Die Legitimierung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement

Welche Faktoren verursachen oder begünstigen Legitimitätsdefizite?


Master's Thesis, 2020

93 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Tabellenverzeichnis

1. Einleitung und Relevanz

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Neo-Institutionalistische Perspektive
2.1.1. Das Konzept Legitimität
2.1.2. Organisationale Veränderungen
2.1.3. Kritik am Neo-Institutionalismus
2.2. Mikropolitische Perspektive
2.2.1. Grundlagen der Mikropolitik
2.2.2. Die Rolle der Macht
2.2.3. Legitimität in der Mikropolitik
2.2.4. Mikropolitik im Institutionalisierungsprozess
2.3. Betriebliches Gesundheitsmanagement
2.3.1. Definition und Abgrenzung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement
2.3.2. Gesundheitsverständnis und grundlegende Modelle
2.3.3. Ziele und Motive
2.3.4. Akteure im Betrieblichen Gesundheitsmanagement
2.3.5. Handlungsfelder
2.3.6. Veränderungsprozesse im Betrieblichen Gesundheitsmanagement
2.4. Aktueller Forschungsstand zur Legitimität von Betrieblichem Gesundheitsmanagement
2.4.1. Abbildung der Studienlage
2.4.2. Ableitung des Forschungsvorhabens

3. Methodisches Vorgehen
3.1. Qualitativer Forschungsansatz
3.2. Grounded Theory
3.3. Leitfadengestützte Interviews
3.4. Forschungsfeld und theoretisches Sampling
3.5. Planung und Durchführung der Interviews
3.5.1. Feldzugang und Akquise der Interviewten
3.5.2. Interviewleitfaden
3.5.3. Datenerhebung
3.5.4. Reflektion der Interviews
3.6. Auswertungsstrategie

4. Empirische Ergebnisse
4.1. Darstellung der Ergebnisse
4.1.1. Ergebnisse aus den einzelnen Kategorien
4.1.2. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen
4.2. Diskussion der Ergebnisse
4.2.1. Einbettung in den wissenschaftlichen Kenntnisstand
4.2.2. Zentrale Erkenntnisse
4.2.3. Methodische Diskussion
4.2.4. Implikationen für Forschung und Praxis

5. Ausblick und Fazit

Literaturverzeichnis

Abstract

In many organizations, the implementation of company health management systems is hampered by lack of acceptance and lack of financial support. Behind this, serious legitimacy deficits are to be suspected. The present study addresses this issue and examines the process of legitimizing occupational health management. The study concentrates on legitimacy deficits and the factors causing or promoting them. It also focuses on strategies to increase legitimacy. Within the framework of a qualitative research approach, 10 internal and external health managers were asked about their experiences. The data collected was evaluated using the grounded theory methodology developed by Strauss (1991). The results illustrate the need for sufficient legitimacy for the ability to act and the long-term existence of the health management system. The main causes of legitimacy deficits were identified as errors in the implementation process, the problematic image of health management, lack of trust in the organization and micro-political processes. In particular, high process quality, reaching and motivating the target group and dealing constructively with resistance and setbacks serve as strategies to enhance legitimacy. The successful long-term implementation of a health management system also requires persistence. In practice, it is therefore important to actively address legitimacy, to recognize legitimacy deficits quickly and to react adequately. The results also show that legitimacy gaps can be closed with suitable strategies and measures. The effectiveness of these strategies and interventions must be investigated in further research.

Zusammenfassung

Die Umsetzung von betrieblichem Gesundheitsmanagement (BGM) wird in einer großen Zahl von Organisationen durch mangelnde Akzeptanz und fehlende (finanzielle) Unterstützung erschwert. Dahinter sind gravierende Legitimitätsdefizite zu vermuten. Die vorliegende Studie nimmt sich dieser Thematik an und untersucht den Prozess der Legitimierung. Der Schwerpunkt der Studie liegt auf Legitimitätsdefiziten und den verursachenden oder begünstigenden Faktoren. Außerdem werden Strategien zur Legitimitätssteigerung fokussiert. Im Rahmen eines qualitativen Forschungsansatzes wurden zehn interne und externe BGM-Verantwortliche nach ihren Erfahrungen befragt. Die erhobenen Daten wurden mithilfe der Grounded Theory Methodology nach Strauss (1991) ausgewertet. Die Ergebnisse verdeutlichen die Notwendigkeit ausreichender Legitimierung für die Handlungsfähigkeit und das langfristige Bestehen von BGM. Neben Fehlern im Implementierungsprozess wurden als wesentliche Ursache für Legitimitätsdefizite das problematische Image von BGM, fehlendes Vertrauen in der Organisation sowie mikropolitische Prozesse identifiziert. Als Legitimitätsstrategien dienen insbesondere eine hohe Qualität, das Erreichen und die Motivation der Zielgruppe sowie ein konstruktiver Umgang mit Widerständen und Rückschlägen. Die langfristig erfolgreiche Umsetzung von BGM erfordert außerdem eine gewisse Ausdauer und Hartnäckigkeit. In der Praxis ist es daher von großer Bedeutung, sich aktiv mit der Legitimierung auseinanderzusetzen, Legitimitätsdefizite schnell zu erkennen und adäquat darauf zu reagieren. Denn die Ergebnisse zeigen auch, dass Legitimitätslücken mit geeigneten Strategien und Maßnahmen geschlossen werden können. Die Wirksamkeit dieser Strategien und Interventionen gilt es in weiterführender Forschung zu untersuchen.

