Diversity. Bedeutung und Konsequenzen für die Arbeit als Kindheitspädagog*in


Hausarbeit, 2018

22 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Theoretische Annäherung an das Schwerpunktthema
2.1.1 Kultur
2.1.2 Genderpädagogik
2.1.3 Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung
2.1.4 Interkulturelle Pädagogik
2.1.5 Integrationspädagogik
2.1.6 Pädagogik der Vielfalt
2.1.7 Interreligiöse Pädagogik
2.1.8 Sakralraumpädagogik mit Kindern
2.2 Kritische Auseinandersetzung mit den dargestellten theoretischen Grundlagen
2.2.1 Kritik am Kulturbegriff
2.2.2 Kritik an der Sonderpädagogik und der integrativen Pädagogik, kritischer Blick auf zieldifferentes vs. einheitliches Lernen
2.2.3 Biologischer versus kultureller Rassismus
2.2.4 Ist eine Pädagogik der Vielfalt bzw. Inklusion in unserer Gesellschaft überhaupt möglich?
2.3 Relevanz für die pädagogische Praxis
2.3.1 Diversity in der Kindertageseinrichtung
2.3.2 Haltung der Fachkraft

3. Schlusswort/ Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Ich bin nicht du und ich weiß dich nicht“ (Prengel, 2006, S. 185). Dieses Zitat beschreibt eine Haltung der Pädagogik der Vielfalt und bringt den zu erwartenden respektvollen und achtsamen Umgang miteinander recht gut auf den Punkt. Keiner besitzt das Recht, ein Urteil über eine andere Person zu fällen oder jemanden zu diskriminieren, der in irgendeiner Hinsicht anders als man selbst ist. Die Individualität eines jeden einzelnen Menschen mit seinem Glauben, seiner Geschichte, dem Aussehen und der Herkunft ist seit jeher der Ausgangspunkt unendlich vieler Debatten und sollte eigentlich geschützt und unantastbar sein.

Kulturelle, religiöse und genderspezifische Unterschiede nehmen Einfluss auf das alltägliche Leben aller Menschen. Doch auf welche Art und Weise begegnen sie uns? Gibt es historische Entwicklungen oder Strömungen, die Gesellschaften definieren? Und wie wirkt sich dies auf die pädagogische Arbeit mit Kindern in der Kindertageseinrichtung aus? Diesen und vielen weitere Fragen werde ich in der vorliegenden Arbeit auf den Grund gehen und anhand von Beispielen aus dem Alltag veranschaulichen. Das übergeordnete Thema „Diversity“ und die damit verbundene Frage nach Bedeutung und Konsequenzen für die Arbeit als Kindheitspädagog*innen ist Ausgangspunkt meiner Ausführungen. Dabei gehe ich zunächst auf die Begrifflichkeit der Kultur ein und erläutere damit zusammenhängende Dimensionen. Im darauffolgenden Abschnitt wird es um das Thema Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung und ihre Entwicklungsursachen gehen. Am Beispiel des Anti-bias-Projekts greife ich dann die vorurteilsbewusste Bildung und Erziehung von Kindern auf, bevor ich mich der interkulturellen Pädagogik, ihrer Entstehung und den zu erreichenden Zielen widme. Anschließend thematisiere ich die Strömungen, geschichtliche Hintergründe und Absichten sogenannter Integrationspädagogik, welche Anlass vieler Diskussionen ist und der in unserer heutigen Gesellschaft eine besondere Rolle zukommt. Danach werfe ich einen Blick auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Menschen, die Gegenstand der zu Beginn erwähnten Pädagogik der Vielfalt darstellen, bevor ich mich mit der interreligiösen Pädagogik und der facettenreichen Bedeutung von Religionen auseinandersetze. Im letzten Abschnitt meiner theoretischen Annäherung an das Schwerpunktthema befasse ich mich mit dem wichtigen Bildungsinhalt der Sakralraumpädagogik, deren Ziele auch im Orientierungsplan Baden-Württemberg festgehalten sind.

