies“281. Innerhalb der ‚strange encounters‘ materialisiert Angst Körper und Objekte. Angst-Narrative sind zukunfts- und vergangenheitsgerichtet, entstammen dabei aber weder dem Subjekt noch dem Objekt, auf das sie projiziert werden. Sie bewegen sich dazwischen („movement between objects“282 ). Angst ist ohne fixierbaren ‚Aufenthaltsort‘283 und produziert affektive Wahrnehmung. Die Zirkulation von Angst-Zeichen erhält Angst indem sie verlagert, verschiebt und durch Körper an die Oberfläche tritt. In sozialen Räumen, also gleichermaßen innerhalb der affektiven Ökonomie ist dies demnach ein Prozess der Verkennung körperlicher Zeichen,284 bei dem Außen und Innen, bedrohter und bedrohender Körper in ihrer Instabilität erneut erkennbar werden. Das kann unterschiedliche Folgen haben. Für die Schwarze, ostdeutsche, queere, weibliche, bisexuelle Protagonistin sind diese vielschichtig restriktiv und hemmen ihre zwischenmenschliche und räumliche Bewegung.

Nach dem Fremdgehen der Protagonistin und der ständigen räumlichen Distanz zwischen ihr und Kim, macht letztere mit folgenden Worten Schluss:

„Aber es gehe in meinem Leben zu viel um mich und meine Vergangenheit. Gegen die zwei habe sie keine Chance.

Gegen die beiden hab ich einfach keine Chance, weißt du.

Was bedeutet das?

JA, WAS BEDEUTET DAS?

Dass wir aufhören, einander nah zu sein. Beziehungsweise, dass wir nicht wieder damit anfangen.“285

Nähe im Sinne eines ‚tactile encounters‘ wird durch den Stillstand der Protagonistin in der Vergangenheit verhindert. Die Möglichkeit von Zugehörigkeit, des ‚body not at home‘/‘body out of place‘ verknüpft sich mit der Berührungsökonomie. Die Existenz(re)konstruktion der Protagonistin und ihre Suche nach Zugehörigkeit findet vor allem durch die Versuche statt, verschiedene Vergangenheitsfragmente zu integrieren. Neben den vielen Rückblicken, fallen besonders die detaillierten Beschreibungen von Fotos auf. Beim Besuch eines Theaterstücks wird abschließend ein Originalfoto an eine Leinwand projiziert, auf dem sie ihre Mutter als jugendliches Punkmädchen erkennt. Um mehr über ihre Mutter zu erfahren, tauscht sie sich mit dem Fotografen aus, der ihre Mutter damals ablichtete. Das Foto, „Susannes Traum“286 und die Szenen mit dem Fotografen im Futur I stehen in starkem zeitlichen Kontrast zu dem Bild, das vor 30 Jahren geschossen wurde und dem Mädchen, dass ihre Mutter damals war. Neben der Überschrift des zweiten Teils enthalten mehrere Szenen und Erinnerungen die einleitenden Worte „picture this“287, wodurch bildliche Vorstellung der Leser_innen gefordert wird. Das Eingangszitat des zweiten Kapitels, ein Intertext aus John Bergers Buch über Migration und Arbeit in Europa, Der siebte Mensch (1975) verbindet nun Fotografie und das Reisemotiv miteinander: „Alle Fotografien sind eine Art Reisen und ein Ausdruck von Abwesenheit.“288 Die Erinnerung an Räume, Reisen beinhaltet immer auch die Unmöglichkeit der Rückkehr, eines direkten Zugangs. Das interpretative Dilemma, dass sich aus der Verlagerung von Zeit und Ort ergibt, verdeutlicht die Fotografie als Grenzraum, vielleicht sogar Schwellenraum der Entgrenzung, das Betrachten eines Fotos als Grenzerlebnis, als Moment der Vergangenheit in der Gegenwart. Durch die potenzielle Bedeutungsvielfalt von Bildern, die Augen, die die Protagonistin aus dem schwarzweiß-Foto anblicken,289 die Beschreibung des Bildes selbst werden auch die Leser_innen mit der Schwierigkeit einer Interpretation konfrontiert. Gleichzeitig wird die abgebildete Mutter zu einer Art bekannter Fremden. Dieser ‚strange encounter‘ macht die Abgebildeten zu betrachtbaren Objekten, er öffnet sie für wechselnde Interpretationen. Trotzdem, oder gerade deswegen sind Fotografien nur Illusionen einer objektiven Gewissheit. Fotografie, auch als materielle Verfügbarmachung, verwandelt Menschen in Objekte, die man symbolisch besitzen kann, wie in diesem Fall der Fotograf das Eigentum an dem Bild ihrer Mutter hat und damit sogar Auszeichnungen gewann. Da die Interpretation beim Betrachter liegt und die Protagonistin auch den politischen Einfluss von medialen Bildern mit dem Fotografen290 diskutiert, sowie mehrere Bilder aus einem Fotoessay von Chris Buck (Let’s Talk About Race)291 beschreibt, eröffnet sich ein weiterer Aspekt von Fotografie, der soziale Blick- und Machtdynamiken, Narrative und Deutungshoheit, durch den das Verhältnis zur (sozialen) Wirklichkeit geprägt wird, anklingen lässt. Die Bildbeschreibungen des Romans spielen mit diesem Zwischenraum von Repräsentation, Schein und täuschenden Eindrücken, dem Erkennen und Verkennen von Sichtbarem, Nichtsichtbarem und Sichtbarmachen. Fotografie verwandelt Menschen in Projektionsflächen, in Objekte, die man symbolisch besitzen kann, so ließe sich der Versuch der Protagonistin, sich ihrer Mutter auf dieser Ebene zu nähern und sich Wissen über sie anzueignen interpretieren. Der erwünschte Einblick in die Vergangenheit der Mutter, ein ersehnter Zugang zu ihr, hat hingegen einen entfremdenden Effekt. Mit nur teilweise bekanntem Kontext versucht die Protagonistin sich ihre Mutter von damals zu erklären. Neben der Dissoziation durch den Automaten, findet sich hier ein weiterer Ansatz, die Perspektive zu wechseln. Ein aus dem Bild treten und (wie schon beim Zitat der Fingerabdrücke) der Wunsch nach einem Austreten aus dem Machtgefälle des Angeblickt-werdens, die Phantasie einer objektivierenden Selbstpositionierung. Die Außensicht der Reflektorfigur ist sinnvoll, der Körper und das vermeintlich Eigene werden dem Blick ausgesetzt, objektiv betrachtbar und interpretierbar gemacht. Zudem bleibt der Körper im Falle des Romans zwangsläufig innerhalb der Sprache und Schrift beschrieben, ist somit nicht direkt, sondern nur vermittelt betrachtbar, wodurch sich weitere Einschränkungen, Verfälschungen und Dissonanzen ergeben. Die Fragmentierung der Protagonistin lässt sich mithilfe von Sprache kaum bewältigen. Denn auch sprachliche Benennungen sind nicht neutral, drücken immer auch eine Perspektive aus, stellen Differenzierung und Bewertung her. Sie produzieren Wirklichkeit. Das zusätzliche dialektische Dilemma der Sprache, die mit Saussure betrachtet, eine weitere Differenzkonstruktion darstellt, erschwert die Identitätsfindung und Körperwahrnehmung. Basiert sprachliche Bedeutung doch auf Negativkonstruktionen und bezieht sich auf Abwesendes, nicht greifbares, ein weiteres unüberwindbares Paradoxon, das die Fehlbarkeit des Sprachsystems als Mittel zur Identitätskonstruktion aufzeigt. Auf dieser Ebene konfrontiert einen erneut der intersubjektiv geteilte, fremd definierte Körper.

