Bill Clinton und die Afroamerikaner


Term Paper (Advanced seminar), 1993

20 Pages, Grade: 3


Excerpt


0. Vorwort

Kaum eine Präsidentschaftswahl in den vergangenen Jahren fand so viel internationale Aufmerksamkeit ob der Kandidaten, die da gegeneinander antraten. George Bush als verlängerter Arm der Politik Reagans hatte zwar internationale Erfolge vorzuweisen, war innenpolitisch, und hier vor allem sozialpolitisch als vehementer Verfechter der freien Marktwirtschaft aufgetreten, die bei fast allen Bürgern, vornehmlich in der Mittelschicht, ihre negativen Spuren hinterlassen hatte.

Bill Clinton und Al Gore wurde von Beginn ihrer Kandidatur an ihre Jugend zugute gehalten. Sie selbst traten u.a. mit dem SloganA Mandate for Changean, sprachen von einer Erneuerung der Administration, vom Abbau des immensen Haushaltsdefizits und von der Einführung eines Gesundheitssystems, aus dem niemand mehr herausfallen sollte.

Dieser Erneuerungsgedanke wird es wohl auch gewesen sein, der die Medien schon bald den Vergleich zu Kennedy ziehen ließ. Seit Kennedy sind Bill Clinton und Al Gore die jüngsten Kandidaten bzw. Amtsinhaber der Präsidentschaft. Und noch nie zuvor gab es einen Präsidenten, der der Nachkriegsgeneration angehšrt.

Wie ist dieses "Phänomen" Clinton zu erklären? Unter dieser Frage wurden Bill Clinton und seine Mannschaft in dem Kurs "Die USA unter der Clinton-Administration" betrachtet.

Dabei fällt auf, daß Clinton sich während seines Wahlkampfs nicht zu einem geradezu traditionellen Politikbereich der Demokraten geäußert hat. Die Probleme, die sich aus dem Zusammenleben Schwarzer und Weißer ergeben, wurden kaum thematisiert. Und obwohl sich Clinton immer wieder mit Schwarzen zeigte, distanzierte er sich von Jesse Jackson, der immerhin schon häufiger als Kandidat für das Amt des Vizepräsidenten kandidiert hatte.

Damit ist die Frage, die dieser Arbeit zugrunde liegt, klar: Welche Politik zugunsten der in den USA lebenden ethnischen Minderheiten betreibt die Clinton-Administration? Kann Überhaupt von einem derart klar abzugrenzenden Bereich politischer Aktionen gesprochen werden? Hat sich womöglich die Minderheiten-Politik der Demokratischen Partei verändert? Und wie reagieren die Vertreter schwarzer Interessensgruppen auf Clinton und seine Politik?

Diese Hausarbeit beschränkt sich dabei auf die Betrachtung der schwarzen Bevölkerungsgruppe in den USA. So widmet sich diese Arbeit nach einer kurzen Begriffsklärung einem Abriß der Situation der Afro-Amerikaner in den USA. Anschließend sollen die Veränderungen in der Politik der Demokratischen Partei untersucht werden. Und auch die Politik der schwarzen Interessengruppen wird in dieser Arbeit beschrieben.

Vor diesem Hintergrund erst kann deutlich werden, wie sich Bill Clinton in bezug auf die schwarze Bevölkerungsgruppe im Wahlkampf und danach verhalten hat. Ob und auf welche Weise sich sein Auftreten im Wahlkampf bezahlt gemacht hat, darf ebenfalls nicht außer acht gelassen werden.

Es muß an dieser Stelle festgehalten werden, daß es sich um ein vergleichsweise "junges" Thema handelt. Clinton trat als Präsidentschaftskandidat erstmals in der zweiten Jahreshälfte 1991 auf. Außerdem kann nicht von Vollständigkeit der in Berlin erhältlichen soziologischen Literatur zu diesem Thema gesprochen werden. So sind in der Bibliothek des John-F-Kennedy-Instituts nur rudimentär Informationen dazu erhältlich.

1. Begriffsklärung

Der Begriff "Rasse"

Die Autoren verwenden im folgenden den deutschen Begriff "Rasse" bewußt nicht, da seine Perzeption durch die ideologische Sinngebung der Nationalsozialisten geprägt ist. Angesichts der jüngsten gewalttätigen Überfälle auf Ausländer in Deutschland kann der Begriff nicht auf seine sowieso fragwürdige biologische Bedeutung reduziert betrachtet werden.

Das feministische große "I"

Nach längerer Diskussion entscheiden sich die Autoren zu einer eher traditionell zunennenden Verwendung der deutschen Sprache in bezug auf die gleichzeitige Nennung von Frauen und Männern in einem Wort. Nach Möglichkeit wurden geschlechtsneutrale Formulierungen gesucht. Dies läßt sich natürlich nicht immer bewerkstelligen. Die Autoren gehen dennoch davon aus, daß - außer es sei explizit erwähnt - sowohl Frauen wie auch Männer von der Politik Bill Clintons und seiner Administration betroffen sind.

Die Verwendung der englischen Sprache Alle englischsprachigen Begriffe, die in ansonsten deutschsprachigem Text verwendet werden, sind kursiv gedruckt. Bei längeren englischsprachigen Zitaten wurde aus Gründen der besseren Lesbarkeit darauf verzichtet.

Dealignment - Realignment

Unter dem Begriffdealignmentversteht man im vorliegenden Kontext das Sich-Abwenden einer Wählergruppe von der Partei, mit der sie traditionell sympathisiert. Dies kann sich auch auf Parteimitglieder beziehen, die dann in letzter Konsequenz austraten.Realignmentist der gegenteilige Vorgang, also das Wieder-Anschließen und die Sammlung hinter eine Gruppierung.

2. Situation der Schwarzen

Immer wieder trifft der Beobachter der US-amerikanischen Situation auf die Feststellung, die Lebensverhältnisse der Schwarzen hätten sich in den letzten Jahren nicht unerheblich verbessert. So habe der afro-amerikanische Mitelstand prozentual zugenommen.1An dieser Stelle sollen deshalb einige statistische Daten die wirtschaftliche Lage der schwarzen Bevölkerung zur Klärung herangezogen werden.

