Die berufliche Ausbildung in den USA


Hausarbeit, 2001

13 Seiten


Leseprobe


1. Einleitung und Hinführung

Die berufliche Ausbildung in den USA kann man nicht mit der vergleichen, wie sie bei uns in der BRD erfolgt. Während es bei uns für jeden anerkannten Ausbildungsberuf eine vorgeschriebene Ausbildungsordnung gibt, bedeuten in den USA gleiche Berufs- bezeichnungen nicht gleiche Ausbildungsgänge (LAUTERBACH, Internationales Handbuch der Berufsbildung [IHBB] S. 40). Die amerikanische Bundesverfassung sieht keine Befugnis für eine Gesetzgebung des Bundes im Bildungswesen vor. Das Wort „education“ (Bildung) kommt in der Verfassung nicht einmal vor. Der Bund hat ledig- lich Richtlinienkompetenz für die Bundesverwaltungen und für das Militär (PLEWA, IBV Nr.41, 10/ 95, S. 3559). Eine Einheitlichkeit der Bildungspolitik kann der Bund nur durch seine vom Kongress gebilligten Programme erreichen. Auf einige Programme, wie zum Be ispiel den „school-to-work-opportunity-act“ wird im späteren Verlauf dieser Arbeit eingegangen.

In den Vereinigten Staaten wurde in der Vergangenheit die berufliche Bildung nur für wenige Schüler angeboten. Man sah diese eher als den letzten Ausweg für Schüler an, welche mit der akademischen Laufbahn ihre Schwierigkeiten hatten. In den letzten Jah- ren erreichte die berufliche Bildung jedoch einen neuen Grad an Bedeutung. Aufgrund dessen wurde der Ruf nach Refo rmen immer lauter. Fachleute und Führungskräfte aus unterschiedlichen Bereichen beschäftigen sich seit einiger Zeit intensiv mit dem Berufs- bildungssystem ihres Landes. Ihrer Meinung nach kann die Leistungsfähigkeit der Ar- beitskräfte, sowie die internationa le Wettbewerbsfähigkeit mit einem verbessertem Be- rufsbildungssystem gesteigert werden.

Eines der Hauptprobleme bei der Umsetzung solcher Reformen ist die Zuständigkeit s- frage. Die meisten High Schools haben zum Beispiel freie Hand bei der Lehrplangestal- tung. Es muß jedoch bundeseinheitliche Richtlinien für die berufliche Erstausbildung geben, damit eine USA- weite Chancengleichheit gewährleistet werden kann.

Diese Ausarbeit soll die verschiedenen Möglichkeiten zur beruflichen Qualifikation in den Vereinigten Staaten, sowie die Schwierigkeiten dieser aufzeigen. Weiter geht es um die Frage welche Anstrengungen seitens der Politik, Wirtschaft und den Betrieben un- ternommen werden um die berufliche Erstausbildung konkurrenzfähig zu machen.

2. Berufliche Bildung vor und nach der high school

Es gibt zum Beispiel innerhalb der High School Oberstufe verschiedene Möglichkeiten berufliche Inhalte zu vermitteln: in der comprehensive high school (Gesamtschule),mit vocational streams und vocational tracts, oder in der auf vocational subjects spezialisier- ten Schule (vocational high school, technical high school, career center) auf Berufsfeld- breite. Die grundsätzliche Einführung in die berufliche Bildung, Landwirtschaft, Wirt- schaft, Gesundheit, Hauswirtschaft, Gewerbe und Industrie, und Technik sind die Schwerpunkte die an diesen Einrichtungen vermittelt werden. Das Hauptproblem besteht darin, dass die Lehrpläne nicht einheitlich sind. Zwar gibt es Staaten in denen einheitliche Lehrpläne existieren, andere Staaten überlassen jedoch die Gestaltung der Kurse den einzelnen Schulen.

Obwohl der Schwerpunkt der beruflichen Grundausbildung im Schulwesen liegt, wird versucht den Schülern einen gewissen Praxisbezug zu vermitteln. Dies geschieht indem man sie in Betrieben am örtlichen Arbeitsmarkt unterbringt. Somit sind die high schools nicht so industriefern wie man vielleicht vermuten könnte.

Für den Übergang von der high school an ein college müssen die Schüler lediglich bestimmte Kurse in den beiden letzten Jahren der high school belegen. Deshalb werden an den colleges Eingangstests durchgeführt. Im Jahre 1998 schlossen sich 22 Bundes- staaten zusammen und diskutierten über eine Änderung der high school. In diesem Jahr wurde dann erstmals eine Abschlußprüfung am Ende der high school eingeführt, was zu heftigen Protesten bei Schülern und Lehrern führte. Auch die nationale Vereinigung der community colleges engagiert sich vehement in dieser Entwicklung. Ein gemeinsamer Standard für Abschlüsse an diesen Einrichtungen soll jedoch nur auf freiwilliger Basis vollzogen werden. Sie sollen sozusagen nur als Empfehlungen für Bildungseinrichtun- gen und Betriebe gelten. Dadurch bleibt die allgemeine Ausbildungsordnung jedoch weiter nur eine wünschenswerte Utopie (HEIDEMANN, MITBESTIMMUNG 4/ 99, S. 39 f).