Der Fixiertheit der Fotografien entkommt die Protagonistin ebenso schwer, wie ihren lähmenden Ängsten. Auch durch sie ist kein direkter Zugang und Austausch möglich. ‚Tactile encounters‘ bleiben oberflächlich. Die vielen Erinnerungsfragmente des Romans sind dabei stark emotional kodiert. Emotionen beeinflussen was und wie wir erinnern. Sie prägen die sozialen Räume, in denen man sich erinnert und bewegt. Dies wird nur verstärkt durch Traumata und Trigger. Die Protagonistin ist mit verfremdeten Erinnerungen konfrontiert, vermischt mit Halluzinationen, verfärbt durch Ängste. Die Erinnerung an die Berührung des steifen Körper ihres toten Bruders im Krematorium292 unterbrechen die Fotografie-Szenen und brechen damit auch den Prozess des Begreifens und Annäherns. Sie berichtet, dass die optische Täuschung, Nägel und Haare würden nach dem Tod weiterwachsen, darauf beruht, dass die Haut sich zurückzieht. Wohingegen in einer Schwangerschaft Nägel tatsächlich schneller wachsen. Haut, Haare und Nägel sind weitere wiederholte Motive des Romans, an denen Differenz und Fremdheit markiert wird. Im dritten Kapitel des Buches erfährt man von ihrer überraschenden Schwangerschaft. Letztlich zeigt sie sich zuversichtlich und streichelt über ihren Bauch293. Ihre zweifelhafte Hoffnung auf eine Ablösung der Angst um sich selbst durch die potenziell gesündere Angst um jemanden, den man liebt294, lässt sie vermuten, dass der Platz des verstorbenen Bruders in ihr geheilt wird. Mit diesem Ausblick und einem neuen symbolischen und realen Fremdkörper, wie bereits in Kapitel 2.2 genauer erläutert, mit dem sie sich nun ihren Körper teilt, endet der Roman.

Kapitel 4: Unter dem Bruchstrich

Die Romane greifen Phänomene der Körperwahrnehmung durch ähnliche Motive und Räume auf. Das Paradoxon des bekannten Fremden (Kapitel 1.2) und der Haut als Schutz und gleichzeitige Projektions- und Angriffsfläche (Kapitel 1.3) wird ergänzt durch das Paradoxon der Subjektbildung, die ebenso intersubjektiv, wie diskursiv verwoben ist. Die Versuche der Identitäts(re)konstruktionen der Protagonist_innen, wie auch ihre Suche nach Zugehörigkeit sind durchsetzt von Grenzerfahrungen, die auf ihren intersektionalen Identitäten gründen und ihren Zugang, sowie ihre Aus- und Einrichtung in der Welt beeinflussen. Sie spiegeln und verflechten sich in den Motiven und Räumen. Der Unterschied zwischen den ‚Brüdern‘ und Wenzels Protagonistin liegt in der Darstellung unterschiedlicher Extreme im Umgang mit dem ‚eigenen’ rassifizierten, fremd konstruierten Körper, der Selbstentfremdung und Selbstsuche und wiederholter Konfrontation mit Alltagsrassismen. Die ständige Angst und das monologisierende Ankämpfen gegen die Verinnerlichung ihrer traumatischen Erfahrungen als Bewältigungsmechanismus der Protagonistin bei Wenzel bietet hingegen ebenso wenig einen Ausweg, wie die krampfhafte Anpassung und die Souveränitätsbehauptungen Gabriels oder die Ignoranz Micks. Trotzdem sind die Interpretationen der Entscheidungen, Lebensweisen und Geisteshaltungen der Protagonisten offengehalten und letztendlich den Leser_innen überlassen. Die vielfachen Momente der Desorientierung, die Brüche und ‚strange encounters‘ werden auf mehreren Perspektiven beleuchtet. Die von Bhabha als verkörperte Grenzerfahrung beschriebene Lebensrealität von Menschen der Diaspora, sowie Ahmeds Migrationsanalogie von Identität als ständige Grenzüberschreitung, sehen das Potenzial in eben diesem Vermischen, Verwischen und Stoßen an Denkgrenzen. „[T]he hybrid writer must necessarily develop instruments of disturbance, dislocation and displacement“, denn: „[…] we might only notice comfort as an affect when we lose it, when we become uncomfortable.“295

Erst das Schreiben von ‚displacement, ermöglicht eine Umorientierung und Neuausrichtung im sozialen Raum, einen Ausweg aus kollektiven Normen, indem es sie sichtbar und zugänglich für Problematisierungen, Transformationen und kritische Betrachtungen macht.296 Vorsicht ist hingegen bei der allegorischen Bedeutungsübertragung durch Metaphorisierung des Migrationsbegriffs trotzdem zu wahren. Ahmed warnt vor der Annahme einer universellen Migrationserfahrung. Eine solche gleichsetzende Sinnübertragung als getarnte Inklusionstheorie hätte letztlich Exklusion und Relativierung der Unfreiheiten, Unfreiwilligkeiten und Ungewissheiten innerhalb buchstäblicher Migrationserfahrungen zur Folge.297 Sie birgt, unvorsichtig verwendet, die Gefahr der Nichtberücksichtigung bestimmter Privilegien. Auch der Hybriditäts-Begriff und die Möglichkeit eines subalternen Schreibens klingen hier an und bieten ebenso viel Konfliktpotenzial wie Lösungsansätze,298 die für weitere Analysen interessant wären. Das Potenzial der Wahrnehmungsveränderung und Sensibilisierung, durch eine im Roman gebotene und innerhalb dieser Arbeit praktizierte phänomenologische Lesart, bleibt jedoch. Dass der Blick auf den Körper in literarischen, künstlerischen Medien immer auch vermittelt inszeniert und konstruiert ist, spielt umso mehr mit den Blicken der Betrachter und Protagonisten, irritiert, bestätigt und lenkt sie, lässt sie aber ebenso auflaufen und kollidieren.

Neben den Brüchen, zwischen den Realitäts- und Verfremdungseffekten auf der Metaebene, die auf die Konstruiertheit von Realität und Identität verweisen und nicht nur den Leser entwurzeln und irritieren, werden allegorische Körperwahrnehmung, Bedeutungszuweisung und -übertragung zwischen Körperzeichen und Verweisungszeichen zu einer gleichzeitigen Konstruktion und Dekonstruktion von Identität. Die geschichtlichen und biografischen Sinnzusammenhänge, deren Kontingenz und damit auch die Komplexität der Identität und des menschlichen Handelns, die Grenzen der Handlungsmacht und Autonomie der Protagonist_innen werden durch die erzählerische Sprachform verdeutlicht. „[N]arrative Verknüpfungen und verknüpfende Narration“299, durch die Identität, Selbstverständnis und der körperliche Handlungsraum geprägt sind, können den Komplex der sozialen Identität und Körperwahrnehmung adäquater darstellen. Sie sind durchzogen von Annäherungen und Entfernungen zur eigenen und vererbten Lebensgeschichte, die in der Erzählung selbst bereits angelegt sind.300

Das nicht-wissenschaftliche, nicht biografische, hybride Schreiben im fiktionalen Roman oder der Lyrik ist eine Nische, die besonders in Deutschland nur minimal von afrodeutschen Autor_innen vertreten wird. Sie bietet jedoch stilistisch und auch durch die Möglichkeit imaginativer und narrativer Hoheit, intersektionalen Minderheiten eine Stimme und einen Perspektivwechsel. Die als Norm wahrgenommenen Alltagserfahrungen werden hinterfragt und unterwandert. Auch das vielfach gespaltene Subjekt kann im (auto)fiktionalen Roman durch die vielschichtigen Vergleiche zu anderen Differenzkonstruktionen anders und teilweise adäquater dargestellt werden. Verbal Unaussprechliches, Gedachtes, Empfundenes, Innerliches kann thematisiert werden und schafft somit die Möglichkeit eines ‚tactile encounters‘ zwischen Leser_innen und Protagonisten. Eine affektive Öffnung zum Leser hin, dort wo es den Protagonist_innen nicht gelingt, sich den Menschen in ihrem Leben gegenüber zu öffnen. Eine Betrachtung zwischen Innensicht und Außensicht schafft Raum und Anerkennung für die Erfahrungen, Ängste und Traumata, die unausgesprochen bleiben und nie vollends dargestellt werden können, für das Unkommunizierbare zwischen Körpern. Ein ‚caress‘ auf literarischer Ebene, als Möglichkeit, die Subalterne sprechen zu lassen und zu hören. Durch Sichtbarkeit und gemeinsame Bezüge und Erfahrungen könnte die Kollektivbildung einer afro-deutschen und PoC-Community ergänzt werden und ein Bewusstsein fördern, das vor allem für die Verarbeitung von Entfremdungserfahrungen Kommunikation und Zugang zu eigenen Traumata und daraus resultierend Bewegungs- und Berührungsmöglichkeiten in sozialen Räumen höchst relevant wäre. Das Identifikationspotenzial erstreckt sich natürlich intersektional auch über afro-deutsche Alltagserfahrungen hinaus und lässt sich kreativ ausschöpfen und entfalten, wodurch sich weitere mögliche thematische Verknüpfungen ergeben.

Literaturverzeichnis

Monographien:

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Thielsen, Jill: Tendenzen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Bern, Schweiz: Peter Lang, 2019.

Thomae, Jackie: Brüder, Berlin : Hanser, 2019.

Wenzel, Olivia: 1000 Serpentinen Angst, Frankfurt a. M. : S. Fischer, 2020.