Zieht man jedoch Statistiken aus den letzten zehn Jahren bezüglich des Jahreseinkommens heran und vergleicht die Angaben zur schwarzen mit denen zur weißen Bevölkerung, stellt man nicht nur fest, daß es eine (wenig Überraschende) eklatante Ungleichheit zwischen diesen beiden Bevölkerungsgruppen gibt, sondern auch keine merkliche Verbesserung innerhalb der schwarzen Bevšlkerung.

Die staatlich definierte Armutsgrenze liegt in den Vereinigten Staaten bei 12.000 US-$ Jahreseinkommen.2Danach lebten 1991 8,1 Prozent der weißen Familien, aber 29,3 Prozent der schwarzen Familien unterhalb der Armutsgrenze. Während über die Hälfte der weißen Familien 1991 35.000 $ und mehr verdienten, waren es nur knapp 20 Prozent der schwarzen Familien, die über ein ebenso großes Jahreseinkommen verfügten. Das durchschnittliche Jahreseinkommen der weißen Familien lag 1991 bei etwa 37.000 US-$. Schwarze Familien verdienten durchschnittlich rund 21.500 Dollar.

Auch bei der Schul- und Ausbildung tun sich evidente Unterschiede zwischen schwarz und weiß auf. Betrachtet man alle über 25-jährigen Personen, so besuchten rund 40 Prozent der Weißen ein College. Schwarze besuchten nur zu 29 Prozent ein College.

Die Arbeitslosenquote lag 1991 für Weiße bei 4,0 Prozent; 7,8 Prozent der arbeitsfähigen schwarzen Bevölkerung waren arbeitslos.3 Schaut man sich die Zahlen aus den Jahren 1980 und 1990 zum Vergleich an, stellt man fest, daß sich keine grundlegende Veränderung an diesen Verhältnissen zwischen Schwarz und Weiß ergeben hat. Zwar stieg das durchschnittliche Jahreseinkommen 1990 absolut an, zieht man jedoch die Inflationsrate von durchschnittlich 7 Prozent mit in Betracht, ist damit keine wirkliche Verbesserung verbunden. Dies gilt sowohl für Schwarze wie für Weiße.

3. Politik der Demokraten mit historischem Exkurs

Entwicklung des Demokratischen Dealignment Um zu klären, ob es innerhalb der Demokratischen Partei einRealignment,also eine Sammlungsbewegung, gibt, muß man zunächst verdeutlichen, wie sich dasdealignment,also das Sichabwenden bestimmter Wählergruppen entwickelt hat.

Die erste Wählergruppe der Demokraten, die sich von ihr abwandte, waren die weißen liberalen Gruppen im Süden. Dieser Trend setzte bereits in den vierziger Jahren ein, als Teile der Demokraten im Süden die Einrichtung einerCivil Rights Commissionverlangten, und rechte Gruppen, die gegen eine Integration der schwarzen Minderheit waren, dagegenhielten.

Der Bruch wurde in den sechziger Jahren deutlicher, als es Johnson gelang, denCivil Rights Actund denVoting Rights Actdurchzusetzen4, die den Afroamerikanern unter Anderem die affirmative actionProgramme bescherten. Ehemals zwar demokratisch Wählende, aber eher konservativ Denkende begannen, republikanisch zu wählen, weil sie sich aufgrund dieser Programme nicht mehr repräsentiert sahen. Die Wähler im Süden sind für die Demokratischen Partei deshalb so wichtig, weil dort die meisten Afroamerikaner leben, also potentielle Wähler der Demokraten, die nach der Einführung desVoting Rights Act zunehmend von ihrem Recht Gebrauch machten. Die Abwanderung der weißen Wähler im tendenziell konservativeren Süden ist also auch auf die Aufhebung der Rassentrennung zurückzuführen. Außerdem setzt zu dieser Zeit ein Industrialisierungsschub in den vornehmlich agrarisch dominierten Südstaaten ein, der eine neue Schicht weißer Wähler in urbanen Zentren hervorbringt, die mehrheitlich republikanisch wählen. Der Gewinn an afroamerikanischen Wählerstimmen konnte den Verlust weißer Wähler jedoch nicht wettmachen. Die weißen Parteimitglieder im Süden waren immer diejenigen, die die potentiellen Wähler für die Präsidentschaftswahlen hinter die Partei gebracht hatten. Ein Wegfallen dieser Wählerschaft mußte zwangsläufig eine Schwächung der Partei bedeuten. "From 1968 to 1980, the white South had been the driving force in the realignment of presidential politics (...) The 1984 election marked a major shift in the movement toward the Republican Party."5

"Moreover there is some evidence that white southerners became by the 1970s more conservative than they had been in the 1950s, at least when compared to white northerners."6"Finally, white southerners have become less attached to the Democratic Party [...]"7Die bereits ambivalente Einstellung der weißen Vororte gegenüber der Demokratischen Partei im Norden entwickelte sich später zu Ablehnung.

Ein Hauptgrund für die Veränderung im Wahlverhalten ist in der Parteipolitik der Demokraten zu suchen. Man hatte sich zu sehr auf die Ansprüche und Forderungen einzelner Gruppen konzentriert und so die Probleme der "Durchschnittswähler" aus den Augen verloren. "Neue Partikularismen haben dazu geführt, daß die Partei im Dilemma widerstreitender Interessengruppen gefangen ist."8Die Partei wurde mehr und mehr als Interessenvertretung derjenigen verstanden, die Rassenintegration wollten und die Einkommen der Arbeiter- und Mittelklasse hin zu den Wohlfahrtsempfängern verschob. Da sich die traditionellen Wähler der Demokraten im Norden auch aus organisierten Arbeitern und Reformliberalen zusammensetzten, wurden diese vom Umverteilungsprogramm verprellt. Die Konzentration auf die Ansprüche von sozialen und ethnischen Minderheiten reichte nicht mehr aus, um Mehrheiten zu gewinnen. Ein starkes und geschlossenes Auftreten der Partei war nicht mehr möglich. Ein Richtungswechsel, weg von dercategorial representation,also vom Anspruch, jede Gruppe solle ihre Belange selbst reprŠsentieren dürfen, schien unabdingbar.

