Kritische Auseinandersetzung mit dem Autopoiese-Konzept von Maturana und Luhmann


Dossier / Travail, 2000

36 Pages


Extrait


Gliederung

1. Einleitung

2. Das Autopoiese-Konzept von Maturana

3. Kritik am Autopoiese-Konzept von Maturana

4. Das Autopoiese-Konzept von Luhmann

5. Kritik am Autopoiese-Konzept von Luhmann

6. Schlussfolgerung

7. Literatur

1 Einleitung

Das Autopoiese-Konzept ist heute zu einem weit verbreiteten Schlagwort in unterschiedlichen Disziplinen geworden. Ursprünglich von den chilenischen Biologen Maturana und Varela begründet, wurde es vor allem von Zeleny in die Geisteswissenschaften, von Luhmann in die Sozialwissenschaften, von Probst in die (Arbeits- und Organisations-) Psychologie eingeführt, und wurde vor allem durch die euphorische Aufnahme im Konstruktivismus zu einer weiten Verbreitung geführt.

Der Blickwinkel dieser Arbeit beruht auf einer soziologischen Perspektive. Gerade in den Systemtheorien wird das Autopoiese-Konzept von einigen Autoren als sehr wichtig (z.B. Willke, 1996) angesehen. Bei systemtheoretischen Arbeiten fällt oft auf, dass sich bei Autopoiese auf Maturana bezogen wird, und darauf dann eine weitere systemtheoretische Diskussion anschließt. Häufig wird dabei nicht darauf geachtet, dass beide Wissenschaftler unterschiedliche Vorstellungen von Autopoiese haben, auch wenn Luhmanns Autopoiese-Konzept explizit auf Maturanas Konzept zurückgeführt wird. Diese Gleichsetzung der beiden Konzepte führt schnell zu Konfusionen und dementsprechend sind einige Kritiken gegen das Autopoiese-Konzept in den Systemtheorien, eher eine Kritik am Konzept Maturanas und seiner Übertragung in die Systemtheorien, im Sinne einer eins zu eins Übertragung, als eine direkte Kritik am Autopoiese-Konzept von Luhmann.

M.E. sollten beide Konzepte als eigenständige, (mittlerweile) unabhängige Konzepte angesehen werden. Der Rekurs auf Maturana in den Systemtheorien kann dann als historischer Vermerk behandelt werden.

Aus diesen Gründen habe ich mich dazu entschieden, beide Konzepte einzeln in einer Arbeit zusammenzufassen. Die spezielle Herausarbeitung der Unterschiede beider Konzepte wäre dabei sicher interessant gewesen. Andererseits würde dies wieder zu einer starken Perspektiveneinengung auf eben diese Unterschiede führen. Daher werden beide Konzepte einzeln dargestellt, so wie ich mich an ihnen orientiert haben und mir diese Konzepte begrifflich aufgebaut haben.

Zu beiden Konzepten werden dann Kritikpunkte vorgestellt, um einerseits mögliche Schwächen aufzuzeigen und andererseits eine Perspektivenerweiterung herzustellen, da heutzutage Autopoiese von unterschiedlichen Wissenschaftlern mehr als (sinnentleertes) Schlagwort (oder polemisierend: als Zauberformel), denn als präzises Konzept verwendet wird.

Bei den jeweiligen Kritiken muss letztendlich aber der Leser entscheiden, in wie weit er die Kritikpunkte mit seiner Orientierung an den jeweiligen Autopoiese-Konzepten vereinbaren kann, und in wie weit dann auch die Kritiken wieder zu kritisieren wären.

Bei einer Darstellung des Konzepts von Maturana hat man mit folgender Schwierigkeit umzugehen. Maturanas Erklärungen, Konzepte und Annahmen fließen jeweils in die anderen mit ein und bedingen sich häufig wechselseitig. Sein Konzept des Beobachters bspw. fließt in alle Bereiche mit hinein, entsteht aber andererseits erst in der Sprache. Dies führt unweigerlich zu dem Problem, wie die Theorie sequenziell dargestellt werden kann, da eine parallele Darstellung ersichtlicherweise ausgeschlossen ist. Daher wird auch bei meiner Darstellung das eine oder andere erst klar werden, wenn man den Text vollständig gelesen hat.

Bei dem Luhmannschen Autopoiese-Konzept stößt man hingegen auf das Problem, dass sein Konzept mit seiner restlichen Theorie sozialer Systeme so eng verflochten ist, dass unterschiedliche theoretische Bereiche, Begriffe und Konzepte in das Konzept der Autopoiese mit hineinfließen. Um den Rahmen dieser Hausarbeit nicht zu sprengen kann ich auf die unterschiedlichen Begriffe und Konzepte nicht eingehen. Daher setze ich voraus, dass der Leser mit Luhmanns Theorie und seiner Weiterentwicklung einigermaßen vertraut ist. Lediglich wichtige Begriffe in Bezug auf die Autopoiese werden (natürlich) erklärt.

2 Das Autopoiese-Konzept von Maturana

Das Wort Autopoiese ist ein von Maturana erfundenes neues griechisches Wort. Es setzt sich zusammen aus „autos“ (selbst) und „poiein“ (produzieren/erschaffen). Die experimentellen Grundlagen für das Autopoiese- Konzept gehen auf Maturana und seine Mitarbeiter zurück. Maturana und seine Mitarbeiter versuchten Korrelationen zwischen den Aktivitäten retinaler Ganglienzellen und Farben (physikalisch definiert über Wellenlänge) zu berechnen. Dabei konnte keine Korrelation zwischen den Wellenlängen und einer bestimmten Art von Ganglienzellen berechnet werden, d.h. Wellenlängen korrelieren nicht mit den Aktivitäten retinaler Ganglienzellen. Die Aktivitäten der Ganglienzellen lassen sich aber mit den Farbnamen, der Sprache, eindeutig korrelieren. Es besteht folglich eine eindeutige Korrelation zwischen einem Zustand von Aktivität innerhalb eines Nervensystems mit einem anderen Zustand innerhalb eines Nervensystems, nämlich zwischen interner retinaler Aktivität und sprachlicher Kodierung. Wir sehen keine Farben in der Welt, sondern wir erleben unseren eigenen chromatischen Raum. Das Nervensystem wird folglich operational abgeschlossen. Diese experimentellen Hinweise und theoretischen Überlegungen führten Maturana zu der Theorie der Autopoiese lebender Systeme.

Ein autopoietisches System ist ein Netzwerk der Produktionen von Bestandteilen, die (1) durch ihre Interaktionen rekursiv das Netzwerk der Produktionen bilden, das sie selbst als Bestandteile produziert, die (2) die Grenzen des Netzwerks als Bestandteile konstituieren, die an seiner Konstitution teilnehmen und die (3) das Netzwerk der Produktionen als eine zusammengesetzte Einheit in dem Raum verwirklichen, in dem die Bestandteile existieren (Maturana, 1996a, S. 94).

Bei der Definition von Autopoiese legt Varela den Schwerpunkt leicht anders als Maturana. Varela legt seinen Schwerpunkt auf die Generierung von Bestandteilen des jeweiligen Systems. Nach Varela ist ein autopoietisches System als ein Netzwerk der Produktion von Transformation und Destruktion der jeweiligen Komponenten organisiert, die wiederum die Komponenten erzeugen, die (1) durch ihre Interaktionen und Transformationen kontinuierlich das Netzwerk der Prozesse, die sie erzeugen, realisieren und regenerieren und (2) die den Organismus als zusammengesetzte Einheit in dem Raum konstituieren und realisieren, in welchem die Komponenten existieren und dabei eine topologische Grenze festlegen (Varela, 1979). Durch die Betonung der topologischen Grenze kann ein soziales System als autonom beschrieben werden, nicht aber als autopoietisch, da einem sozialen System die topologische Grenze fehlt. Für Varela stellt das Autopoiese-Konzept, wie es in die Sozialwissenschaften von Luhmann eingeführt wurde, einen Kategorienfehler dar, weil Autopoiese mit Autonomie verwechselt wird (Varela, 1996).

Maturana unterscheidet zwischen autopoietischen Systemen erster und zweiter Ordnung.

Ein Beispiel für (molekulare) autopoietische Systeme erster Ordnung ist eine Zelle. Eine Zelle erzeugt über den Stoffwechsel Elemente, wie z.B. Zellkern und Ribosomen, die der Aufrechterhaltung des eigenen Fortbestehens dienen. Dabei setzt die Zellmembran die Grenze nach außen fest und ist am Netzwerk der Produktionsprozesse beteiligt, welche die Zelle als Ganzes erhält. Die Zellmembran dient somit zur Erzeugung der Zelle und die Erzeugung der Zelle wiederum dient der Erzeugung der Zellmembran.

Autopoietische Systeme zweiter Ordnung sind Entitäten, die aus mehreren Zellen bestehen (multizelluläre Entitäten), wie beispielsweise ein Organismus. Ein autopoietisches System zweiter Ordnung besteht aus autopoietischen Entitäten. Zugleich sind autopoietische Systeme zweiter Ordnung aber auch nicht autopoietisch, weil sie nicht aus verschiedenen Komponenten bestehen und kein Netzwerk der Selbstproduktion sind (Riegas & Vetter, 1993, S. 37). Dabei können autopoietische Systeme zweiter Ordnung zugleich autopoietische Systeme erster Ordnung sein. Es handelt sich dann um molekulare autopoietische Systeme, in denen die Zellen keine Komponenten darstellen, sondern die Komponenten durch die Zellen hindurchgehen. Autopoietische Systeme erster und zweiter Ordnung sind lebende Systeme, da sie beide autonome Einheiten darstellen, die im Raum konstituiert sind und durch die Erhaltung ihrer Autopoiese im Raum erhalten bleiben.

Maturana unterscheidet nur diese beiden autopoietischen Systeme. Von autopoietischen Systemen dritter Ordnung, z.B. Familien, soziale Systeme, spricht er nicht. Sein Konzept der Autopoiese ist streng an den Begriff der Produktion gekoppelt. Wenn ein System ein autopoietisches System dritter Ordnung sein sollte, dann müsste das System ein Netzwerk von Komponenten der Produktion sein, die durch ihre Interaktionen das Netzwerk der Produktion, das sie erzeugt, erzeugen und die eine Grenze festlegen. Ein autopoietisches System im Sinne Luhmanns kann aus Maturanas Sicht nur dann autopoietisch sein, wenn es als Einheit ein Netzwerk der Produktion von Kommunikation konstituiert. Es müsste sich ein exakt definierter Raum von Kommunikationen aufzeigen lassen, aus dem sich ein Kommunikations- netzwerk als Einheit zusammensetzt. Abstrakter formuliert heißt das, dass das Netzwerk der Produktionen der Kommunikation, durch seine Interaktionen das Netzwerk von Kommunikationen konstituiert, durch welche die Kommunikationen selbst produziert werden und dessen Grenzen festlegen (Krüll et al., 1987, S. 11).

Autopoietische Systeme weisen Organisation und Struktur auf, die zueinander komplementär sind, d.h. Organisation und Struktur sind voneinander abhängig, aber das eine kann nicht auf das andere reduziert werden. Organisation bezieht sich auf die Relationen zwischen den Komponenten, die ein System konstituieren und die Identität des Systems definieren. Die Organisation eines Systems spezifiziert seine Klassen-Identität. Folgendes Beispiel soll dies verdeutlichen. Ein Tisch ist definiert durch bestimmte Beziehungen seiner Komponenten, wie Tischbeine, Tischplatte usw., zueinander. Diese Beziehungen der Komponenten (Organisation) führt zur Beschreibung Tisch (Hargens, 1987). Die Identität eines Systems ist daher immer durch seine Organisation determiniert und bleibt so lange unverändert, solange die Organisation unverändert bleibt. Organisation bezieht sich also auf die Relationen, welche die Einheit als einen bestimmten Typ identifizieren.

Organisation eines Systems ist daher notwendigerweise invariant. Wenn die Organisation in einem System geändert wird, bedeutet dies seine Desintegration (Auflösung).

Die Struktur des Systems sind hingegen die aktuellen konkreten Komponenten eines Systems und ihre konkreten Relationen untereinander. Während die Organisation invariant gehalten werden muss, damit das (lebende) System überleben kann, kann sich die Struktur laufend verändern, weil sie mehr Relationen umfasst als nur diejenigen, welche die Organisation des Systems ausmachen. Autopoietische Systeme sind dementsprechend struktur-spezifizierte Systeme. Die Struktur legt fest, welche Veränderungen sie durchmachen können. Die Struktur legt zu jedem Zeitpunkt den Bereich der möglichen Strukturveränderungen für das autopoietische System fest, während die Organisation die Grenzen bestimmt, innerhalb derer die Veränderungen tatsächlich stattfinden können, ohne dass die Organisation verloren geht. Es sind zwei strukturelle Veränderungen möglich. Einerseits Veränderungen, bei denen die organisationelle Invarianz bestehen bleibt und andererseits Veränderungen, bei denen die Organisation nicht bestehen bleibt.

Ein lebendes System besteht so lange, solange es seine Organisation invariant halten kann und solange es sich in seinem Bereich konstituieren lässt. Die Struktur determiniert „ [...] the space in which it exists and can be perturbed” (Maturana, 1975, S. 316). Dabei spezifiziert die Struktur des Systems vier Bereiche bzw. Gebiete oder Ordnungen (Maturana & Varela, 1987, S. 108), nämlich:

- den Bereich der Zustandsveränderungen, das ist der Bereich, in dem alle möglichen Strukturveränderungen durchlaufen werden können, während die Organisation invariant gehalten wird.
- den Bereich der destruktiven (desintegrativen) Veränderungen, das ist der Bereich in dem strukturelle Veränderungen des Systems zum Verlust der Organisation führen
- den Bereich der Perturbationen, das ist der Bereich, in dem Interaktionen als gezielte Störungen Strukturveränderungen auslösen
- den Bereich der destruktiven (desintegrativen) Interaktionen, in dem Perturbationen zum Verlust der Organisation führen.

Die ersten beiden Punkte beziehen sich darauf, dass die Struktur strukturdeterminierter Systeme sich ständig, auch ohne Perturbationen, wandelt.

Daraus folgt, dass (1) nur eine zusammengesetzte Einheit (eine Einheit, die aus Komponenten besteht) Organisation und Struktur besitzt, während eine einfache Einheit (eine Einheit ohne Komponenten, z.B. ein Atom) nur Eigenschaften aufweist, (2) die Relationen, welche die Organisation konstituieren, eine Untermenge der Relationen, die an der Struktur beteiligt sind, bilden, (3) die Klassenidentität unverändert bleibt, solange die Organisation unverändert bleibt und (4) eine zusammengesetzte Einheit strukturelle Veränderungen durchmachen kann, ohne seine Klassenidentität zu verlieren (Maturana, 1996a, S. 92-93).