Sammelbände:

Arndt, Susan / Ofuatey- Alazard, Nadja (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster : UNRAST, 2011.

Broden, Anne / Mecheril, Paul (Hrsg.): Rassismus bildet. Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivieren in der Migrationsgesellschaft, Bielefeld : Transkript, 2010.

Eggers, Maureen Maisha / Kilomba, Grada / Piesche, Peggy / Arndt, Susan (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte – Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster : UNRAST, 2005.

Ha, Kien Nghi / Lauré al-Samarai, Nicola / Mysorekar, Sheila (Hrsg.): re/visionen: Postkoloniale Perspektiven Von People of Color Auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster : UNRAST, 2007.

Oguntoye, Katharina / Ayim, May / Schultz, Dagmar (Hrsg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin : Orlanda, 1986.

Fauth Søren R. / Parr, Rolf (Hrsg.): Neue Realismen in der Gegenwartsliteratur, Paderborn : Wilhelm Fink, 2016.

Sezen, Beldan / Popoola, Olumide (Hrsg.): Talking Home: Heimat aus unserer eigenen Feder. Frauen of color in Deutschland, Amsterdam : blue moon press, 1999.

Aufsätze aus Monographien und Sammelbänden:

Arndt, Susan: „Mythen des weißen Subjekts: Verleugnung und Hierarchisierung von Rassismus“. In: Eggers et al., S. 340-362.

Arndt, Susan: “Weißsein. Die verkannte Strukturkategorie Europas und Deutschlands“. In: Eggers et al., 2005, S. 24-29.

Ayim, May: „Das Jahr 1990: Heimat und Einheit aus afro-deutscher Perspektive“. In: (Dies.): Grenzenlos und unverschämt, Berlin : Orlanda Frauenverlag, 1997, S. 88-103.

Ayim, May: „Weißer Streß und Schwarze Nerven. Streßfaktor Rassismus“. In: (Dies.): Grenzenlos und unverschämt, Berlin : Orlanda Frauenverlag, 1997, S. 111-132.

Bhabha , Homi K.: „DissemiNation. Time, Narrative, and the Margins of the Modern Nation.“. In: (Ders.): Nation and Narration, London and New York : Routledge, 1990, S.291–322.

Bojenko-Izdebska, Ewa: „Die Ostdeutschen in ausgewählten Karikaturen“. In: Rebecca Pates / Maximilian Schochow (Hrsg.): Der „Ossi“. Mikropolitische Studien über einen symbolische Ausländer, Wiesbaden : Springer VS, 2013, S.191-208.

Dean, Jasmin: „Person/People of Colo(u)r«“. In: Arndt / Ofuatey- Alazard, 2011, S. 597–607.

Eckert, Andreas: „Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken (1952). Oder: „Die Befreiung des farbigen Menschen von sich selbst““. In: Juergen Martschukat / Olaf Stieglitz (Hrsg.): race & sex. Eine Geschichte der Neuzeit, Portland: Neofelis, 2016, S. 188-194.

Eggers, Maureen Maisha / Mohamed, Sabine: „Schwarzes feministisches Denken und Handeln in Deutschland“. In: Yvonne Franke / Kati Mozygemba / Kathleen Pöge / Bettina Ritter / Dagmar Venohr (Hrsg.): Feminismen heute, Bielefeld : transcript, 2014, S. 57-76

Eggers, Maureen Maisha: „Rassifizierte Machtdifferenz als Deutungsperspektive in der Kritischen Weißseinsforschung“. In: Eggers et al., 2005, S. 56-72.

El-Tayeb, Fatima: „Vorwort“. In: Eggers et al., 2005, S. 7-10.

El-Tayeb, Fatima: „Blut, Nation und multikulturelle Gesellschaft“. In: Reinhard Klein-Arendt (Hrsg.): AfrikanerInnen in Deutschland und schwarze Deutsche: Geschichte und Gegenwart. Beiträge zur gleichnamigen Konferenz vom 13.-15. Juni 2003 im NS-Dokumentationszentrum (EL.DE-Haus), Köln, Münster : LIT, 2004, S.125-138.

Gutierrez Rodriguez, Encarnación: „Repräsentation. Subalternität und postkoloniale Kritik“ in: Hito Steyerl & Encarnación Gutierrez Rodriguez (Hrsg): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Münster : UNRAST Verlag, 2003, S. 17-37.

Hoff, Inga / Kausch, Stefan: „Die neue innerdeutsche Grenze: Deutschland als Zwei-(Normalitäts-) Klassen-Gesellschaft.“. In: Pates / Schochow, 2013, S.83 –106.

Hutson, Christiane: „Schwarzkrank? Postkoloniale Rassifizierung von Krankheit in Deutschland“. In: Ha et al., 2007, S. 229-242.

Hutson, Christiane: „Mehrdimensional verletzbar. Eine Schwarze Perspektive auf Verwobenheiten zwischen Ableismus und Sexismus“. In: Jutta Jacob / Swantje Köbsell / Eske Wollrad (Hrsg.): Ge ndering Disability. Bielefeld : transcript, 2014, S. 61-72.

Kilomba, Grada: „‚Don’t you call me Neger!. Das ‚N-Wort‘, Trauma und Rassismus“. In: ADB Köln (Hrsg.): TheBlackBook. Deutschlands Häutungen. Frankfurt/M. : Iko Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2004, S. 91-115.

Kilomba, Grada: „Rewriting the Black Body“. in: Gudrun Perko, Leah Carolla Czollek (Hrsg.): Lust am Denken. Queeres jenseits kultureller Verortung, Köln : PapyRossa Verlag, S. 54-64.

Mecheril, Paul: „Besehen, beschrieben, besprochen. Die Blasse Uneigentlichkeit rassifizierter Anderer“ in: Ha et al., 2007, S. 219-228.

Mecheril, Paul: „Das un-mögliche Subjekt. Ein Blick durch die erkenntnispolitische Brille der Cultural Studies “. in: Heiner Keupp / Joachim Hohl (Hrsg.): Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel. Zur Theorie des Subjekts in der Spätmoderne, Bielefeld : transcript, 2006, S. 119-142.

Mecheril, Paul: Der doppelte Mangel, der das Schwarze Subjekt hervorbringt.“. In: Eggers et al., 2005, S. 73-79.

Messerschmidt, Astrid: „Distanzierungsmuster. Vier Praktiken im Umgang mit Rassismus“. In: Broden / Mecheril, 2010, S. 41-58.

Piesche, Peggy: „Das Ding mit dem Subjekt, oder: wem gehört die Kritische Weißseinsforschung?“ in: Eggers et al., 2005, S.14-17.

Scharatow, Wiebke: „Vom Objekt zum Subjekt. Über erforderliche Reflexionen in der Migrations- und Rassismusforschung.“. In: Broden / Mecheril, 2010, S. 87-111.

Schramm, Moritz: „Ironischer Realismus. Selbstdifferenz und Wirklichkeitsnähe bei Abbas Khider.“ In: Fauth / Parr, 2016, S. 71-84.

Schuller, Marianne: „Der Wahn und seine Beziehung zur Metaphorizität“. In: Ortrud Gutjahr (Hrsg.): Heinrich von Kleist . Freiburger Literaturpsychologische Gespräche, Band 27, Würzburg : Königshausen u. Neumann, 2008, S. 121-132.

Stötzer, Bettina: „Diskurse Schwarzer Frauen in Deutschland“. In (Dies.): InDifferenzen. Feministische Theorie in der antirassistischen Kritik, Hamburg : Argument, 2004, S. 81-89.

Stötzer, Bettina: „Die Kritik der Kategorie Kultur“. In: (Dies.): InDifferenzen. Feministische Theorie in der antirassistischen Kritik, Hamburg : Argument, 2004, S. 55-74.

Stöver, Heino: „Mann, Rausch, Sucht: Konstruktionen und Krisen von Männlichkeiten“. In: Jutta Jacob / Heino Stöver (Hrsg.): Sucht und Männlichkeiten. Entwicklung in Theorie und Praxis der Suchtarbeit, Wiesbaden : VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 21-40.

Tischel, Alexandra: „Polyperspektivismus und Pluralität. Die Perspektivenvielfalt der Gegenwartsliteratur anhand von Romanen Arno Geigers, Anna Katharina Hahns, Eva Menasses und Eugen Ruges.“. In: Fauth / Parr, 2016, S. 53–69.