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kodierparadigma (Quelle: eigene Darstellung)

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Legitimationsstrategien (Quelle: Suchmann 1995; Oliver 1991; Darst.: Holzheimer 2019)

Tabelle 2: Übersicht über die durchgeführten Einzelinterviews (n = 10; Quelle: eigene Darstellung)

1. Einleitung und Relevanz

Die aktuelle COVID-19-Pandemie rückt den Arbeits- und Gesundheitsschutz auf unerwartete Art und Weise in den Fokus öffentlicher Diskussionen. Auch Organisationen sind gefordert, sich mit Infektionsschutzmaßnahmen, psychischen Belastungen durch Isolation und Homeoffice sowie einer gesunden Arbeitskultur auseinanderzusetzen. Während es in der Vergangenheit vielfach von großem Engagement zeugte, wenn Mitarbeitende trotz Erkältung zur Arbeit kamen, wird Präsentismus in der Zeit der Corona-Krise kaum noch toleriert (Braun 2020 35: ff.).

Die gesundheitlichen Einflüsse aus der Arbeitswelt haben sich in den letzten Jahrzehnten als eigenes Forschungsgebiet in der Wissenschaft behauptet. Schwerpunkt ist vorwiegend die Identifikation von optimalen und gesundheitsförderlichen Arbeitsbedingungen (Badura et al. 2010). Obwohl die Vorteile betrieblicher Gesundheitspolitik seit Langem bekannt sind, widmet sich nur knapp ein Drittel der Großunternehmen dieser Thematik. Bei zwei Dritteln der kleinen und mittleren Unternehmen, in denen der Großteil deutscher Arbeitnehmender beschäftigt ist, hat BGM keinerlei Relevanz (Schwenker/Wittig 2012). Es stellt sich in diesem Zusammenhang die Frage, wie dieser Zustand zu erklären ist, da doch diejenigen Betriebe, die BGM bereits implementiert haben, davon nachhaltig profitieren (Lück et al. 2010; Baumanns/Münch 2010) und auch Studien die positiven Auswirkungen von BGM belegen. Dafür mag es unterschiedliche Gründe geben – elementar ist aber in jedem Fall das Maß an Legitimität, das BGM zuteilwird. Sie ist Grundvoraussetzung für die Einführung, Unterstützung, Akzeptanz und Existenzsicherung jeder Managementpraktik. Folglich stehen die Probleme, Hindernisse und Widerstände, die die Einführung und Durchführung von BGM be- oder verhindern, auch immer in Beziehung zur Rechtmäßigkeit, die die Anspruchsgruppen des BGM demselben zusprechen (Walgenbach/Meyer 2008).

Vor diesem Hintergrund bilden die spezifischen Ursachen von Legitimitätsdefiziten im BGM den Kern des Forschungsinteresses dieser Studie. Die wegweisenden Fragestellungen wurden folgendermaßen formuliert: Welche Faktoren verursachen oder begünstigen Legitimitätsdefizite in Bezug auf BGM? Und wie kann die Legitimität von BGM in der Organisation gesteigert werden? Nur wenn die Ursachen identifiziert und verstanden werden, ist es möglich, passende Maßnahmen und Strategien abzuleiten, die eine nachhaltige Legitimierung ermöglichen und somit das langfristige Bestehen und den Erfolg von BGM gewährleisten können. Um dieses Forschungsziel zu erreichen wurde eine qualitative Herangehensweise gewählt. Die Datenerhebung erfolgt durch leitfadengestützte Interviews, die anhand der Grounded Theory Methodology nach Strauss (1991) ausgewertet werden.

Aufbauend auf dem theoretischen Hintergrund wird in dieser Untersuchung in Kapitel 2 zunächst der aktuelle Forschungsstand zur Legitimierung von BGM zusammengefasst und es werden wegweisende Forschungsfragen abgeleitet. Im Anschluss folgt in Kapitel 3 die Darstellung der methodischen Umsetzung des Untersuchungsvorhabens und die Darstellung der empirischen Ergebnisse, die die Beantwortung der Forschungsfragen erlauben, gefolgt von der Diskussion der Ergebnisse in Kapitel 4, die die Einbettung in den theoretischen Kontext, die Ausarbeitung von Hypothesen sowie die methodische Diskussion beinhaltet. Nachdem Implikationen für die Forschung und Praxis abgeleitet wurden, schließt die Arbeit in Kapitel 5 mit einem Fazit ab.