Autopoietische Systeme sind selbstreferenzielle Systeme, die sich zur Aufrechterhaltung ihrer Organisation ausschließlich auf sich Selbst beziehen und dementsprechend gegenüber ihrer Umwelt autonom bleiben (organisationelle Geschlossenheit). Alle Information, die das System zur Aufrechterhaltung seiner Organisation benötigt, liegen in seiner Organisation selbst. Ein autopoietisches System hat folglich eine Organisation die sich selbst organisiert. Maturana nennt dies die basale Selbstreferenz. Die Zirkularität der Organisation macht das System zu ein in sich geschlossenes System. Die Operationen des Systems beziehen sich einzig auf die Operationen des Systems. Innere Zustandsveränderungen führen zu inneren Zustandsveränderungen und damit führt jede Zustandsveränderung in der Autopoiese zu einem Zustand in der Autopoiese. Damit ist das System operational geschlossen. Maturana bezeichnet dies als Autonomie des Systems. Autonomie beschreibt die Eigengesetzlichkeit des lebenden Systems (Fischer, 1993a). Autopoiese setzt dabei Autonomie voraus. Dies gilt aber nicht umgekehrt. Es gibt autonome Systeme, die keine autopoietischen Systeme sind. Autonome Systeme müssen zwar ihre Organisation invariant halten, aber sie müssen nicht notwendigerweise ihre eigenen Komponenten produzieren. Der Unterschied zwischen autopoietischen und autonomen Systemen besteht folglich darin, dass autopoietische Systeme ihre Komponenten produzieren müssen, um ihre Organisation aufrecht zu erhalten. Die operationale Geschlossenheit bezieht sich auch auf informationelle (kognitive) Geschlossenheit. Ein lebendes System ist informationsdicht, d.h. ein System hat weder In- noch Output. Das System erzeugt die Information, die es benötigt, innerhalb seiner eigenen kognitiven Prozesse und nimmt keine Information von außen auf. Informationen sind immer interne Konstrukte, d.h. Einflüsse von außen sind lediglich Perturbationen (Störungen), die nur innerhalb des Systems zu Information konstruiert werden können. Das System interagiert nur nach systemimannenten Gesetzen und ist daher strukturdeterminiert. Dadurch werden instruktive Interaktionen (im Sinne von Informationsübertragung) auf das System ausgeschlossen. Ein autopoietisches System kann nicht gezielt auf ein anderes autopoietisches System Einfluss nehmen (im Sinne von Informationsübertragung), sodass dieses in einer gewünschten Art und Weise reagiert. Maturana (1982) gibt als Beispiel für instruktive Interaktionen die Geschichte des König Midas an. Alles was König Midas berührt, verwandelt sich zu Gold. Dabei legt der Reiz und nicht die Struktur des berührten Systems die Reaktion fest.

Das System ist aber thermodynamisch offen, d.h. es nimmt Energie aus der Umwelt auf. Dabei bedingen sich operationelle Geschlossenheit und thermodynamische Offenheit gegenseitig. Die operationelle Geschlossenheit garantiert die Aufrechterhaltung der Systemgrenze und schafft die Bedingung der Möglichkeit der Autopoiese des Lebendigen und somit die Voraussetzung für die thermodynamische Offenheit des Systems. Die thermodynamische Offenheit des Systems, und damit die Interaktion von System und seiner Umwelt, stellt die Voraussetzung für die Möglichkeit der Aufrechterhaltung der zirkulären Organisation dar (Fischer, 1993a, S. 24).

Die Struktur des autopoietischen Systems legt also den möglichen Interaktionsbereich des Systems fest. Die möglichen Interaktionen eines Systems entsprechen den kognitiven Möglichkeiten des Systems (Kognitionsbereich). Erkennen/Wahrnehmen kann das System nur im Bereich seiner, ihm möglichen Interaktionen. Erkennen stellt für Maturana eine effektive Handlung dar. „Jedes Tun ist Erkennen, und jedes Erkennen ist Tun“ (Maturana & Varela, 1987, S. 31). Erkennen heißt, sensoeffektorische Korrelationen in den Bereichen der Strukturkoppelung, in denen die Einheit existiert, vorzunehmen. Daher ist Erkennen immer auch ein Tun.

Der Begriff „Bereich“ stellt ein zentrales Konzept in Maturanas Theorie dar. Ein Bereich stellt eine Klasse zusammengehöriger Phänomene dar. Ein Bereich bezeichnet i. Allg. die Relationen zwischen beobachteten Systemen und ihren jeweiligen Medien oder die potenziellen Zustände der Relationen zwischen den gegebenen Systemen. Bereiche entstehen bei der Ausgrenzung zusammengesetzter Einheiten aus ihrem Umfeld. Maturana und Varela unterscheiden zwischen folgenden Bereichen: (1) der Interaktionsbereich stellt die gesamten Interaktionsmöglichkeiten dar, die ein System eingehen kann, (2) der relationale Bereich stellt das gesamte Set an Relationen dar, d.h. Interaktionen des Beobachters, durch das ein System beobachtet werden kann, (3) der kognitive Bereich stellt das Gesamt aller Interaktionen dar, in die ein System treten kann ohne seine Identität zu verlieren (Maturana & Varela, 1980), (4) der phänomenologische Bereich stellt das Gesamt an Aktionen und Interaktionen dar, definiert durch die Elemente, die das System durch Transformationen oder Interaktionen konstituieren (Varela, 1979), (5) der konsensuelle Bereich stellt den strukturell gekoppelten Zustand mindestens zweier Systeme dar (Maturana, 1975) und (6) der sprachliche Bereich stellt den konsensuellen Bereich kommunikativer Interaktion dar, in dem sich die strukturell gekoppelten Systeme aneinander orientieren (Maturana & Varela, 1980).

Lebende Systeme existieren als strukturdeterminierte und - spezifizierte Einheiten in einem Medium, mit dem sie sich auf Grund struktureller Koppelung in struktureller Übereinstimmung befinden. Systeme sind dann strukturell gekoppelt, wenn ihre Interaktionen einen rekursiven oder zu mindestens äußerst stabilen Charakter aufweisen. Medium und Organismus entwickeln und verändern sich immer verschränkt mit einander. Der Organismus driftet in dem Medium immer auf dem Weg der Übereinstimmung. Der Organismus kann nur diesen Weg gehen, aber keinen anderen. Der Organismus muss seine Autopoiese derart verwirklichen, dass ein Fortbestehen im Medium Gewähr leistet ist. Der Organismus interagiert mit seinem Medium und kompensiert die Störeinflüsse, die aus dem Medium auf ihn einwirken. Solange er bei seinen Kompensationen nicht die Umwelt zerstört, kann er fortbestehen. Die Zustandsveränderungen des Organismus korrespondieren mit den Zustandsveränderungen des Mediums (Maturana, 1975). Dabei kann das Medium den Organismus nur perturbieren und somit eine Zustandsveränderung auslösen, die es nicht spezifiziert hat. Das Medium kann also Zustandsveränderungen in dem Organismus lediglich auslösen, aber nicht determinieren oder instruieren. Die Struktur des Systems determiniert die jeweiligen möglichen Zustandsveränderungen, die durch Perturbationen ausgelöst werden können. Das gilt auch umgekehrt, d.h. das System kann Zustandsveränderungen im Medium auslösen, aber nicht determinieren oder instruieren. Das ist ein wichtiger Punkt in Maturanas Theorie. Das Medium hat seine eigene strukturelle Dynamik, die operational verschieden von der, des autopoietischen Systems ist.

Den verschränkten Entwicklungsprozess zwischen Organismus und Medium bezeichnet Maturana als Ko-Evolution. Wenn der Organismus zu einem Zeitpunkt nicht mehr an sein Medium gekoppelt ist, dann zerfällt er. Er zerfällt, weil entweder die Zustandsveränderungen des Mediums zu einem Mediumzustand geführt haben, an den der Organismus nicht mehr strukturell gekoppelt ist oder weil eine Zustandsveränderung des Organismus zu einem Zustand geführt hat, der nicht an den Zustand des Mediums gekoppelt ist (Maturana, 1996a, S. 107). Strukturelle Koppelung bezieht sich aber nicht nur auf die Koppelung eines Systems mit einem Medium, sondern auch auf die Koppelung eines Systems mit einem anderen System. Dabei wird die Ontogenese (die individuelle Geschichte der strukturellen Veränderungen eines bestimmten Systems) des einen Systems mit der Ontogenese des anderen Systems gekoppelt. Das bedeutet, dass die Interaktionen der Systeme wechselseitig aufeinander bezogen sind. Dies bezeichnet Maturana als Ko-Ontogenese. Durch die strukturelle Koppelung von Systemen bilden sich isomorphe Strukturen. Die Zustandsveränderungen des einen Systems lösen dann die Zustandsveränderungen des anderen Systems aus, sodass ein Bereich koordinierten Verhaltens entsteht. Den Bereich koordinierten Verhaltens, der durch ontogenetische strukturelle Koppelung strukturell isomorph geworden ist, bezeichnet Maturana als Bereich der Übereinstimmung bzw. als konsensuellen Bereich. Konsensuelle Bereiche werden definiert durch die Strukturen ihrer interagierenden Systeme und der Entstehungsgeschichte der Systeme. Systeme, die in einem konsensuellen Bereich operieren, haben in diesem Bereich identische Zustandsbereiche und interagieren in einer eindeutigen Übereinstimmung zwischen dem auslösenden Verhalten des einen und dem ausgelösten Verhalten des anderen (Maturana, 1982).

Dem Nervensystem kommt eine entscheidende Funktion zu, da es den Interaktionsbereich des Organismus erweitert. Das Nervensystem koppelt sensorische und motorische Aktivitäten durch ein Neuronennetzwerk. Damit wird der Bereich sensomotorischer Korrelationen erweitert und somit der Verhaltensbereich. Zweitens wird dem Organismus eine Erweiterung der strukturellen Koppelung ermöglicht, indem innere Zustände mit den Interaktionen eines Organismus verbunden werden.

Ein neuronales Netz baut zwischen sensorischen und motorischen Flächen ein Netz neuronaler Verbindungen auf, dass präzise Interaktionen erlaubt, und somit das Nervensystem erzeugt. Ein Nervensystem ist dabei ein Netzwerk von interagierenden Neuronen, in dem jeder Zustand relativer neuronaler Aktivität zu einem weiteren Zustand relativer neuronaler Aktivität führt. Das Nervensystem ist dementsprechend ein operational geschlossenes System. Das Nervensystem kann nur Zustände relativer neuronaler Aktivität erzeugen. Einige dieser Relationen muss es trotz ständiger Perturbationen in Folge der inneren Dynamik und der Interaktionen des Organismus invariant halten. Da das Nervensystem eine ständige Strukturveränderung durchläuft ist es ein plastisches System. Die Strukturveränderungen finden dabei nicht in den Hauptverbindungsbahnen statt, da diese in der Regel invariant sind. Die Strukturveränderungen führen zu Strukturveränderungen der lokalen Merkmale der Verbindungen zwischen Neuronengruppen, also an den Synapsen und den Endverzweigungen. Das Nervensystem muss dabei strikt von dem Bereich des Beobachters getrennt werden. Der Beobachter mit seinem Nervensystem ist eine Einheit im Interaktionsbereich, während im Nervensystem nur neurophysiologische Aktivitäten stattfinden. Es handelt sich hierbei um zwei Phänomenbereiche, die sich nicht überschneiden.

Wie koppeln sich nun aber Systeme aneinander, wie driften sie ko-ontogenetisch und wie leben Menschen zusammen? Für Maturana ist die Bedingung, damit ein lebendes System die Koexistenz mit einem anderen lebenden System anerkennt, das biologische Phänomen Liebe. Liebe wird dabei von Maturana als die Grundlage sozialer Phänomene gesehen. Denn ohne dass wir andere annehmen und neben uns leben lassen (Liebe), gibt es keinen sozialen Prozess, keine Sozialisation und keine Menschlichkeit (Maturana & Varela, 1987). Liebe besteht dann darin, einem anderen in einem spezifischen Interaktionsbereich Raum für seine eigene Existenz in Koexistenz zu der eigenen Existenz zu geben (Maturana, 1985). Für Maturana ist man nicht Mensch, sondern man wird von anderen zu einem Menschen gemacht, indem man die anderen anerkennt und dementsprechend behandelt. Was uns zu Menschen macht ist also nur unsere spezifische Weise des Zusammenlebens als soziale Wesen in Sprache (Maturana, 1985) und außerhalb des Sozialen gibt es nichts Menschliches (Maturana, 1996b).

Ein sprachlicher Bereich entsteht dann, wenn ein lebendes System in der Lage ist, sich und sein Verhalten zu beschreiben. Der Ausdruck „sprachlicher Bereich“ soll andeuten, dass sprachliches Verhalten stets ein Verhalten innerhalb eines ko-ontogenetisch gekoppelten Bereichs darstellt, den wir durch unsere Ko-Ontogenese erzeugen und aufrechterhalten. Der Sprachprozess stellt eine Koordination von Handlungen in einem konsensuellen Bereich dar. Im Sprachprozess interagieren lebende Systeme strukturell und modifizieren sich wechselseitig, im Sinne von Strukturveränderungen der Teilnehmer. Im Folgenden wird kurz auf den Unterschied zwischen Interaktion und Kommunikation eingegangen. Interaktion bedeutet, dass sich lebende Systeme derart aufeinander richten, sodass das Verhalten des einen durch das des anderen bedingt wird. Die Verhaltenssequenzen der lebenden Systeme werden mit einander verzahnt. Dabei entsteht eine Trivialisierung sensu H. von Foerster (Fischer, 1993a, S. 80). Kommunikation hingegen ist jene Koordination des Verhaltens, die aus der sozialen Koppelung entsteht. Kommunikation bedeutet, dass ein lebendes System ein anderes lebendes System auf einen Teil seines eigenen Kognitionsbereichs orientiert. Dabei muss der Kognitionsbereich des orientierenden Systems vergleichbar mit dem Kognitionsbereich des zu Orientierenden sein. Kommunikation bezeichnet Maturana als orientierende Interaktion. Dabei ist die strukturelle Koppelung zwischen zwei Systemen die notwendige Bedingung für Kommunikation.

Kommunikation stellt dann die Grundlage für Sprache dar. Die Annahmen von Sprache basieren auf der Unterscheidung von Beschreibungen erster Ordnung und Beschreibungen zweiter Ordnung. Mit der Beschreibung erster Ordnung wird die Beschreibung des Verhaltens eines Organismus in der Interaktion mit seiner Umwelt (Nische) bezeichnet. Es handelt sich um eine Umweltbeschreibung erster Ordnung (Maturana, 1982).

Das Orientierungsverhaltens eines Organismus ist für einen Beobachter eine Beschreibung zweiter Ordnung (eine Beschreibung von Beschreibungen), die das repräsentiert, was sie nach der Auffassung eines Beobachters bedeutet (Maturana, 1982). Wenn ein lebendes System eine kommunikative Beschreibung generieren und mit seinen eigenen Aktivitätszuständen interagieren kann und wenn dadurch eine andere Beschreibung erzeugt werden kann, die auf seine Repräsentationen hin orientiert, dann wird das lebende System bei rekursiver Anwendung seiner Operationen zu einem Beobachter (Schmidt, 1996a, S. 26-27).

Sprache ist dann für Maturana ein System rekursiver konsensueller Koordinationen von konsensuellen Koordinationen bzw.

Orientierungsreaktionen von Orientierungsreaktionen. Sprache ist grundsätzlich ein generatives System von Koordinationen von Koordinationen, die in einer endlosen Folge neue Koordinationen hervorbringen. Der Sprachprozess findet folglich auch nicht im Gehirn statt, sondern in den Koordinationen von Koordinationen, auch wenn ohne Gehirn kein Sprachprozess möglich wäre.

Sprache funktioniert für die Sprecher stets nur konnotativ, nicht aber denotativ. Die Funktion der Sprache besteht darin, den zu Orientierenden innerhalb seines kognitiven Bereichs zu orientieren. Daraus folgt, dass eine Informationsübermittlung nicht stattfindet, weil es dem Orientierten überlassen bleibt, wohin er seinen kognitiven Bereich orientiert. Die Orientierung erfolgt dabei unabhängig von der Bedeutung, die ein Sprecher seinen Äußerungen zuschreibt. Der Hörer konstruiert sich eine interne Information, indem er seine eigene Ungewissheit durch seine Interaktionen innerhalb seines kognitiven Bereichs reduziert. Diese Annahmen ergeben sich aus der kognitiven Geschlossenheit autopoietischer Systeme. Denotation ist somit eine reine Beobachterkategorie, d.h. nur dem Beobachter erscheint es so, als ob Zeichen bestimmte Objekte denotieren.