Wagner, Matthias: „Schwarze Deutsche – interdisziplinäre Betrachtungen“. In: (Ders.): „Fremde“ Kinder in deutschen Bildungsinstitutionen? Biographische Reflexionen über Differenz- und Rassismuserfahrungen, Wiesbaden : Springer, 2020, S. 15-26.

Wandert, Timo; Ochsmann, Randolph: „‘Even the rat was white.‘ Whiteness, Rassismus und ‚Race‘ in der Psychologie“ in: Eggers et al., 2005, S. 304-317.

Velho, Astride: „(Un)Tiefen der Macht. Subjektivierung unter den Bedingungen von Rassismuserfahrungen in der Migrationsgesellschaft“. In: Broden / Mecheril, 2010, S. 113-140.

Zeitschriftenaufsätze und wissenschaftliche Artikel:

Ahmed, Sara: “A Phenomenology of Whiteness”. In: Feminist Theory, vol. 8, no. 2, 2007, S. 149-168.

Ahmed, Sara: „Home and away. Narratives of migration and estrangement“. In: International Journal of Cultural Studies, vol. 2, no. 3, 1999, S. 329-347.

Tißberger, Martina: „Critical Whiteness“. In: fiph. JOURNAL, Schwerpunktthema Rassismus, Ausgabe Nr. 28, 2016, S. 24-31.

Young, Iris M.: „Pregnant Embodiment: Subjectivity and Alienation“. In: The Journal of Medicine and Philosophy: A Forum for Bioethics and Philosophy of Medicine, vol. 9, Issue 1, 1984, S. 45–62.

Internet-Quellen:

Ahmed, Sara: „Affective Economies“. In: Social Text 79, vol. 22, no. 2, 2004, S. 117–139, [online] https://www.saranahmed.com/s/Affective-Economies-7j7x.pdf (20.10.2020).

Bradley, Deborah: „We are All Haunted: Cultural Understanding and the Paradox of Trauma“. In: Philosophy of Music Education Review, vol. 28, no. 1, Project MUSE, Indiana : Indiana University Press, 2020, S. 4-23, [online] https://muse.jhu.edu/article/753770, (16.06.2020).

Breger, Claudia: Rezension zu: Eggers, Maureen M.; Kilomba, Grada; Piesche, Peggy (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster, 2006. In: H-Soz-Kult, 29.09.2006, [online] https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-8651 (20.09.2020).

Caruth, Cathy: „Unclaimed Experience: Trauma and the Possibility of History“. In: Yale French Studies, No. 79, Literature and the Ethical Question, New Haven : Yale University Press, 1991, S.181-192, [online] http://www.jstor.org/stable/2930251, (16.06.2020).

Caruth, Cathy. Unclaimed Experience : Trauma, Narrative and History, Baltimore & London : Johns Hopkins University Press, ProQuest Ebook Central, 2007, [online] https://ebookcentral.proquest.com/lib/huberlin-ebooks/detail.action?docID=3318659.i. (20.09.2020).

Dudenredaktion (Hrsg.): „Automat“, Duden online, o. J., [online] https://www.duden.de/rechtschreibung/Automat (20.09.2020).

Ha, Kien Nghi: Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen ‚Rassenbastarde ‘, Bielefeld : transcript, 2010, [online] https://doi.org/10.14361/9783839413319 (01.11.2020).

Kupka, Mahret Ifeoma: „Farbe bekennen.“ In: Deutschlandfunk, 12.01.2020, [online] https://www.deutschlandfunk.de/identitaeten-6-7-farbe-bekennen.1184.de.html?dram:article_id=467255 (20.09.2020).

Morrison, Toni: „A Humanist View“, transkribierte Rede. In: Portland State University’s Oregon Public Speakers Collection, 30.05.1975, [online] https://www.mackenzian.com/wp-content/uploads/2014/07/Transcript_PortlandState_TMorrison.pdf, (20.09.2020).

Sow, Noah: Meine neue Buchveröffentlichung: Afrodeutscher Heimatkrimi »Die Schwarze Madonna«. Detektivin Fatou ermittelt in Bayern.“ In: Noah Sow Blog, 08.10.2019, [online] https://www.noahsow.de/blog/en/meine-neue-buchveroeffentlichung-afrodeutscher-heimatkrimi-die-schwarze-madonna-detektivin-fatou-ermittelt-in-bayern/ (20.09.2020).

„Autorin Olivia Wenzel über Identität. „Coming-out als Nicht-Weiße“, Taz -Interview, [online] https://taz.de/Autorin-Olivia-Wenzel-ueber-Identitaet/!5666451/ (20.09.2020).

Witterauf, Stefanie: „Servicebuch für Weiße. Wir helfen Menschen, die nicht genug über Rassismus wissen.“ In: Spiegel Interview, 29.09.2019, [online] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/alice-hasters-wir-helfen-menschen-die-nicht-genug-ueber-rassismus-wissen-a-1288762.html (18.09.2020).

[...]


1 weiß wird im Folgenden klein und kursiv geschrieben um die Kategorie als ein Konstrukt zu markieren und auf eine soziale Zugehörigkeit zu verweisen. Die Bezeichnung wird nicht als biologische Eigenschaft verstanden. Vgl. Fußnote 3 dieser Arbeit.

2 Ahmed, Sara: “A Phenomenology of Whiteness.” in: Feminist Theory, vol. 8, no. 2, 2007, S. 149-168, hier: S. 159.

3 ‚Schwarze‘ bzw. ‚Schwarze Deutsche‘ löst mittlerweile den Begriff ‚Afro-Deutsche‘ (erstmalig erwähnt in: Katharina Oguntoye / May Ayim / Dagmar Schultz (Hrsg.): Farbe bekennen. Afro-deutsche Frauen auf den Spuren ihrer Geschichte, Berlin : Orlanda, 1986) ab, der in Anlehnung an ‚Afroamerikaner‘ anderen, diskriminierenden Fremdbezeichnungen entgegengesetzt wurde. (Ebd., S. 10). Der Fokus liegt nun mehr auf der geteilten Erfahrung des Schwarzseins, als auf der des Deutschseins und soll durch ‚Schwarze Deutsche‘ adäquater hervorgehoben werden. Der Neologismus macht die Erfahrung deutsch und Schwarz zu sein aussprechbar und ermöglicht die Sichtbarmachung der weißen Norm. Ich richte mich in dieser Arbeit außerdem nach der Schreibweise der Herausgeberinnen von Mythen, Masken und Subjekte (2005). Dort wird ‚Schwarz‘ großgeschrieben (auch in der Adjektiv-Form) und bezeichnet keine biologische Eigenschaft, sondern meint eine historisch konstruierte, sozial ontologisierte und ontologisierende Gesellschaftsposition. Gleichermaßen ist es die selbstgewählte Bezeichnung Schwarzer Menschen und People of Color. ‚People of Color gilt als politischer Begriff, der Bündnisse zwischen verschiedenen rassifizierten Communities ermöglichen soll. – Vgl. Dean, Jasmin: „Person/People of Colo(u)r“. In: Susan Arndt / Nadja Ofuatey- Alazard (Hg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster : UNRAST, 2011, S. 597–607.

4 Im Folgenden mit Weißsein synonymisiert.

5 Vgl. El-Tayeb, Fatima: „Vorwort“. In: Maureen Maisha Eggers / Grada Kilomba / Peggy Piesche / Susan Arndt (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte - Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster : UNRAST, 2005, S. 7-10, hier: S. 8.

6 Vgl. Arndt, Susan: „Mythen des weißen Subjekts: Verleugnung und Hierarchisierung von Rassismus“. In: Eggers et al., 2005, S. 340-362, hier: S. 342.

7 Vgl. Arndt, Susan: “Weißsein. Die verkannte Strukturkategorie Europas und Deutschlands“. In: Eggers et al., 2005, S. 24-29, hier: S. 25.

8 Arndt in: Eggers et al., 2005, S. 343: nicht nur ontologisch, sondern programmatisch, auch „theoretisch und konzeptionell besetzt“.

9 Vgl. Piesche, Peggy: „Das Ding mit dem Subjekt, oder: wem gehört die Kritische Weißseinsforschung?“ in: Eggers et al., 2005, S.14-17.

10 Vgl. Stötzer, Bettina: „Diskurse Schwarzer Frauen in Deutschland“. In (Dies.): InDifferenzen. Feministische Theorie in der antirassistischen Kritik, Hamburg : Argument, 2004, S. 81-89.