Im Anschluss an die theoretische Auseinandersetzung mit acht seminarrelevanten Inhalten zum Thema Diversity, widme ich mich den Kritikpunkten vier der eingeführten theoretischen Grundlagen und ihren Begrifflichkeiten. Dabei führe ich Argumente unterschiedlicher Positionen auf und versuche auch, Lösungsansätze für die Problematik mit einzubringen . Im letzten Teil der Hausarbeit wird es um die Relevanz von Vielfalt für die pädagogische Praxis gehen, bei der ich sowohl auf Umsetzungsmöglichkeiten zum Erfahren von Diversität in Kindertageseinrichtungen, als auch auf die Haltung und das Denken der pädagogischen Fachkraft Bezug nehmen werde. Den Abschluss meiner Arbeit bildet eine Gesamtreflexion, in welcher rückblickend der Lernprozess während des Moduls „Diversity: Kulturelle, religiöse und gendersensible und Bildungsprozesse“, sowie die Entwicklung der Prüfungsleistung Hausarbeit analysiert werden.

2. Hauptteil

2.1 Theoretische Annäherung an das Schwerpunktthema

2.1.1 Kultur

Der Begriff „Kultur“ wird in vielerlei Zusammenhängen verwendet, wobei er oft nicht genauer erläutert oder definiert wird. Selbst wissenschaftlich existieren sehr unterschiedliche Erklärungen, die deutlich machen, wie verschieden der Begriff aufgefasst wird. Nünning (2009) definiert „Kultur“ als das Produkt aus Verhalten, Werten, Normen und individuellen Vorstellungen einer Gesellschaft, wie mit Mitmenschen und Gegenständen umgegangen wird. Auch Tätigkeiten und materielle Dinge finden einen Ausdruck in Kultur. Dadurch kann diese in nach außen sichtbaren und eindeutig beobachtbaren Verhaltensweisen, aber auch in abstrakter unsichtbarer Weise geäußert werden (Hofbauer, 2018, S. 21). Hofstede (2011) vergleicht den Begriff der Kultur mit einer Art „mentalen Software“ (S. 4), die sich jeder Mensch im Laufe der Zeit aufgrund gemachter Erfahrungen aneignet und durch Denk-, Fühl- und Handlungsprozesse zum Ausdruck bringt. Abhängig davon, wo jemand aufwächst und mit welchen Menschen man zu tun hat, entwickelt sich auch die Einstellung und das Reagieren einer Person gegenüber verschiedener Situationen (Hofstede, 2011, S. 3). Heutzutage wird „Kultur“ zumeist mit enger gefassten Begriffen wie „Zivilisation“ oder „Verfeinerung des Geistes“ (Hofstede, 2011, S. 4) übersetzt, was jedoch mit der eigentlichen Bedeutung nicht viel gemein hat. Diese bezieht sich auf grundlegende Tätigkeiten des alltäglichen Lebens wie z. B. das Ess- und Gefühlsverhalten, die Kontaktaufnahme zu anderen Menschen oder die Grußformel. Dabei ist wichtig, dass Kultur immer als ein Phänomen mehrerer Personen auftritt, die im gleichen Gebiet aufwachsen oder einmal dort lebten und sich die jeweiligen kulturellen Begebenheiten angeeignet haben. Somit lässt sich festhalten, dass Kultur niemals angeboren und genetisch festgelegt, sondern durch die (soziale) Umgebung erworben ist (Hofstede, 2011, S. 4).

Weltweit haben unterschiedliche Kulturen eine ähnliche Auffassung von Werten, die für sie im Alltag einen differenzierten Stellenwert besitzen, während Verhaltensregeln, Normen, materielle Dinge sowie Vorstellungen stark voneinander abweichen können. Irrtümlicherweise nehmen viele Menschen an, dass Personen einer Nation, Ethik und Religion ein und dieselbe Kultur besäßen und es keine Unterschiede zwischen ihnen gäbe. Jedoch spielen auch lebensbedingte Faktoren wie familiäre Situation, finanzieller Status oder Wohnsitz eine bedeutende Rolle bei der kulturellen Zugehörigkeit. Aus diesem Grund sollte jedem einzelnen Menschen eine unvoreingenommene Haltung entgegengebracht werden, die sich nicht auf erwartete Prioritäten und mutmaßliche Gewohnheiten verlässt, sondern offen für eingehende Gespräche mit dieser Person ist. Nur so wird es möglich sein, die gelebte Kultur tatsächlich kennenzulernen (Hofbauer, 2018, S. 22-23).