Auch mußte eine Einigung innerhalb desmainstreamder Partei ereicht werden. Drei wesentliche Strömungen kann man hier ausmachen: traditionell konservative Demokraten, die für ein außenpolitisch starkes Amerika eintreten und sozialkonservativ sind, des weiteren dierainbow coalition, die für Quotenprogramme und mehr Sozialstaat eintreten und schließlich dienew affluent, die den Einfluß des Staates auf die Wirtschaft begrenzen wollen.9 Die Interessen der vernachlässigten Mittelschicht wurden jetzt vielmehr von den Republikanischen Partei bedient, die sich im Wahlkampf auf Themen wie Kriminalität, Sicherheit und Familie und ein gesichertes Wirtschaftswachstum konzentrierte, die von den Demokraten nicht positiv besetzt werden konnten.

Die ehemaligen Wähler der Republikaner fühlen sich keineswegs zu den Demokraten hingezogen. Noch immer werdenaffirmative actionProgramme geplant und durchgesetzt. Auch ist das Verständnis für Minderheiten im allgemeinen nicht besonders ausgeprägt. Jedoch scheint die Gefahr aus dieser Richtung, in Gestalt finanzieller Zuwendungen und Antidiskriminierungsgesetzen übersichtlich und abschätzbar, zumal die Aktivisten der diversen Minderheitenorganisationen nicht mehr als Idole gesehen werden, die das Unrecht aus der Welt schaffen wollen. Vielmehr hat man sich im Lobbying eingerichtet und versucht, die Interessen seiner Gruppe durchzusetzen, ohne sich besonders um die Nöte anderer zu kümmern.

Die Gefahr für die Republikanische Partei kommt aus dem eigenen Lager. Man propagierte unter Reagan und Bush verstärkt die traditionellen Werte wie Familie und Moral, was von der ultrakonservativen religiösen Rechten durchaus begrüßt wurde und sich zum Selbstläufer entwickelte, der kaum noch zu beeinflussen, geschweige denn zu kontrollieren war. Für weniger konservativ denkende Republikaner ist dies Grung genug, wieder demokratisch zu wählen , denn religiöse Fundamentalisten gewinnen immer mehr an Einfluß und Unterstützung. Außerdem fühlen sich republikanisch wählende Arbeiter von Bush betrogen, weil er sein größtes Wahlversprechen ("Read my lips: No new taxes") nicht einhalten konnte, aufgrund der Rezession Arbeitsplätze verloren gingen und der Einfluß der Gewerkschaften noch mehr eingeschränkt wurde. "Reagan Democrats have recently shown a surge of support for Bill Clinton and a strong tendency of many of them to return to the Democratic Party."10

4. Veränderungen in der schwarzen Bevölkerung

Bei den folgenden Betrachtungen sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß die schwarze Bevölkerung keineswegs so homogen ist, wie es vielleicht noch in den 60-er Jahren, zu Beginn descivil rights movementder Fall gewesen sein mag. Die schwarze Mittelschicht erscheint größer als je zuvor. Diese Entwicklung wird allerdings oft positiver dargestellt als es die Statistiken tatsächlich nahelegen. Wie in dem Artikel von Norman Fainstein11ausführlich dargelegt, leben auch die in die Mittelschicht aufgestiegenen Schwarzen in einer von der weißen Bevölkerung weitgehend segregierten Gesellschaft - lediglich auf einem höheren Niveau als die Afro-Amerikaner in den Ghettos. "Again, race overwhelmes class. Middle class blacks, working class blacks and poor blacks are equally segregated from their white counterparts. Clearly, better class standing does little to buy African Americans a racially integrated environment."12Gleichzeitig ist dieurban underclass, die arme, meist von Sozialhilfe abhängige Bevölkerung der Innenstädte, die zu einem Großteil aus Schwarzen und Latinos besteht, in den letzten Jahren, vor allem unter der Reagan/Bush Regierung stark angestiegen. So ist die amerikanischen Gesellschaft nicht entlang ethnischer Linien gespalten, auch die schwarze Bevölkerung beinhaltet diese Gegensätze, und verfolgt deshalb auch nicht unbedingt die selben ( politischen) Ziele.

Auch könnte die Lebensrealität in den urbanen Zentren und den teilweise noch sehr ländlichen Südstaaten unterschiedlicher nicht sein.

"I think this is one of those times when we wrongly thought that the Black community was quite unified and assumed it was progressive and would be critical of Clinton. In fact Clinton was successful mobilizing a southern Black population who determined his victories in most of the Southern States [...] and who he could make promises to and speak to in a way that is quite different than speaking to those in the urban north and west."13

Auch das politische Selbstverständnis der Afro-Amerikaner hat sich seit demcivil rights movementverändert . Während schwarze Führer wie Martin Luther King jr. einen sehr großen Rückhalt in ihrercommunityfanden und auch von sich sagen konnten, deren Interessen weitgehend zu vertreten, ist das heute nicht mehr unbedingt selbstverständlich.

"A 1985 survey of over one hundred black leaders and six hundred black citizens found that the leaders were much more likely than to rank and file to favor abortions, school busing [to achieve racially balanced education], affirmative action, and forcing US corporations to pull out of South Africa. Most leaders deny that blacks are making progress, while most black citizens think they are."14

Auch ist festzuhalten, daß ethnische Minderheiten nur aufgrund ihres Minderheiten-Status' nicht zwangsläufig dementsprechend liberale und pro-bürgerrechtliche Ansichten haben. Amerikaner asiatischer Herkunft wählen tendenziell wesentlich konservativer als Schwarze oder Latinos.15Deshalb garantiert beispielsweise ein Engagement der Demokraten für die Belange von Minderheiten keineswegs die Wählerstimmen derselbigen.