Dass sich die amerikanischen high schools in der Krise befinden lässt sich nicht ab- streiten. Ein Merkmal hierfür ist die hohe Zahl der amerikanischen Jugendlichen, wel- che die high school vorzeitig und ohne Abschluß verlassen. Der Anteil dieser sogenann- ten „dropouts“, liegt bei schätzungsweise 30 Prozent. Die Auswirkungen liegen auf der Hand. Bereits 1992 gingen Experten von etwa 25 Millionen Analphabeten in den USA aus. Die Folgen für die Berufsbildung sind unverkennbar. Das Vorhandensein der Mise- re der Berufsbildung, die nachlassende Wirtschaftskraft und die schwächer werdende internationale Konkurrenzfähigkeit der USA, sind auch auf den erschreckenden Zustand der Allgemeinbildung zurückzuführen. Das geht sogar soweit, dass sich ma nche Betrie- be gezwungen sehen, Alphabetisierungskurse als Voraussetzung für die Weiterbildung anzubieten. Die relativ hohe Zahl der Aussteiger läßt sich auch im Hochschulsystem erkennen. Nahezu jeder Zweite verläßt die Hochschule ohne Abschluß. In den USA wird das jedoch nicht als eine Existenzkrise wie bei uns angesehen. Man kann sich dort jederzeit wieder in das System der Hochschulen einführen. Dabei spielen die community colleges eine sehr große Rolle (MÜNCH, Berufsbildung, 2/ 92, S. 17 f).

2.1 Das Zweijahrescollege

Die Entwicklung der community colleges und der technical institutes war in den letz- ten Jahrzehnten quantitativ sehr erfolgreich. Die community colleges, von denen es in den USA etwa 1600 Einrichtungen gibt, sind der wichtigste Bestandteil des Berufsbil- dungssystems. Im Jahre 1999 besuchten mehr als 40 % der High School Abgänger die community colleges mit ihren vielfältigen Angeboten berufsfeldbezogener, oder spezia- lisierter Kurse oder Ausbildungsgängen (HEIDEMANN, Mitbestimmung 4/ 99, S. 39). Die Ausbildungsgä nge sind dort sehr praxisorientiert, oft in Form einer beruflichen Ausbildung. Man kann diese jedoch nicht mit denen vergleichen, wie wir sie bei uns kennen. An den Zweijahrescolleges gibt es neben den Absolventen der high schools, welche direkt wechseln können um eine berufliche Erstausbildung zu beginnen, auch „Erwachsene“, die ihr high school diploma nachholen wollen. Außerdem finden sich unter den Schülern auch ältere Menschen, die ihre Freizeit sinnvoll gestalten wollen.

Damit kann man diese Einrichtungen teils auch mit den Volkshochschulen vergleichen, wie sie bei uns in Deutschland bekannt sind.

Dementsprechend ist das Lehrangebot auch sehr umfangreich und umfaßt die ver- schiedensten Bereiche: Lehrgänge die auf den Übergang an ein Vierjahrescollege vorbe- reiten [transfer program], es gibt allgemeinbildende Kurse aller Art, von Sprachen über Naturwissenschaft, Mathematik und Gesellschaftswissenschaften, bis hin zu kulturellen Veranstaltungen aller Art, und natürlich berufsbildende Lehrgänge aller Art. Auch die Qualifikationsmöglichkeiten, bzw. die Abschlüsse sind variabel. Die meisten Schüler streben den A- oder AS- [associate of art] Degree an. Es gibt jedoch auch die Möglich- keit parallel dazu in einem anders strukturierten Lehrgang den BS- [bachelor of science] Degree zu erwerben. Auch ein Diplomabschluß [diploma] ist möglich (LAUTERBACH, IHBB, S.47).

Der Anteil an Teilnehmern dieser Kurse die über 21 Jahre alt sind, beträgt etwa zwei Drittel. Ein weiteres Drittel ist älter als 30 Jahre (HEIDEMANN, Mitbestimmung 4/ 99, S.39).

Wie schon angemerkt ist die Population an diesen Schulen sehr gemischt (Arbeitslose, Umschüler, Erwerbstätige mit dem Wunsch der Weiterqualifikation, vorzeitige Schul- abgänger, Absolventen der high school). Man kann daran auch erkennen, dass die Hauptziele und -aufgaben dieser colleges darin liegen, die Beschäftigungschancen Ar- beitsloser und Ungelernter zu verbessern. Außerdem werden relativ geringe Studienge- bühren verlangt, was diese Einrichtungen zu einer wichtigen Bildungsquelle macht. Da etwa zwei Drittel nur teilzeit studieren, beträgt die durchschnittliche Ausbildungsdauer drei Jahre. Dabei versuchen diese colleges als kommunale Einrichtungen besonders die ökonomischen, politischen und kulturellen Bedürfnisse der Region im Le hrangebot zu berücksichtigen. Deshalb werden Tages- und Halbtagesprogramme, Abend- und Ferie n- kurse, sowie Fernlehrgänge angeboten. Es kommt nicht selten vor, dass die Schulen untereinander, oder wegen des Praxisbezugs auch mit Einrichtungen außerhalb der Schulen kooperieren. Weiter lassen sich unter den Studierenden fast alle ethnische Gruppen wiederfinden: Durchschnittlich sind etwa 78 Prozent Weiße, etwa 11 Prozent Schwarze, etwa 3 Prozent Asiaten, etwa 8 Prozent Hispanier und etwa 2 Prozent native americans.

Obwohl an den community colleges zum Beispiel Aufnahmeprüfungen durchgeführt werden, gilt das Prinzip „open door“. Sinn dieser Tests ist es lediglich auf die Wissenslücken der Schüler hinzuweisen. Diese Schwächen können die Interessenten in Spezialkursen abbauen, welche überwiegend verbindlich sind.

2.2 Das Vierjahrescollege

Der häufigste Weg zu einer Hochschule führt über die high school an ein Vierjahres- college oder eine Universität. Man darf diese Universitäten jedoch nicht mit denen ver- gleichen wie wir sie kennen. Vielmehr sind die Begriffe college und university als Syn- onym zu gebrauchen. Je nach Hochschule ist das high school diploma allein oder in Verbindung mit einem oder mehreren Aufnahmetests als Zulassungsvoraussetzung notwendig.

In den ersten zwei Jahren wird an einem Vierjahrescollege in der Regel die Allge- meinbildung vertieft, die in den high schools versäumt wurde. Erst in den letzten beiden Jahren wird das Studium fachlich orientiert. Nach vier Jahren wird dann mit dem ersten akademischen Grad, dem bachelor degree abgeschlossen.