2. Theoretischer Hintergrund

Nachfolgend wird das Konzept der Legitimität sowohl aus neo-institutionalistischer als auch aus mikropolitischer Perspektive beleuchtet. Die verschiedenen Perspektiven auf Organisations- und Individualebene ermöglichen eine möglichst umfassende Betrachtungsweise des Forschungsgebietes. Anschließend werden die Grundlagen von BGM abgebildet und Schnittpunkte zum theoretischen Konzept der Legitimität aufgezeigt, bevor der aktuelle Forschungsstand zur Legitimierung von BGM zusammengefasst und das konkrete Forschungsvorhaben abgeleitet wird.

2.1. Neo-Institutionalistische Perspektive

Kernelement des Neo-Institutionalismus ist die Legitimierung einer Institution innerhalb ihrer Umwelt. Die beschriebenen Mechanismen sind auch für Institutionen innerhalb einer Organisation gültig, wie zum Beispiel Einheiten innerhalb einer Organisationsstruktur oder spezifischen Praktiken. Diese werden im selben Maße vom organisationalen, sozialen und kulturellen Umfeld beeinflusst und sind ebenso von der Legitimation durch ihre Anspruchsgruppen abhängig (Walgenbach/Meyer 2008).

2.1.1. Das Konzept Legitimität

Das Konzept der Legitimität kann kurzgefasst als zugesprochene Rechtmäßigkeit verstanden werden und beschreibt die Akzeptanz und Glaubwürdigkeit, auf die Organisationen angewiesen sind (Meyer/Scott 1992). Suchman (1995) definiert Legitimität folgendermaßen:

„Legitimacy is a generalized perception or assumption that the actions of an entity are desirable, proper, or appropriate within some socially constructed systems of norms, values, beliefs, and definitions” (ebd.: 574, Hervorhebung im Orginal).

Erfolgt eine genauere Beschäftigung mit der Legitimität sowie dem Vorgang der Legitimierung, werden unterschiedliche Aspekte dieses Konzeptes deutlich. So entspricht die Basislegitimität der grundlegenden Anerkennung des Ordnungswertes einer Institution (Popitz 1992: 227). Sie bildet den Grundstein der inhaltlichen Legitimation, deren Entstehung auf einem kollektiven Zuschreibungs- und Beurteilungsprozess fußt. Die Legitimierung erfolgt, sofern die Aktivitäten einer Institution richtig und angemessen erscheinen und sich außerdem innerhalb gesellschaftlicher Werte, Normen und Vorstellungen bewegen (Suchman 1995; Massey 2001: 156). Der Prozess ist geprägt von Erklärungen und Rechtfertigungen, die das Ziel verfolgen, Anerkennung und Akzeptanz für das eigene Verhalten zu generieren (Berger/Luckmann 1966).

Die Bedeutsamkeit von Legitimität ist in der Abhängigkeit einer Organisation begründet. Sie ist wesentlich für die Handlungsfähigkeit (Erlaubnis), die Unterstützung durch Anspruchsgruppen, den Zufluss relevanter finanzieller, zeitlicher, personeller, physischer und organisationaler Ressourcen sowie die Existenzsicherung bzw. das langfristige Bestehen der Institution (Meyer/Rowan 1977; Zucker 1987). Ein Mangel an Legitimität gefährdet folglich nicht nur den Erfolg, sondern auch das Bestehen der Organisation.

Unterschiedliche Beweggründe für Legitimitätszuschreibungen lassen eine Differenzierung in Legitimitätsarten zu. Die pragmatische Legitimität entspringt den eigenen Interessen und dem Nutzen, den sich eine Entität von etwas erhofft. Infolge dieser Kalkulation wird das Objekt der Legitimität als nützlich, brauchbar und gewinnbringend wahrgenommen. Im Gegensatz dazu stützt sich die moralische Legitimität auf Normen und Werte, die eine innere Verpflichtung hervorrufen und etwas als richtig, wünschenswert und erstrebenswert bewerten lassen. Die kognitive Legitimität basiert auf dem Verständnis und der kognitiven Konsistenz, die legitimen Dingen (Selbst-)Verständlichkeit, Sinnhaftigkeit und Berechenbarkeit zuschreibt (Suchman,1995: 578 ff.; Elšik, 1996: 346).