Möchte man die Differenzen zwischen verschiedenen Kulturen sichtbar machen, bietet es sich an, anhand individueller Eigenschaften, sogenannter Kulturdimensionen, einen Vergleich durchzuführen. Hofstede (2011) führt in diesem Zusammenhang die Dimension des Kollektivismus und des Individualismus an, welche je nach Kultur über eine unterschiedlich starke Priorität verfügt. Gerade die Erziehung von Kindern wird davon in stärkerem Maße beeinflusst. So erlernen schon die Jüngsten einer kollektivistisch geprägten Gesellschaft, dass es nicht üblich ist, seine ehrliche Meinung auszudrücken, um ein friedliches Miteinander zu bewahren, während ihre Kommunikation auf unausgesprochenen Botschaften aufgebaut ist und insbesondere durch die Interpretation nonverbaler Signale funktioniert. Fehlverhalten führt bei Kollektivismus zu einem Gefühl des Schams und „Gesichtsverlusts“ einer ganzen Gruppe, von der eine Person gegen das Gesetz verstoßen hat und sich dies, aufgrund der bedeutenden sozialen Zusammenhänge, auch auf andere auswirkt. Im Gegensatz hierzu empfinden Mitglieder einer individualistisch geprägten Gesellschaft nach Regelverstößen ein Schuldgefühl, das unabhängig davon auftritt, ob andere über den Fehler des Individuums Bescheid wissen oder nicht. Die Dimension des Kommunikationsstils drückt sich beim Individualismus durch besondere Bedeutung der verbalen Sprache aus (low-context-Kultur), was sich beispielsweise in Ländern wie Amerika in sehr ausschweifenden Unterhaltungen zeigt. Anders als in der kollektivistisch geprägten Kultur ist es dabei auch üblich, seine eigene Meinung zu kommunizieren und Charakter zu zeigen (Hofstede, 2011, S. 111-116).

2.1.2 Genderpädagogik

Das Entdecken und Entwickeln der Geschlechter ist ein wesentlicher Entwicklungsprozess im Leben eines Kindes. Zwischen zweitem und drittem Lebensjahr entwickelt sich bei Kindern ein Bewusstsein für Geschlechter. Ihnen gelingt es, ihr eigenes, sowie das Geschlecht der anderen zu bezeichnen. In diesem Zeitraum sind Kinder häufig damit beschäftigt, Dinge zu kategorisieren und einzuordnen und so fangen sie auch an, männlich und weiblich bestimmten Eigenschaften und Äußerlichkeiten zuzuteilen. Jemand Langhaariges oder mit Puppen Spielendes wird einem Mädchen gleichgesetzt, während ein Junge automatisch mit der Farbe Blau oder groben Turnschuhen in Verbindung gebracht wird. Bereits Vier- und Fünfjährige stellen strikte Regeln auf, die es scheinbar nicht erlauben, als Junge etwa einen rosafarbenen Pullover zu tragen und sich als Mädchen mit anderen zu prügeln. Geschlechtsuntypisches Verhalten wird also aufgezeigt und durch die Kinder als unangemessen bewertet, was aus beobachteten Verhalten und Aussagen der Erwachsenen resultiert (Hubrig, 2014, S. 17). Zunächst definieren sich Jungen und Mädchen nur nach äußeren Merkmalen wie Frisur und Kleidungsstil, im späteren Alter und bei Schuleintritt auch nach Geschlechtsteilen. Auffällig ist, dass Drei- bis Sechsjährige überwiegend mit Kindern gleichen Geschlechts spielen und gendertypische Vorstellungen durch das ihnen vorgelebte Frauen- und Männerbild entwickeln. Deren Verhalten wird beobachtet und nachgeahmt, infolgedessen ein Wissen für Unterschiede in Bezug auf Frau und Mann ausgebaut wird. Dieser Prozess, bei dem die Kinder aktiv an der Bildung geschlechtlicher Unterschiede beteiligt sind, nennt sich „doing gender“ (Wagner, 2014, S. 33).