Die Kandidaten müssen verschiedene Eigenschaften aufweisen: Sie müssen eine erfo r- derliche Reife und Motivation für eine collegeausbildung haben, sie müssen Zeugnisse über ausreichende akademische Qualifikationen vorzeigen können und gute Testergeb- nisse haben. Außerdem benötigen sie die passenden Charaktereigenschaften. Aus- schlaggebend für diese Eigenschaften sind vor allem die Leistungen in der high school.

2.3 Das on-the-job-training

Für nahezu die Hälfte eines jeden Altersjahrgangs bleibt der normale Weg in die berufliche Tätigkeit das Anlernen on the job. Der Hauptgrund dieser Gegebenheit ist siche r- lich in der Geschichte zu suchen: Bis in die fünfziger Jahre wanderten qualifizierte Facharbeiter aus Europa in die USA ein. Viele von ihnen waren gut ausgebildete Handwerker oder Kaufleute. Nachfolgende Generationen konnten sich das manuelle Wissen beim Anlernen on the job aneignen, erweitern und vervollkommnen. Das training on the job ist oft nur eine kurze Einarbeitungsphase. Es kommt nicht selten vor, dass diese weniger als eine Stunde beträgt. Diese Art der Erlernung eines beruflichen Sachverhaltes ist nur auf eine eng begrenzte Tätigkeit ausgerichtet, worin sich das Ergebnis der industriellen Arbeitsteilung widerspiegelt.

In den USA ist ein häufiger Arbeitsplatzwechsel üblich, ob auf freiwilliger oder un- freiwilliger Basis. Dahinter steht das Prinzip „hire and fire“, welches in den USA, an- ders als bei uns, bei fast allen Unternehmen auf der Tagesordnung steht. Ein großer Teil der Absolventen der high schools, aber auch viele von denen, die das college nach ein oder zwei Jahren verlassen, verdienen ihren Lebensunterhalt auf dem sogenannten „s e- condary labor market. Hiermit ist die große Zahl der Beschäftigungsverhältnisse ge- meint, die vorwiegend durch sehr niedrige Anforderungsprofile, geringe Löhne, Instabilität und Fehlen von Aufstiegsmöglichkeiten auffallen. Man findet diese Arbeitsplätze überwiegend in klein- und mittelständischen Unternehmen. Der lockere Umgang der Amerikaner mit diesen Umständen ist die Ursache dafür, dass für 16- 22jährigen, beim Übergang von der Schule in ein Beschäftigungssystem eine beruflich Qualifikation keine große Rolle spielt (MÜNCH, Berufsbildung 2/ 92, S. 40).

Aufgrund des häufigen Arbeitsplatzwechsel kann ein Arbeiter jedoch mit der Zeit ein Qualifikationsspektrum erlangen, das dem eines Facharbeiters gleichkommt. Denn er wird in vielen Bereichen immer wieder on the job angelernt und lernt somit, wenn er überwiegend in der gleichen Branche bleibt, viele Stationen dieses Berufsfeldes kennen. Außerdem gibt es für die Tüchtigen ein aufbauendes Programm an beruflichen Weiter- bildungsmöglichkeiten. Diese finden vor allem in den oben schon beschriebenen ver- schiedenen Zweijahrescolleges statt. Wenn ein Arbeitnehmer es in einer größeren Firma schafft, seinen Arbeitsplatz über einen längeren Zeitraum zu erhalten, so stehen seine Chancen eine qualifizierte Ausbildung zu erreichen sehr gut. Denn in größeren Betrie- ben steht ihnen oft ein gut ausgebautes innerbetriebliches Weiterbildungssystem zur Verfügung (LAUTERBACH, IHBB, S. 50 f).

2.4 Das Problem der Lehrlingsausbildung

Die Vereinigten Staaten sind ein hochindustrialisiertes Land und haben auch in vielen Bereichen eine technologisch führende Volkswirtschaft. Deshalb ist es mehr als ve r- wunderlich, dass die Lehrlingsausbildung nur eine untergeordnete Rolle spielt. Verantwortlich hierfür ist sicherlich auch die geschichtliche Tradition, die bereits bei dem on the job training erläutert wurde.

Die Zuständigkeit für die Verwaltung und Durchführung der Programme für das Lehr- lingswesen liegt zumeist bei den einzelnen Bundesstaaten. Um gewissermaßen eine Einheitlichkeit zu erreichen, wurden in 27 Bundesstaaten Gremien eingesetzt, welche sich darum kümmern sollten, dass diese Programme ihren Sinn nicht verfehlen. In den übrigen Staaten erfolgt dieser Vorgang direkt über das Arbeitsministerium. Zur besseren Übersicht und Kontrolle unterhält das Ministerium für Arbeit jedoch in fast jedem Bun- desstaat Abteilungen.

An der Durchführung dieser Ausbildungsmaßnahmen sind vier Gruppen beteiligt. Die Wichtigste dabei ist eine Gruppe von Unternehmern und Gewerkschaften, welche diese Maßnahmen zusammen durchführen. Das heißt also, dass es bei diesen Programmen tarifvertragliche Vereinbarungen gibt, ähnlich wie wir es aus unserer Wirtschaft kennen. Dann gibt es eine Kategorie in der auf der einen Seite ein Unternehmer steht, welcher die Vereinbarungen mit erarbeitet hat. Die nächste Gruppe besteht aus Unternehmen, welche keinen Gegenpart auf der Arbeitnehmerseite haben. Somit ist auch die Ausbil- dung tarifvertraglich nicht festgelegt. Das Problem hierbei liegt auf der Hand: Die Ar- beitgeber könnten versuchen, die nur für sie selbst von Vorteil dienenden Aktionen durchzusetzen. Für die vierte Alternative trifft dieses gleichermaßen zu. Sie besteht aus einem Einzelunternehmer, der die Ausbildung der Lehrlinge in eigener Regie durch- führt. Also auch hier ohne Gegenpart auf der Arbeitnehmerseite (LAUTERBACH, IHBB, S. 51 f).