11 Vgl. Stötzer, Bettina: „Die Kritik der Kategorie Kultur“. In: (Dies.): InDifferenzen. Feministische Theorie in der antirassistischen Kritik, Hamburg : Argument, 2004, S. 55-74; Eggers, Maureen Maisha / Mohamed, Sabine: „Schwarzes feministisches Denken und Handeln in Deutschland“. In: Yvonne Franke / Kati Mozygemba / Kathleen Pöge / Bettina Ritter / Dagmar Venohr (Hrsg.): Feminismen heute, Bielefeld : transcript, 2014, S. 57-76, hier: S. 64 f.

12 Eine umfassende Übersicht afro-deutscher Literaturgeschichte bietet außerdem: Wagner, Matthias: „Schwarze Deutsche – interdisziplinäre Betrachtungen“. In: (Ders.): „Fremde“ Kinder in deutschen Bildungsinstitutionen? Biographische Reflexionen über Differenz- und Rassismuserfahrungen, Wiesbaden : Springer, 2020, S. 15-26.

13 steht für „Afrodeutsche Frauen“ und „Initiative Schwarze Deutsche“; Zur Tradition Schwarzer deutscher Wissensproduktion: Ebd., S.69 f.

14 Vgl. Eggers / Mohamed in: Franke et al., 2014, S. 67.

15 Greve, Anna: Farbe – Macht – Körper: Kritische Weißseinsforschung in der europäischen Kunstgeschichte, Karlsruhe: KIT Scientific Publishing, 2013, S.48.

16 Breger, Claudia, Rezension zu: Eggers, Maureen M.; Kilomba, Grada; Piesche, Peggy (Hrsg.): Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland. Münster, 2006. In: H-Soz-Kult, 29.09.2006, [online] https://www.hsozkult.de/publicationreview/id/reb-8651 (20.09.2020).

17 Für einen detaillierten Beitrag zur Critical Whiteness Forschung im deutschsprachigen Raum: Tißberger, Martina: „Critical Whiteness“. In: fiph. JOURNAL, Schwerpunktthema Rassismus, Ausgabe Nr. 28, 2016, S. 24-31, hier: S. 26.

18 Zu den Autor_innen von Biografien zur Zeitzeugenschaft des deutschen Kolonialismus, der Weimarer Republik, während des Nationalsozialismus im Dritten Reich zählen Dualla Misipo (2017), Gert Schramm (2011), Theodor Michael (2015), Hans-Jürgen Massaquoi (1999), Marie Nejar (2007), die Biographie von Bärbel Kampmann (verfasst von ihrem Mann Harald Gerunde, 2000), oder auch Jennifer Teeges Aufarbeitung und Verarbeitung ihrer nationalsozialistischen Familiengeschichte in der Gegenwart (2014).

19 Ika Hügel-Marshall (1989), Stefanie-Lahya Aukongo (2014), Lucia Engombe (2004), Ijona Mangold (2017), Thomas Usleber (2002), Abini Zöllner (2003), Detlev Soost (2005), David Mayonga (2019) (bayerische Perspektive).

20 Mit dem Begriff ‚Servicebuch’ verweist die Autorin Alice Hasters auf das Genre des Rassismus-Sachbuchs und kritisiert daran die Erwartungshaltung an Schwarze Menschen, über Rassismus aufzuklären oder gar ihre persönlichen Rassismus-Erlebnisse zu rekapitulieren. Vgl. Witterauf, Stefanie: „Servicebuch für Weiße. Wir helfen Menschen, die nicht genug über Rassismus wissen.“ In: Spiegel Interview, 29.09.2019, [online] https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/alice-hasters-wir-helfen-menschen-die-nicht-genug-ueber-rassismus-wissen-a-1288762.html (18.09.2020).

21 May Ayim, Raja Lubinetzki, Olumide Popoola.

22 Bspw. Sezen, Beldan, Popoola, Olumide (Hrsg.): Talking Home: Heimat aus unserer eigenen Feder. Frauen of color in Deutschland, Amsterdam : blue moon press, 1999.

23 Ahmed, Sara, 2007, S. 149.

24 Ahmed verweist neben Merleau-Pontys‘ ‚habitual body‘ auch auf Pierre Boudrieus Erkenntnis, dass Gewohnheiten unbewusst und routiniert wiederholt werden. So auch whiteness.: Ebd., S. 156.

25 Ahmed, 2007, S. 154.

26 Ebd., S.150.

27 Ebd., S. 151; S.160.

28 Ebd., S. 152: „orientation involves unfolding, bodies are orientated and „What is reachable is determined precisely by orientations we have already taken“.

29 Ebd., S. 154.

30 Ergänzend sei auf den von Kimberlé Crenshaw geprägten Begriff der Intersektionalität hingewiesen. In ihrer Arbeit “Demarginalizing the Intersection of Race and Sex: A Black Feminist Critique of Antidiscrimination Doctrine, Feminist Theory and Antiracist Politics,” (1989) verweist sie auf die Bandbreite intersektionaler Identitäten, die Individuen gleichzeitig treffen können. Eine solche ‚Überschneidung‘ geht der Wortwahl nach ebenfalls von einem räumlichen, netzförmigen Denkmodell aus.

31 Ahmed, 2007, S. 153: „inhabit whiteness“.

32 „The corporeal schema is of a ‘body-at-home’. If the world is made white, then the body-at-home is one that can inhabit whiteness.“, in: Ebd., S.153.

33 Ebd., S. 158.

34 Im Folgenden mit Zuhause synonymisiert.

35 Vgl. Ahmed, Sara: Strange Encounters: Embodied Others in Post-Coloniality, London/New York : Routledge, 2000, S. 86; Ahmed, Sara: „Home and away. Narratives of migration and estrangement“. In: International Journal of Cultural Studies, vol. 2, no. 3, 1999, S. 329-347, hier: S. 340.

36 Ahmed, 1999, S. 341.

37 Ahmed, 2000, S. 159

38 Ahmed, Sara : Queer Phenomenology. Orientations, Objects, Others, Durham & London : Duke Universiy Press, 2006, S. 16.

39 Ebd., S.87.

40 Ahmed, 2000, S. 4: „ some bodies are already recognised as stranger and more dangerous than other bodies.” [Hervorhebung im Original].

41 Ahmed, 2000, S. 38.

42 Ahmed, 2000, S.13: „[…], the ‘stranger’ only becomes a figure through proximity: the stranger’s body cannot be reified as the distant body.“

43 Mecheril spricht von Rassismen als kollektiven Mythen, Imaginationen und Fiktionen. Vgl. Mecheril, Paul: „Besehen, beschrieben, besprochen. Die Blasse Uneigentlichkeit rassifizierter Anderer“ in: Kien Nghi Ha / Nicola Lauré al-Samarai / Sheila Mysorekar (Hrsg.): re/visionen: Postkoloniale Perspektiven Von People of Color Auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster : UNRAST, 2007, S. 219-228, hier: S. 220; s.a.: Eggers, Maureen Maisha: „Rassifizierte Machtdifferenz als Deutungsperspektive in der Kritischen Weißseinsforschung“. In: Eggers et al., 2005, S. 56-72, hier: S. 61; S. 64.

44 race bezeichnet die kritische Analysekategorie, ‚Rasse’ bezeichnet die biologistische Konstruktion. Vgl.: Eggers et al., 2005 S. 13. Eine deutsche Übersetzung in Ethnie/Ethnizität ist allerdings problematisch. Daher sei darauf hingewiesen, dass eine stereotypisierende Kollektivierung, auch hinter Euphemismen für ‚Rasse‘ getarnt, selten neutral und immer auch als Form der Differenzmarkierung verwendet wird. Eine passendere Bezeichnung für die Kategorisierung auf der Grundlage von physischen Merkmalen wie Hautfarbe und dadurch geteilter sozialer Erfahrungen der Rassifizierung bietet PoC/BIPoC. Vgl. Fußnote 3 dieser Arbeit.

45 Ahmed, 2000, S. 13: „inbetweenness“.

46 Ahmed, 2007, S. 163.

47 Ahmed, 2000, S. 77.

48 Ebd., S. 14.

49 Ebd., S. 15.

50 Ahmed, 2007, S.158.

51 Ahmed, 2000, S. 44: „the body becomes imagined through being related to, and separated from, particular bodily others. Difference is not simply found in the body, but is established as a relation between bodies […]“

52 Ebd., S. 24; S. 49.

53 Vgl. Ahmed, 2000, S. 45: „ a border that feels “ [Hervorhebung im Original].

54 Ebd., S. 44.

55 Ebd.: „unstable border“

56 Ebd., S. 47

57 Ebd., S. 49: „The social body is also an imaginary body that is created through the relations of touch between bodies recognisable as friendly and strange; who one allows near, who is further away, and so on.“.