5. Clinton während des Wahlkampfes

Clinton versuchte während des Wahlkampfes, die von Bush und zwölf Jahren republikanischer Regierung enttäuschten Wähler zurückzugewinnen. Hierzu war es notwendig, Polarisationen vorzubeugen und die gespaltene Partei hinter sich zu bringen. Heikle Themen wurden bewußt ausgeblendet, wie z.B. die Minoritätenfrage oder in seinem Sinne und weniger im Sinne der Demokratischen Partei dargestellt. "[...] white voters are not prepared to join in a biracial presidential coalition as it has been presented in recent years by the national Democratic party."16

Einen speziellen Platz nimmt hier die Behandlung der Wohlfahrtsreform ein. Clinton möchte die "hart arbeitende" Mittelschicht vertreten, der extensive Sozialprogramme seit jeher ein Dorn im Auge waren. "Such white voters , who fall predominantly into the lower-middle and middle classes, and who are thus essential targets for the Democrats seeking to revive their party, reject policies providing special benefits to black and other minorities because they view the economic disadvantages suffered by blacks as caused by individual failures of motivation and of effort, not by systemic or structural factors, such as discrimination, alone."17Die Konzentration auf das Thema und die Aussage, die Gewährung von Sozialhilfen zeitlich begrenzen zu wollen hat dazu beigetragen, Teile der Mittelklasse wieder an die Demokratische Partei anzubinden. Zwar will niemand staatliche Unterstützungen abschaffen, nur soll der Mißbrauch begrenzt werden und die Empfänger sollen von Sozialhilfe unabhängig gemacht werden. Die Ansicht, staatliche Hilfen würden mißbraucht, zieht sich allerdings durch alle ethnischen Gruppen.

Durch die angekündigte Steuererhöhung für Besserverdienende sicherte er sich auch in diese Richtung ab. Die Mittelschicht sah sich sowohl vor sozialhilfeabhängigen Arbeitslosen als auch vor überprivilegierten Reichen geschützt.

Es wurden weitere Themen von ihm aufgegriffen, die eigentlich republikanische Domäne sind:"He emphasized [...] issues that galvanized Republican voters: crime, traditional values, race, military strength."18Liberale Republikaner konnten sich also durchaus auch von Clintons Programm angesprochen fühlen.

Auch die Wähler Ross Perots konnten sich mit seinen Plänen identifizieren. Er kündigt an, den Haushalt sanieren zu wollen und politische Reformen durchsetzen. "The two issues that define Perodistas, deficit reduction and political reform, are linked. [...] And they all want real action on the deficit - by cutting the cost of government."19

Clinton kann sowohl auf die Unterstützung liberaler Konservativer, die zu Beginn der achtziger Jahre abgewandert waren, als auch auf Protestwähler hoffen, deren einzige Sorge das Staatsdefizit und behutsame Reformen im politischen System sind. Dies ist besonders im Hinblick auf eine mögliche Wiederwahl interessant.

Zu klären wäre noch, ob die Wechselwähler eher für Clinton oder gegen Bush gestimmt haben. "Neither a democrat nor a republican can claim to represent the working middle-class when the economy is going through a period of sustained recession."20

Clintons Programmatik in Bezug auf die speziellen Probleme der Afro-Amerikaner und anderer ethnischer Minderheiten ist im Kontext der Re/Dealignmentpoltitik der Demokratischen Partei , wie sie im Wahlkampf der Präsidentschaftswahl 1992 angestrebt wurde, zu sehen.

Diese Politik beinhaltete die Vernachlässigung der Interessen von Minderheiten zugunsten der weißen Mittelklasse, die seit derCivil RightsBewegung der 60-er Jahre die Vertretung ihrer Interessen durch die Demokratische Partei nicht mehr gewahrt sah und zunehmend republikanisch wählte, und die ja mit dieser Wahl zurückgewonnen werden sollte. Die oben schon beschriebene Partikularisierung der Interessen innerhalb der Demokratischen Partei und ihr Images als Vertretung von Minderheiten und deren Politik drohte die Partei immermehr in Richtung politischer Bedeutungslosigkeit zu befördern. "Clinton has been particularly concerned to make himself and the Democratic Party immune to devisive polarization"21

Er versuchte so, ein Bild der Demokratischen Partei zu vermitteln, mit dem die sogenanntenReagan Democratsidentifizieren können. "The former Reagan Democrats still feel threatened by minorities; they still resent the Democratic programs that created special preferences for blacks, through busing and then through affirmative action programs, that in their view, threaten their chances for jobs and promotions.[..] No one should have the illusion that these feelings have diminished."22

So versuchte Clinton, all jene Vertreter des linken Flügels in der Demokratischen Partei zu isolieren, die seinem relativ konservativen Programmatik im Weg standen. Am deutlichsten wurde das wohl am Beispiel Jesse Jacksons, eines exponierten Vertreters desCivil Rights movementder bei den beiden vergangenen Präsidentschaftwahlen als Vize- Präsidentsschaftbewerber der Demokratischen Partei angetreten war - eine Stellung, die ihm in Clintons Wahlkampf verwehrt blieb.

In der Auseinandersetzung mit Jesse Jackson ließ Clinton keine Gelegenheit aus, um sich von ihm zu distanzieren. Dazu bediente er sich teilweise recht fadenscheiniger Anlässe, wie zum Beispiel der Kritik an einer Aussage der Rap-Sängerin Sister Souljah23, auf deren Grundlage er Jesse Jackson im Verlauf einer Rede vor Delegierten derRainbow Coalition wegen der Teilnahme von Sister Souljah an einer Jugendveranstaltung der von Jackson mit initiiertenRainbow Coalitionstark kritisierte. Dieser Angriff auf Jesse Jackson weitete sich zum Eklat24zwischen selbigem und Clinton aus, in dessen Verlauf Jackson verlangte, Clinton solle sich bei Sister Souljah für seine Aussagen, in denen er ihre Haltung mit der David Dukes verglichen hatten, entschuldigen. Unabhängig davon, wie man zu den Aussagen Sister Souljahs steht, ist die Art und Weise, wie Clinton ihre Aussagen benutzte, um auf deren Grundlage Jesse Jackson zu kritisieren, Äußerst fragwürdig. Dieser inszenierte Streit wurde von großen Teilen der schwarzen Bevölkerung in den USA sehr negativ aufgenommen und wurde teilweise auch von "weißen" Medien wie der New York Times im Kontext der bewußten Abgrenzung Clintons von der Minderheitenpolitik in der Demokratischen Partei der früheren Jahre gesehen.