An dieser Stelle muß auf die teilweise wichtige Rolle der Gewerkschaften hingewiesen werden. Etwa zwei Drittel aller registrierten Lehrverträge wurden unter ihrer Beteili- gung abgeschlossen. Sie übernehmen nicht selten Aufgaben, die bei uns zum Beispiel von den einzelnen Kammern, den Innungen oder von öffentlichen Einrichtungen getra- gen werden. Die amerikanischen Gewerkschaften sorgen für das „soziale Wohl“ ihrer Arbeitnehmer. Das heißt sie bemühen sich die Arbeitssituation zu verbessern. Anders als bei uns halten sich die Gewerkschaften in den USA aus politischen Belangen weit- gehend heraus. Obwohl die Misere der Lehrlingsausbildung in den USA unverkennbar ist, ging der Organisationsgrad der Gewerkschaften in den letzten 40 Jahren um die Hälfte zurück. Ein Grund dafür ist, dass sie in solche Partnerschaften nur dort einbezo- gen werden, wo ihre Mitgliederzahl nennenswert ist, oder wenn sie sich selbst um so eine Partnerschaft bemühen und auch selbst Engagement einbringen. Demnach liegt es an den Gewerkschaften selbst, ob und wann sie in solche Kooperationen einbezogen werden. Manche von ihnen bestreiten jedoch vehement die allgemeine Ansicht, dass einige Gewerkschaften traditionell sich nur an Programmen beteiligen, welche für ihre eigenen Mitglieder von Bedeutung sind. Die amerikanischen Gewerkschaften haben sich mittlerweile scheinbar den Fragen der Berufsbildung geöffnet, jedenfalls auf natio- naler Ebene. Auf der regionalen Ebene scheint es kaum Änderungen gegeben zu haben. Die schleichende Entwicklung des Engagements ist auf das traditionelle Gewerkschafts- system in den USA zurückzuführen. Dieses beruht nämlich ursprünglich auf dem Be- rufsprinzip und ist somit stark betriebsbezogen. Ein Ergebnis davon sind die außeror- dentlich großen Lohnunterschiede (HEIDEMANN, Mitbestimmung 4/ 99, S. 41).

Gewerkschaften unterhalten in den USA oft überbetriebliche Ausbildungszentren. Bei der Gewerkschaft der Blechverarbeiter zum Beispiel erfolgt die Ausbildung der Schüler in einer vierjährigen Lehre. Allerdings können an diesen Maßnahmen nur Gewerk- schaftsmitglieder teilnehmen. Für sie ist die Ausbildung nach einem einmaligen End- geld zu Beginn, kostenlos. Die Fachtheorie und die Fachpraxis wird ihnen abends und am Wochenende vermittelt. Die Ausbilder sind zumeist qualifizierte Gewerkschaftsmit- glieder. Die Lehrlinge gehen ihrer Arbeit im Betrieb weiter mit voller Stundenzahl nach. Ihre Vergütung bleibt weiterhin der Mindestlohn eines Facharbeiters. Deshalb ist dieser Weg zu einer beruflichen Qualifikation auch sehr beliebt, denn der Lehrlingslohn in den anderen Programmen beginnt meist bei 40 oder 50 Prozent und steigert sich bis auf na- hezu 100 Prozent eines Facharbeiterlohns.

In dem „national apprenticeship program“ des Arbeitsministeriums lassen sich viele Parallelen zu unserem „Dualen System“ entdecken. Um eine Anerkennung der Lehrbe- rufe durch diese Abteilung zu erhalten, müssen die Lehrlingsprogramme folgenden Mindestvorschriften genügen: Sie müssen adäquate Ausbildungsmöglichkeiten bieten; Das Verhältnis zwischen den Zahlen der Lehrlinge und den sonstigen Arbeitnehmern muß angemessen sein; Die Entlohnung muß abgestuft und ansteigend sein; Die Ausbil- dungszeit muß festgelegt sein (zwischen ein bis sechs Jahre); Die Theorie muß in min- destens 144 Unterrichtsstunden jährlich vermittelt werden; Vor Beginn der Lehre muß ein Ausbildungsvertrag erstellt werden; Und es müssen die Arbeitsschutzvorschriften eingehalten werden. 1990 nahmen in 44 000 Ausbildungsgängen ca. 350 000 Personen in etwa 800 Berufen teil (LAUTERBACH, IHBB, S. 52 f).

Mit diesen Programmen sollen Personen über zwanzig, und unter vierzig Jahren ange- sprochen werden. Voraussetzung ist jedoch eine berufliche Erfahrung. Wie bereits er- wähnt gehen Jugendliche in den USA nach der high school nur in den seltensten Fällen in eine berufliche Bildung über. Das was bei uns als „Jobben“ bekannt ist, ist für viele der normale Weg nach der high school oder nach dem Abbruch des Studiums an einem college. Diese Zeit der wechselnden Beschäftigungsverhältnisse, welche zum Teil auch durch Arbeitslosigkeit unterbrochen wird, wird allgemein als „floundering period“ be- zeichnet (MÜNCH, Berufsbildung 2/ 92, S. 20). Daher ist nicht verwunderlich, dass das Durchschnittsalter amerikanischer Lehrlinge etwa bei 25 Jahren liegt. Es kommt nicht gerade selten vor, das die an einem Lehrlingsprogramm teilnehmenden Personen schon über 30 Jahre alt sind. Die Voraussetzungen für Interessenten einer Lehrlingsausbildung sind: Sie müssen in der Regel das 16. Lebensjahr vollendet haben (aufgrund der ameri- kanischen Arbeitsgesetzgebung), sie müssen körperlich für die Tätigkeit geeignet sein und sie müssen einen Abschluß der high school vorweisen können. Oft ist es auch so, dass Eignungstests durchgeführt werden. Nahezu 50 Prozent der Lehrlinge bricht ihre Ausbildung vorzeitig ab, jedoch nicht weil ihnen diese zu schwer ist, oder es ihnen an der nötigen Motivation fehlt. Es ist häufig so, dass den Tüchtigen unter ihnen ein gut bezahlter und interessanter Arbeitsplatz angeboten wird. Daran kann man wieder einmal die allgemeine Geringschätzung einer qualifizierten Ausbildung in der amerikanischen Gesellschaft erkennen. Während bei uns in Deutschland eine abgeschlossene Lehre oft als Grundstein der eigenen Zukunft angesehen wird, ist für junge amerikanische Erwachsene der gute Verdienst erst einmal das Wichtigste. Denn selbst die Aussteiger der Lehrlingsprogramme gehören zur gut bezahlten Facharbeiterelite.