Um als Organisation Legitimität zu generieren, stehen verschiedene Strategien zur Verfügung. Suchman (1995) unterteilt diese in drei Kategorien. Eine erstmalige Zusprechung von Legitimität geschieht anhand der gesellschaftlichen Funktion, die eine Organisation erfüllt. Dabei wird ihr Wert für die Gemeinschaft generalisiert, ohne das Verhalten der jeweiligen Organisation in die Bewertung mit einzubeziehen. Inwiefern sich die Legitimität im Zeitverlauf verändert, hängt von den relevanten Instanzen und Anspruchsgruppen ab, deren Erwartungen an die Organisation entweder erfüllt (Legitimierung) oder enttäuscht (Delegitimierung) werden. Legitimitätsdefizite können vor allem dort entstehen, wo divergierende Erwartungen an eine Organisation herangetragen werden, weshalb eine große Anzahl an Anspruchsgruppen eine tendenziell eher negative Auswirkung auf die Legitimität hat (Scott 2001). In einer solchen Situation entscheidet die Machtverteilung (Berger/Luckmann 1966) und der Grad der Institutionalisierung einer Erwartung bzw. ihre Beständigkeit (Zucker 1977), wessen Erwartungen priorisiert und erfüllt werden.

Bei einem bestehenden Defizit kann die Legitimität durch die Veränderung des eigenen Verhaltens, der Erwartung oder der Wahrnehmung durch die Anspruchsgruppen (wieder)erlangt werden (Suchman 1995). Letzteres erlaubt die scheinbare Erfüllung institutionalisierter Erwartungen der Umwelt, während im Inneren die Struktur einer Organisation von den externen Anforderungen entkoppelt wird und tatsächliche organisationale Strukturen, insbesondere informelle Praktiken, von diesem Bild abweichen. Eine oberflächliche Anpassung kann als Illusion von Konformität dienen und erlaubt der Organisation Handlungsspielraum, ohne Legitimitätsverluste zu riskieren. Überprüfungen und Evaluierungen durch Organisationsmitglieder und externe Anspruchsgruppen werden in diesem Fall vermieden (Meyer/Rowan 1977). Oliver (1991: 152 ff.) und Suchman (1995: 600) knüpfen an diese Überlegungen an und identifizieren verschiedene Praktiken, die sich aus den drei Legitimationsstrategien bezüglich der verschiedenen Legitimitätsarten ergeben (siehe Tabelle 1).

Tabelle1: Legitimationsstrategien (Quelle: Suchmann 1995; Oliver 1991; Darst.: Holzheimer 2019)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Meyer und Rowan (1977: 355) benennen zwei Probleme im Zusammenhang mit notwendiger Legitimierung. So sind Praktiken, die zur Legitimation einer Organisation beitragen, nicht zwingend effizient. Als Beispiel können hier verschiedene Trends, z. B. dokumentationslastige Managementkonzepte, angeführt werden, denen sich Organisationen im Zuge der Isomorphie beugen, ohne eine rationale Entscheidung zu treffen und die Sinnhaftigkeit entsprechender Trends zu reflektieren (Abrahamson 1996; Kieser 1997). Dieser Mechanismus birgt erstens die Gefahr, dass sinnvolle Maßnahmen unterschätzt und nur zum Schein umgesetzt werden. Zweitens werden Trends eventuell nur zum Zwecke der Legitimierung verfolgt, obwohl sie aus empirischer Sicht keine sinnvollen Auswirkungen versprechen (Subramony 2006). Ein weiteres Problem besteht in den oftmals widersprüchlichen Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen sowie verschiedener Umweltbereiche, die inkompatible Strukturelemente und Praktiken in der Organisation nach sich ziehen. Die daraus resultierenden Inkonsistenzen würden sowohl die Effizienz der Organisation mindern als auch die Steuerung und Koordination erschweren (Walgenbach/Meyer 2008).

2.1.2. Organisationale Veränderungen

Die Struktur einer Organisation wird aus neo-institutionalistischer Perspektive nicht nur durch die Anforderungen der Organisation und der verwendeten Technologie, sondern auch maßgeblich durch die Vorstellung der Organisation in der Umwelt geprägt (Meyer/Scott 1992). Die oftmals komplexen und vielschichtigen Umweltanforderungen werden durch den Prozess der Institutionalisierung zu verbindlichen ungeschriebenen oder geschriebenen Gesetzen für die Organisation (Meyer/Rowan 1977). Die organisationalen Strukturen, die sich daraus ergeben, sind losgelöst vom Streben nach Effizienz und können möglicherweise sogar gegenläufig wirken (Drori et al. 2006).