"Even those of us who did not see Jackson as an unflawed hero understood the meaning of [Clinton's] snubbing Jesse Jackson.[..] Other middle class Black people who weren't necessarily that progressive identified with Jackson's position in a white power structure and were insulted by Clinton's treatment of him."25

"Gov. Bill Clinton, reaching for a symbol that would demonstrate his desire not to be held captive by special interests used a [Rainbow Coalition] conference to attack statements made by a popular rap activist."26

Clinton hat sich in seinem Wahlkampf meist in Begleitung von Schwarzen gezeigt, einhergehend mit seinem Wahlversprechen, daß im Falle seiner Wahl die Regierung erstmals in der Geschichte der USA einigermaßen proportional zur tatsächlichen Zusammensetzung der amerikanischen Gesellschaft sein wird. Allein das wurde ihm sicherlich in weiten Teilen der schwarzen Bevölkerung positiv angerechnet, auch wenn er es in den Augen vieler versäumt hat, die speziellen Bedürfnisse der Afro-Amerikaner, bedingt durch deren Geschichte und ihrer heutigen gesellschaftlichen Stellung in einer ihnen gegenüber noch immer rassistisch eingestellten Gesellschaft, der wirkliche Chancengleichheit verhindert, anzusprechen.

Auch Clintons Reaktion auf die Aufstände in Los Angeles im Mai 1992 ließ eine gewisse Ignoranz der Probleme erkennen, denen die Bewohner der Innenstädte ausgesetzt sind, die ja wiederum in ihrer Mehrzahl afro-amerikanischer oder lateinamerikanischer Herkunft sind. Seine Position unterschied sich nicht wesentlich von der seines republikanischen Gegenspielers Bush. Zwar nutzte er die Ausschreitungen, um der Regierung Bush ihre Sozialpolitik, die die Ghettoisierung der schwarzen und anderer ethnischer Minderheiten mit forciert hatte, zum Vorwurf zu machen und äußerte ein gewisses Verständnis für die Reaktion der desillusionierten Bevölkerung in den Ghettos.

Gleichzeitig sprach er aber davon, daß die Aufstände nicht "politisiert" werden sollten, bezichtigte also somit die Aufständischen des Vandalismus' ohne politischen Hintergrund und bezeichnete sie alslawless vandals27. Außer der Forderung nach Schaffung vonenterprise zones28, die durch Steuervorteile und andere Vergünstigungen für Geschäfte und Dienstleistungsunternehmen, die sich in den verfallenden und ökonomisch brachliegenden Gebieten einiger amerikanischer Innenstädte ansiedeln, die Innenstädte revitalisieren sollen und somit den drückenden sozialen Probleme wie Armut, Arbeitslosigkeit und Drogenmißbrauch Einhalt gebieten sollen, äußerte er sich kaum zu diesen Problemen. Clinton erweiterte zwar die Steuer- und sonstigen Vorteile gegenüber denen, die unter der Regierung Reagan/ Bush gewährt wurden (unter dem Vorbehalt, daß sie dann auch tatsächlich die dort ansässige Bevölkerung einstellen), die dieseenterprisezonesfür den Investor attraktiv machen sollen, doch ob diese tatsächlich den gewünschten Erfolg mit sich bringen, bleibt erstmal dahingestellt. Die in den vergangenen Jahren geschaffenen hielten zumindest nicht, was sie versprachen:

"Evidence of their success is at best spotty. A 1991 study by the National Center for Enterprise Zone Research found that in twenty-eight states created minimal employment for local residents and few business opportunities for minority firms. From 1987 to 1990, the Watts enterprise zone in Los Angeles created a meagre 159 jobs, and almost no black business growth"29 Clinton versprach im Falle seiner Wahl ein wirtschaftliches Stimulus-Programm zur Revitalisierung der Innenstädte. Dieses Programm wurde ihm dann jedoch vom Kongreß bis zur Unkenntlichkeit zusammengekürzt und schließlich, bis auf kleine Zugeständnisse, ganz abgelehnt.

So hat Clinton es im Zusammenhang mit denL.A.Riotsvermieden, sich deutlich zu der Situation der ethnischen Minderheiten und deren Problemen in den US-amerikanischen Großstädten zu äußern. Dahinter steckt wohl das Kalkül, sich bei dem größten und wahltaktisch relevantesten Teil seiner potentiellen Wählerschaft, der weißen Mittelschicht, die in den Vorstädten lebt, nicht durch eine Solidarisierung mit dieser Bevölkerungsschicht unbeliebt zu machen. Die Einwohner der Städte sind wahlstrategisch nicht sehr relevant, zum einen, weil sie zu einem großen Teil gar nicht wählen gehen und sich oftmals auch gar nicht im Wahlregister eintragen lassen30, zum anderen, weil sie numerisch keinen allzugroßen Anteil der wahlberechtigten Bevšlkerung ausmachen, da sie nur Teil einer Minderheit sind.

An dieser Stelle ist vielleicht ein kurzer allgemeiner Exkurs auf Clintons Sozialpolitik angebracht. Er ist ein Anhänger des schwarzen Sozialwissenschaftlers William Julius Wilson, der der Auffassung ist, daß spezifische Förderungsprogramme für ethnische Minderheiten die Probleme nicht lösen und auf eine relativ breite Ablehnung in der Bevölkerung stoßen, und der auf dieser Grundlage eher eine generelle Förderung von Unterpriviligierten fordert. "[Wilson] therefore concluded by 'recommending a fundamental shift from the traditional race-specific approach...to emphasizing programs to which the more advantaged groups of all race and class background can positively relate.'"31

"For at least a generation, black Americans have been seen as requiring seperate treatment because of their continued exclusion from larger society. In a sense, the Clinton proposals seek to replace seperate treatment with equal treatment based on need"32 Abschließend ist zu der Frage, inwiefern Clinton die speziellen Probleme der ethnischen Minderheiten, insbesondere die der Afro-Amerikaner in seinem Wahlkampf um das Präsidentenamt thematisiert hat, zu sagen, daß dieses Thema kein Thema war. "The campaign avoided making any promises aimed specifically at black citizens. For the first time in almost half a century, the party's platform made no mention of redressing racial injustice. As a result, race never became an issue in 1992."33

Diese Abkehr von Positionen, wie sie von den Demokraten in früheren Jahren vertreten wurde, ist im Kontext des oben beschriebenen Prozesses desRe/Dealignmentszu sehen.