Die Ausbildung ist meist sehr praxisorientiert und spezialisiert. Dieser Praxisbezug wird den Lehrlingen direkt am Arbeitsplatz vermittelt, wogegen die Fachtheorie und der Erwerb von grundlegenden Fertigkeiten in sogenannten „skill center“ (Ausbildungs- zentren) durchgeführt wird. Oft ist es aber auch so, dass die Fachtheorie getrennt von der Fertigkeitsvermittlung von Schulen übernommen wird. Bei der Struktur der Ausbil- dungen in den USA und in Deutschland lassen sich durchaus Ähnlichkeiten feststellen. Ein großer Unterschied läßt sich allerdings bei der Betrachtung des Prüfungswesens erkenne n. Während bei uns am Ende der Ausbildungszeit eine allgemeingültige Ab- schlußprüfung ansteht, wird die Ausbildung in den USA in Module eingeteilt. Wenn der Lehrling eine Mindestzahl von Modulen erfolgreich absolviert hat, gilt er als Fach- arbeiter.

2.5 Personal und Methodik im Bildungswesen

Aufgrund der Vielzahl an Ausbildungsmöglichkeiten ist auch die Lehrerausbildung nicht so geregelt wie bei uns. Es kommt nicht selten vor, dass Lehrer für berufliche Fä- cher eingestellt werden, die selbst kaum einen Besuch an einem college nachweisen können. In den USA zählt im Bezug auf die Lehrenden die Praxiserfahrung oft mehr als eine akademische Ausbildung. Ein großer Teil der Lehrer führt den Unterricht sogar nebenberuflich durch und arbeitet hauptberuflich in der Branche die sie unterrichten. Die Vorbereitung auf die Lehrertätigkeit wird ihnen zumeist in Kurzlehrgängen vermit- telt. Auf der einen Seite kann diese Tatsache sicher von Vorteil sein. Denn bei uns in Deutschland zum Beispiel gibt es Lehrer für berufliche Fächer, welche Meister auf dem Gebiet der Pädagogik sind, jedoch einen Hammer nicht von einer Zange unterscheiden können. Oft ist es jedoch von Vorteil, wenn man nicht nur die Theorie vermitteln kann, sondern auch den Praxisbezug zu manchen Abläufen oder Eige nschaften herstellen kann. Das Problem in der amerikanischen Lehrerausbildung liegt jedoch darin, dass die wenig pädagogisch ausgebildeten Lehrer den Schülern ihr Praxiswissen nicht sinnge- mäß näherbringen können. Allerdings ist das nicht der Regelfall. An den Schulen lassen sich auch Dozenten finden, welche einen Doktorgrad innehaben, auch wenn das nur selten der Fall ist. Die Ausbilder in den Betrieben sind überwiegend Facharbeiter, wel- che ihrerseits auch eine Ausbildung gemacht haben. Es gibt jedoch keine Regelung, welche den Ausbildern eine gewisse Fachkompetenz oder persönliche Voraussetzungen abverlangt.

Es gibt eine Reihe von methodischen Konzepten eine Ausbildung durchzuführen. In den USA werden in der Regel nur zwei von ihnen angewendet. Das Projektverfahren und das Vier- Stufen- Modell (training with industry, TWI) wurden in den USA entwi- ckelt. Bei dem Vier- Stufen- Modell gibt es, wie der Name schon sagt, vier verschiede- ne Stufen. Der „Schüler“ bereitet seine zu erledigende Tätigkeit zunächst vor, dann wird im die Tätigkeit vorgemacht, der nächste Schritt ist das Nachmachen und schließlich heißt es für ihn üben. Das ist eine gängige Methode bei dem Anlernen on the job, bei der beschränkte Tätigkeiten an unqualifizierte Personen vermittelt werden müssen. Die Projektmethode zielt auf das selbstständige und kreative Selbsterlernen eines bestimmten Sachverhaltes ab. Diese Methode entstand im Zusammenhang mit dem Ausbau des postsekundären Schulwesens.

3. Versuche das Bildungssystem zu reformieren

Wie zu Beginn dieser Arbeit schon angesprochen, ist es notwendig die berufliche Erstausbildung auf der Grundlage eines bundeseinheitlichen Bildungsgesetzes zu gestal- ten.