DiMaggio und Powell (1983) identifizierten drei Mechanismen, die den Prozess der Strukturangleichung in Gang setzten. Isomorphie durch Zwang zielt auf formelle oder informelle Erwartungen höherer Instanzen ab, in deren Abhängigkeit die Organisation steht. Dies betrifft neben gesetzliche Anforderungen auch bestimmte Branchenstandards, die für die Legitimierung zwingend sind. Da alle Organisationen derartigen Regelungen unterworfen sind, führt dies zu einer strukturellen Homogenisierung innerhalb der entsprechenden Branche. Isomorphie durch mimetische Prozesse entspricht der Nachahmung anderer Organisationen, die z. B. als ‚best practice‘ angesehen werden. Durch das Kopieren bewährter Strukturen können Unsicherheiten absorbiert werden. Dieses Verhalten berücksichtigt nicht, dass kulturabhängige Praktiken und Systeme in unterschiedlichen Organisationen unterschiedliche, kaum vorhersehbare Auswirkungen haben und oftmals starke Widerstände hervorrufen (Nesterkin 2013). Daher besteht die Gefahr, dass der Legitimierungsversuch den gegenteiligen Effekt erzielt, wenn die ergriffenen Maßnahmen innerhalb der eigenen Organisation nicht akzeptiert werden. Isomorphie durch normativen Druck entsteht primär durch die ähnliche Ausbildung und Rekrutierung von Führungspersonen innerhalb eines organisatorischen Feldes. Diese hat zur Folge, dass die Organisationen von Managern mit identischer Qualifikation und Orientierung geleitet und mit identischen Praktiken und Problembewältigungsstrategien geformt werden. Die daraus erwachsene Strukturangleichung wird durch die Personalauswahl von Führungskräften und Beschäftigten mit ähnlichen Hintergründen und Karrieren verstärkt (Delmestri 2006).

In Bezug auf institutionellen Wandel durch Isomorphie bieten Tolbert und Zucker (1996) aufbauend auf der Arbeit von Berger und Luckmann (1966) ein Drei-Stufen-Modell, das den Institutionalisierungsprozess beschreibt. Initiiert wird demnach der Wandel durch eine neue oder veränderte Umweltsituation. Die Organisation reagiert darauf mit der Formalisierung einer Lösung durch organisationale Anpassung oder andere Innovationen, die sich an diesem Punkt im Stadium der Habitualisierung (Pre-Institutionalisierung) befindet. Es folgt der Prozess der Objektivation (Semi-Institutionalisierung), innerhalb dessen die Problemlösung ihren Weg in die tatsächliche Organisation findet. Einigkeit herrscht über den Nutzen und die Eignung der Veränderung zur Lösung des Problems. Dieser soziale Konsens entsteht entweder über vorbildhafte andere Organisationen, in denen die Innovation funktioniert hat, oder durch Personen, Gruppen oder Organisationen mit materiellem Interesse an der Verbreitung der Neuerung (Tolbert/Zucker 1999: 176). Diese können allerdings nur Erfolg haben, wenn sie die Stärken der Innovation logisch und verständlich ableiten, theoretisieren und kommunizieren können (Strang/Meyer 1993). Abgeschlossen wird der Prozess durch die Sedimentation (vollständige Institutionalisierung). Dieses Stadium ist geprägt von Kontinuität in Bezug auf das neue Element.

2.1.3. Kritik am Neo-Institutionalismus

Eine wesentliche Kritik am neo-institutionalistischen Ansatz besteht in einem gewissen Erklärungsdefizit bezüglich verschiedener organisationaler Phänomene. Dies betrifft zum Beispiel institutionelle Veränderungen (DiMaggio 1988; Powell 1988; Brint/Karabel 1991; Hirsch/Lounsbury 1997; Kondra/Hinings 1998; Beckert 1999; Scott 2001) sowie divergenten Wandel, der sich nicht durch isomorphe Prozesse begründen lässt (Leblebici et al. 1991).

Des Weiteren eröffnet die neo-institutionalistische Perspektive wenige Reaktionsmöglichkeiten der Organisationen auf institutionalisierte Erwartungen (Meyer/Rowan 1977; DiMaggio/Powell 1983). Sie treten als passive Einheiten auf, die sich nur den Erwartungen ihres Umfeldes fügen und keinen aktiven Widerstand leisten können (Oliver 1991). Daran anknüpfend wird auch von übersozialisierten Akteuren gesprochen, deren Eigeninteressen, strategische Handlungen und Macht in der Theorie ausgeblendet werden. Für politische Prozesse, Widerstand, Manipulation und andere Phänomene besteht daher nur geringes Erklärungspotenzial (Perrow 1985; Reed 1992; Beckert 1999; Wolf 2003).

Schreyögg und Geiger (2016: 479) werfen der neo-institutionalistischen Organisationstheorie außerdem vor, inhaltliche Aspekte komplett auszuklammern, während sie sich in ihrer Erklärungskraft ausschließlich auf das Nachkommen von Erwartungen aus der Umwelt beschränken, was mit einer Geringschätzung der Management-Aufgabe einhergeht.

Insgesamt entspricht die vorgestellte Perspektive naturgemäß einem Modell, das einen Teil der Realität vereinfacht abbildet. Um das Forschungsinteresse zu verfolgen, bietet es bedeutsame Erklärungsansätze, die allein aber nicht zur Beantwortung der Forschungsfrage ausreichen.

2.2. Mikropolitische Perspektive

Während der Neo-Institutionalismus die Entstehung von Makrostrukturen beschreibt, fokussiert die Mikropolitik die individuelle Ebene einer Organisation. Im Mittelpunkt dieser Theorie steht der Einzelne, der innerhalb der vorgegebenen Strukturen einer Organisation „durch die Nutzung Anderer in organisationalen Unsicherheitszonen eigene Interessen verfolgt“ (Neuberger 2006: 18).