58 Vgl. Ahmed, 2000, S. 52.

59 Butler beschreibt Subjektivität als „radically involuntary“, in: Butler, Judith, Senses of the Subject, New York : Fordham University Press, 2015, S. 7.

60 Ahmed, 2000, S. 47 f.

61 Ebd., S. 49.

62 Ebd.: „In other words, to withdraw from a relation of physical proximity to bodies recognised as strange is precisely to be touched by those bodies, in such a way that the subject is moved from its place.“.

63 Ebd., [Hervorhebung im Original].

64 Ebd., S. 155 f.: „Rather, thinking of speaking and hearing in terms of touch might allow us to challenge the very assumption that communication is about expression, or about the transparency of meaning, or pure exchange. Communication involves working with, ‘that which fails to get across’, or that which is necessarily secret. To hear, or to give the other a hearing, is to be moved by the other, such that one ceases to inhabit the same place. To think of hearing as touch is to consider that being open to hearing might not be a matter of listening to the other’s voice: what moves (between) subjects, and hence what fails to move, might precisely be that which cannot be presented in the register of speech, or voicing.“.

65 Ahmed, 2000, S. 154: “Forms of encounter and assimilation“

66 Ebd.

67 Ebd., S. 39.

68 Thomae, Jackie: Brüder, Berlin : Hanser, 2019: Auszug aus dem Klappentext.

69 Kupka, Mahret Ifeoma: „Farbe bekennen.“ In: Deutschlandfunk, 12.01.2020 [online] https://www.deutschlandfunk.de/identitaeten-6-7-farbe-bekennen.1184.de.html?dram:article_id=467255 (20.09.2020).

70 Vgl. Scharatow, Wiebke: „Vom Objekt zum Subjekt. Über erforderliche Reflexionen in der Migrations- und Rassismusforschung.“. In: Anne Broden / Paul Mecheril (Hrsg.): Rassismus bildet. Bildungswissenschaftliche Beiträge zu Normalisierung und Subjektivieren in der Migrationsgesellschaft, Bielefeld : Transkript, 2010, S. 87-111.

71 Oder wie sich Noah Sow im Hinblick auf den europäischen Krimi, aber auch generell, Lektüren wünscht, die ihre eigenen Erfahrungen spiegeln. Vgl. Sow, Noah: Meine neue Buchveröffentlichung: Afrodeutscher Heimatkrimi »Die Schwarze Madonna«. Detektivin Fatou ermittelt in Bayern.“ In: Noah Sow Blog, 08.10.2019, [online] https://www.noahsow.de/blog/en/meine-neue-buchveroeffentlichung-afrodeutscher-heimatkrimi-die-schwarze-madonna-detektivin-fatou-ermittelt-in-bayern/ (20.09.2020): „Er ignoriert oder vereinfacht karikaturhaft gesellschaftliche Differenzen und deren sehr reale Auswirkungen auf Millionen sehr reale Leben. Für mich als Leserin hat solche Literatur keine Relevanz.“.

72 Als öffentliche Verharmlosungstaktiken von Rassismus benennt Astrid Messerschmidt Skandalisierung, Verlagerung in den Rechtsextremismus, Kulturalisierung und Verschiebung in die Vergangenheit. Vgl. Messerschmidt, Astrid: „Distanzierungsmuster. Vier Praktiken im Umgang mit Rassismus“. In: Broden / Mecheril, 2010, S. 41-58.

73 Bhabha, Homi K.: „DissemiNation. Time, Narrative, and the Margins of the Modern Nation.“. In: (Ders.): Nation and Narration, London and New York : Routledge, 1990, S.291–322, hier: S. 315.

74 Ahmed, 1999, S. 332.

75 Mecheril in: Ha et al., 2007, S. 221.

76 Begriff nach Genette, in: Fludernik, Monika: Erzähltheorie : Eine Einführung. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2008, S. 49.

77 Begriff nach Stanzel, in: Ebd., S. 47.

78 Vgl. Fludernik, 2008, S. 49.

79 Moritz Schramm spricht von einem ironischer Distanz zu den Dingen, durch welche die Realität als kontingent markiert wird. Vgl. Schramm, Moritz: „Ironischer Realismus. Selbstdifferenz und Wirklichkeitsnähe bei Abbas Khider.“ In: Søren R. Fauth / Rolf Parr (Hrsg.): Neue Realismen in der Gegenwartsliteratur, Paderborn : Wilhelm Fink, 2016, S. 71-84, Zitat hier: S. 76.

80 Vgl. Arnold, Heinz Ludwig: Literatur und Migration. Text + Kritik Sonderband. München 2006, S. 134–147, hier: S. 144–145; Tischel, Alexandra: „Polyperspektivismus und Pluralität. Die Perspektivenvielfalt der Gegenwartsliteratur anhand von Romanen Arno Geigers, Anna Katharina Hahns, Eva Menasses und Eugen Ruges.“. In: Fauth / Parr, 2016, S. 53–69; Thielsen, Jill: Tendenzen der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur, Bern, Schweiz: Peter Lang, 2019, S. 141ff.

81 El-Tayeb, Fatima: „Blut, Nation und multikulturelle Gesellschaft“. In: Reinhard Klein-Arendt (Hrsg.): AfrikanerInnen in Deutschland und schwarze Deutsche: Geschichte und Gegenwart. Beiträge zur gleichnamigen Konferenz vom 13.-15. Juni 2003 im NS-Dokumentationszentrum (EL.DE-Haus), Köln, Münster : LIT, 2004, S.125-138, hier: 132-135.

82 May Ayim schreibt über Berlin nach dem Mauerfall: „In der gesamten Medienlandschaft war von deutsch-deutschen Brüdern und Schwestern die Rede, von einig und wiedervereinigt, von Solidarität und Mitmenschlichkeit … Ja, sogar Begriffe wie Heimat, Volk und Vaterland waren plötzlich – wieder - in vieler Munde.“. In: Ayim, May: „Das Jahr 1990: Heimat und Einheit aus afro-deutscher Perspektive“. In: (Dies.): Grenzenlos und unverschämt, Berlin : Orlanda Frauenverlag, 1997, S. 88-103, hier : S. 88.

83 Thomae, 2019, S. 15.

84 Ebd., S. 27.

85 Ebd., S. 38.

86 Ebd.

87 Ebd., S. 31.

88 Ebd., S. 88

89 Ebd., S. 45f.

90 Ebd., S. 47.

91 Ebd., S. 47.

92 Ebd., S. 49.

93 Ebd., S. 46.

94 Ebd., S. 47.

95 Ebd., S. 110.

96 Ebd., S. 111.

97 Ebd., S. 112.

98 Ebd., S. 154.

99 Ebd., S. 154.

100 Ebd., S. 154.

101 Ebd., S. 145.

102 Er unterdrückt Rührung und Tränen, vgl. ebd., S. 13; S. 155.

103 Ebd., S. 155.

104 Ebd., S. 157: „Was wäre, fragte er sich, wenn wir jetzt einfach vögeln würden? Der beste Exit aus diesem Verhör wäre das.“; „Bitte lass uns jetzt einfach besaufen und beruhigen.“.

105 Ebd., S. 13.

106 Ebd.

107 Ebd., S. 12.

108 Ebd., S. 13.

109 Ebd., S. 14.

110 Ebd., S. 255.

111 Ebd., S. 44.

112 Ebd., S. 51.

113 Ebd., S. 86.

114 Ebd., S. 61.

115 Ebd., S. 64 f.

116 Ebd., S. 171.

117 Ebd., S. 109.

118 Ebd., S. 86.

119 Ebd., S. 383.

120 Ebd., S. 320 f.

121 Er kommt erst als sie wimmert wieder zu sich. Vgl. ebd., S. 230.

122 Ebd., S. 229.

123 Ebd., S. 394.

124 Ebd., S. 227.

125 Ebd., S. 268.

126 Ebd., S. 228.

127 Schuller, Marianne: „Der Wahn und seine Beziehung zur Metaphorizität“. In: Ortrud Gutjahr (Hrsg.): Heinrich von Kleist . Freiburger Literaturpsychologische Gespräche, Band 27, Würzburg : Königshausen u. Neumann, 2008, S. 121-132, hier: S. 123.

128 Ebd., S. 127.

129 Thomae, 2019, S. 394

130 Ebd., S. 395.

131 Ebd., S. 294.

132 Ebd., S. 248.

133 Ebd., S. 271.

134 Ebd., S. 272.

135 Ebd., S. 343.

136 Ebd., S. 247: „Ich übertrug meine Muttersprache Französisch in meine Vatersprache Englisch und achtete darauf, unterwegs nichts zu verlieren.“.