6. Die Auswirkungen dieser Entwicklungen

Die afro-amerikanische Bevölkerung reagierte teilweise sehr negativ auf Clintons

Herangehensweise an ihre speziellen politischen Bedürfnisse. Sie warfen Clinton vor, daß er die Loyalität der schwarzen Wählerschaft als gegeben ansieht, da im US-amerikanischen politischen System , besonders für gesellschaftlich eher unterpriviligierte Gruppen auch wenig Alternativen zur Demokratischen Partei bestehen. Daher wählen die Afro-Amerikaner traditionell , insofern sie überhaupt wählen gehen, meist für die Demokratische Partei und somit auch in der Wahl für Clinton, 1992.

"In fact, blacks voted overwhelmingly for Clinton but more blacks than usual stayed at home, feeling they had been ignored or that their loyality was being taken for granted"34Oder wie Kweisi Mfume, Demokrat und Vorsitzender der Congressional Black Caucus es ausdrückt. "One of the great miscalculations of the Democratic Party is that blacks have nowhere else to go."35

Jedoch gab es sicher auch viele Schwarze, die mit Clintons Herangehensweise an Probleme wie Sozialpolitik einverstanden waren, denn viele sahen in einer Politik wie sie beispielsweise von Jackson geführt wurde eher ein Hindernis auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung. "Jackson was often seen as a barrier to gaining political power by other Black politicians."36

Ist das Realignment gelungen oder nicht?

Da bei der letzten Präsidentschaftswahl drei Kandidaten zur Wahl standen ist schwer festzustellen, ob vor dieser Zeit einRealignmentin der Demokratischen Partei stattgefunden hat. Man kann in diesem Zusammenhang sicherlich von einer Protestwahl auf republikanischer Seite sprechen, das heißt, unzufriedene ehemals republikanisch Wählende haben entweder Perot oder Clinton gewählt, ohne sich mit dem Programm der Demokraten zu identifizieren.

Demokratische Parteimitglieder konnten sich aufgrund der nach wie vor relativ liberalen Programmatik ohne tiefere Bedenken hinter ihre Partei stellen. Für die anvisierten Reagan Democrats ist dies kaum festzustellen, da in wirtschaftlicher Hinsicht kein großer Unterschied zur Politik Perots bestand.

Auch kann man davon ausgehen, daß sich Minderheitenaktivisten nicht von der Politik Clintons angesprochen fühlten, da sie nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sind.

Wahlstatistik

Wie bisher gezeigt wurde, hat sich die Haltung der Demokratischen Partei zu ihren langjährigen Hauptzielgruppen, den gesellschaftlichen Minderheiten und hier besonders der Gruppe der Schwarzen, gewandelt. Im Zusammenhang mit dieser Untersuchung erscheint es sinnvoll, das Wahlverhalten der schwarzen Bevölkerung zu analysieren. Die verwendeten Daten bezüglich der US-amerikanischen Bundesstaaten lassen eine detaillierte Analyse nicht zu. Die ebenfalls veröffentlichten Wahlergebnisse in den bundesstaatlichen Counties zu verwenden, hätte den Rahmen dieser Arbeit erheblich gesprengt. So beschränken sich die Autoren auf die relativ simple Untersuchung der möglichen Korrelation zwischen schwarzen Bevölkerungsanteilen und dem Wahlergebnis der Demokratischen Partei in den einzelnen Bundesstaaten.37

Dabei wird schnell deutlich, daß eine Korrelation zwischen diesen beiden Merkmalen nicht besteht. In den zehn Staaten mit dem höchsten Bevölkerungsanteil Schwarzer erhielten Demokraten und Republikaner jeweils fünfmal die Mehrheit der Wählerstimmen. In den zehn Bundesstaaten mit den höchsten Bevölkerungsanteilen Weißer, die allesamt einen erheblich unterdurchschnittlichen Anteil Schwarzer aufweisen, wurden die Demokraten sieben Mal, die Republikaner nur drei Mal Mehrheitspartei.

Betrachtet man die zehn Staaten, in denen die Demokraten ihre höchsten Wahlerfolge feiern konnten, fällt auf, daß es sich dabei vornehmlich um Staaten handelt, in denen der Anteil Schwarzer leicht überdurchschnittlich oder stark unterdurchschnittlich ist. Ähnliches gilt für die Staaten, in denen die Republikaner ihre höchsten Wahlerfolge verzeichnen können.

7. Clintons Politik seit seiner Wahl

Clintons erste größere Handlung nach seinem Amtsantritt im Januar 1992, die Ernennung seines Kabinetts, entsprach ungefähr den Versprechungen, die er vor seiner Wahl gemacht hatte, nämlich, daß die Regierung in ihrer ethnischen Zusammensetzung etwa der ethnischen Zusammensetzung der US-amerikanischen Gesellschaft entsprechen werde und auch Frauen stärker vertreten sein werden.

Mit der Ernennung der Afro-Amerikanerin Hazel O'Leary zur Energieministerin und der Vergabe des Postens des Ministers für Wohnungsbau und Stadtentwicklung an den Latino Henry Cisnero setzte Clinton ein Signal zugunsten der Vertretung von ethnischen Minderheiten in der Regierung. Der Schwarze Ronald Brown wurde Handelsminister ( " the most senior cabinet rank ever held by a black"38), Jesse Brown wurde zum Minister für die Belange der Kriegsveteranen ernannt.