Im Alter von etwa fünf Jahren, haben Kinder erkannt, dass ihr biologisches Geschlecht, also körperliche Merkmale eines Jungens oder Mädchens, konstant bleibt, egal, wie sie ihr äußeres Erscheinungsbild verändern. Man spricht von der Geschlechterkonstanz, die es als wichtigen Entwicklungsschritt zu erlangen gilt (Hubrig, 2014, S. 18). Möchten Erwachsene diese Entwicklung begleiten, so ist es von großer Relevanz, persönliche Interessen und Kompetenzen eines jeden einzelnen Kindes zu fördern und ihnen Hilfestellung bei der Ausbildung ihrer Geschlechtsidentität anzubieten. Voraussetzung ist hierfür eine tolerante Haltung, die Diversität akzeptiert, für Gerechtigkeit aller appelliert und für Inklusion eintritt (Focks, 2016, S. 12). Genderbewusste Pädagogik verfolgt also das Ziel, die unterschiedlichen Geschlechter weder besonders hervorzuheben, noch zu trivialisieren. Die Unterschiedlichkeit zwischen Jungen und Mädchen soll ernstgenommen und reflektiert thematisiert werden, während Kinder in ihre Entwicklung aktiv miteinbezogen werden müssen. Auch kulturelle und soziale Differenzen sind mit dem Thema Gender in Verbindung zu bringen, wodurch ermöglicht wird, Probleme wie Vorurteile, Ungerechtigkeiten und Exklusion zusammen mit den Kindern aufzuarbeiten und einzudämmen (Focks, 2016, S. 99).

2.1.3 Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung

Die Verschiedenheit der Menschen auf der Welt bemerken bereits Kinder in jungem Alter. Von Beginn an teilen wir Personen aufgrund nach außen sichtbarer Merkmale oder Eigenschaften bestimmten Kategorien zu und unterscheiden so zwischen Frau und Mann, Kind und Erwachsenem oder unterschiedlicher Hautfarben. Dabei entwickeln sich sogenannte Stereotype, Verallgemeinerungen, die zunächst einmal der Orientierung dienen und das widerspiegeln, was man im Umgang mit Fremdem erfahren und erlebt hat. Sie helfen also einerseits, kulturelle Unterschiede zu erkennen, doch andererseits verleiten sie eine Person auch schnell dazu, einmalig gemachte Erfahrungen zu generalisieren, ohne Bereitschaft zur Modifizierung zu zeigen (Montoya-Romani Intercultural, o. J.). Stereotype sind demzufolge kognitive Vernetzungen, welche angeeignetes Wissen, Vermutungen und die Haltung gegenüber einer bestimmten Personengruppe umfassen (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2014, S. 111). Um den Einfluss von Stereotypen zu testen, führten die Wissenschaftler Darley und Gross 1983 eine Studie durch, bei der die Versuchsteilnehmer die Aufgabe erhielten, die Intelligenz eines neunjährigen fiktiven Mädchens, „little Hannah“, einzuschätzen, das einen akademischen Leistungstest durchführte. Während der einen Gruppe berichtet wurde, Hannah stamme aus gehobenen sozialen Verhältnissen, erhielt die andere die Information, das Mädchen komme aus sozial schwächerem Umfeld. Nachdem nun beide Gruppen den gleichen Videoausschnitt angesehen hatten, wurden Hannah bessere schulische Fähigkeiten zugeordnet, wenn sie angeblich aus finanziell besser gestellter Gegend kam. Das Ergebnis dieser Studie führt deutlich vor Augen, wie stark Wissen über soziale Herkunft mit der Intelligenz einer Person in Verbindung gebracht wird, was Beispiel eines klassischen Stereotyps darstellt (Werth & Mayer, 2008, S. 388).