Der Beobachter ist ein zentraler Punkt bei Maturana, denn alles was gesagt wird, wird von einem Beobachter gesagt (Maturana & Varela, 1980, S. XIX). Der Beobachter entsteht, wenn in einem sprachlichen Bereich Beschreibungen von Beschreibungen oder Unterscheidungen von Unterscheidungen (Metabereich) erzeugt werden. Dieser sprachliche Metabereich ist nur für den Beobachter ein Metabereich. Denn nur innerhalb eines konsensuellen Bereichs und dessen Geschichte ist eine Unterscheidung eine Unterscheidung von Unterscheidungen und damit ein Metabereich. Der Beobachter entsteht also mit der Sprache als eine Ko-Ontogenese in der Beschreibung von Beschreibungen.

Ein System, das mit seinen internen Zuständen interagieren kann und von diesen Zuständen Beschreibungen konstruieren kann, operiert als Beobachter und erzeugt über seine kognitiven Prozesse die Konstrukte seines Systems und seiner Umwelt. Beobachter operieren immer in einem konsensuellen Bereich und können außerhalb dieses Bereichs nicht existieren. Daher ist jede Feststellung eines Beobachters notwendig konsensuell. Die primäre Operation eines Beobachters besteht darin, Unterscheidungen zu treffen, welche die Umgebung eines Systems in Objekt und andere (Maturana, 1978a) trennt. Oder in Maturana’s Worten: „An observer is a [...] living system who can make distinctions and specify that which he or she distinguishes as a unity, as an entity different from himself or herself that can be used for manipulations or descriptions in interactions with other observers” (Maturana, 1978b, S. 31).

Bei dem Beobachter muss zwischen internen und externen Beobachter unterschieden werden. Der interne Beobachter beobachtet seine internen Zustände, z.B. seine Denk- und Wahrnehmungsakte. Der externe Beobachter beobachtet Organismen und ihre Umwelt und versucht Gesetzmäßigkeiten festzustellen. Die Bereiche des internen und externen Beobachters sind vollkommen überschneidungsfrei. Es gibt keine Phänomene, die für den internen und den externen Beobachter gleich oder vergleichbar sind.

Bewusstsein entsteht nun, wenn der Beobachter sich selbst beschreibt, d.h. der Beobachter orientiert sich durch sein Orientierungsverhalten auf sich selbst. Dabei erzeugt er Beschreibungen, die ihn selbst auf seine Beschreibungen hin orientieren. Bewusstsein ist folglich ein Phänomen im sprachlichen Bereich. Bewusstsein ist ein Epiphänomen auf der Beobachterebene, da es nicht zum Bereich des Operierens eines autopoietischen Systems gehört (Maturana, 1982).

Aus den Annahmen des Autopoiese-Konzepts folgen auch spezifische Vorstellungen über Wirklichkeit. Das autopoietische System erzeugt in seinem Kognitionsbereich Wirklichkeit innerhalb seiner systemspezifischen Strukturdeterminanten. Das System kann keine Repräsentation einer Wirklichkeit außerhalb des Systems erzeugen. Der Beobachter erzeugt die Existenz von allem, was er unterscheidet. Die Wirklichkeit und damit die Existenz der Dinge ist bestimmt durch die Unterscheidungen des Beobachters. Das schließt ebenfalls die Existenz des Beobachters selbst ein.

Für das autopoietische System gilt das Prinzip der undifferenzierten Codierung (Foerster, 1996; 1998). Dieses Prinzip besagt, dass Wahrnehmung ausschließlich von den Operationen des Gehirns abhängt und nicht in den Sinnesorganen stattfindet. Die Erregungszustände der Nervenzellen codieren nur die Intensität und die Topologie der Erregungsursache, also ein <wie viel> und ein <woher>, aber nicht die physikalische Natur der Erregungsursache, das <was>.

Der Beobachter kann dann auch grundsätzlich nicht zwischen Wahrnehmung und Illusion unterscheiden. Ob etwas Illusion oder Wahrnehmung ist, kann nur durch Bezug auf etwas anderes entschieden werden. Durch den Bezug auf etwas anderes, z.B. auf physikalische Messungen, auf unterschiedliche Erfahrungen in verschiedenen Sinnesmodalitäten, auf Kommentare von anderen Menschen usw., können Menschen entscheiden, ob etwas als Wahrnehmung akzeptiert oder als Illusion abgelehnt wird.

Maturana setzt Objektivität in Klammern (objectivity in parentheses). Objektivität in Klammern lässt sich als relative Objektivität bezeichnen. Maturana gibt damit die Annahme einer objektiven Realität auf. Operieren auf der Basis von Objektivität in Klammern impliziert eine konstitutive Ontologie. Darunter versteht Maturana die Annahme, dass Wirklichkeit von einem Beobachter durch Unterscheidungsoperationen erzeugt wird. Die gegensätzliche Auffassung, also dass Handeln auf der Basis von Objektivität ohne Klammern (objectivity without parentheses), auch absolute Objektivität genannt, möglich ist, bezeichnet Maturana als transzendentale Ontologie. Damit bezeichnet Maturana die Annahme, dass eine beobachterunabhängige transphänomenale Realität besteht.

Für Maturana bringen die Beobachter Multiversa - dass sind die vom Beobachter erzeugten Wirklichkeiten - in einer in Sprache lebenden Gemeinschaft, als Bereiche operationaler Kohärenz hervor, von denen jedes genauso legitim ist, wie jedes andere. Der Bobachter bringt seine Welt durch sein In-der-Sprache-sein (languaging) hervor. Dieses Hervorbringen einer Welt nennt Varela „ontieren“.

Der Beobachter kann sich niemals auf ein absolutes Objekt beziehen, weil ihm immer nur Beschreibungen (von Beschreibungen) möglich sind. Damit ein Beobachter ein absolutes Objekt beschreiben könnte, müsste er mit ihm interagieren können, aber bei dieser Interaktion kann das besagte absolute Objekt nur Zustandsveränderungen, die durch die Struktur des Beobachters bestimmt sind, in ihm auslösen (Maturana, 1996a). Der Beobachter kann also nur durch die Unterscheidungen, die er trifft, den Objekten Existenz verleihen. Damit wird die Frage nach einer Objektivität ohne Klammern sinnlos.

3 Kritik am Autopoiese-Konzept von Maturana

Viele Kritikpunkte, die gegen Maturanas Autopoiese-Konzept aufgeführt werden, können auch als Kritikpunkte gegen den radikalen Konstruktivismus gelten. Radikale Konstruktivisten haben euphorisch das Autopoiese-Konzept in ihre Argumentation aufgenommen, sodass die meisten radikal konstruktivistischen Texte ohne das Autopoiese-Konzept nicht mehr zu denken sind. Dennoch sieht sich Maturana selber nicht als radikalen Konstruktivisten (Ziemke & Stöber, 1992). Auch Glasersfeld, der Begründer des radikalen Konstruktivismus, arbeitet lediglich Ähnlichkeiten und Differenzen der beiden Konzepte heraus. In dieser Arbeit wird dementsprechend nur auf Kritik gegen das Autopoiese-Konzept von Maturana eingegangen und nicht auf Kritiken gegen den radikalen Konstruktivismus allgemein.

Ein erster Kritikpunkt bezieht sich auf den radikalen Biologismus, wie ihn Maturana vertritt. Maturana setzt Leben mit Kognition gleich und geht davon aus, dass Kognition ein rein biologisches Phänomen ist, dass dementsprechend auch nur biologisch verstanden werden kann (Maturana & Varela, 1980, S. 7). Damit muss jede Epistemologie sich auf dieses (biologische) Verständnis beziehen. Außerdem wird mit der Gleichsetzung von Leben mit Kognition der Kognitionsbegriff verwässert. Die Kognitionswissenschaft würde sich bezüglich ihres Gegenstandes auf die Gesamtheit lebender Prozesse beziehen. Damit würden aber gerade kognitive Teilprozesse und ihre spezifischen Charakteristika wieder eingeebnet werden (Kurthen & Linke, 1998). Auch die Wechselwirkungen zwischen Organismen einerseits und zwischen Organismen und ihrer Umwelt andererseits, genauso wie Sprache, Denken und Fühlen, können und müssen dann nur von der Biologie erklärt werden. Maturana hebt damit die biologische Naturwissenschaft zur unhinterfragten und nicht weiter begründbaren Grundlage jeder Theorie. Hier stellen sich dann auch Schwächen bei den Erklärungen von Maturana ein. Da er alles biologisch-naturwissenschaftlich erklären kann, muss er nicht (und tut dies auch nicht) auf andere Wissenschaften rekurrieren. Eine große Schwäche zeigt sich dabei z.B. bei seinem Konzept der Liebe als biologisches Phänomen. Maturana (Maturana, 1988; Maturana & Varela, 1987) räumt ein, dass dieses Konzept als biologisches Phänomen anzusehen, schwer fallen muss, aber dass dies hingenommen und akzeptiert werden muss. Ohne Liebe, ohne das Annehmen der anderen, kann es keine sozialen Phänomene geben (Maturana & Varela, 1987, S. 266). Erklärungen finden sich zu diesem Konzept nicht, sondern nur deskriptive Beschreibungen, wie es verstanden werden muss und wie es beschrieben werden kann.

Des weiteren überstrapaziert Maturana sein eigenes Autopoiese-Konzept, indem er es als eine „Alles-Erklärung“ verwendet, und damit Gefahr läuft sein Konzept Sinn zu entleeren. Maturana kann zwar alles mit seinem Konzept der Autopoiese (für sich) erklären bzw. unter seinen Prämissen interpretieren, aber dem Problem der konkreten Strukturbestimmung stellt er sich nicht. Er verweist lediglich darauf, dass - grob und vereinfacht ausgedrückt - Zustandsveränderungen auf Zustandsveränderungen folgen, die durch die eigene Struktur bestimmt sind und von außen lediglich durch Perturbationen ausgelöst, aber nicht determiniert werden. Zu den konkreten internen Wandlungen der Zustandsveränderungen, den inneren Kontrollparametern und voraussagbaren Zustandsveränderungen nimmt Maturana keine Stellung. Seine (Um-) Interpretation der Evolution und sein Rekurs auf biologische und neurowissenschaftliche Annahmen genügen diesen Anforderungen nicht. Andererseits sind solche Fragen, ausgehend von Maturanas Konzept, auch schon fast obsolet, kann doch lediglich der (obskure) Beobachter diese Fragen stellen und Wandlungen von Zustandsveränderungen enthüllen bzw. beschreiben. Diese Beschreibungen haben dann aber nichts mit dem tatsächlichen Prozessvollzug der autopoietischen Organisation zu tun, sondern sie gehören nur zur Geschichte und Weltbeschreibung des jeweiligen Beobachters.

Hinsichtlich seiner Theorie argumentiert Maturana auf Grund der naturwissenschaftlichen Grundlagen reduktionistisch, obwohl Maturana selber jeden Reduktionismus als ausgeschlossen ansieht. Dabei ist schon die Biologie selber hinsichtlich ihrer Forschungsprogramme (selbstverständlich) reduktionistisch (vgl. Janich, 1992). Von daher ist eine Aussage, wie sie Maturana macht, dass Reduktionismus ausgeschlossen ist, nicht einlösbar. Maturana verwendet zur Begründung seiner Theorie vor allem wissenschaftliche Ergebnisse aus den modernen Naturwissenschaften, obwohl diese wiederum den Prämissen Maturanas entsprechend nicht (endgültig) begründbar sein können, denn auch sie sind wieder beobachterabhängig. Dadurch allein zeigt sich schon, dass Maturana realistisch argumentiert, in dem er auf empirische Untersuchungen zurückgreift, um sein Konzept herzuleiten und auf die Stringenz seines Konzeptes hinzuweisen. Hierbei zeigt sich ein weiteres Problem in Maturanas Argumentationslinie. Maturana stellt fest, dass absolute Objektivität nicht erreicht werden kann. Objektivität ist immer relativ, also in Klammern zu setzen. Dies scheint aber nicht für Maturanas eigene Theorie der Autopoiese zu gelten, denn diese gilt auf jeden Fall und immer für alle lebenden Systeme. Auch das Prinzip der relativen Objektivität wird als nicht weiter zu hinterfragende absolute Wahrheit angenommen. Das bedeutet letztendlich, dass es sich um eine absolute relative Objektivität handelt. Hier schleicht sich über die Hintertür ein inneres realistisches Denken bei Maturana ein. Dies zeigt sich dann auch in der Wortwahl von Maturana. Maturana weist uns oft genug darauf hin, dass etwas in Wirklichkeit so und so ist, und dann auch nicht anders, oder dass etwas in Wirklichkeit ganz anders ist usw. Maturana setzt seine eigene Wirklichkeitsbeschreibung nicht in Klammern, und er sagt eben nicht, dass aus der Perspektive seiner (natürlich) relativen Wirklichkeitsbeschreibung, etwas so und nicht anders erscheint, sondern er setzt seine Aussagen absolut. Ein Beispiel dafür ist sein bekannter Satz: Alle Erkenntnis ist subjektabhängig (Maturana, 1982). Wenn alle Erkenntnis subjektabhängig ist, gilt dies auch für die Erkenntnis, dass alle Erkenntnis subjektabhängig ist (vgl. Fischer, 1993b). Und das ist wohl nicht das, was Maturana beabsichtigt uns zu sagen. Vielmehr will er hier eine allgemein gültige Aussage treffen, die für jede Erkenntnis zutrifft. Das bedeutet aber, dass jede Erkenntnis subjektabhängig ist, außer dieser Aussage, die aufbauend auf dem Konzept der Autopoiese erst die Subjektabhängigkeit begründet.

Das Autopoiese-Konzept enthält dann auch ein Selbstanwendungsproblem. Wenn ein lebendes System keinen Zugang zu einer wie auch immer gearteten Realität besitzt, dann kann es auch nicht feststellen, dass es diesen Zugang nicht hat (Groeben, 1998). Alles menschliche Denken stellt für Maturana ein kognitives Konstrukt dar. Das bedeutet aber auch, dass das Konzept der Autopoiese nur ein kognitives Konstrukt ist, dass sich der absoluten Wahrheit nicht annähern kann. Somit stellt auch Maturanas Konzept nur eines von vielen möglichen und viablen Konzepten dar. Darauf verweist Maturana selber, solange nicht sein eigenes Konzept behandelt wird, wenn er darauf aufmerksam macht, dass alle Wirklichkeitsbeschreibungen gleich legitim und sinnvoll, wenn auch nicht unbedingt wünschenswert für einen selber, sind.

Damit ergibt sich für das Konzept der Autopoiese, dass es solange wahr ist, so lange kein beobachterunabhängiger, und damit wahrnehmungsunabhängiger, Zugang zu einer Realität gefunden/erfunden/ oder erklärt/beschrieben werden kann. Da eine beobachterunabhängige Wirklichkeitsbeschreibung aber niemals stattfinden kann - von Foerster nennt eine solche Annahme eine Wahnvorstellung - kann auch das Konzept der Autopoiese stets aufrecht erhalten bleiben.

Wenn das Autopoiese-Konzept folglich als eine Wirklichkeitsbeschreibung angesehen wird, die in der Realität nicht vorkommt, wird der zentrale Grund der Autopoiese, nämlich, dass alles interne Konstruktion ist, selbst abgeschwächt. Solange wir glauben, dass wir als lebende Systeme im Dienste unserer Autopoiese stehen, glauben wir auch, dass wir (absolut) wirkliche geschlossene Systeme sind, wenn wir aber das Autopoiese-Konzept selbst lediglich als relative Wirklichkeitsbeschreibung nehmen, dann stellt sich die Frage, warum wir daran glauben sollten, dass alles Konstruktion ist und nicht doch Repräsentation. Maturanas Konzept kann dementsprechend sowieso nur mit repräsentationalistischen bzw. isomorphen Konzepten koexistieren und diese nicht ersetzen. Aber durch das Autopoiese-Konzept kann er den Totalitätsanspruch repräsentationalistischer Konzepte und realistischer Erkenntnistheorien abschwächen, da es für sie genauso wenig naturwissenschaftliche Hinweise auf ihre Richtigkeit geben kann, wie für Maturanas Konzept. Streng genommen dürfte sich allerdings diese Frage für Maturana nicht stellen.