Im Rahmen der Förderung der Berufsbildung in High Schools engagierte sich die ame- rikanische Regierung 1917 erstmals in diesem Bereich. Bis in die heutige Zeit hinein hat sich die Zweitrangigkeit der Bundesregierung als Part bei Bildungsprogrammen kaum verändert. Die gewichtigeren Rollen werden von den Einzelstaaten und von den Kommunen übernommen. Der Bund trägt nur etwa 6 % aller Gelder, welche in den USA für Bildung ausgegeben werden (DEISSINGER, BuE 47 (1994), S. 330 f.). Seit dem ist die berufliche Bildung für die Politik zwar immer wieder von Interesse gewesen, jedoch wurden erst seit den sechziger Jahren Bemühungen unternommen, die- se zu reformieren und weiterzuentwickeln. Da bis dahin etwa 1/3 der high school Ab- solventen die Pflichtschulen ohne Abschluß verlassen hatten, wurde ab den siebziger Jahren, vor allem in der Präsidentschaft Carters (1977- 81) Richtlinien dafür erarbeitet. Seine Regierung bildete das Bundesministerium für Gesundheit, Erziehung und Sozia l- fragen um und schuf zum Beispiel die Geschäftsstelle für Erziehung. Dadurch wurde die Grundlage für weitere Diskus sionen über die Berufsvorbereitung, berufliche Erst- ausbildung sowie Erwachsenenbildung und über Fördermaßnahmen für benachteiligte Bevölkerungsgruppen, welche erst in der Präsidentschaft Clintons wieder aufgenommen wurden, geschaffen. Außerdem wurde das Arbeitsministerium mit der Konzipierung von Erstausbildungsprogrammen beauftragt (PLEWA, IBV 41, 10/ 95, S. 3559). Die Attraktivität der beruflichen Bildung hat seit den achtziger Jahren massiv nachge- lassen. Wichtige Gründe dafür war die nachlassende finanzielle Förderung durch den Bund, und nicht zuletzt die allgemeine Geringschätzung (LAUTERBACH, IHBB, S. 40 ff).

Das 1982 in Kraft getretene „job training and partnership act“ (JTPA) sollte die grund- legende Aufgabe haben, einkommensschwachen Erwachsenen und Jugendlichen Aus- bildungsmöglichkeiten zu bieten und einzelne Interessenten bei ihrer Arbeitsuche zu unterstützen (DEISSINGER, BuE 47, 3/ 94, S. 330 f). Der JTPA und sein Vorgänger, das CETA- Programm, setzten sich mit den bekannten Problemen wie Schulabbrechern, keine einheitlichen Lehrpläne und den nicht gesicherten Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem, auseinander. Durch das CETA- Programm sollten die einzelnen benachteiligten Amerikaner individuell vor dem „sozialen Abstieg“ bewahrt werden. Der JTPA hingegen zielt mehr auf die Arbeitsmarktpolitik. Die wirtschaftlich Benach- teiligten, sollten sich durch berufliche Qualifizierungsmaßnahmen selbst in die Lage versetzen, auf dem Arbeitsmarkt besser dazustehen. Zu ihnen gehören die Personen, welche unterhalb einer gesetzlich festgelegten Armutsgrenze leben. Weiter sollten mit diesem Programm Arbeitslose oder vor der Arbeitslosigkeit stehende Arbeitnehmer gefördert werden. Man war der Meinung, dass jeder einzelne dieser Gruppen sich indi- viduell um eine Verbesserung seiner Situation kümmern sollte. Man verstand diese Maßnahmen quasi als „Hilfe zur Selbsthilfe“.

Die regionale Förderung hat in diesem Konzept einen hohen Stellenwert. Es scheint einleuchtend, dass sich mehr Unternehmen in einer Region ansiedeln, wenn die örtliche Bevölkerung durch diverse berufliche Bildungseinrichtungen, eine höhere Berufliche Qualifikation erreichen kann. Das heißt, dass sich die Realisation der JTPA- Programme nach den örtlichen Bedürfnissen richtet. Dabei werden die bereits vorhandenen schuli- schen Einrichtung genutzt, so dass zum Beispiel ein community college koordinierte Aufgaben übernehmen kann.

Durch die Integration der örtlichen Arbeitgeber, hoffte man eine Beschäftigungssteigerung für Absolventen der high school und für Problemgruppen zu erreichen. 1989 wurde zwar die stolze Summe von 4,5 Milliarden Dollar für die Qualifizierung wirtschaftlich Benachteiligter bereitgestellt, die Programme der CETA vereinnahmten jedoch bereits 1980 doppelt soviel (LAUTERBACH, IHBB, S. 56 ff)!

Die JTPA- Programme wurden allgemein als sehr erfolgreich eingestuft. Trotzdem gab es von mehreren Seiten Kritik. Viele waren der Ansicht, dass die nicht ganz zufällige Auswahl von besonders begabten und motivierten Teilnehmern, die hohen Einstel- lungszahlen erzeugt hätten. Andere Kritiker hielten den Verantwortlichen vor, JTPA- Gelder als Subventionen für lokale Firmen eingesetzt zu haben (DEISSINGER, BuE 47, 3/ 94).

Für Clinton war die Qualität des amerikanischen Bildungswesens während des Wahl- kampfes mit Präsident Bush 1992 ein wichtiges Thema. Bereits in seiner Zeit als Go u- verneur von Arkansas konnte er sein Interesse an der deutschen dualen Berufsausbil- dung nicht verhehlen. So brachte er 1994 den bereits erwähnten „school-to-work- opportunity-act“ ein. Dieses Gesetz sollte die Initiativen der Einzelstaaten fördern, in dem die Bereiche Forschung, Entwicklung, Ausbildung und Weiterbildung des Lehrper- sonals, und die damit verbundenen Organisationskosten bezuschußt werden sollten (SCHMIDT, BWP 25, 5/ 96, S. 32). Denn nach den zwölf Jahren republikanischer Prä- sidentschaft sei seiner Meinung nach die Entwicklung im Bereich der beruflichen Bil- dung völlig zum Erliegen gekommen. Es gab viele Kritiker die sogar der Ansicht waren, dass die Situation sich verschlechtert hatte. Wenn dieser Rückgang wirklich zu Belegen ist, bleibt trotzdem noch die Frage ob die damalige Bundesregierung allein an dieser Misere Schuld trägt. Wie bereits bemerkt, liegt die Kompetenz für das Bildungswesen ja bei den Einzelstaaten.