Werden wir mit Unbekanntem konfrontiert, führt dies häufig zu Verunsicherung und Skepsis, während vertraute Situationen und Personen mit bekannten Merkmalen positiv aufgenommen und bevorzugt werden. Kommt es zu keiner Erfahrung mit Fremdem, tendieren Menschen dazu, sich die Aussagen ihrer Umwelt, Meinungen und Darstellungen aus verschiedenen Medien anzueignen und das zu glauben, was andere behaupten. Dies führt zu Vorurteilen, welche als abwertende Einstellung gegenüber einer anderen Gruppe zum eigenen Vorteil verstanden werden können (Jonas, Stroebe & Hewstone, 2014, S. 509) und auch dadurch entstehen, dass bestimmte Dinge oder Themen unausgesprochen bleiben und scheinbar keinerlei Relevanz im Alltag haben. Aus fehlender Präsenz entwickelt sich so also eine negative Haltung dem gegenüber, was nie in Erscheinung tritt. Dabei kommt schnell das Gefühl eines verschwiegenen Lasters oder einer Abnormität auf. Um den als affektive Komponente bezeichneten Vorurteilen von Anfang an vorzubeugen, ist es demzufolge von enormer Wichtigkeit, schon Kinder an vielfältige Lebenswelten heranzuführen (Hofbauer, 2018, S. 35). Aus diesem Grund entwickelte die Pädagogin Louise Derman-Sparks 1989 den sogenannten Anti-Bias Approach (auf Deutsch „Ansatz gegen Vorurteile“), bei dem es sich um einen Ansatz zur vorurteilsbewussten Bildung und Erziehung von jungen Kindern handelt und der dafür plädiert, dass jeder sich gegen Stereotype, Vorurteile und Diskriminierungen in der Gesellschaft einsetzt und gegen Ungerechtigkeiten vorgeht. Der Name, mit dem das Projekt an deutschen Einrichtungen erprobt wurde, hatte absichtlich nicht die Übersetzung „vorurteilsfreie Bildung“ erhalten, denn jede einzelne Person besitzt gewisse Vorurteile, die zunächst erkannt und dann charakterisiert werden müssen. Der Frage nach möglichen Konsequenzen für Umwelt und Mitmenschen sollte hierbei ebenfalls nachgegangen werden (Richter, 2017, S. 16-17).

Bleibt es nicht bei der durch Affekte gekennzeichneten Ablehnung einer bestimmten Gruppe von Menschen, sondern kommt es zusätzlich zu einem respektlosen und feindseligen Verhalten in Bezug auf soziale oder naturgegebene Unterschiede, so spricht man von Diskriminierung. Hierbei geht es um die Handlungskomponente, die auf Stereotype und Vorurteile folgt (Jonas, Stroebe, Hewstone, 2014, S. 509). Dabei kann Diskriminierung auf direkte Weise durch verbale Äußerungen oder konkretes Verhalten gegenüber Personen zum Ausdruck kommen oder aber durch institutionelle Strukturen auf indirekte Weise. Benachteiligung ist in allen Gesellschaften vorhanden und beruht immer auf differenten Dominanzverhältnissen, bei denen eine stärkere Position dazu verwendet wird, andere zu unterdrücken. Infolgedessen werden Teilhabe der Menschen und Chancengleichheit in Bildungseinrichtungen verhindert, was langfristige Konsequenzen mit sich führt (Richter, 2017, S. 12).