Hier ließe sich dann dem Konzept der Autopoiese eine Selbstwiderlegung vorwerfen. Wenn es stimmt, ist es falsch (vgl. Nüse et al., 1991 und Groeben, 1998 zum Selbstwiderlegungsvorwurf des radikalen Konstruktivismus). Wenn festgestellt wird, dass das Autopoiese-Konzept absolut wahr ist, dann hat man diese Erkenntnis irgendwie durch einen Zugang zu einer beobachterunabhängigen Realität bekommen. Wenn man diesen Zugang aber hat, ist das Konzept falsch.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die Rolle des Beobachters. Maturana unterscheidet zwischen dem Bereich des Beobachters und dem Bereich des Nervensystems. Für das Nervensystem selber gibt es keinen Unterschied zwischen Innen- und Außenwelt, es gibt für es nicht einmal die Unterscheidung von Innenwelt/Außenwelt. Erst der Beobachter trifft diese Unterscheidung. Es wird bei Maturana nicht geklärt, woher der (externe) Beobachter wissen kann, dass das Nervensystem nur innerhalb seiner geschlossenen Welt operieren kann, und dabei nur der (externe) Beobachter feststellen kann, welche In- und Outputgrößen auf das Nervensystem einwirken und warum das Nervensystem solche Entscheidungen nicht selber treffen kann (vgl. Locker, 1998).

Die Interaktionen des Beobachters beschränken sich dabei, auch dort wo der Beobachter als Akteur betrachtet wird, rein auf das Beschreiben. Somit entsteht in der Theorie des Beobachters ein pragmatisches Defizit (Janich, 1992).

Ein weiterer Kritikpunkt setzt bei Maturanas Experimenten und seinen Ableitungen daraus an. Hierbei steht vor allem die Geschlossenheitsthese des Nervensystems im Vordergrund. Bei dieser Kritik wird weniger die Autopoiese lebender Systeme betrachtet als viel mehr Maturanas Erkenntnistheorie, die sich aus der Geschlossenheit des Nervensystems ableitet. Sollte sich diese These als nicht haltbar erweisen, kann auch Maturanas erkenntnistheoretisches Konzept nicht länger aufrecht gehalten werden. Kritisch und einschränkend zu Maturanas Ergebnissen ist festzuhalten, dass sie bislang nicht repliziert worden sind. Da Maturanas Vorstellung des Nervensystems in Punkt 2 kurz dargestellt wurde, wird sie an dieser Stelle nicht noch einmal wieder gegeben. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass auf Grund der Geschlossenheit des Nervenssystems keine Möglichkeit besteht, Wahrnehmungen und Theorien auf ihre Übereinstimmung mit den Dingen-an-sich zu überprüfen. Maturana ist durch seine experimentellen Befunde über Farbwahrnehmungen (siehe Punkt 2) bei Tauben zu der Einsicht gelangt, dass das Nervensystem geschlossen ist. Dies ist Maturanas, nicht weiter hinterfragte Interpretation seiner Ergebnisse. Daraus kann keineswegs zwingend abgeleitet werden, dass das Nervensystem geschlossen ist. Es könnte genauso gut offen operieren. Aus den Korrelationen, die Maturana berechnete, ergibt sich lediglich, dass sich bei Tauben Korrelationen zwischen Farbnamen und retinalen Ganglienzellen- aktivitäten ergeben (Riegas, 1993). Diese Befunde Maturanas sind auch nicht weiter erstaunlich. Neurowissenschaftliche Ergebnisse haben ergeben, dass selbst elementare Wahrnehmungsleistungen auf einer massiv parallelen Verarbeitung beruhen. Diese Annahme begründet sich auf der starken Divergenz und Konvergenz interneuronaler Verbindungen.

Bereiche von Neuronen, die an der visuellen Verarbeitung beteiligt sind, sind an verschiedenen Orten im Gehirn lokalisiert. Diese Bereiche sind durch vielfältige Rückkoppelungen miteinander verbunden. In zahlreichen Untersuchungen konnte gezeigt werden, dass Neurone in kortikalen und subkortikalen Zentren ihre Aktionspotenziale synchronisieren. Aus den Kognitionswissenschaften ist außerdem bekannt, dass bei der Wahrnehmung top-down-Prozesse und bottom-up-Prozesse wechselwirken, was wiederum zu unterschiedlichen Neuronenaktivitäten führt. Dadurch wird berücksichtigt, dass in die Wahrnehmung auch immer Erwartungen, Vorstellungen, Erfahrungen usw. mit einfließen. Diese kurzen Anmerkungen sollten genügen, um darauf hinzuweisen, dass es nicht überraschend ist, dass Maturana Korrelationen zwischen Farbnamen und Aktivitäten bei bestimmten Ganglienzellen berechnen konnte, andererseits ist es dann auch nicht überraschend, dass er keine einfachen linearen Korrelationen zwischen Wellenlängen und bestimmten retinalen Ganglienzellen berechnen konnte. Daraus folgt aber weder, dass das Nervensystem geschlossen operiert, noch dass die untersuchten Prozesse unabhängig von einander sind (Riegas, 1993). Gesehene Farben entstehen vielmehr immer in Verbindung mit einem physikalischen Reiz. Die Farben entstehen dabei nicht durch beliebige Reizung und auch nicht ohne Reizung der Rezeptorneuronen (Riegas, 1993). Aus Maturanas Ergebnissen wird somit lediglich sichtbar, dass Wellenlängen und Aktivitäten von Ganglienzellen sich nicht als lineare Korrelationen beschreiben lassen.

Letztendlich kann Maturanas These der Geschlossenheit des Nervensystems nicht widerlegt werden. Es kann weder schlüssig aufgezeigt werden, dass das Nervensystem geschlossen, noch dass es offen ist.

Ein letzter Kritikpunkt, der hier angesprochen werden soll, bezieht sich auf die innerbiologische Qualität von Maturanas Konzept. Die Beschaffenheit der innerbiologischen Qualität ist vor allem deswegen interessant, weil Maturana seine Aussagen einerseits auf ein naturwissenschaftliches Fundament bezieht und sich dadurch einer philosophischen Kritik mit Verweis auf eben diese naturwissenschaftliche Basis entzieht. Andererseits beansprucht Maturana für sich, naturwissenschaftliche Erkenntnisse selber ausdeuten zu können. Breidbach & Linke (1993) weisen darauf hin, dass Maturanas Annahmen in der Biologie nicht unterstützt werden, sondern Untersuchungen in der Biologie seinen Annahmen eher widersprechen. Das Problem liegt vor allem darin, die Autopoiese auf der Ebene des Organismus zu erklären. Autopoiese erweist sich vielmehr als Alteropoiese (ebd., S. 195). Maturana betrachtet nicht die Involviertheit des Organismus in das Ganze. Aber genau das Gesamtsystem sollte in die Analyse der Autopoiese mit einbezogen werden, d.h. die gesamte Biosphäre muss als autoregulatives Gesamtsystem begriffen werden (ebd., S. 196). Maturanas Ansatz stellt damit nur eine sehr spezielle Sichtweise aus dem Gesamtsystem dar.

Jantsch (1981) hat bspw. versucht, ein einheitliches, integrierendes Konzept der (großen) Konzepte Autopoiese, Dissipative Strukturen, Hyperzyklen und Ultrazyklen zu generieren. Zusammenfassend kommt Jantsch (1981, S. 85- 86) zu dem Ergebnis, dass sieben Ebenen von dynamischen Systemen beschrieben werden müssen. Für Systeme gilt dann: sie sind thermodynamisch offen, weit entfernt vom Gleichgewicht, organisiert in Hyperzyklen, von ihrer Funktionsweise autopoietisch - zu der autopoietischen Funktionsweise gehört auch die interne Verstärkung von Fluktuationen -, strukturiert in dissipativen Raumzeit-Strukturen, sie emergieren aus einer indefiniten Sequenz von Strukturen und durchleben eine Koevolution mit anderen Systemen in Ultrazyklen.

Innerbiologisch ist das Konzept von Maturana letztlich nur schwerlich zu erfassen, da es lediglich eine Typologie darstellt, diese aber nicht weiter spezifiziert und konkretisiert. Breidbach & Linke (ebd., S. 196) schlussfolgern dann auch, dass der Anspruch der Theorie, biologisch fundiert zu sein, von Maturana nicht eingelöst werden kann.

4 Das Autopoiese-Konzept von Luhmann

Luhmanns Werk wird von vielen Autoren in zwei Phasen aufgeteilt. In der ersten Phase entwickelt Luhmann die Grundlagen seiner Theorie. Mit seinem Werk Soziale Systeme vollzieht sich dann der Übergang in die zweite Phase. In diesem Werk greift Luhmann das Konzept der Autopoiese der beiden chilenischen Biologen Maturana und Varela auf. Dieser Übergang wird dementsprechend häufig als autopoietische Wende bezeichnet.

Das Autopoiese-Konzept wird in der Systemtheorie als wichtig angesehen, weil es die interne Strukturdeterminierung in den Vordergrund der Analyse stellt, anstatt sich nur einseitig auf die Umwelt-Abhängigkeit von Systemen zu konzentrieren.

In den Arbeiten Luhmanns finden sich unterschiedliche Autopoiese Definitionen, die sich grob in zwei Klassen einteilen lassen (Beermann, 1993). Ein autopoietisches System wird einmal über den Begriff der basalen Selbstreferenz definiert, das andere Mal als ein System, dass seine Einheiten, die zur Produktion eines Systems unverzichtbar sind, selbst produziert und reproduziert. Von basaler Selbstreferenz spricht Luhmann, wenn eine Unterscheidung von Element und Relation vorliegt. Basale Selbstreferenz lässt sich also als „Selbstreferenz von Elementen“ (Beermann, 1993, S. 244) bezeichnen. Basale Selbstreferenz darf aber nicht als Systemreferenz verstanden werden, da das Selbst immer als Element und nicht als System angesehen wird und weil die Unterscheidungsoperation die von Element/Relation und nicht die von System/Umwelt ist (Luhmann, 1984). Aber die basale Selbstreferenz thematisiert die Systemreferenz immer mit, da ein Element ein System voraussetzt. Da die basale Selbstreferenz die Mindestform der Selbstreferenz darstellt, umschließt die zweite Definition die Erste. Nach der Definition gibt es weder Input in, noch Output aus dem System. Eine Einschränkung muss hier gemacht werden. Das es weder Input noch Output gibt, bedeutet nicht, dass es keine Beziehungen zur Umwelt gibt, diese liegen aber auf anderen Realitätsebenen als die Autopoiese.

Für Luhmann sind die Elemente autopoietischer Systeme Ereignisse. Ereignisse sind Elemente, die bei ihrem Auftauchen schon wieder verschwinden. Dies gilt sowohl für Bewusstseinssysteme als auch für soziale Systeme.

Die Grundbedingung der Theorie der Autopoiese ist, dass sie binär operiert. Ein System fährt mit seiner Autopoiese fort oder tut dies nicht. Zwischenzustände gibt es nicht.

Im Gegensatz zu Maturana nimmt Luhmann auch nicht-lebende autopoietische Systeme an. Er unterscheidet drei grundverschiedene Arten der Autopoiese: die Autopoiese lebender Systeme (sensu Maturana), psychischer Systeme (auch Bewusstseinssysteme genannt) und sozialer Systeme, oder anders: die Autopoiese des Lebens, die Autopoiese des Bewusstseins und die Autopoiese der Kommunikation (Krüll et al., 1987). Das bedeutet für Luhmann, dass psychische und soziale Systeme keine lebenden Systeme sind (Luhmann, 1986a).

Psychischen und sozialen Systemen ist gemein, dass sie Sinn prozessieren. Sie setzen Sinn als „ [...] unerläßliche, unabweisbare Form ihrer Komplexität und ihrer Selbstreferenz [...]“ (Luhmann, 1984, S. 92) voraus, konstituieren und verwenden ihn. Sinn dient für Luhmann zur Erfassung und Reduktion von Komplexität.

Im Folgenden wird auf die Autopoiese des Bewusstseins und auf die Autopoiese der Kommunikationen eingegangen, während die Autopoiese lebender Systeme unberücksichtigt bleibt, da sie im ersten Teil durch das Konzept von Maturana abgedeckt wurde.

Als Erstes wird auf die Autopoiese des Bewusstseins eingegangen. Menschen können als autopoietische psychische Systeme angesehen werden, da das Nervensystem Gedanken und Vorstellungen prozessiert und dabei ein Bewusstsein erzeugt, dass aus der Organisation und Struktur neuronaler Prozesse entsteht. Dies bezieht sich nur auf die Konstituierung des Bewusstseins, nicht aber auf die Inhalte des Bewusstseins. Bewusstseinssysteme sind operational geschlossen. Sie repräsentieren keine Außenwelt, sondern operieren mit Relationierungen neuronaler Relationen. Die Ereignisse der Umwelt lösen neuronale Relationen aus, können diese aber nicht determinieren. Umweltereignisse werden nur als Irritationen erfahren und werden innerhalb der eigenen Strukturen spezifiziert. Die Umwelt enthält keine Informationen. Information wird folglich im System selbst erzeugt. Dementsprechend kann es keinen unmittelbaren Kontakt zwischen Bewusstseinssystemen geben (Luhmann, 1985, S. 404), da es keine Möglichkeit gibt, Gedanken von außen in ein Bewusstseinssystem zu bringen. Das Bewusstseinssystem kann mit anderen Bewusstseinssystemen über zwei Operationen in Kontakt treten. Es kann beobachten und kommunizieren. Für Kommunikation muss Beobachtung immer vorausgesetzt werden.

Bewusstseinsysteme bestehen aus Gedanken (Luhmann, 1985). Einen Gedanken, der von einem nächsten Gedanken beobachtet wird, bezeichnet Luhmann als Vorstellung. Beobachten bedeutet für ihn, dass eine Unterscheidungsoperation getroffen wird. Ein Gedanke, der einen anderen Gedanken beobachtet, fasst und fixiert diesen anderen Gedanken mit einer Unterscheidungsoperation. Nur durch diese Operation kann ein beobachtender Gedanke den beobachteten Gedanken von sich selbst unterscheiden (ebd.). Die Unterscheidungsoperation ist die der Selbstreferenz und Fremdreferenz. Selbstreferenz wird in drei Arten unterschieden (ebd., S. 411):

1. Die Selbstreferenz auf der Ebene der Gedankenereignisse: Sie besteht darin, dass ein Gedanke sich jeweils nur als anderer der anderen vollziehen kann.
2. Die Selbstreferenz der Beobachtung: Sie besteht darin, dass eine Beobachtung die Einheit des Bewusstseins durch andere Gedanken als Einheit der Differenz von Selbstreferenz und Fremdreferenz rekonstruiert.
3. Die durch die Differenz von Selbstreferenz und Fremdreferenz zur Bezeichnung freigegebene Selbstreferenz: Sie wird im Unterschied zur Fremdreferenz gesehen. Dadurch kann das Bewusstsein sich selbst zur Reflexion seiner Identität bringen.

Durch diese Unterscheidungsoperation wird der beobachtete Gedanke zu einer „Vorstellung von etwas“ (ebd., S. 407). Jeder Gedanke beobachtet nur andere Gedanken und ist für sich selbst immer ein unbeobachteter Gedanke. Diese Operation des Gedankens kann aber in jedem Augenblick aufgehoben werden, da der beobachtende Gedanke selbst zu einem beobachteten Gedanken durch einen anderen Gedanken werden kann. Jede Vorstellung lässt offen, ob weitere Operationen sich an die Selbstreferenz oder Fremdreferenz anschließen. Dies nennt Luhmann Bi-Stabilität.