Es ist nicht zu verheimlichen, dass in den meisten amerikanischen Schulen soziale Probleme, wie Drogenmißbrauch, Disziplinschwierigkeiten und den damit verbundenen Konsequenzen wie zum Beispiel der allgemeine Leistungsabfall bedrohliche Ausmaßen angenommen haben. Jedoch liegen die Probleme zum großen Teil auch in der mangelnden finanziellen Unterstützung für das Bildungswesen und die kaum vorhandenen Qualifizierungsmöglichkeiten für die Absolventen der high school.

Präsident Clintons neue Administration machte die Öffentlichkeit im Vorfeld des „school-to-work-oppurtunity-act“ auf folgende Mängel in der beruflichen Bildung und des Bildungssystems aufmerksam:

„75 Prozent der jungen Amerikaner können keinen Abschluß eines colleges nachwei- sen. Viele dieser Mehrheit haben weder die allgemeinen noch die beruflichen Qualifika- tionen, die auf dem heutigen Arbeitsmarkt erforderlich sind. Die Arbeitsplätze mit ho- hem Lohnniveau und geringen Anforderungen existieren nicht mehr. Diese Situations- beschreibung wird herangezogen, um die „floundering period“ zu begründen. Die tech- nologische Entwicklung und der internationale Wettbewerb bedingen immer höhere Anforderungen an die berufliche Bildung der Arbeitnehmer. Dieser Druck macht es Arbeitgebern immer unmöglicher, auch graduierte Absolventen der high school einzu- stellen, da dieses Diplomieren kein Nachweis über die geforderten beruflichen Qualifi- kationen ist. Diese Störung beim Übergang vom Bildungs- in das Beschäftigungssystem haben direkte Aus wirkungen auf das Einkommen der Betroffenen. Seit den achtziger Jahren hat sich die Einkommensdifferenz zwischen den Absolventen eines college und den Graduierten der high school verdoppelt. Schließlich wird darauf hingewiesen, welche negativen Auswirkunge n diese Situation auf das Volkseinkommen und die wirtschaftliche Entwicklung hat.“

Der Grundgedanke bei der Erstellung der Reformen war, dass die Schüler den Über- gang vom Bildungssystem in eine berufliche Ausbildung direkt vollziehen können. Schließlich wurde ein Konzept vorgestellt, nach dem das schulische Lernen und die betriebliche Praxis wechselseitig verbunden werden sollte. Ein weiteres Anliegen war, diese Ausbildungen zukunftsorientiert und auch so zu gestalten, dass sie auf die Weiter- bildung vorbereiten. Die Arbeitgeber sollten an der Entwicklung der beruflichen Lehr- pläne mitarbeiten. Ein großes Problem war ja, dass es keine einheitlichen Abschlüsse der jeweiligen Ausbildungsberufe gab. Nun wurden zwei Wege vorgestellt die diese Misere beenden sollten. Zum einen sollte eine Bundesbehörde (national skill standards board) landeseinheitliche Standards von Fähigkeiten entwickeln, welche dann sozusa- gen die Grundlage für die zu vergebenen Abschlüsse bilden sollte. Zum anderen sollten die dezentral entstandenen neuen beruflichen Ausbildungswege in das bereits bestehen- de Bildungs- und Ausbildungssystem eingebunden werden. Dabei dachte man an eine Aufnahme und die Nutzung der vorhandenen Struktur der schulischen und betrieblichen Bildungswege, sowie deren Abschlüsse (LAUTERBACH, IHBB, S. 60 f). Im US- Bundesstaat Maine wurde bereits 1992 über diese Art von Reformen nachge- dacht und sogar ein Konzept entwickelt, welches ein Novum der amerikanischen Be- rufsbildung darstellte. Die wesentlichen Merkmale des deutschen dualen Systems, wie eine zwei- bis dreijährige Berufsausbildung in Betrieb und Schule, die einzelbetriebli- che Finanzierung und ein Abschluß mit staatlich anerkanntem Facharbeiterbrief, lassen sich auch in dem „Maine youth Apprenticeship program“ wiederfinden. Kein Wunder; haben doch Fachleute aus Deutschland und Dänemark beratend zur Seite gestanden. Da eine Doppelqualifikation aus Facharbeiterzeugnis und Abitur möglich ist, besitzt dieses System sogar einen wesentlichen Vorteile gegenüber der dualen Ausbildung bei uns. Das „Maine technical college system“ betreut die Auszubildenden, welche ihren Schü- lerstatus behalten, und tritt gleichzeitig als Vertragspartner der Unternehmen in Er- scheinung. Pro Jahr und Auszubildenden müssen die Unternehmen rund 6000 Dollar Ausbildungsvergütung an die Einrichtung zahlen. Etwa 5000 Dollar von diesem Geld bekommen die Schüler schließlich, nachdem ihre Versicherung bezahlt und ein relativ geringer Betrag an das „center for career development“ entrichtet wurde, welches für die Lehrplanentwicklung, sowie der Aus- und Weiterbildung der Lehrer und Ausbilder zuständig ist.

Das Budget von etwa 5 Millionen Dollar wird zu 25 Prozent vom Staat Maine, zu 25 Prozent von den Unternehmen und zu 50 Prozent von der Bundesregierung im Rahmen des „school-to-work-opportunity-act“ finanziert. Dieser Weg eine Reform der berufli- chen Bildung hat sich durchgesetzt. Allerdings gingen die meisten Firmen mit Vorsicht an diesen heran, da er aufgrund seiner kurzen Vergangenheit als risikobehaftet angese- hen wurde. Im Jahre 1996 ging man bereits von einer jährlichen Verdopplung der an diesem Programm beteiligten Unternehmen aus. In diesem Jahr wurden wegen der bis- herigen Erfahrung auch Änderungen vorgenommen. Die Ausbildungszeit wurde auf zwei Jahre reduziert, um die Chancen für das Erreichen eines high school diploma zu erhöhen. Die Interessenten stiegen nun zu Beginn des zweiten Jahres der high school in die Ausbildung ein und absolvierten das zweite Ausbildungsjahr nun, wie vorher das Dritte, am college (SCHMIDT, BWP 25, 5/ 96, S. 33).