137 Ebd., S. 270.

138 Ebd., S. 271.

139 Ebd., S. 270.

140 Ebd., S. 53.

141 Ebd., S. 61.

142 Ebd., S. 124.

143 Ebd., S. 284.

144 Young, Iris M.: „Pregnant Embodiment: Subjectivity and Alienation“. In: The Journal of Medicine and Philosophy: A Forum for Bioethics and Philosophy of Medicine, vol. 9, Issue 1, 1984, S. 45–62, hier: S. 54.

145 Ebd., S. 55

146 Thomae, 2019, S. 303.

147 Ebd., S. 304.

148 Ebd., S. 284.

149 Sara Ahmed verweist darauf, dass die Figur des Fremden (des bekannten Fremden) auch innerhalb der Identitätsbildung unvermeidbar ist. Sie bezieht sich auf Levinas und zitiert Heidegger, der im Kontext der ontologischen Begegnung von verzehren und verdauen spricht. (anstatt zulassen und anerkennen). Die Prozesse des Verinnerlichens und Ausstoßens des Fremden beschreibt sie als „incorporation and expulsion“. Vgl. Ahmed, 2000, S. 139 ff.; S. 54.

150 Thomae, 2019, S. 86.

151 Stöver, Heino: „Mann, Rausch, Sucht: Konstruktionen und Krisen von Männlichkeiten“. In: Jutta Jacob / Heino Stöver (Hrsg.): Sucht und Männlichkeiten. Entwicklung in Theorie und Praxis der Suchtarbeit, Wiesbaden : VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2006, S. 21-40, hier: S. 27.

152 Thomae, 2019, S. 17.

153 Ebd., S.18.

154 Ebd., S. 103.

155 Stöver, 2006, S. 29.

156 Thomae, 2019, S. 142.

157 Ebd., S. 121: „Opfer, Täter, Ausländer, Rechtsradikaler, rassistisch motivierter Überfall - Mick wollte nichts mit diesen Kategorien zu tun haben. Er würde in seiner Blase bleiben.”, selbst einen rassistisch gewalttätigen Angriff wird ähnlich subsummiert. „Er entschied, dass dies hier nichts war“. Vgl. ebd., S. 120.

158 Fanon, Frantz: Schwarze Haut, weiße Masken, Frankfurt a. M. : Syndikat, 1980, S. 73.

159 Mick spricht und denkt wiederholt von sich in entmenschlichenden bzw. Tier-Metaphern. Sich und Desmond beschreibt er als „hochvirile Männchen der gleichen Spezies“ (Thomae, 2019, S. 23). Er wird von Fleur als „sprechender Schwanz“ (S. 156) beschimpft, worauf er sich unterstellt, ihn als „Zuchthengst“ zu sehen (Ebd.), Idris bezeichnet sich als „schwanzfixiert“ (Ebd., S. 211). Albert gerät in Schwierigkeiten, weil er „Schwanzbilder“ an Häuser klebt (Ebd., S. 365). Seine Rebellionen nennt Fleur „Kapriolen“ (Ebd., S. 375). Hier klingen rassistische Klischees von Animalistik, Primitivität und Hypersexualisierung an.

160 Ebd., S. 256.

161 Ebd., S. 302.

162 Ebd., S. 296.

163 Ebd., S. 238 f.

164 Ebd., S. 292.

165 Ebd., S. 322.

166 Ebd., S. 286.

167 Ebd., S. 240 ff.

168 Ebd., S. 245.

169 Ebd., S. 320.

170 Ebd., S. 323.

171 Ebd., S. 321: „Keine Trommeln zu mögen macht aus dir keinen Weißen“; „Der Schwarze, der du partout nicht sein willst, ist eine grobschlächtige Karikartur.“.

172 Mecheril, Paul: „Das un-mögliche Subjekt. Ein Blick durch die erkenntnispolitische Brille der Cultural Studies “. in: Heiner Keupp / Joachim Hohl (Hrsg.): Subjektdiskurse im gesellschaftlichen Wandel. Zur Theorie des Subjekts in der Spätmoderne, Bielefeld : transcript, 2006, S. 119-142, hier: S. 127.

173 Ebd.

174 Thomae, 2019, S. 382.

175 Schramm, 2016, S. 82.

176 „Autorin Olivia Wenzel über Identität. „Coming-out als Nicht-Weiße“, Taz -Interview. [online] https://taz.de/Autorin-Olivia-Wenzel-ueber-Identitaet/!5666451/ (20.09.2020).

177 In Variationen: S. 18, S. 67, S. 72, S. 221.

178 Wenzel, Olivia: 1000 Serpentinen Angst, Frankfurt a. M. : S. Fischer, 2020, S. 17., Wiederholt auf S. 52.

179 Ebd., S. 18.

180 Ebd., S. 17; S. 32.

181 Ebd., S. 20.

182 Ebd., S. 19; S. 51; S. 53; S. 57.

183 Ebd., S. 212.

184 Ebd., S. 251.

185 Ebd., S. 325.

186 Eckert, Andreas: „Frantz Fanon: Schwarze Haut, weiße Masken (1952). Oder: „Die Befreiung des farbigen Menschen von sich selbst““. In: Juergen Martschukat / Olaf Stieglitz (Hrsg.): race & sex. Eine Geschichte der Neuzeit, Portland: Neofelis, 2016, S. 188-194, hier: S. 191.

187 Wenzel, 2020, S.81.

188 Vgl. Mecheril, Paul: Der doppelte Mangel, der das Schwarze Subjekt hervorbringt.“. In: Eggers et al., 2005, S. 73-79, hier: S. 73.

189 Ebd., S. 76.

190 Wenzel, 2020, S.48 ff.

191 Eckert, 2016, S. 192.

192 Bojenko-Izdebska, Ewa: „Die Ostdeutschen in ausgewählten Karikaturen“. In: Rebecca Pates / Maximilian Schochow (Hrsg.): Der „Ossi“. Mikropolitische Studien über einen symbolische Ausländer, Wiesbaden : Springer VS, 2013, S.191-208, hier: S. 191.

193 Vgl. Hoff, Inga / Kausch, Stefan: „Die neue innerdeutsche Grenze: Deutschland als Zwei-(Normalitäts-) Klassen-Gesellschaft.“. In: Pates / Schochow, 2013, S.83 –106, hier: S.84f.

194 Wenzel, 2020, S. 169.

195 Vgl. Žižek, mit Verweis auf Identitätskonstruktion nach Hegel: „[M]an is the reflexive determination of women’s impossibility of achieving an identity with herself, (which is why woman is a symptom of man).“ In: Mecheril, 2005, S. 76.

196 Wenzel, 2020, S. 235, S. 17; S. 278.

197 Ebd., S. 278.

198 Ebd., S.48 ff.

199 S. 50 f.: „Dass ich dazugehöre. […], Dass ich mindestens fünfmal angelächelt werde. Dass ich öffentlich gemocht werde.“.

200 Wenzel, 2020, S. 13.

201 Ebd.

202 Ebd., S. 82.

203 Ebd., S. 82; S.183 f.

204 Ebd., S. 46.

205 Ebd., S. 140; S. 184.

206 Ebd., S. 13.

207 Morrison, Toni: „A Humanist View“, transkribierte Rede. In: Portland State University’s Oregon Public Speakers Collection, 30.05.1975, [online] https://www.mackenzian.com/wp-content/uploads/2014/07/Transcript_PortlandState_TMorrison.pdf, (20.09.2020), [Hervorhebung im Original], hier: S.7.

208 Kilomba, Grada: „Wo kommst du her?“. In: Heimatkunde Böll, Migrationspolitisches Portal, 01.05.2006, [online] https://heimatkunde.boell.de/de/2006/05/01/wo-kommst-du-her (20.09.2020).

209 Ebd.

210 Ahmed, 2007, S. 161.

211 Ebd., S.163.

212 Wenzel, 2020, S. 269.

213 Vgl. ebd., S. 9: „an irgendeinem Bahnhof“, „in irgendeiner Stadt“; Ebd., S. 100: „in einer Kleinstadt, auf einem Bahngleis“.

214 Vgl. ebd., S. 101; S. 104 f.

215 Vgl. ebd., S. 11.

216 Ebd., S. 112.

217 Vgl. ebd., S. 10.

218 Vgl. ebd., S. 9; S. 102 f.

219 Vgl. ebd., S. 23; S. 37.

220 Ebd., S.9.

221 Ebd., S. 248.

222 Ebd., S. 227.

223 Ebd., S. 349.

224 Vgl. Dudenredaktion (Hrsg.): „Automat“, Duden online, o. J., [online] https://www.duden.de/rechtschreibung/Automat (20.09.2020).