Die Beobachtung der Gedanken führt zu einer Bifurkation der autopoietischen Strukturen und damit zur Erzeugung einer irreversiblen Geschichte.

Psychische Systeme sind folglich über die Selbstreferenz von Gedanken gebildet. Die Autopoiese des Bewusstseinssystems ist das Fortführen der Gedanken in einer mehr oder minder klaren Form. Das Bewusstsein ist dabei ein sich selbst beobachtendes System.

Lernen bedeutet für ein Bewusstseinssystem seine Autopoiese zu handhaben. Für das Bewusstseinssystem folgt daraus, dass trotz hoher Komplexität ausreichendes Tempo im Anschluss von Gedanken an Gedanken vorhanden sein muss. Die Theorie der Autopoiese des Bewusstseins muss sich, an Stelle von Erziehung oder Nachahmung, auf Strukturbildungs- und Strukturänderungsprozesse beziehen, da Strukturen des Systems nur im System erzeugt werden können (ebd., S. 418). Mit Hilfe der Unterscheidungsoperation Selbstreferenz/Fremdreferenz kann das Bewusstsein sich selbst und anderes unterscheiden und durch diese Differenz Identitäten konstituieren und fortführen. Wenn eine Identität ausreichend distinkt ist, lässt sie sich kondensieren und bei Wiederholung als dieselbe erkennen (ebd., S. 419).

In der Differenz Selbstreferenz/Fremdreferenz sammeln und verdichten sich fortsetzbare Erfahrungen (ebd., S. 419). Dies bezeichnet Luhmann als Erwartungen. Erwartungen von Bewusstseinssystemen sind als „ [...] Mitvollzug des Auftauchenlassens neuer Elemente Moment des autopoietischen Prozesses [...]“ (Luhmann, 1984, S. 362). Für Luhmann stellen Erwartungen also keine Elemente (und damit Gedanken) des Bewusstseinssystems dar, sondern Momente der Autopoiese des Bewusstseins. Durch Erwartungen kann das Bewusstseinssystem die Kontingenz seiner Umwelt in Bezug zu sich selbst setzen und dann als eigene Ungewissheit in den autopoietischen Reproduktionsprozess übernehmen.

Durch Erwartungen bilden sich in Bezug auf die spezifische Situation neue Unterscheidungen, die wiederum davon abhängen, ob die Erwartungen erfüllt oder enttäuscht wurden. Das Bewusstseinssystem, dass mit Erwartungen operiert, befindet sich in einer binär strukturierten Situation. Das Bewusstseinssystem kann nur in zweifacher Weise operieren. Es kann Erwartungen erfüllen oder enttäuschen. Dabei operiert das Bewusst- seinssystem in der Unterscheidung von normal und anormal. Normalität ist nur eine mitlaufende Modalität und ist für das Bewusstseinssystem marginal. Die Erfüllung einer Erwartung wird als normal angesehen und daher nicht weiter thematisiert. Durch das Normale kann die Autopoiese weiterlaufen. Das Annormale hingegen hat eine Alarmierfunktion. Wenn eine Erwartung enttäuscht wird, dann muss sich mit dieser Abweichung beschäftigt werden und versucht werden, die Erwartung wieder zu normalisieren oder zu ändern. Dies bildet dann den Anschluss für weitere daran anknüpfende Unterscheidungen.

Das Bewusstseinssystem muss dabei stets an das jeweilige neurophysiologische System und an das Kommunikationssystem Gesellschaft gekoppelt sein. Mit Koppelung meint Luhmann, dass die Umweltbeziehung nicht in die Selbstreferenz einbezogen wird. Daraus folgt, dass das Bewusstseinssystem seine Strukturen nicht durch Reflexion der Gehirnbenutzung oder Sprachbenutzung erzeugt. Das Bewusstseinssystem ist somit auch gegenüber Sprache autonom. Die Sprache verhilft dem Bewusstseinssystem aber Gedanken präzise und unterscheidbar zu artikulieren. Erst ein sprachbewusster Gedanke kann sich selbst als beobachtbar darstellen (Luhmann, 1985, S. 422). Durch Sprache wird verhindert, dass auf Grund zunehmender Komplexität innerhalb des Bewusstseinssystems ein Chaos entsteht.

Durch die Unterscheidung von Bewusstsein und Leben erfährt das Bewusstseinssystem, wo es sich befindet. Erst durch diese Unterscheidung kann es sich als beobachtet erfahren. Durch die Fremdbeobachtung wird das Bewusstseinssystem zu einer Totalität ergänzt und erfährt sich somit als Einheit. Zusätzlich erfährt das Bewusstseinssystem durch die Fremdbeobachtung eine Differenz. Der Gedanke des Beobachtetwerdens führt dazu, dass man sich entweder mit der Fremdbeobachtung beschäftigen kann, also damit was der andere meint, oder mit dem Eindruck, der die Fremdbeobachtung auf das eigene Bewusstsein macht, also mit dem was man selbst fühlt und was man selbst tun kann, wenn man weiß, dass man beobachtet wird (ebd., S. 425). Diese Differenz wird dann auch wieder als Erwartung des Bewusstseinssystems verarbeitet, die man folglich erfüllen oder enttäuschen kann.

Die Theorie der Autopoiese führt damit zu einer allgemeinen Theorie der Kognition. Dabei gelten vier Thesen (ebd., S. 444-445):

1. Jedes autopoietische System (also lebende Systeme, Bewusstseins- systeme und soziale Systeme) löst die Probleme der Kognition im Vollzug seiner Autopoiese, gemäß den spezifischen Eigenarten der jeweiligen autopoietischen Organisation.
2. Autopoietische Systeme jeder Art sind geschlossene Systeme und nehmen keine Operation der Umwelt auf.
3. Geschlossenheit und Kognition bedingen einander wechselseitig.
4. Diese Konstellation führt zu einer natürlichen Auslese. Evolution darf dabei aber nicht als Anpassung an eine spezifische Umwelt, sondern als Selektion fortsetzbarer Autopoiese gesehen werden.

Im Folgenden wird auf die Autopoiese sozialer Systeme eingegangen. Um soziale Systeme als operational geschlossen zu begreifen, hat Luhmann die Annahme eingeführt, dass die Einheiten sozialer Systeme nicht Menschen, sondern Kommunikationen sind. Durch diesen Schritt der Entpersönlichung sozialer Systeme kann die Eigengesetzlichkeit sozialer Systeme herausgearbeitet werden, ohne dass das Soziale zu einer Aggregation biologischer oder psychologischer Momente wird. Damit ist auch schon der Unterschied zwischen Bewusstseinsystemen und sozialen Systemen angesprochen. Bewusstseinssysteme verarbeiten Sinn durch Gedanken und Vorstellungen (s.o.), während soziale Systeme Sinn durch Kommunikation prozessieren (Luhmann, 1986b). Das Fortlaufen der Kommunikation ist für soziale Systeme unerlässlich.

Die Autopoiese sozialer Systeme läuft mit dem Entstehen doppelter Kontingenz an. Zwei Bewusstseinsysteme können in ihrer Begegnung in ein Problem doppelter Kontingenz geraten. Indem sie dieses Problem lösen, konstituieren sie soziale Systeme. Doppelte Kontingenz tritt dann auf, wenn ego sein Verhalten am erwarteten Verhalten alters ausrichtet. Sowohl ego als auch alter haben dabei nicht-festgelegte Handlungsmöglichkeiten. Ego erfährt seine eigene Kontingenz als Handlungsfreiheit, während er alters Kontingenz als mangelnde Erwartungssicherheit erfährt. Dementsprechend sind soziale Strukturen für Luhmann Erwartungsstrukturen. Indem jeder jemand anderen wahrnimmt und sich selbst als wahrgenommen erfährt, wechselt ein einfaches Sozialsystem von Wahrnehmung zu Kommunikation. Wahrnehmung wird dann sozial selektiv und somit wird aus Information Mitteilung. Kommunikation wird von Luhmann nur auf der Ebene sozialer Systeme verwendet. Kommunikation bezeichnet die autopoietische Operation sozialer Systeme und kommt außerhalb von Gesellschaft nicht vor.

Die Kommunikationen werden rekursiv durch ein Netzwerk von Kommunikationen produziert und reproduziert. Kommunikationen sind keine lebenden Systeme, keine Bewusstseinssysteme und keine Handlungen. Kommunikationen werden von Luhmann (1981) als dreistellige Relation dargestellt. Dabei repräsentieren alle drei Stellen kontingente Selektionen.

1. Ein Sachverhalt kann so oder auch anders beschaffen sein
2. Ein Kommunikator kann über einen Sachverhalt reden oder nicht
3. Ein Empfänger kann die Mitteilung verstehen oder nicht, akzeptieren oder nicht.

Kommunikation wird dabei als Prozess gesehen, der auf Selektionen selektiv reagiert und damit Selektivität verstärkt. Die Einheit der Kommunikationen wird durch die Synthese dieser drei Selektionen bestimmt, nämlich: Information, Mitteilung und Verstehen. Die Synthese wird durch das Netzwerk der Kommunikationen produziert. Für Luhmann folgt daraus, dass Kommunikation nicht durch Sprache produziert wird. Folglich kann nur Kommunikation kommunizieren, aber nicht Menschen (Luhmann, 1990a). Kommunikation versteht Luhmann als das Prozessieren einer Unterscheidung als Unterscheidung. Die Unterscheidung betrifft dabei Information und Mitteilung.

Information bezeichnet systeminterne Ereignisse, die ihren Systemzustand auf Grund einer Differenzerfahrung ändern. Die Differenzerfahrung stellt eine Unterscheidung, die eine Unterscheidung ist, dar. Information kann sich auch auf die Umwelt beziehen. Sie kann aber keine Umweltdaten transportieren, weil Information stets auf Grund einer systemeigenen Unterscheidung intern erzeugt wird. Mitteilung ist für die autopoietische Regeneration des Systems zuständig. Dadurch werden beide gezwungen miteinander zu kooperieren. Wenn die Unterscheidung zwischen Information und Mitteilung als unterschiedliche Selektionen nicht getroffen werden würde, wäre Verstehen kein Aspekt der Kommunikation, sondern lediglich Wahrnehmung.

Luhmann konzipiert damit Kommunikation als ein operationelles selbstständiges System. Alle Begriffe, mit denen Kommunikation beschrieben wird, werden von der psychischen Systemreferenz gelöst und auf den selbstreferenziellen Prozess der Erzeugung von Kommunikation durch Kommunikation bezogen. Bewusstseinssysteme und Kommunikationssysteme existieren somit getrennt von einander. Die Fortführung von Gedanken und die Fortführung der Kommunikation laufen nicht in dem selben System ab und ihre jeweilige Anschlussfähigkeit ist unterschiedlich geregelt (Luhmann, 1986c).

Information, Mitteilung und Verstehen sind Aspekte des Systems, die für das System nicht unabhängig von dem System existieren. Als Selektionen werden sie vom System selbst erzeugt. Die Synthese von Information, Mitteilung und Verstehen ist nur als elementare Einheit in einem ständig fortfahrenden sozialen System möglich. Die elementaren Einheiten des Systems sind Kommunikationen. Eine elementare Einheit muss mindestens eine kleinstmögliche Bedeutung besitzen, sodass Anschlusskommunikation ermöglicht werden kann.

Verstehen muss für Kommunikation notwendigerweise vorausgesetzt werden. Verstehen versteht sich aber nicht von selbst. Jedes Verstehen ist eine Operation des verstehenden Systems und ist damit an die Operationsweise des Systems gebunden. Verstehen darf dabei nicht mit Übereinstimmen gleichgesetzt werden. Es ist nicht die Aufgabe der Kommunikation einen Konsens zu schaffen. Kommunikationen können lediglich Kommunikationen akzeptieren oder zurückweisen.

Durch Kommunikation können Bifurkationen entstehen. Durch Bifurkationen kann einerseits Komplexität reduziert werden und andererseits Selektion verstärkt werden.

In Bezug auf Kommunikationen ist das soziale System ein operational geschlossenes System. Soziale Systeme gelten als operational geschlossene Systeme, sobald sie semantische Strukturen ausbilden, die Kommunikationen selbstreferenziell prozessieren. Zu semantischen Strukturen gehören Codes (auch Kommunikationsmedien oder Mediencodes genannt) und Programme. Durch Codes werden Interaktionen und Handlungen aufeinander bezogen und so als soziale Wirklichkeit für die Akteure erkennbar. Codes sind Integrations- und Steuerungsmedien in und für soziale Systeme. Dabei erfüllen Codes drei Funktionen: sie steuern, integrieren und identifizieren soziale Handlungen als Elemente eines bestimmten Systems (Klüver & Marx, 1999, S. 58). Beispiele für Codes sind Geld im Wirtschaftssystem, Wahrheit im Wissenschaftssystem, Recht im Rechtssystem. Konkretisierungen von Codes nennt Luhmann Programme. Ein soziales System muss sowohl über Codes als auch Programme verfügen, um seine Identität zu konstituieren und fortzuführen.

Sobald ein soziales System durch spezifische Codes eine selbstreferenzielle Operationsweise der Kommunikationen erzeugt, kontinuieren Kommunikationen Kommunikationen. Diese rekursiven Kommunikationsketten genügen dann der Definition eines autopoietischen Systems. Für operational geschlossene soziale Systeme gilt dabei eine Kombination von Selbstreferenz und Fremdreferenz. Erst durch Selbstreferenz wird Fremdreferenz ermöglicht. Diese Kombination von Selbstreferenz und Fremdreferenz bezeichnet Luhmann als mitlaufende Selbstreferenz (Luhmann, 1984). Erst durch die mitlaufende Selbstreferenz kann das System sich vor einer Selbstlähmung bewahren. Die Einheit von Selbstreferenz und Fremdreferenz kann durch den Autonomie-Begriff aufgezeigt werden (Willke, 1996). Ein autonomes System ist ein System, „ [...] das auf der Grundlage autopoietischer Selbststeuerung spezifische, durch seine Leitdifferenz und seinen Operationsmodus vorgezeichnete Umweltbeziehungen unterhält“ (Willke, 1996, S. 69). Autonomie bezieht sich im Gegensatz zur Autopoiese nicht nur auf den Innenhorizont des Systems, sondern auch auf den Außenhorizont. Das System ist von der Umwelt hinsichtlich seiner Selbststeuerung und der damit verbundenen Operationsweise unabhängig. Aber das System ist von der Umwelt abhängig, hinsichtlich der Ereignisse, aus denen sich das System Informationen intern generieren kann.

Dabei bezieht sich die operationale Geschlossenheit sozialer Systeme auf zwei Systemebenen, auf Interaktionssysteme und Gesellschaftssysteme1 (Luhmann, 1986a). Gesellschaften beziehen alle Ereignisse ein, die für sie die Qualität von Kommunikation haben. Durch Kommunikation erweitern und begrenzen sie zugleich das soziale System, in dem sie entscheiden, über was kommuniziert wird und über was nicht. Interaktionssysteme sind durch Anwesenheit gekennzeichnet. Das bedeutet, dass Bewusstseinssysteme gemeinsam anwesend sind und sich gegenseitig wahrnehmen. Interaktionssysteme erzeugen die Grenzen des sozialen Systems. In der Interaktion muss in Rechnung gestellt werden, dass Personen - wenn sich Bewusstseinssysteme beobachten spricht Luhmann von Personen - andere Rollen in Systemen haben, die in der aktuellen Interaktion nicht kontrolliert werden können. Interaktionssysteme sind geschlossene Systeme, weil Kommunikation nur im Kontext des jeweiligen Systems einerseits motiviert wird und andererseits verstanden werden kann.