2.1.4 Interkulturelle Pädagogik

Interkulturelle Pädagogik basiert auf der Tatsache, dass in unserem Bildungswesen kulturell und ethnisch sehr verschiedene Menschen zusammenkommen, die überwiegend aus Deutschland und zu geringerem Teil aus diversen anderen Ländern mit individuellen Migrationsgründen stammen. Nicht immer war der Begriff der Interkulturellen Pädagogik in unserer Gesellschaft üblich. Die 70er Jahre prägten den Begriff „Ausländerpädagogik“, der sich so verstand, dass in Bildungsinstitutionen Schüler nicht-deutscher Muttersprache von deutschsprachigen Gleichaltrigen getrennt wurden und ein segregierter Unterricht stattfand. Nach dem sogenannten „Rotationsprinzip“ war es das Ziel, ausländische Kinder darauf vorzubereiten, wieder an ihren Herkunftsort zurückzukehren und aus diesem Grund keine Einführung in Regelklassen vorzunehmen. Im Gegensatz hierzu stand das „Integrationsprinzip“, durch das es gelingen sollte, Schüler nicht-deutschen Ursprungs auf einen langfristigen Aufenthalt in Deutschland hinzuführen. So sollte nach gewisser Zeit der Übergang in normale Klassen gelingen und die Segregation unter den Klassen aufgelöst werden. Die Entscheidung, sowohl Rotations- als auch Integrationsprinzip als Handhabungsmöglichkeit zu sehen, spiegelt sich im „Optionskonzept“ als drittes Bildungsziels der interkulturellen Pädagogik wider. Dabei lassen es pädagogische Fachkräfte offen, ob Migranten den Weg der Integration in die deutsche Gesellschaft oder aber den der Rückkehr in ihr Heimatland gehen. Hierbei ist es Anliegen, dass eigene kulturelle Identität und die Fähigkeit zur Einfügung in die deutsche Kultur unterstützt werden. Schulische Maßnahmen umfassen demzufolge gleichzeitiges Unterrichten in deutschen Regelklassen und Beibehalten des Kontakts zur ursprünglichen Kultur durch Sprechen der Erstsprache oder über die aktuelle (geschichtliche) Situation des jeweiligen Landes. Alle drei Prinzipien beruhen auf der Festlegung eines „Entweder-Oder zweier Kulturen“ (Prengel, 2006, S. 67), was der aktuellen kulturellen Situation durch Arbeitsmigration nicht entspricht, denn Menschen verschiedener Herkunft passen sich zu gewissem Maße einander an und verändern sich durch langjährigen Kontakt zu einer fremden Kultur. Die viele Jahre dominierende Ausländerpädagogik kam zu Beginn der 80er Jahre zu einer Ablösung durch den Begriff der interkulturellen Erziehung, welche sich mit der Beziehung von unterschiedlichen Kulturen, auch bereits bestehender innerhalb eines Landes, auseinandersetzte (Prengel, 2006, S. 66-67). Das Ziel der interkulturellen Pädagogik sollte also die Herstellung eines gerechten Verhältnisses von dominierenden und unterdrückten Gemeinschaften sein, bei der Menschen das Bewusstsein dafür entwickeln, dass jede Kultur ihren individuellen Charakter und spezifische Merkmale wie gelebte Werte und Traditionen aufweist. Nur so ist es möglich das Miteinander zweier oder mehrerer Kulturen zu akzeptieren und zur Erkenntnis zu gelangen, dass es, im Gegensatz zu einem Nebeneinander von Kulturen, auf Adaption und Modifikation ankommt. Dies geschieht durch Herkunfts- und Aufnahmekultur betroffener Personen (Prengel, 2006, S. 84-85).

2.1.5 Integrationspädagogik

Unter Integrationspädagogik versteht man das gemeinsame Lernen von Personen mit und ohne Behinderung. Dies umschließt alle Arten von behinderten Kindern, „also auch blinde, gehörlose, körperbehinderte und schwermehrfachbehinderte“ (Prengel, 2006, S. 139), welche sowohl gesellschaftlich, als auch schulisch in die Gesellschaft integriert werden sollen. Für den Schulunterricht bedeutet dies die Rücksichtnahme auf verschiedene Lernfortschritte innerhalb einer Klasse anstelle des Verfolgens eines Lernziels für alle. Indem andere Bedürfnisse von Kindern mit Behinderung anerkannt werden, akzeptiert man auch die Unterschiede zwischen allen nichtbehinderten Kindern (Prengel, 2006, S. 139-140).

Mit Eröffnung der ersten Integrationsklasse in Berlin im Jahr 1976 begann in Deutschland die integrative Pädagogik. Es handelte sich um einen Versuch, Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam zu unterrichten, was von Eltern, Lehrern und Wissenschaftlern bis heute aktive Unterstützung erfährt. Allen voran steht die Gruppe von Erziehungsberechtigten behinderter Kinder, die das Ziel erreichen wollen, dass auch ihre Kinder zusammen mit allen anderen in normale Regelschulen aufgenommen werden und gemeinsam lernen. In diesem Zusammenhang entwickelten sich zwei Arten Integrativer Schulversuche: Zum einen gibt es die Möglichkeit, eine Klasse aus zu einem Viertel behinderter Kinder aus größerem Einzugsgebiet und zu einem Dreiviertel nichtbehinderter Schüler aus direkter Umgebung der Schule zusammenzusetzen. Dies hat zur Folge, dass manche Kinder sehr weite und von anderen getrennte Wege zurücklegen müssen und die Anfahrt zur Schule mit größeren Kosten verbunden ist. Im zweiten Modell des integrativen Schulversuchs wird deswegen die Aufnahme Nicht- und Behinderter nur aus dem Einzugsbereich praktiziert, zu einem Verhältnis von etwa 18:2 (Prengel, 2006, S. 140-142).