225 Ebd., S. 322 f.

226 Ebd., S. 323.

227 Ebd., S. 199.

228 Ebd., S. 203.

229 Vgl. ebd., S. 187.

230 Vgl. ebd., S. 94 f.: Einen One-Night-Stand mit zwei flüchtig bekannten Männern beschreibt sie in Porno Kategorien als „Interracial Gangbang“ und „ein bisschen liebevoll, ein bisschen wie in einem Mainstream Porno für heterosexuelle Männer“, was darauf schließen lässt, dass sie ihren Körper und ihr Verhalten auch in diesem Fall sexistisch und rassistisch reflektiert und von außen betrachtet. Die entfremdende Wirkung des double bzw . triple consciousness entsteht hier erneut. Aus einer Möglichkeit für intime, nicht-objektive Berührung wird ein ‚strange encounter‘.

231 Ebd., S. 151.

232 Vgl. Caruth, Cathy: „Unclaimed Experience: Trauma and the Possibility of History“. In: Yale French Studies, No. 79, Literature and the Ethical Question, New Haven : Yale University Press, 1991, S.181-192, [online] http://www.jstor.org/stable/2930251, (16.06.2020), hier: S. 192.

233 Bradley, Deborah: „We are All Haunted: Cultural Understanding and the Paradox of Trauma“. In: Philosophy of Music Education Review, Vol. 28, No. 1, Project MUSE, Indiana : Indiana University Press, 2020, S. 4-23, hier: S. 8. [online] https://muse.jhu.edu/article/753770, (16.06.2020).

234 Wenzel, 2020, S. 179.

235 Ebd., S. S.187.

236 Vgl. Caruth, 1991, S. 181.

237 Wenzel, 2020, S. 110-123.

238 Wenzel, 2020, S. 122

239 Wiederholt ebd., S. 112; S. 114; S. 117; S. 118.

240 Caruth, Cathy. Unclaimed Experience : Trauma, Narrative and History, Baltimore & London : Johns Hopkins University Press, 2007. ProQuest Ebook Central, S. 1 f., [online] https://ebookcentral.proquest.com/lib/huberlin-ebooks/detail.action?docID=3318659.i. (20.09.2020)

241 Wenzel, 2020, S.122.

242 Vgl. ebd., S. 110

243 Vgl. Kilomba, Grada: „‚Don’t you call me Neger!. Das ‚N-Wort‘, Trauma und Rassismus“. In: ADB Köln (Hrsg.): TheBlackBook. Deutschlands Häutungen. Frankfurt/M. : Iko Verlag für Interkulturelle Kommunikation, 2004, S. 91-115.

244 Velho, Astride: „(Un)Tiefen der Macht. Subjektivierung unter den Bedingungen von Rassismuserfahrungen in der Migrationsgesellschaft“. In: Broden / Mecheril, 2010, S. 113-140, hier: S. 129.

245 Wenzel, 2020, S. 96.

246 Ebd.

247 Ebd., S. 97.

248 Ebd., S. 186.

249 Ebd., S. 198.

250 Vgl. ebd., S. 193.

251 Vgl. ebd., S. 267.

252 S. 198

253 Ayim, May: „Weißer Streß und Schwarze Nerven. Streßfaktor Rassismus“ in: (Dies.): Grenzenlos und unverschämt, Berlin : Orlanda Frauenverlag, 1997, S. 111-132, hier: S. 127.

254 Ebd., S. 111.

255 Ebd., S. 128.

256 Hutson, Christiane: „Schwarzkrank? Postkoloniale Rassifizierung von Krankheit in Deutschland“. In: Kien Nghi Ha, Nicola Lauré al-Samarai, Sheila Mysorekar (Hrsg.): re/visionen: Postkoloniale Perspektiven Von People of Color Auf Rassismus, Kulturpolitik und Widerstand in Deutschland, Münster : UNRAST, 2007, S. 229-242, hier: S. 232.

257 Ebd., S. 236.

258 Hierzu auch: Wandert, Timo; Ochsmann, Randolph: „‘Even the rat was white.‘ Whiteness, Rassismus und ‚Race‘ in der Psychologie“ in: Eggers et al., 2005, S. 304-317.

259 Vgl. Hutson, Christiane: „Mehrdimensional verletzbar. Eine Schwarze Perspektive auf Verwobenheiten zwischen Ableismus und Sexismus“. In: Jutta Jacob / Swantje Köbsell / Eske Wollrad (Hrsg.): Ge ndering Disability. Bielefeld : transcript, 2014, S. 61-72.

260 Vgl. Ayim, 1997, S 129.

261 Vgl. Wenzel, 2020, S. 201.

262 Ebd., S. 177.

263 Ebd., S. 45.

264 Ebd., S. 78.

265 Vgl. ebd., S. 136 f.

266 Vgl. ebd., S. 240

267 Vgl. ebd., S. 235 f.

268 Ebd., S. 92; wiederholt auf S. 93.

269 Ebd., S. 94.

270 Ebd., S. 240.

271 Vgl. ebd., S. 174.

272 Vgl., ebd., S. 175.

273 Ebd., S. 245.

274 Caruth, 1991, S. 192.

275 Wenzel, 2020, S. 138.

276 Ebd., S. 150.

277 Ebd., S. 270.

278 Ebd, S. 20; S. 28f.; S. 85 f.

279 Vgl. ebd., S. 159.

280 Ebd., S. 180.

281 Ahmed, Sara: „Affective Economies“. In: Social Text 79, 2004, vol. 22, no.2, S. 117–139, hier: S. 126, [Hervorhebung im Original], [online] https://www.saranahmed.com/s/Affective-Economies-7j7x.pdf (20.10.2020).

282 Ahmed, 2004, S. 126.

283 Ebd., S. 127: „lack of residence“.

284 Ebd., S. 126: „fear through displacement“.

285 Wenzel, 2020, S. 84.

286 Beschrieben ebd., S. 129f.; S. 139 ff.

287 Vgl. ebd., S. 42; S. 44; S. 67; in Variationen „I picture this“ S. 344; „You picture this“ S. 278.

288 Ebd., S.127.

289 Vgl. ebd., S. 129.

290 Ebd., S. 141.

291 Ebd., S. 134.

292 Vgl., S. 133.

293 Vgl., S. 218.

294 Vgl., S. 337.

295 Ahmed, 2007, S. 158.

296 Vgl. Ahmed, 2006, S. 159; Ahmed, 2000, S. 76 f.

297 Ahmed, 1999, S. 332 f.

298 Fragen der Sichtbarmachung und des Sprechens über die Subalterne auf soziologischer Ebene sind vor allem durch Theorien von Antonio Gramsci und Gayatri Spivak geprägt. Zur Kritik des Hybriditäts-Konzepts: vgl. Ha, Kien Nghi: Unrein und vermischt. Postkoloniale Grenzgänge durch die Kulturgeschichte der Hybridität und der kolonialen ‚Rassenbastarde‘, Bielefeld : transcript, 2010, [online] https://doi.org/10.14361/9783839413319 (01.11.2020); Zur Möglichkeit hybriden Schreibens: Kilomba, Grada: „Rewriting the Black Body“. in: Gudrun Perko, Leah Carolla Czollek (Hrsg.): Lust am Denken. Queeres jenseits kultureller Verortung, Köln : PapyRossa Verlag, S. 54-64; Gutierrez Rodriguez, Encarnación: „Repräsentation. Subalternität und postkoloniale Kritik“ in: Hito Steyerl & Encarnación Gutierrez Rodriguez (Hrsg): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Münster : UNRAST Verlag, 2003, S. 17-37.

299 Mecheril, 2007, S. 223.

300 Vgl. Fazit zu Kapitel 2.3.

Excerpt out of 66 pages

Details

Title
Fremde Körper schreiben. Körperwahrnehmung bei Jackie Thomae und Olivia Wenzel
College
Humboldt-University of Berlin  (Institut für deutsche Literatur/ sprach- und literaturwissenschaftliche Fakultät)
Course
Europäische Literaturen
Grade
1,0
Author
Year
2020
Pages
66
Catalog Number
V1038529
ISBN (eBook)
9783346456953
ISBN (Book)
9783346456960
Language
German
Keywords
fremde, körper, körperwahrnehmung, sara ahmed, Olivia Wenzel Jackie Thomae, afrodeutsch, Vanessa Lindner
Quote paper
Vanessa Lindner (Author), 2020, Fremde Körper schreiben. Körperwahrnehmung bei Jackie Thomae und Olivia Wenzel, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1038529

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