Autopoietische soziale Systeme produzieren ihre Elemente (Kommunikationen) als Ereignisse, die nach ihrem Auftreten sofort wieder verschwinden. Auch Ereignisse benötigen eine kurze Zeitdauer. Ihre Länge wird dabei von der jeweiligen Definition festgesetzt und durch das autopoietische System reguliert. Die Ereignisse werden im System nicht aufakkumuliert. Wenn dies der Fall wäre, würden Systeme sehr schnell eine Überkomplexität produzieren, die sie nicht mehr handhaben könnten. Im System würde Chaos entstehen. Die Instabilität der Elemente als Ereignisse garantiert damit erst die Fortdauer des Systems. Instabilität erzeugt somit Stabilität des Systems.

Der primäre Prozess des Systems ist demnach das Produzieren von Anschlusselementen in der aktuellen Situation, die sich von den vorangegangenen unterscheiden müssen, um als Ereignisse erkannt zu werden.

Weil das autopoietische System auf Ereignissen basiert, benötigt man zwei Dichotomien um das System zu beschreiben. Die Dichotomie System und Umwelt und die Dichotomie Ereignisse und Situation. Wenn ein System oder ein Beobachter die Dichotomie Ereignis/Situation verwendet, dann beschreibt es/er die Differenz von System und Umwelt als Struktur der Situation. Aus der Sicht von Ereignissen beinhaltet die Situation sowohl System als auch Umwelt. Indem das System Information durch Ereignisse-in-Situationen prozessiert, kann sich das System auf die Unterscheidung von internen und externen Relevanzen hin orientieren.

Die doppelte Dichotomie Ereignis/Situation und System/Umwelt beschreibt somit den re-entry des Systems in das System als Unterscheidung von System und Umwelt.

Wie kann nun Offenheit und Geschlossenheit des Systems mit einander vereinbart werden? Geschlossenheit bezeichnet dabei ein System, dass seine Systemgrenze selbst definiert, die es dem System ermöglicht, seine Identität nach eigenen Regeln zu erzeugen und gegen die Umwelt durchzuhalten.

Autopoietische Geschlossenheit muss dabei verstanden werden, als rekursive autopoietische Geschlossenheit eines offenen Systems. Um die Vereinbarkeit von Geschlossenheit und Offenheit aufzuzeigen, muss Kommunikation näher analysiert werden. Ohne die Synthese der drei Selektionen Information, Mitteilung und Verstehen würde es keine Kommunikation geben, sondern nur Wahrnehmung. Die evolutionäre Entwicklung von Kommunikation führt dazu, dass Systeme erzeugt werden, die geschlossen unter der Bedingung der Offenheit und offen unter der Bedingung der Geschlossenheit sind. In diesen Systemen wird Sinn selegiert und dadurch als Ergebnis Gesellschaft erzeugt.

Die Geschlossenheit autopoietischer Systeme ist die Grundbedingung für ihre Offenheit. Durch die autopoietische Geschlossenheit wird die binäre Funktion erklärbar. Das System kann seine Autopoiese weiter führen oder nicht. Alles im System wird auf diese zwei Zustände reduziert. Das System kann aber keine Operationen aus der Umwelt aufnehmen. Das soziale System kann lediglich kommunizieren, das Bewusstseinssystem lediglich Gedanken und Vorstellungen pozessieren und das lebende System kann lediglich leben. Um ihre Autopoiese weiter zu führen, benötigen Systeme kein zuverlässiges Wissen über die Umwelt. Ein autopoietisches System benötigt nur die Unterscheidung von System und Umwelt, wie es aus der Perspektive des jeweiligen Systems unterschieden wird. Das System wird durch die Umwelt lediglich zu eigenen Operationen angestoßen, wird aber nicht durch die Umwelt determiniert. Die Einheit des autopoietischen Systems wird durch das Prozessieren der Unterscheidung von fortführen oder nicht-fortführen der Autopoiese gebildet. Diese Unterscheidung reproduziert die Unterscheidung und stellt damit die Bedingung der eigenen Kontinuität dar.

Eine topologische (materielle) Grenze von autopoietischen Systemen, im Sinne Luhmanns, muss nicht weiter berücksichtigt werden, da sie in den unterschiedlichen Definitionen Luhmanns ausgeklammert wird. Ein Beispiel gibt Luhmann (1985, S. 403; ohne Hervorhebungen): „Als autopoietisch wollen wir Systeme bezeichnen, die die Elemente, aus denen sie bestehen, durch die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst produzieren und reproduzieren“.

Die Grenze des Systems gegenüber der Umwelt wird durch die systeminternen Reduktionen, also über Kommunikationsmedien (Codes) und Programme, festgelegt.

Das Verhältnis zwischen Bewusstseinssystemen und sozialen Systemen wird mit dem Begriff Interpenetration und später mit Bezugnahme auf den Begriff strukturelle Koppelung erklärt. Von Interpenetration spricht Luhmann, wenn sich beide Systeme wechselseitig ermöglichen, indem sie in das jeweils andere System ihre systemspezifisch vorkonstituierte Eigenkomplexität einbringen. Die interpenetrierten Systeme bleiben aber trotzdem füreinander stets Umwelt, sodass das interpenetrierte Bewusstseinssystem weiterhin nur mit Gedanken operiert und das interpenetrierte soziale System nur mit Kommunikationen. Die Interpenetration wird dadurch ermöglicht, dass beide Systeme sinnverarbeitende Systeme sind. Bewusstsein reproduziert sich somit unter Inanspruchnahme von Kommunikation und Kommunikation reproduziert sich unter Inanspruchnahme von Bewusstsein. Dabei verbinden sich aber nach Luhmann beide nicht zu einer Einheit. Interpenetration ist dabei ein Verhältnis operativer, struktureller Koppelung. Strukturelle Koppelungen stellen Beziehungen zwischen den jeweiligen autopoietischen Systemen dar, die aber trotz der Koppelung weiterhin für sich Umwelt bleiben. Das Neue an dem Begriff der strukturellen Koppelung im Gegensatz zum Begriff der Interpenetration ist, dass der Begriff nicht nur zur Erzeugung eines emergenten Systems von Bewusstsein und Kommunikation verwendet wird, sondern auch zur Beschreibung der Beziehungen von gleichartigen Systemen.

Als letzter Punkt wird der Wirklichkeitsanspruch von autopoietischen Systemen erklärt. Luhmann (1984) schreibt, dass es Systeme „in der Realität“, „in der wirklichen Welt“ gibt, in der sie aus Molekülen, Zellen, Handlungen bestehen. Sowohl die organische Wirklichkeit als auch die gesellschaftlich geordnete Wirklichkeit besteht aus Systemen.

Luhmann ersetzt dabei die Differenz Subjekt/Objekt durch die Differenz System/Umwelt, um eine Ontologisierung des externen Standpunktes, wie im radikalen Konstruktivismus, zu überwinden. Entscheidend für Luhmann ist, dass die Differenz System/Umwelt keine ontologische Differenz ist. Sie zerschneidet nicht eine Gesamtwirklichkeit in System und Umwelt. Die Differenz System/Umwelt ist systemrelativ. Jedes System hat nur den Umweltkontakt, den es durch Unterscheidungsoperationen selbst festlegt, aber keine Umwelt an sich (Luhmann, 1984, S. 146). Wirklichkeit ist somit ein emergentes Produkt von spezifischen Systemoperationen. Jedes System erzeugt seine eigene Umwelt, seine eigene Beschreibung von Wirklichkeit und seine eigene Wirklichkeit selbst (Nassehi, 1992). Wirklichkeit ist dann die systemrelative Einheit von System und Umwelt. Und nur durch diese Konstitution der Differenz von System und Umwelt kann etwas Erkanntes als wirklich behandelt werden. Ein System greift bei seinen Operationen auf Asymmetrisierungen zurück. Das System erzeugt Bezugspunkte, die vom System nicht mehr in Frage gestellt werden. Damit muss der Wirklichkeitsbegriff noch einmal erweitert werden. Wirklich ist dann dass, was das System auf Grund seiner Unterscheidungsoperation als System und Umwelt festlegt und für sich selbst durch unsichtbare Setzungen emergierend konstituiert (Nassehi, 1992, S. 60).

Bei Luhmann stehen somit die Konstitutionsleistungen der Systeme im Mittelpunkt seiner Epistemologie.

Systeme können nur innerhalb ihrer gesetzten Systemgrenzen operieren, aber im Gegensatz zu konstruktivistischen Annahmen geht Luhmann davon aus, dass Systeme durchaus Zugang zur Umwelt des Systems haben. Für Luhmann ist die Annahme von Konstruktivisten, dass Strukturen sich nur auf Grund unspezifischer Perturbationen aufbauen können, nicht haltbar, da dies viel zu lange dauern würde (Luhmann, 1987). Luhmann betont gerade die mitlaufende Selbstreferenz (s.o.).

Eine Deontologisierung liegt nun insofern vor, da auch der Grund für Ontologiebildung systemrelativ ist. Trotz Deontologisierung ist jede Systembildung ontologisch, weil jedes autopoietische System seine prozessgenerierende Asymmetrie als allopoietisch gegeben behandelt (Luhmann, 1984; Nassehi, 1992). Der Satz von Luhmann, dass es Systeme gibt, kann dann selbst als asymmetrische Setzung angesehen werden (Nassehi, 1992).

5 Kritik am Autopoiese-Konzept von Luhmann

Ein erster grober Kritikpunkt kann Anthropomorphisierungen bei Luhmann aufgreifen. Diese Anthropomorphisierungen liegen bei Luhmann dann vor, wenn er seine Konzepte zu Handlungsträgern macht. Beispiele sind: Gedanken beobachten Gedanken, Kommunikationen kommunizieren, soziale Systeme beobachten usw.

Ein weiterer Kritikpunkt bezieht sich auf die binäre Logik von Luhmann. Für Luhmann gibt es häufig nur ein entweder-oder, aber kein sowohl-als auch. Ein Beispiel ist, dass Kommunikation ausschließlich in sozialen Systemen vorkommt. Gerade in Gesellschaften erscheint das Dritte, dass bei Luhmann in traditioneller aristotelischer Weise ausgeschlossen wird, unentbehrlich und läuft trotz Komplexitätsreduktion ständig mit. Binäre Kodierungen werden in postmodernen Gesellschaften zu beliebigen und relativen Kodierungen. Vielmehr organisiert sich Gesellschaft und ihre Funktionssysteme mehrwertig mit wenigen Rückkoppelungen, die aber sehr viele unterschiedliche Anschlussmöglichkeiten aufweisen (Douglas, 1981). Für Schmidt (1996b, S. 110) stellt sich bspw. in Bezug auf den binären Code die Frage, ob empirische Analysen tatsächlich davon ausgehen sollten, dass es nur einen speziellen Code für jedes System gibt. Als Beispiel nimmt Schmidt das Literatursystem, in dem sich für ihn unterschiedliche Kandidaten für einen binären Code ergeben, wie z.B. schön/hässlich, interessant/uninteressant. Für Schmidt lässt sich die Anforderung an die Leistung von Codes, die Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation zu reduzieren, auch mit unterschiedlichen Codes in jedem System verwirklichen.

Für Jokisch (1996) stellt dann auch die binäre Logik der Unterscheidung (sensu Spencer-Brown) eine der größten Schwächen der Theorie sozialer Systeme dar. Jokisch verwendet zwei Distinktionen um die Sozialdimension zu erschließen. Die Distinktion der Differenz und die Distinktion der Unterscheidung. Diese beiden Distinktionen sind distinkt zu einander. Die Distinktion der Differenz ist symmetrisch, während die Distinktion der Unterscheidung asymmetrisch ist. Diesen beiden Distinktionen müssen auf die Distinktionen Kommunikation und Handlung bezogen werden, die unterschiedliche Erwartungsstrukturen konstituieren. Kommunikation wird dabei symmetrisch prozessiert und Handlungen asymmetrisch. Distinktionstheoretisch ist Kommunikation eine Selektionsofferte und Handlung eine Selektionsbestimmung. Um den Prozess der Distinktionsoperationen in Gang zu setzen, muss die Operation des Bezeichnens als eigenständige Operation definiert werden. Die Konstitution der Gesellschaft erfolgt dann aus dem Verhältnis von symmetrischer Kommunikation und asymmetrischer Handlung. Dabei gilt, dass zuerst eine symmetrische Distinktion vorgenommen werden muss und danach eine asymmetrische Distinktion erforderlich ist. Jokisch kritisiert, dass die Unterscheidungstheorie, wie sie Luhmann in Folge von Spencer-Brown verwendet, lediglich auf einer asymmetrischen Unterscheidung aufbaut, an die dann die Operation des Bezeichnens in der Art gekoppelt wird, dass keine weiteren Unterscheidungen möglich sind. Als Beispiel dient Jokisch die System/Umwelt Unterscheidung, die für ihn rein asymmetrisch ist. Symmetrische Unterscheidungen können in die Theorie erst ad hoc eingeführt werden. Aber erst durch den Bezug auf symmetrische Differenz und asymmetrischer Unterscheidung ist Entscheidbarkeit und Eindeutigkeit möglich. Und erst durch diese Ebene der Entscheidbarkeit kann Kommunikation anschlussfähig werden. Jokischs zwei Distinktionen und die Operation des Bezeichnens entsprechen demnach der polykontexturalen Logik von Gotthard Günther (1976, 1979, 1980), der darauf hingewiesen hat, dass erst in einem Kontext von mindestens zwei zweiwertigen Strukturen „Etwasse“ entstehen können.

Das Konzept der doppelten Kontingenz muss ebenfalls kritisch beleuchtet werden, da vermittels doppelter Kontingenz soziale Systeme emergieren und die Autopoiese sozialer Systeme mit dem Entstehen doppelter Kontingenz anläuft. Kritisch können die Grenzen des Konzepts der doppelten Kontingenz erarbeitet werden. Weiterhin muss sich in Bezug auf die Autopoiese in Zusammenhang mit der doppelten Kontingenz die Frage gestellt werden, ob es etwas gibt, von dem man als Soziologe bereit ist, anzunehmen, dass es eine Selbstreferenz von Elementen darstellt.

Luhmann geht bei seinem Konzept der doppelten Kontingenz von einer idealisierten Ursprungssituation der Kontaktaufnahme zweier Systeme aus. Diese beiden Systeme sind für einander black boxes, d.h. sie sind vollkommen undurchsichtig und unbestimmbar. Dabei handelt es sich um einen Zirkel, in dem die Voraussetzungen für eine interpersonale Verständigung ausdifferenziert werden. Damit diese beiden Systeme überhaupt in Kontakt treten können, müssen sie jeweils ihre eigene Kontingenz in Bezug auf das andere System einschränken (enttautologisieren). Dies geschieht über Erwartungen. Die Erwartung, die an das System gestellt wird, muss als Information von dem autopoietischen System integriert und darauf reagiert werden. Das System muss sein eigenes durch Unterscheidungsoperationen festgelegtes System/Umwelt-Verhältnis reformulieren. Zu dieser Reformulierung des System/Umwelt-Verhältnisses gehört auch das Erzeugen eigener Erwartung in Bezug auf das erste System. Das erste System muss nun die Reaktion des anderen Systems verarbeiten, unter Bezugnahme auf die ursprüngliche Erwartung als deren Erfüllung oder Enttäuschung. Beide Systeme haben sich damit in Bezug auf das jeweils andere System bestimmt. Vereinfacht ausgedrückt, lässt sich sagen, dass Erwartungen in einem Lernprozess aufgebaut werden müssen, die dann mit den eigenen Aktionen getestet und u.U. korrigiert werden müssen. Beermann (1993) spricht daher von einem Testprozess.

Aus dieser Kontaktaufnahme emergiert ein eigenes System mit eigener System/Umwelt-Unterscheidung, eigenen Handlungsmöglichkeiten und eigenen Elementen, solange die Elemente des emergierten Systems nicht identisch mit dem Ausgangssystem bzw. seinen Elementen sind.