Allerdings ist hierbei kritisch anzumerken, daß die wirklich bedeutsamen und prestigeträchtigen Posten wie der des Außenministers und des Verteidigungsministers mit Ausnahme der Ernennung von Ronald Brown zum Handelsminister ausschließlich an weiße Männer vergeben wurden. Hazel O'Leary rückte durch das Bekanntwerden und den Skandal um die nuklearen Strahlenversuche in der 40er und 50er Jahre kurz in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesse, was weniger mit dem Posten der Energieministerin an sich als mit dem zufälligen Bekanntwerden dieser Menschenversuche zu tun hat. Es ist jedoch fraglich, inwieweit diese Politiker dann wirklich Interessenvertreter ihrer ethnischen Gruppe sind oder inwieweit sie das in Anbetracht ihrer Herkunft und ihres sozialen Status' überhaupt sein können und somit auch, ob die Ernennung eines Schwarzen/ einer Schwarzen tatsächlich Relevanz für den "normalen" Schwarzen hat. Trotzdem denken die Autoren, daß dieses Signal an die amerikanische Öffentlichkeit nicht unterbewertet werden sollte.

Diesen bei der schwarzen Bevölkerung erworbenen Bonus setzte Clinton jedoch allzu leicht durch den opportunistischen Rückzug von der Aufstellung der Schwarzen Lani Guinier zur Leiterin descivil rightdepartment im Juni 1993 aufs Spiel. Er distanzierte sich umgehend von ihr, als der Inhalt von ihr verfaßter Aufsätze, in denen sie eine Modifikation des Mehrheitswahlrechts zugunsten einer stärkeren Repräsentation ethnischer Minderheiten forderte, in der Öffentlichkeit stark kritisiert wurde,39und auch im Kongreß Widerstände bei ihrer Ernennung zu erwarten gewesen wären. Clinton reagierte mit seinem Rückzug jedoch nicht nur auf die Kritik aus der Öffentlichkeit, sondern gab auch an, er hätte Guinier erst gar nicht aufgestellt, wenn ihm der Inhalt ihrer Schriften von Anfang an bekannt gewesen wäre, und versuchte sie dadurch in eine Außenseiterposition als Vertreterin radikaler Ideen zu drängen.

Dieses Verhalten Clintons wurde bei einem Großteil der Schwarzen sehr negativ, als "cowardly at best"40aufgenommen. Derblack national caucus41sagte ein mit Clinton anberaumtes Treffen, bei dem das Budget diskutiert werden sollte, ab, was keineswegs als ein alltägliches Ereignis, sondern eher als deutliche Unmutsäußerung zu werten ist.

"Backing off on the Guinier appointment provoked a fire storm among black leaders."42

Auch das schon angesprochene Scheitern deseconomic stimulus program for the inner citiesbeziehungsweise Clintons mangelndes Engagement für die Durchsetzung dieses Programms wurde in den betroffenen Gebieten, jedoch auch in einer breiteren Masse der afro-amerikanischencommunitymit einer gewissen Enttäuschung aufgenommen. Das Programm sollte nach Clintons Planung ursprünglich mit einem Volumen von 19,5 Milliarden Dollar im April 1993 verabschiedet werden, der im Wahlkampf angekündigte Betrag lag jedoch noch um einiges höher. Es hatte jedoch kaum Chancen, in beabsichtigten Umfang beim Kongreß durchzugehen. Besonders Republikanische Abgeordnete hatten ihre kategorische Ablehnung von Anfang an deutlich gemacht. Clinton machte mehrere Angebote, vom ursprünglichen Konzept abzugehen und Einsparungen vorzunehmen, um den Forderungen des Kongreßes entgegen zu kommen. Das nützte jedoch wenig, denn bei der Abstimmung im Kongreß wurde auch dieses Konzept in der Mehrzahl von Republikanern nicht akzeptiert und von den ursprünglich geplanten 19,5 Milliarden Dollar blieben nur einige Milliarden zu Zwecken wie zur Arbeitslosenunterstützung und für Bildungsmaßnahmen übrig, die jedoch in den sich finanziell sowieso am Rande der Handlungsfähigkeit bewegenden Innenstädten nicht mal mehr ein Tropfen auf den heißen Stein sein konnten.

Insgesamt läßt sich also auch nach Amtsantritt Clintons in dessen konkreter Politik die Fortsetzung des Trends, der sich schon im Wahlkampf angedeutet hatte, erkennen. Die speziellen Belange ethnischer Minderheiten, insbesondere die der Afro-Amerikaner, die besonders unter den Folgen jahrzehntelanger Diskriminierung zu leiden haben und die in vielen Bereichen noch immer benachteiligt werden43und mit größeren sozialen und ökonomischen Problemen zu kämpfen haben als es beispielsweise bei den Amerikanern koreanischer Herkunft der Fall ist, werden kaum angegangen. Natürlich werden die von Clinton angestrebten Reformen, wie z.B. die Gesundheitsreform auch, und vermutlich in höheren Proportionen den sozial schwächer gestellten Gruppen der US-amerikanischen Bevölkerung, die sich ja wiederum zu einem großen Teil aus ethnischen Minderheiten rekrutieren, zugute kommen. Damit handelt er jedoch nicht auf den Gebieten, die mit der Situation von Schwarzen in der amerikanischen Gesellschaft direkt zu tun haben, und greift auch nicht die Mißstände an, die zur großen Armut unter Schwarzen und manch anderen ethnischen Minderheiten beitragen.

8. Abschließende Bemerkungen

Abschließend kann man feststellen, daß "race" kein Thema im Wahlkampf und nur einen marginalen Stellenwert in der Politik Clintons hat.

Das führte dazu, daß in der schwarzen Bevölkerung Kritik an ihm laut wird. Vorfälle wie die Absetzung Lani Guiniers und die Politik gegenüber haitianischen Bootsflüchtlingen, zu deren Verbleib er sich vor der Wahl tendenziell positiv geäußert hatte, führten zu großer Enttäuschung auch in der schwarzencommunity.

Trotzdem könnten die ethnischen Minderheiten von seiner neuen Herangehensweise an soziale Probleme profitieren, weil diese beispielsweise überproportional von der angestrebten Gesundheits- und Sozialreform betroffen sind.