Zu fragen bleibt jedoch ob dieses Modell aus dem kleinen, überschaubaren Staat Mai- ne auch in größeren Staaten eine erfolgreiche Anwendung finden kann. An der Tatsa- che, dass eine Vielzahl amerikanischer Unternehmen diese Art von kooperativer Aus- bildung mit einem Bundesweit geltenden Standard, den üblichen Konzepten, welche ausschließlich firmenbezogen sind, vorziehen würden, gibt es jedoch keinen Zweifel geben.

4. Zusammenfassende Wertung

Das Bildungs- und Ausbildungssystem der USA zeichnet sich durch seine Offenheit aus. Dem einzelnen bietet sich eine nur für Fachleute zu durchschauende Vielfalt an beruflichen Qualifikationsmaßnahmen. Es wurde für die berufliche Qualifizierung bis- her nur auf eng begrenzte Tätigkeiten bei einem lokalen Arbeitgeber Wert gelegt. Aller- dings bleibt dem Arbeitnehmer oft eine Vielzahl von Weiterbildungsmaßnahmen, wel- che für den Einzelnen ein qualitativ hohes Wissensspektrum bedeuten kann. Reformen sind in jedem Fall im Bereich des Übergangs vom Schulsystem das Be- schäftigungssystem notwendig. Denn die Jugendlichen pendeln oft jahrelang von Ar- beitsplatz zu Arbeitsplatz, ohne eine berufliche Erstausbildung zu beginnen. Eine Ab- wertung der beruflichen Bildung in den high schools und den postsekundären Einric h- tungen ist wohl auf das gut ausgebaute Hochschulsystem zurückzuführen. Dieses wird als der Weg angesehen, eine berufliche Qualifikation mit einem akademischen Abschluß zu erlangen. Außerdem garantiert es für eine Offenheit für die berufliche Weiterbildung auf allen Ebenen.

Zwischen den hochqualifizierten Absolventen der Hochschulen und den Jugendlichen, welche nach der high school der sogenannten „floundering period“ ihre Aufmerksam- keit schenken, bleibt jedoch festzustellen, dass eine Lehrlingsausbildung, wie wir sie bei uns genießen dürfen, in den USA nur selten Beachtung findet. Neben den histori- schen Gründen, die für das Schwinden dieser Ausbildungsmöglichkeit verantwortlich sind, spielt sicherlich die allgemeine Geringschätzung der amerikanischen Gesellschaft der Lehrlingsausbildung gegenüber eine große Rolle. Bei uns wird die Ausbildung rela- tiv hoch angesehen und ist oft der Grundstock für eine berufliche Weiterentwicklung. In den USA wird sie hingegen oft als letzter Versuch seine Zukunft zu sichern angesehen. Reformen und eine Aufwertung der Lehrlingsausbildung sind in den USA wegen der hohen Kosten für die Unternehmer nicht zu erwarten (LAUTERBACH, IHBB, S. 72).

Die Reformen, die das bereits bestehende System der high schools und colleges auf- nehmen und eine Verbindung zwischen Betrieben und Schulen, wie sie in unserem dua- len System praktiziert wird, sind wohl die Vielversprechendsten. Diese Reformen sind wohl auch am realistischsten und vom Aufwand her geringer als andere Reformansätze, da die bestehenden Abschlüsse mit der neuen beruflichen Bildung verbunden werden sollen. Wegen den angesprochenen Schwierigkeiten bei der Vergleichbarkeit, sollen außerdem landesweit geltende Fähigkeitsnachweise entwickelt werden. Skeptiker sind allerdings der Meinung, dass es unwahrscheinlich ist solche Reformen durchzusetzen. Ein Grund hierfür ist die sehr geringe Kompetenz des Bundes. Außerdem benötigt man eine lange Zeit solche einschneidenden Reformen in die Tat umsetzen zu können, Zeit welche bei dieser politischen Lage in den USA kaum vorhanden sein dürfte.

Nach dem über acht Jahre dauernden Aufschwung der Wirtschaft, welche in die Regie- rungszeit Präsident Clintons und seinem Vize Gore fielen, hat sich trotz zurückgehe n- der Arbeitslosigkeit die soziale Lage für den Großteil der Arbeiter und kleinen Ange- stellten nicht verbessert. Die Unsicherheit, die Überforderung und der zunehmende psy- chische Stress, die Überstunden (häufig real eine 48-Stunden-Woche), machen vielen zu schaffen. Das sind die Probleme, mit denen ein Großteil der Bevölkerung zu kämpfen hat. Doch Lösungen wurden in dem Wahlkampf zwischen Gore und Bush junior nicht angeboten.

Während der Ausarbeitung dieser Arbeit, ließ sich leider noch nichts über die Vorha- ben und Pläne zu einer Reform des Bildungswesens durch die Regierung Präsident Bushs junior finden. Es bleibt also abzuwarten, welche Vorschläge diese neue Regie- rung während ihrer Amtsperiode vorzuweisen versucht. Eines ist jedoch sicher, die Weiterbildung wird die Herausforderungen an das Bildungssystem wohl aufnehmen und sich weiterverbreiten..

5. Literaturverzeichnis

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Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Die berufliche Ausbildung in den USA
Autor
Jahr
2001
Seiten
13
Katalognummer
V103943
ISBN (eBook)
9783640023196
Dateigröße
366 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ausbildung
Arbeit zitieren
Dennis Bieber (Autor:in), 2001, Die berufliche Ausbildung in den USA, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/103943

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