Das Problem der doppelten Kontingenz führt nach Luhmann zu einer Transformation von Intransparenz zu Transparenz. Luhmann (1984) selber betont bei dieser Annahme, dass seine angenommene Ursprungssituation faktisch nie vorkommt. Für Luhmann eignet sich diese Ausgangssituation aber um weitere Fragen zu verfolgen (Luhmann, 1984, S. 168). Hier fragen Oberdorfer (1992) und Welker (1992) was Luhmann veranlasst, nicht einen anspruchsvolleren Ansatz zu wählen, in dem seine Ausgangssituation lediglich einen Spezialfall darstellt. Für ein analytisches Interesse ist gerade diese duale Ausgangssituation unterbestimmt (Oberdorfer, 1992, S. 307). Die Ausgangssituation sollte sich vielmehr als Kopräsenz vieler autopoietischer Systeme vorgestellt werden. Jedes System bestimmt sich über Erwartungen mehrerer Systeme in seiner Umwelt und muss dies von den anderen Systemen in seiner Umwelt ebenfalls annehmen. Welker (1992) ist der Auffassung, dass als Ausgangssituation eine multiple doppelte Kontingenz, anstatt einer einfachen doppelten Kontingenz gesetzt werden sollte. Durch die Annahme einer multiplen doppelten Kontingenz können die Annahmen des Kontaktbereichs, Selektionsbereichs und der Komplexitätsreduktion in die Grundsituation aufgenommen werden, und müssen nicht wie bei Luhmann nachträglich hinzugefügt werden (Welker, 1992, S. 361). Ein Problem in der einfachen doppelten Kontingenz sieht Welker darin, dass nicht verhindert werden kann, dass einfache doppelte Kontingenz zu einer black box Multiplikation und damit zu mehr Intransparenz und Vertrauensverlust führen kann, anstatt zu ständig steigender Transparenz und Vertrauenszunahme. Unter der Bedingung multipler doppelter Kontingenz wird „[...] von vornherein auf Ermeßbarkeit und Unterscheidbarkeit von haltbaren und nicht haltbaren, fortsetzbaren und nicht fortsetzbaren, fruchtbaren und unfruchtbaren Transformationen von Unbestimmtheit in Vertrautheit, Intransparenz in Transparenz abgestellt“ (ebd., S. 363). Auf dieser Grundlage werden „[...] die Zumutbarkeits- und Unzumutbarkeitsspektren gezielt und chronisch über den je nächsten Schritt hinaus angelegt“ (ebd., ohne Hervorhebungen) und „[...] die Genese des sozialen Systems, die Ausrichtung auf Strukturgewinn, auf Ordnung und Selbsterhaltung in die Grundoperation wirklich eingraviert“ (ebd.). Auf der Grundlage multipler Kontingenz müssen dann von Anfang an Selektionsbereiche festgelegt werden, um kommunikative Sackgassen zu vermeiden und damit Anschlussfähigkeit zu Gewähr leisten.

Unter dieser Bedingung des ego1-alter1-Verhälnisses und der damit verbundenen korrelierten Relation von ego1 und alter2-n und alter1 und alterx-n sind die Vertrautheits-Unvertrautheits-Verschiebungen nicht nur mit einem ego und einem jeweiligen alter verbunden, sondern die Vertrautheits- Unvertrautheits-Verschiebungen führen auch zu Veränderungen im Vorkommen von ego1 und alter1 in den Selektionsgeschichten von alterx-n (ebd., S. 364).

Die nächste Frage bezieht sich auf die Selbstreferenz von Elementen und in wie weit über diese dann soziale Systeme gebildet werden. In Bezug auf die (einfache) doppelte Kontingenz steht hier die Frage im Vordergrund, inwiefern sich von einer Selbstreferenz von Handlungen sprechen lässt. Was ist nun die Selbstreferenz dieser (Test-) Handlungen? Nach Luhmann (1984) kommt nur durch diesen Prozess der doppelten Kontingenz ein autopoietisches System zu Stande, und dementsprechend ein Prozess, in dem Handlung auf Handlung folgt. Beermann (1993) wendet auf dieser Ebene der Argumentation ein, dass Handlungen hier noch nicht auf Handlungen folgen, auch wenn diese mit einander zusammenhängen, vielmehr beziehen sich Handlungen auf Personen. Daher lässt sich vorerst schlussfolgern, dass hier eine Personenreferenz von Handlungen, aber keine Selbstreferenz von Handlungen vorliegt (ebd., S. 251). Auch der Erwartungsbegriff hilft hier nicht weiter, da Erwartungen sich auf die Erwartungen von ego und alter beziehen und damit Momente der Autopoiese von Bewusstseinssystemen sind. Luhmanns (1984) weiterer Lösungsvorschlag bezieht sich auf eine Selbstlösung des Problems der doppelten Kontingenz. Entscheidend für die Selbstlösung des Problems der doppelten Kontingenz ist ein selbstreferenzieller Zirkel, der sich, nach Luhmann (1984, S. 166), folgendermaßen darstellt: ego tut, was alter will, wenn alter tut, was ego will. Beermann (1993, S. 253) weist bei dieser Argumentationslinie darauf hin, dass sich hier kein selbstreferenzieller Zirkel ergibt, da es sich einfach um eine normale Handlungsbedingung handelt: eine Person handelt so und so, wenn die und die Bedingungen erfüllt sind. Ein selbstreferenzieller Zirkel ergibt sich erst bei einer Verschränkung von egos und alters Ansichten: ego tut, was alter will, wenn alter tut, was ego will, und/aber alter tut, was ego will, wenn ego tut, was alter will. Aus dieser Formulierung ließe sich eine Selbstreferenz von Handlungen erschließen. Für die basale Selbstreferenz kommt diese Selbstreferenz von Handlungen aber nicht in Frage. Luhmann (1984) betont, dass die Lösung des Problems doppelter Kontingenz den Prozess der Selbstreferenz von Handlungen zum laufen bringt. Die oben formulierte Selbstreferenz von Handlungen stellt aber keine Lösung des Problems doppelter Kontingenz dar, sondern ist eine Beschreibung des Problems doppelter Kontingenz. Eine weitere Lösungsmöglichkeit bietet Luhmann (1984, S. 169), wenn er von dem Problem der doppelten Kontingenz zu den Wirkungen übergeht. Eine Situation der doppelten Kontingenz hat Auswirkungen auf das Verhalten des betreffenden Systems. In dieser Situation der doppelten Kontingenz wird Verhalten unbestimmbar. Das bedeutet, dass alle früheren, d.h. vor der Situation der doppelten Kontingenz vorhandenen, Bestimmungsmöglichkeiten in der Situation der doppelten Kontingenz entleert und readjustiert werden. Alle Bestimmbarkeit verwandelt sich in Unbestimmbarkeit. Diese Bestimmungsmöglichkeiten werden somit negiert und müssen von ego unter Bezugnahme auf neue Information neuformiert werden. Da also in der Situation doppelter Kontingenz beide Systeme füreinander intransparent und unbestimmbar sind, besteht ein Interesse dem jeweiligen anderen System Bestimmung zu unterstellen (Luhmann, 1984, S. 172). Für den selbstreferenziellen Zirkel bedeutet dies, dass er zuerst negativ wird, weil er die Bestimmungsmöglichkeiten entleert, und dann zu einer Neuformierung drängt.

Ego und alter erfahren nun die Divergenz (Nichtidentität) ihrer Perspektiven. Ego betrachtet dabei alter als alter ego, d.h. ego muss alter unterstellen, dass alter mit denselben Handlungsbedingungen operiert, wie ego. Anders ausgedrückt, heißt das, dass ego alter die gleiche Autonomie zuschreibt, wie sich selber. Durch den Verlust der Bestimmungsmöglichkeiten ergibt sich eine Situation der Unerträglichkeit der Situation, die dann zu einer Konvergenz der Perspektiven egos und alters führt. Letztendlich konvergiert in dieser Situation die Erfahrung der Unerträglichkeit (Beermann, 1993, S. 259). Welche Selbstlösung findet sich aber nun für den selbstreferenziellen Zirkel? Der selbstreferenzielle Zirkel löst sich selbst, weil es die eigene Erfahrung des Zirkels ist, die eine Lösung bewirkt, die sich auf Grund der Erfahrung der Unerträglichkeit der Situation ergibt. Von diesen Annahmen ausgehend, schlussfolgert Beermann (1993, S. 260), dass sich bei Luhmann kein Kandidat für eine basale Selbstreferenz, über die sein Autopoiese-Konzept definiert werden kann, zeigt. Die Selbstreferenzen, mit denen man es im Problem der doppelten Kontingenz zu tun bekommt, sind Selbstreferenzen der Operationen von Bewusstseinssystemen. Kritisch konstatiert Beermann (ebd.), dass Luhmann Kommunikation von zwei Einzelbewusstseinssystemen her denkt, und dass die Deduktion des Sozialen aus den Bewusstseinssystemen nicht gelingen kann, weil seine Deduktion aus den Bewusstseinssystemen nicht gelingen kann.

Die folgenden Kritiken beziehen sich auf das Verhältnis der unterschiedlichen autopoietischen Systeme zu einander.

Nach Luhmann kann zwischen Gedanken des Bewusstseinssystems und Kommunikationen des sozialen Systems kein Kausalverhältnis erschlossen werden, auch wenn für einen Beobachter kognitive und kommunikative Operationen synchron ablaufen. Die Operationsweisen von Gedanken und Kommunikationen gehören getrennten Bereichen an, Gedanken gehören zum operational geschlossenen Bewusstseinsystem und Kommunikationen zum operational geschlossenen sozialen System. Sprache ist dabei eine Struktur für Kommunikationen, die die Anschlussfähigkeit bei hoher Komplexität Gewähr leisten kann. Zwar kann auch ein Bewusstseinssystem Sprache als Struktur für die eigenen Gedanken übernehmen und dadurch interne Komplexität aufbauen, aber das heißt nicht, dass ein Bewusstseinsystem mit sich selbst kommunizieren kann. Kommunikation setzt für Luhmann immer einen Adressaten voraus, der unabhängig ist und das Sinnangebot annehmen oder ablehnen kann (Krüll et al. 1987). Das Bewusstsein besteht also weder aus sprachlich strukturierten Verläufen, noch werden die Gedanken des Bewusstseinssystems oder das Sprechen selbst, durch Sprache erzeugt (Luhmann, 1985). Für das Bewusstseinsystem kann Sprache innerhalb des Bewusstseinsystems dann auch keine Zeichenfunktion erfüllen. Sprache verhindert, dass im Bewusstseinsystem Chaos entsteht. Sprache erleichtert die Verfügbarkeit von Gedanken.

Bei einer solchen Argumentationslinie darf nicht aus den Augen verloren werden, dass evolutionär und aktual Bewusstsein und Kommunikation ohne einander nicht beschreibbar oder überhaupt denkbar wären. Fuchs (1992) verweist in diesem Zusammenhang darauf, dass ohne psychische Selektionen keine kommunikativen Selektionen entstehen würden. Auch wenn Luhmann schreibt, dass ein Geschehen auf der Kommunikationsebene ohne jede determinierende Wirkung auf das Bewusstseinssystem und seinen Operationen ist, bedeutet dies nicht, dass überhaupt keine Wirkung stattfindet (Schmidt, 1996b). Kommunikation ist für Bewusstseinsysteme vielmehr ein wesentlicher Umweltfaktor, der die kognitiven Verarbeitungsstrukturen in der Verarbeitung selbst tangiert (Giegel, 1987). Kommunikationen und Bewusstsein stehen in einem ständigen Wechselverhältnis. Erst durch Kommunikationen wird selegiert, welche Verarbeitungsstrukturen sozial akzeptiert werden. Dies wirkt sich wiederum auf Bewusstseinsysteme aus (Schmidt, 1996b), was sich dann wiederum auf Kommunikationen auswirkt. Dementsprechend beeinflussen Gedanken durchaus direkt Kommunikationen. Dass Kommunikationen im Dienste ihrer Autopoiese stehen und damit jede Kommunikation, als Element des Systems, in jedem Augenblick Kommunikationen als Anschlusskommunikationen erzeugen, ergibt sich aus einer streng verfolgten Perspektive von sozialen Systemen. Auf dieser Ebene lässt sich konstatieren, dass Kommunikationen sich nur auf Kommunikationen beziehen. Aus der Perspektive der Akteure und damit aus der Sicht von face- to-face Kommunikation sind es immer Menschen, die sprechen, zuhören, Texte verfassen usw. Wenn niemand sprechen würde, dann könnte auch nichts zu einem kommunikativen Ereignis gemacht werden. In einem sozialen System kann letztendlich nur über diejenigen Informationen kommuniziert werden, die von Bewusstseinssystemen wahrgenommen werden. Und in Bezug auf Verstehen gilt, dass eine Mitteilung erst in Bezug auf ein Bewusstseinssystem verstanden werden kann, und dadurch dann seine Anschlussfähigkeit an weitere Kommunikationen ermöglicht wird. Kommunikation kann folglich erst auf der Grundlage von Menschen entstehen bzw. emergieren. Erst durch die Koppelung von Bewusstseinssystemen und lebenden Systemen durch den, als unauflösliche Einheit verstandenen, Menschen wird die Konstitution und Konstruktion sozialer Systeme, die dann rekursiv und selbstreferenziell mit Kommunikationen operieren, ermöglicht. Kritisch ist einzuwenden, dass dies Luhmann (1990b) selbst zwar anschneidet. Nach seiner Auffassung könnte ein System ohne Umwelt nicht operieren. Die Umwelt ist für das System nicht weniger wichtig als das System für das System selbst (Luhmann, 1984). Dennoch greift sein Konzept der Interpenetration bzw. der strukturellen Koppelung zu kurz, solange er den Menschen nicht als unauflösliche Einheit denkt.

Schmidt (1996b) setzt dann gegen die Behauptung von Luhmann, dass nur Kommunikationen kommunizieren können, eine akteurspezifische Definition. Nur Personen in ihren systemspezifischen Rollen können kommunizieren. Nur sie verarbeiten Kommunikationen kognitiv und sorgen für Anschlusskommunikationen. Auch in einer systemspezifischen Sichtweise müsste erst noch eine viable (sensu Glasersfeld) Lösung gefunden werden, um auf Akteure gänzlich zu verzichten. Eine Wiedereinführung von Akteuren in die Theorie sozialer Systeme muss dabei nicht bedeuten, wie bei Schmidt, dass die Autonomie sozialer Systeme aufgehoben wird. Auch mit einer stärkeren Einführung von Akteuren in systemtheoretisches Denken, ließe sich die Annahme, dass soziale Systeme ausschließlich kommunizieren, und nicht Menschen, aufrechterhalten. Von einer systemtheoretischen Perspektive wäre es äußerst unrealistisch Menschen, bzw. Personen in ihren Rollen, eine beherrschende Rolle zuzuschreiben. Soziale Systeme bestimmen Kommunikationen und Handlungen, nicht Personen. Luhmann (1992) kann allerdings den Anregungen, Menschen wieder in die Theorie sozialer Systeme einzuführen, nicht folgen.