2.2.1. Grundlagen der Mikropolitik

Die Strukturen und Entscheidungen in einer Organisation sind nicht nur vom Streben nach Effizienz oder der Anpassung an die Umwelt geprägt, sondern sie sind auch das Ergebnis informeller Dynamiken innerhalb der Organisation, die in der Wissenschaft als politische Prozesse oder Mikropolitik bezeichnet werden. (Pettigrew 1973; Küpper/Ortmann 1988; Ferris/Treatway 2012). Diese politischen Prozesse innerhalb einer Organisation werden unter dem Begriff Mikropolitik zusammengefasst, wobei der Vorsatz ‚mikro‘ die kleinteiligen und unsichtbar wirkenden Kräfte beschreibt (Schreyögg/Geiger 2016: 298).

Neuberger (2006) gliedert Mikropolitik in drei Elemente.

1. Instrumentalisierendes Handeln bezieht sich auf ein Verhalten, das taktisch dazu eingesetzt wird, Andere dahingehend zu manipulieren, dass sie den Interessen des Akteurs dienen. Nicht nur dem Zeigen und Darstellen kommen in diesem Zusammenhang eine zentrale Rolle zu (ebd.: 256, 283), sondern auch den rhetorischen Fähigkeiten, die der Überzeugung in diskursiven Auseinandersetzungen dienen (Kieser 1997). So lässt sich auch erklären, warum Individuen der gleichen Hierarchiestufe über verschiedene Einflussmöglichkeiten innerhalb der Organisation verfügen (Bosetzky 1988: 28).
2. Ziel des mikropolitischen Handelns ist es, die eigenen Vorstellungen und Interessen erfolgreich geltend zu machen. Die dahinterstehenden Motive können vielfältig sein: Karriereziele, Macht- und Prestigestreben, die Förderung eigener Ideen, der Wunsch nach Anerkennung, der Absicherung der eigenen Handlungsspielräume sowie dem Schutz der eigenen Identität und der Angst vor Gesichtsverlust. Es kann aber auch – insbesondere bei Ressourcenknappheit – Ausdruck unerfüllbarer und widersprüchlicher Anforderungen sein (Neuberger 2006: 256; Blickle 2002: 170). Die Mittel und Maßnahmen zur Durchsetzung der eigenen Interessen umfassen zum Beispiel Verhandlungen, taktische Manöver, Reziprokgeschäfte sowie planvolles Blockieren, Umgehen, Koalieren und ‚Eliminieren‘ (Morgan 2006: 149 ff.; Neuberger 2006).
3. Mikropolitisches Verhalten wird nur durch das Bestehen organisationaler Ungewissheitszonen möglich. Zwischen den Vorschriften und den durch gemeinsame Normen und Werte geregelten Bereichen erlauben Handlungsspielräume (Kontingenzen, Ambiguitäten, etc.) alternative Verhaltensweisen (Neuberger 2006: 191).

Aufgrund der Konkurrenzsituationen verschiedener Akteure werden Organisationen häufig als mikropolitischen Arenen beschrieben (Küpper/Felsch 2000; Neuberger 2006). Neuberger (2006: 79) postuliert, dass „die Organisation als Ganzes eine mikropolitische Veranstaltung ist“. Diese Aussage verdeutlicht den Fokus der mikropolitischen Perspektive auf die Handlungsebene der Individuen, die wiederum die Organisation prägt und gestaltet. Dies geschieht nicht nur durch mikropolitisches Verhalten innerhalb der organisationalen Strukturen und Vorgaben, sondern auch, indem die organisationalen Rahmenbedingungen selbstinteressiert modifiziert werden. Die Strukturen einer Organisation können folglich als Ergebnis politischer Prozesse begriffen werden, in denen verschiedene Akteure die Organisationsstruktur zu ihren eigenen Gunsten zu gestalten versuchen (ebd.).

Ortmann und Becker (1995: 60) unterteilen mikropolitisches Handeln in vier Dimensionen. Kommunikatives Handeln dient beispielsweise der Beeinflussung von Wahrnehmungsmustern, schafft ein organisationsspezifisches Vokabular und implementiert Leitbilder. In Bezug auf rechtliche Regeln sowie organisationale und gesellschaftliche Normen wird auf sanktionierendes Handeln gesetzt. Autoritativ-administratives Handeln wirkt auf die Gestaltung von Arbeitsorganisation, Führung sowie intraorganisationale Beziehungen und Kommunikationskanäle, während sich wirtschaftliches und technisches Handeln auf das Kapital, die Investitionsbudgets sowie fachliche Qualifikation bzw. Weiterbildungen auswirkt.