Es ist leicht, Clinton die Vernachlässigung dieser Probleme vorzuwerfen, aber andere poltische Konzepte wären derzeit wohl nicht mehrheitsfähig. Allerdings muß sich die Demokratische Partei die Frage gefallen lassen, ob sie mit den Konzepten, die sie in den vergangenen Jahren verfolgt hat, erfolgreich war.

Ob ein Realignment stattgefunden hat, ist schwer zu sagen. Es standen drei Kandidaten zur Wahl und über die Wählerfluktuation ist wenig bekannt. Es ist aber anzunehmen, daß liberale Republikaner Perot oder Clinton gewählt haben. Liberale Demokraten wählten vermutlich gar nicht, da das Programm bezüglich des Minderheiten- und Wohlfahrtsprogramms nicht liberal genung erschien.

Perots Wähler allerdings kann man getrost als Protestwähler aus beiden Lagern bezeichnen. Die Auswirkungen der von Clinton angestrebten Gesundheits- und Sozialreform werden erst in einigen Jahren zu erkennen sein. Ob seine Initiativen Erfolge zeitigen, wird dann zu untersuchen und zu bewerten sein.

Literatur

Edsall, Thomas Byrne; Mary Edsall:

"Cain Reaction", New York, London, 1991 Wilson, James Q.:

"American Government", Lexington, Ma, Toronto; 1989

[...]


1Vgl. Fainstein, Norman, Race, Class and Segregation, , S. 391.

2Quelle: U.S. Department of Commerce / Economics and Statistics Administration / Buerau of Census, Statistical Abstract of the United States 1992. The National Data Book, Lanham/MD 1992, S. 14.

3 Vgl. ebd., S. 39, Tab. Nr. 41.

4vgl. Lemke , Christiane, Neue Partikularismen in der amerikanischen Demokratischen Partei am Beispiel der Präsidentschaftswahlen 1988, Amerikastudien, Jg. 36, 1992, S.368.

5Edsall, Thomas Byrne / Edsall, Mary, Chain Reaction, New York/London 1991, S. 172.

6Nie, Norman H. / Verba, Sidney / Petrocik, John R., The Changing American Voter, Cambridge/MA 1976, Chap. 4, zit.n.: Wilson, James Q., American Government, Lexington/MA 1989, S. 113.

7Wilson, a.a.O., S. 113.

8 Lemke, a.a.O., S. 364.

9Vgl. ebd., S. 370.

10 Edsall, Thomas Byrne: Clinton's Revolution, in: The New York Review of Books, 5.11.1992, S. 7.

11Fainstein, Norman, Race, Class and Segregation. Discourses about African-Americans, in: International Journal of Urban and Regional Research, Vol. 17, No. 3, 1992.

12Ebd., S. 397.

13Interview mit Frances E.White in Radical America, No 2, 1993, S. 24.

14 Wilson, a.a.O., S. 111f.

15Vgl. Wilson, a.a.O., S. 112.

16 Edsall, Chain Reaction, S. 283.

17 Ebd.

18Editorial, in: The New Republic, 1.2.1993, S.21.

19Ebd.

20Edsall, Clinton's Revolution, a.a.O., S. 8.

21Ebd., S. 11.

22Ebd., S. 6.

23Sister Souljah wurde in der Washington Post mit Zitaten wie "whites have a low-down, dirty nature" zitiert, wobei jedoch nach ihrer eigenen Aussage ihre Kommentare verfälscht wiedergegeben wurden, und somit von Clinton etwas aufgegriffen wurde, was sie in der Form nicht gesagt hat.

24vgl. die Artikel in der New York TIimes, 14.,-19. Juni 1992.

25Interview mit Frances E. White, Radical America, No. 2 / 1993, S. 23.

26 New York Times, 14.Juni 1992, S. 30.

27New York Times, 2.Mai 1992, S. L9.

28Die Forderung nach "enterprise zones" wurde auch schon von der Reagan/Bush Administration erhoben, deren Konzept sich als relativ wirkungslos entpuppt hat.

29Hutchinson, Earl Ofari, The continuing Myth of Black Capitalism, The Black Scholar, Vol. 23, No.1, S. 19f.

30Dieser Zustand könnte sich allerdings durch ein kürzlich verabschiedetes Gesetz, das sog. motor voter law, durch das die Verlängerung des Führerscheins automatisch zu einer Aufnahme ins Wahlregister führt, zum Positiven wenden.

31Hacker, Andrew, The Blacks & Clinton, The New York Review of Books, 28. Januar 1993, S. 14; Hacker zitiert hier: Wilson, William J., The Truely Disadvanteged, o.O., 1987, o.S.

32Hacker, a.a.O., S.16.

33Ebd. S.14.

34Ebd.

35Wood, Chris / Lowther, William, A fair weather friend, Maclean's, 9. August 1993, S. 29

36Interview mit Francis E. White, Radical America, No. 2,1993, S. 26.

37Eine Übersicht der relevanten Daten ist im Anhang beigeheftet. Alle Daten aus: Brace, Kimball W., The Election Data Book. A Statistical Portrait of Voting in America 1992, Lanham/MD 1993.

38Wood, a.a.O., S. 28.

39Hier ist anzumerken, da§ diese veränderte Form des Wahlrechts in einigen Wahlbezirken in den Südstaaten schon praktiziert wird.

40Wood, a.a.O., S. 29.

41Definition von Caucus: "A caucus is an association of members of Congress created to advocate a political ideology or a regional or economic interest", in: James Q. Wilson, James, a.a.O., S. 289.

42Wood, a.a.O., S. 29.

43 Zum Beispiel ist es für Schwarze mit den selben formellen Voraussetzungen ungleich schwieriger, einen Kredit zu bekommen als es für Weiße ist.

Excerpt out of 20 pages

Details

Title
Bill Clinton und die Afroamerikaner
College
Free University of Berlin
Course
Die USA unter Clinton
Grade
3
Author
Year
1993
Pages
20
Catalog Number
V104001
ISBN (eBook)
9783640023769
File size
375 KB
Language
German
Keywords
Bill, Clinton, Afroamerikaner, Clinton
Quote paper
Stephanie Grimm (Author), 1993, Bill Clinton und die Afroamerikaner, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104001

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Title: Bill Clinton und die Afroamerikaner



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