Luhmann wehrt sich allerdings gegen die Beschreibung des Menschen als unauflösliche autopoietische Einheit (s.o.). Nach Luhmanns Auffassung stellt der Mensch kein System dar. Die unterschiedlichen autopoietischen Einheiten können nicht integriert werden. Dem Bewusstseinssystem ist sein Leben nicht zugänglich (Luhmann, 1984). In diesem Kontext fragt sich auch Dziewas (1992), ob Bewusstseinssysteme und lebende Systeme nicht doch eine unauflösliche Einheit darstellen2. Für den Zusammenhang von Bewusstseinssystemen und lebenden Systemen ist charakteristisch, dass sie in einem unauflöslichen Verhältnis stehen. Das Bewusstseinssystem ist auf sein lebendes System angewiesen und kann sich kein anderes lebendes System suchen. D.h., das Bewusstseinssystem kann seine Autopoiese nur fortsetzen, solange auch sein lebendes System seine Autopoiese fortsetzt. Hier zeigt sich folglich ein Unterschied von Bewusstseinssystemen und sozialen Systemen. Bewusstseinssysteme im sozialen System können jeder Zeit gegen andere Bewusstseinssysteme ausgetauscht werden, ohne dass dabei die Autopoiese der Kommunikationen beendet werden würde.

Das lebende System und das Bewusstseinssystem stellen somit eine strukturell gekoppelte notwendig auf einander bezogene, unauflösliche Einheit dar. Dabei entscheidet das Gehirn was innen und was außen ist, was also jeweils System und Umwelt für das lebende System und das Bewusstseinssystem ist.

Roth (1999) verweist darauf, dass das Gehirn drei Wirklichkeitsbereiche konstituiert: Außenwelt, Körperwelt und Ich-Welt. Diese drei kognitiven Welten werden nach bestimmten Kriterien abgegrenzt.

Die Außenwelt und die Körperwelt unterscheiden sich grundlegend voneinander, während sich die Körperwelt und die Ich-Welt kaum voneinander abgrenzen lassen.

Die Körperwelt ist sensorisch und motorisch repräsentiert, d.h. alles was sensomotorisch rückgekoppelt wird, ist Körperwelt. Über sensomotorische Rückkoppelungen fühlen wir direkt, was unser Körper gerade tut. Die Außenwelt hingegen unterliegt weder motorischen Kommandos noch enthält sie sensorische Rückmeldungen. Die Außenwelt wird in den visuellen, auditorischen, gustatorischen usw. Zentren repräsentiert. Der Ich-Welt wird alles das, was nicht aktuelle Wahrnehmung darstellt oder mit aktuellem Handeln zusammenhängt, zugeordnet. Über diese unterschiedlichen Rückkoppelungen der drei Wirklichkeitsbereiche gelingt es dem Gehirn, jeweils zwischen System und Umwelt zu unterscheiden. Dabei ist die Unterscheidung zwischen Bewusstseinssystem (hier im Sinne von Ich-Welt) und lebendem System (im Sinne von Körperwelt) weit weniger scharf abzugrenzen, wie zwischen Körperwelt und Außenwelt einerseits und Ich-Welt und Außenwelt andererseits. Gedanken des Bewusstseinssystems können als interne Irritationen der Körperwelt, anstatt der Umwelt, zugerechnet werden. Der Mensch stellt folglich eine Einheit auf Grund des stetigen Zusammenwirkens der Autopoiese lebender Systeme und der Autopoiese der Bewusstseinssysteme dar. Und erst durch diese Einheit wird die Erzeugung sozialer Systeme möglich, die dann mit Kommunikationen, die sie auf Mitteilungshandlungen reduzieren, selbstreferenziell operieren.

Weiterhin erscheint Schmidt (1996) an der Autopoiese von Bewusstseinssystemen problematisch, wie Luhmann Wissen definiert haben will, wenn er Wissen von Bewusstseinssystemen streng abkoppelt. Schmidt (1996, S. 76) vermutet, wenn Luhmanns Annahmen Sinn machen sollen, dass er Wissen als Bestand und nicht als Fähigkeit konzipiert. In der neueren Hirnforschung geht man mehr davon aus, dass das biologische Gehirn als Teilprozess globaler kognitiver Operationen anzusehen ist und eben nicht statisch und persistent ist. Gehirne sind somit keine reinen informationsverarbeitenden Systeme, in denen Wissen gespeichert und abgerufen (storage and retrieval) werden kann. Anstatt das Gehirn im Sinne von Engramm- oder Repräsentationsvorstellungen als Aufbewahrungsort anzusehen, werden heute Modelle bevorzugt, die Gedächtnisleistungen als aktiven Konstruktionsprozess beschreiben. Dabei werden heute auch Vorstellungen der mathematischen Theorie dynamischer Systeme in den Neurowissenschaften berücksichtigt. Um Hirnfunktionen heute verstehen zu können, sollte nicht mehr von einem starren Set bestimmter struktureller Teilräume im Gehirn ausgegangen werden, sondern von Hirnstrukturen, die nur momentane Konstellationen darstellen, und in denen die Funktion von Neuronen immer von anderen Neuronenaktivitäten abhängen. Neuronen haben damit im jeweiligen Zusammenspiel mit anderen Neuronen unterschiedliche Funktionen, andererseits können unterschiedliche Strukturen gleiche oder ähnliche Funktionen haben. Beispiele für diese Annahmen sind Pasemann (1996), Engel & König (1996), Breidbach (1996), Schmidt (1996c), Haken (1996) und Iran-Nejad (1980). Dementsprechend gehen einige neuere Ansätze davon aus, dass Wissen nicht als ein fester Bestand im Gehirn abgelegt wird, sondern dass Wissen die Fähigkeit ist, in den jeweiligen Situationen passende kognitive Operationen für die Problemlösung durchzuführen. Wenn Wissen als Fähigkeit konzipiert wird, die durch Operationen zur Produktion und Fortführung von Gedanken führt, die ein Teilnehmen an Kommunikation erlauben, muss Wissen nicht mehr eindeutig einem System zugeordnet werden.

Die Elemente des Bewusstseinssystems und die Elemente des sozialen Systems müssen strukturell zu einer Einheit gekoppelt sein. Erst durch diese strukturelle Koppelung kann Wissen erzeugt werden. Durch eine strukturelle Koppelung von Gedanken und Kommunikation zu einer Einheit muss Wissen aber nicht mehr entweder in ein soziales System oder in ein Bewusstseinssystem attribuiert werden.

Eine weitere Kritik stammt von Hejl (1998), der soziale Systeme in seiner konstruktivistischen Sozialtheorie nicht als autopoietische Systeme ansieht. Für Hejl sind soziale Systeme nicht selbstorganisierend, selbsterhaltend und selbstreferenziell und damit auch keine autopoietischen Systeme, sondern, in seiner Terminologie, synreferenzielle Systeme.

Selbstorganisierend sind sie nicht, weil die Bildung eines spezifischen sozialen Systems nicht wiederholt werden kann, wie dies im physikalischchemischen Bereich stattfindet.

Selbsterhaltend sind sie nicht, weil soziale Systeme in physischer Hinsicht nicht ihre Komponenten selber erzeugen, d.h. „Soziale Systeme erzeugen nicht die lebenden Systeme, welche die sozialen Systeme konstituieren“ (ders., S. 131).

Selbstreferenziell sind sie nicht, weil sie nicht alle Zustände ihrer Komponenten organisieren und sie legen dementsprechend nicht die jeweilige systemrelative Wirklichkeit als die Einzige für die Komponenten zugängliche Wirklichkeit fest (ders., S. 135).

Synreferenzialität bezieht sich dann auf die im sozialen System ausgebildeten und/oder für dieses konstitutiven Zustände. Die „[...] Zustände der Komponenten, auf die Synreferentialität sich bezieht, [ist] die Menge der selbstreferentiellen kognitiven Zustände [...], die ein Individuum zu einer Komponente in einem Sozialsystem machen“ (Hejl, 1992, S. 195). Das Relevanzkriterium der Synreferenzialität trennt Ereignisse danach, ob sie für das System relevant sind oder vernachlässigt werden können und trennt aktive Einheiten danach, ob sie Komponenten des jeweiligen Sozialsystems sind oder nicht.

Hejl bezieht sich in seiner Theorie explizit auf das Autopoiese-Konzept von Maturana und nicht auf das von Luhmann, der nicht-lebende autopoietische Systeme in seine soziologische Theorie notwendigerweise eingeführt hat. Hejl bezieht sich, im Gegensatz zu Luhmann, bei seinen Komponenten wieder auf lebende Systeme. Von daher lässt sich Hejls Einwand nicht als Kritik lesen, sondern als eigene Konzeption unter einer anderen Perspektive und einem anderen Schwerpunkt.

Zu letzt wird noch auf einige Tendenzen, die sich in systemtheoretischen Diskussionen um das Autopoiese-Konzept ergeben, eingegangen. In Bezug auf das Konzept der Autopoiese des Bewusstseinssystems ist kritisch anzumerken, dass - systemtheoretisch gesprochen - für ein weiter ernst zu nehmendes autopoietisches Bewusstseinskonzept vermehrt Fremdreferenz aufgegriffen werden muss, in dem Fall aus den Bereichen der Neurowissenschaften und der Kognitionswissenschaften, um die interne Komplexität zu erhöhen und ein in sich konsistentes und interdisziplinär anschließbares Konzept zu generieren. Bisweilen wird der Mensch als ein, durch unterschiedliche autopoietische Einheiten zerschnittenes Gebilde thematisiert. Diese Theorie wird zwar eingehend in systemtheoretischen Artikeln diskutiert, aber letztendlich (fast) nur unter Einbeziehung systemtheoretischer Literatur. Dies ermöglicht zwar die gewünschte Anschlussfähigkeit der Kommunikation in den Systemtheorien, stellt sich aber im Vergleich zu anderen neurowissenschaftlichen Konstrukten als stark polarisiertes und trivialisiertes (sensu von Foerster) und wenig viables Konzept dar. Hier sollten vielmehr ganzheitliche und holistische - auch wenn dieser Begriff in den letzten Jahrzehnten stark mystifiziert wurde - Denkkonstrukte in die Annahmen von lebenden Systemen und Bewusstseinssystemen einfließen.

Weiterhin ist auf eine Selbstimmunisierung von systemtheoretischen Konstrukten zu achten, gerade auch in Bezug auf das Autopoiese-Konzept, mit dem sehr schnell alles und damit letztendlich gar nichts erklärbar gemacht werden kann, und somit das Autopoiese-Konzept schnell zu einer stets anwendbaren Leerformel stilisiert wird.

Selbstimmunisierungstendenzen zeigen sich durchaus in einigen Texten von Systemtheoretikern vor allem in Bezug auf Kritiken. Anstatt diese als willkommene Fremdreferenz aufzunehmen und zu versuchen, diese in eine möglichst komplexe und in sich konsistente Theorie zu verknüpfen, werden sie häufig einfach als falsch abgetan, und müssen daher nicht weiter ernsthaft diskutiert werden. Natürlich können einige Kritiken den Annahmen nicht gerecht werden und daher aus der Sicht des jeweiligen Autors als falsch erscheinen, dennoch sollte nicht jede nicht-willkommene Kritik einfach mit falsch abgetan werden, oder wie Luhmann dies nur zu oft macht, damit abgetan werden, dass dem Kritiker vorgeworfen wird, er habe die Theorie einfach nicht verstanden oder er begeht Denkfehler oder nimmt falsche Interpretationen vor usw. Vor allem ist dies auch deswegen zu bedenken, da auch die Systemtheorie keinen Anspruch auf eine Totalperspektive besitzt, auch wenn letztendlich stillschweigend unterstellt wird, dass die Wirklichkeitsbeschreibungen wirklichere und richtigere Beschreibungen sind als alle anderen. Willke (1996) spricht bspw. von nicht-systemtheoretischen soziologischen Annahmen als Kinderkrankheiten, die es zu überwinden gilt, oder respektive überwunden sind. Wie „gutmütig“ teilweise mit Luhmann verfahren wird, zeigt sich auch bei Zolo (1985), der Unklarheiten in der Begrifflichkeit Luhmanns als Unachtsamkeiten abtut, anstatt dies durchaus, als Fehler, Luhmann in Rechnung zu stellen. Letztendlich beruht das Wissenschaftssystem auf einer präzisen und fixierten Begrifflichkeit im Gegensatz zur Alltagswirklichkeit, in der genaue Präzisierungen und Fixierungen der Begriffe eine Kommunikation wohl zum Abbruch führen würde.

6 Schlussfolgerung

Wie man aus der Arbeit hoffentlich letztendlich ersehen konnte, bestehen zwischen dem Autopoiese-Konzept von Maturana und Luhmann, verständlicherweise Ähnlichkeiten, aber auch erhebliche Unterschiede. Von daher fasst die Behauptung, dass Luhmann lediglich das Konzept von Maturana übernommen hat, zu kurz. Vielmehr musste Luhmann das Autopoiese-Konzept von Maturana für die Systemtheorie stipulativ definieren, allein schon deswegen, weil Maturana Autopoiese ausschließlich auf lebende Systeme beschränkt. Eine derartige Auffassung könnte für eine soziologische Theorie sozialer Systeme gar nicht fruchtbar gemacht werden. Daher lässt sich auch die Kritik von Maturana und Varela an der Übernahme ihres Konzepts auf nicht-lebende Systeme verstehen. Sie gehen beide von ihrem eigenen Konzept aus und berücksichtigen gerade nicht die definitorischen und theorietechnischen Änderungen Luhmanns. Dies soll aber nicht über einige Schwächen des Autopoiese-Konzept bei Luhmann hinwegtäuschen, wie wir versucht haben in der Kritik darzulegen.

Wichtig erscheint mir dabei noch, dass sich bewusst gemacht wird, dass der Begriff Autopoiese, wie Begriffe allgemein, nicht die Struktur von Wirklichkeit widerspiegelt. Jede, nicht weiter begründete Behauptung, dass Autopoiese wichtig ist, sollte vielmehr so gelesen werden, dass die Prozesse, die dadurch beschrieben werden können und die Perspektiven, die dadurch eingenommen werden können, wichtig für systemtheoretisches Denken sein können, aber nicht der Begriff an sich. Dies scheint nicht immer klar zu sein. Der Begriff „Autopoiese“, wie auch jeder andere Begriff stellt lediglich eine Subsumtion spezifischer Annahmen unter ein Schlagwort dar, dass dann genau diese Annahmen bei Benennung des Wortes hervorruft und dadurch, in einem Diskurs, Konsens hergestellt werden kann.

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[...]


1 Luhmann unterscheidet eigentlich drei Systemebenen. Organisationssysteme stellen die zweite Ebene dar, zwischen Interaktionssystemen als erster Ebene und Gesellschaftssystemen als dritter Ebene. In der Autopoiese des Bewusstseins (Luhmann, 1985) lässt er Organisationssysteme aber unberücksichtigt.

2 Auch bei Dziewas zeigt sich eine systemtheoretische Schwäche in Bezug auf kognitive und neurowissenschaftliche Beschreibungen. Innerhalb des systemtheoretischen Autopoiese-Konzepts argumentierend, stellt Dziewas (1992, S. 123) lapidar fest, dass sich Bewusstsein nicht aus biologischen Vorgaben ergibt. Um hier Polarisationen und unterkomplexe Reduktionen zu vermeiden, sollte vielmehr eine ebenenverbindendende Perspektive zwischen kognitiven, mentalen Prozessen und neurophysiologischen Prozessen eingenommen werden.

Fin de l'extrait de 36 pages

Résumé des informations

Titre
Kritische Auseinandersetzung mit dem Autopoiese-Konzept von Maturana und Luhmann
Auteur
Année
2000
Pages
36
N° de catalogue
V104210
ISBN (ebook)
9783640025664
Taille d'un fichier
488 KB
Langue
allemand
Mots clés
Kritische, Auseinandersetzung, Autopoiese-Konzept, Maturana, Luhmann
Citation du texte
Marcel Baumgärtler (Auteur), 2000, Kritische Auseinandersetzung mit dem Autopoiese-Konzept von Maturana und Luhmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104210

Commentaires

  • invité le 12/4/2002

    Verschwurbelt, aber umfassend und brauchbar.

    Habe für ein anderes Thema nach brauchbaren Begriffsbestimmungen zu Luhmann gesucht und bin mit den hier versammelten gut zurechtgekommen.

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