Obschon mikropolitisches Verhalten früher als Störfaktor einer idealen Organisation wahrgenommen wurde (z. B. Mintzberg 1983), gibt es in der Wissenschaft inzwischen differenzierte Sichtweisen, die jeweils unterschiedliche Konstrukte wie zum Beispiel Karriereerfolg (Schiffinger/Steyrer 2004) hervorbringen. Mikropolitik ist allgegenwärtig und schwingt in jedem Verhalten mit (Neuberger 2002: 689). Da ein Individuum nicht von seinen eigenen Interessen entkoppelt werden kann, ist es schwierig, die spezifischen mikropolitischen Anteile einer Handlung zu identifizieren (ebd.: 19). Der Mikropolitik ist es folglich nicht möglich, Verhalten von außen zu klassifizieren oder zu beurteilen; sie entspricht weniger einer abgeschlossenen Theorie als vielmehr einer Perspektive auf das Geschehen innerhalb einer Organisation und einem Erklärungsansatz für individuelles Verhalten (Alt 2005).

2.2.2. Die Rolle der Macht

Neuberger (1995) definiert mikropolitisches Handeln, als „[…] das Arsenal jener alltäglichen, kleinen (Mikro-)Techniken, mit denen Macht aufgebaut und eingesetzt wird, um den eigenen Handlungsspielraum zu erweitern und sich fremder Kontrolle zu entziehen“ (ebd.: 14). Welcher Akteur ein mikropolitisches Spiel für sich entscheidet, hängt mitunter von seinen verfügbaren Machtressourcen ab (Pettigrew 1973; Morgan 2006). Macht ist somit ein zentrales Element, das Zugang zu mikropolitischen Spielen verschafft, Gewinnchancen erhöht und Handlungsoptionen eröffnet. Ausschlaggebend ist an dieser Stelle weniger die formal-legitime Autorität, sondern vielmehr die inoffizielle, nicht bürokratisch legitimierte Macht (Schreyögg/Geiger 2016: 299 f.).

Um Mikropolitik in Rahmen dieses Forschungsvorhabens sinnvoll auszulegen und abzugrenzen, ist es nötig, den Machtbegriff genauer zu beleuchten. „Macht wird dabei zumeist […] als die Möglichkeit verstanden, in den Handlungsraum anderer, auch gegen deren Widerstreben, zur Erreichung eigener Ziele einzugreifen; oder negativ ausgedrückt: die Möglichkeit, das Ansinnen (die Weisungen) anderer, das Handeln an ihren Interessen auszurichten, zurückzuweisen“ (Luhmann 1975, zitiert nach Schreyögg/Geiger 2016: 300).

Macht gilt als dispositionales Konzept: Sie wirkt über Bedeutungszuschreibungen, Symbolisierung und Ideologisierung von Anderen und wird über die Beeinflussung der Denkmuster und Haltungen der Menschen erlangt (Neuberger 2006: 137). Folglich kann Macht nicht besessen werden. Stattdessen entfaltet sie sich, entsprechend der Zuschreibung, durch Andere. Der Grad an Macht entscheidet über das nötige Maß an Begründung und Rechtfertigung des Handelns oder der Haltung des machtvollen Akteurs, der wiederum an Selbstverständlichkeit gewinnt (Foucault 1983). Diese Eigenschaft teilt das Konzept mit dem der Legitimität, das ebenso wenig genommen werden kann, als vielmehr gegeben werden muss.

Weber (1922/1976) definiert den Machtbegriff folgendermaßen: „Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel, worauf diese Chance beruht“ (ebd.: § 16,28). Gemeint sind sogenannte Duelle oder mikropolitische Spiele – direkte Konfrontationen und Konkurrenzsituationen, die durch Aushandlungsprozesse und gegenseitige Beeinflussung „gewonnen“ werden. Als Beispiel dient die Neuverteilung von Machtressourcen während eines organisationalen Veränderungsprozesses (Neuberger 2006).

Eine weitere wesentliche Komponente von Macht besteht in der Fähigkeit, durch eine generative mikropolitische Strategie, die strukturellen Elemente – die Spielregeln – selbst zu verändern, anstatt sich nur innerhalb des Spiels zu behaupten (ebd.).

Im Zuge mikropolitischer Beeinflussung werden unterschiedliche Mechanismen eingesetzt. Blickle (2004) identifizierte verschiedene Taktiken der Beeinflussung, darunter die der Assertivität, des Blockierens und der Sanktionen, die auf dem Einsatz bzw. der Ankündigung von Bestrafung oder Belohnung beruhen. Die Taktik des Einschmeichelns nutzt hingegen Komplimente und kleine Gefälligkeiten, um positive Reaktionen bei der Zielperson herbeizuführen. Die Taktik des Argumentierens nutzt rationale Informationen und Begründungen, die zur Verhaltens- oder Einstellungsänderung des Gegenübers beitragen sollen. Auch Koalitionsbildungen können als kalkuliertes Zweckbündnis als Beeinflussungstaktik genutzt werden, wobei die Machtpotenziale der Mitglieder gebündelt werden. Die Taktik des Einschaltens höherer Instanzen nutzt die formale Macht der Hierarchie, während die Taktik der inspirierenden Appelle das Bedürfnis des Gegenübers nach Sinn, einem Vorbild sowie nach intrinsisch motivierten Tätigkeiten anspricht. Auch ist es möglich, persönliche Appelle zur Beeinflussung zu nutzen, wenn persönliche Beziehungen dahingehend ausgespielt werden. Die Taktik der Konsultation zielt darauf ab, die Akzeptanz der Zielperson für eine Entscheidung zu erwirken. Das Bestehen auf die eigene formale Autorität oder (un)geschriebene Regeln der Organisation zur Durchsetzung der eigenen Interessen beschreibt Blickle als die Taktik der Legitimation. Die Self-Promotion-Taktik basiert auf der Selbstdarstellung als kompetent, tüchtig und erfolgreich.