Manche Schulen und insbesondere Gymnasien beschränken sich auch auf die Einrichtung von Klassen mit nur einer bestimmten Art von Behinderung wie zum Beispiel Blindheit oder Gehörlosigkeit, was allerdings nicht dem Gedanken von Integration im eigentlichen Sinne entspricht, der die Zusammensetzung unterschiedlicher Behinderungen verfolgt. Nach einigen Jahren der Erprobung integrativer Klassen steht fest, welch gute Chancen sich für Schulleistung und Sozialverhalten aller Kinder ergeben und wie bei guter Vorbereitung auf geistiger und emotionaler Ebene sehr viel Positives bewirkt werden kann (Prengel, 2006, S. 143).

2.1.6 Pädagogik der Vielfalt

Vielfalt (englisch „Diversity“) kann sich auf verschiedenen Wegen äußern. Jede Schule und jede Kita wird von den unterschiedlichsten Kindern besucht, die sich in ihrem Aussehen, ihrem Alter, ihrer kulturellen und religiösen Herkunft oder ihrer Familienzusammensetzung unterscheiden und eine individuelle Geschichte mitbringen. Aus diesem Grund sind das Thema und der Umgang damit im Alltag sehr ernst zu nehmen.

Findet eine genauere Beschäftigung mit den zentralen Begriffen „Gleichheit“ und „Verschiedenheit“ statt, so fällt auf, wie stark sie voneinander abhängen und sich gegenseitig beeinflussen. Gleichheit ist nicht möglich ohne Verschiedenheit, während das Bestehen von Verschiedenheit die Auffassung von Gleichheit bedingt. Als Gleichheit wird „eine Form der Übereinstimmung zwischen Verschiedenen“ (Prengel, 2006, S. 30) bezeichnet und kann dabei in Verbindung mit Begriffen wie „Identität“ und „Ähnlichkeit“ gebracht werden. Stimmt eine Sache vollkommen mit sich selbst überein, spricht man von Identität und Ähnlichkeit meint, wie Gleichheit auch, die Affinität verschiedener Dinge. Geht es nun darum, Verschiedenheit zu definieren, lässt sich festhalten, dass diese Auswirkung eines Vergleichsprozesses ist und nur anhand eines vorher bestimmten Merkmals festgestellt werden kann. Es muss also ein Zusammenhang zwischen Gegenständen, Personen etc. geschaffen werden, um über Verschiedenheit und ständige Veränderlichkeit der Menschen sprechen zu können (Prengel, 2006, S. 30-31). Kerngedanke einer Pädagogik der Vielfalt ist demnach die Gleichberechtigung Verschiedener, was nicht mit einer Gleichschaltung missverstanden werden darf, die ohne Verschiedenheit auskommt. Andererseits hätte die Vorstellung einer Verschiedenheit ohne jegliche Gleichheit hierarchische Konsequenzen (Prengel, 2003).

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Diversity. Bedeutung und Konsequenzen für die Arbeit als Kindheitspädagog*in
Hochschule
Pädagogische Hochschule Freiburg im Breisgau
Note
1,0
Autor
Jahr
2018
Seiten
22
Katalognummer
V1039838
ISBN (eBook)
9783346456816
ISBN (Buch)
9783346456823
Sprache
Deutsch
Schlagworte
diversity, bedeutung, konsequenzen, arbeit, kindheitspädagog*in, pädagogik, kindheitspädagogik
Arbeit zitieren
Mareike Wintermeyer (Autor:in), 2018, Diversity. Bedeutung und Konsequenzen für die Arbeit als Kindheitspädagog*in, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1039838

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