2.2.3. Legitimität in der Mikropolitik

Legitimität ist ein weiteres Kernelement in der Mikropolitik (Pettigrew 1977; Neuberger 2006). Aus mikropolitischer Sicht kann Legitimität, bzw. ihre Zuschreibung oder Verweigerung, als Instrument der Machtausübung begriffen werden. Mikropolitisches Handeln zielt darauf ab, Legitimität für sich bzw. für bestimmte Werte, Ideen und Lösungen zu generieren. Zu diesem Zweck werden die gültigen Werte strategisch interpretiert und passende Symbole konstruiert (Schreyögg/Geiger 2016: 300). Auf der anderen Seite versucht der Akteur seine Konkurrenten und deren Anliegen mit dem Verweis auf die formale Ordnung zu delegitimieren (Berger et al. 1998). Ausschlaggebend ist dabei weniger die objektive Richtigkeit als vielmehr die Wahrnehmung und Einschätzung des eigenen Anliegens durch andere Akteure (Beyer 1981).

Insbesondere bei der Legitimierung einer (organisationalen) Veränderung ist vermutlich nicht immer die Innovation selbst Adressat der Legitimitätszuschreibung, sondern häufig auch spezifische Akteure, die dafür stellvertretend sind. Das gleiche Phänomen lässt sich auch umgekehrt beobachten, wenn z. B. aus persönlicher Abneigung heraus ein Akteur die Unterstützung eines Vorhabens seines Konkurrenten unterlässt oder dieses sogar blockiert.

Die Ursache von Legitimitätsdefiziten liegt folglich nicht zwingend in der Sache selbst. Vielmehr kann sie auch Ausdruck von (mikro-)politischen Prozessen sein, bei denen Akteure mit divergierenden Interessen in einem mikropolitischen Spiel aufeinandertreffen (Süß 2009: 188). Um einer Innovation zur Legitimation zu verhelfen, kann es hilfreich sein, sie zu objektivieren und positive Effekte z. B. durch eine Evaluation messbar und sichtbar zu machen (DGUV 2014). Als Folge solcher politischen Prozesse bilden sich innerhalb der Organisation Subgruppen, die eigene spezifische Interpretations- und Wertesysteme vertreten und damit die Unternehmenskultur beeinflussen (Schreyögg/Geiger 2016: 300).

2.2.4. Mikropolitik im Institutionalisierungsprozess

Insbesondere bei der Institutionalisierung neuer Managementkonzepte spielt Mikropolitik eine entscheidende Rolle. Sie fokussiert die Akteure und deren Verhalten und füllt an dieser Stelle die Erklärungsdefizite der Neo-Institutionalistischen Organisationstheorie, die in Abschnitt 2.1.3. genauer ausgeführt sind (Jepperson 2002: 246–250, zitiert nach Süß 2009: 193).

Im Institutionalisierungsprozess trifft eine große Zahl beteiligter Akteure mit unterschiedlichen und teilweise divergierenden Interessen aufeinander (Philips et al. 2004). Der daraus folgende diskursive Prozess, der der Entwicklung und Verbreitung von Innovationen dient, gleicht einem mikropolitischen Spiel (Clegg et al. 2007: 190–227). Süß (2009) widmet sich den mikropolitischen Vorgängen im Institutionalisierungsprozess (siehe auch Abschnitt 2.1.2.) und stellt die Rolle des Individuums sowie den Verlauf politischer (Macht-)Spiele in den Mittelpunkt seiner Forschung. Er beschreibt das mikropolitische Geschehen in den ersten beiden Phasen des Institutionalisierungsprozesses und differenziert an dieser Stelle zwischen Habitualisierungs- und Objektivationsspielen, deren Resultat in der Verbreitung oder Eindämmung des neuen Konzeptes besteht. Ausschlaggebend ist das mikropolitische Geschehen, das von „Dynamik, Flexibilität und Konflikte[n]“ geprägt ist und von individuellen sowie korporativen Akteuren geführt wird (ebd.: 196).

Im Zuge des Habitualisierungsspiels vor der ersten Institutionalisierungsphase treten ein oder mehrere Initiatoren des neuen Konzeptes ins Licht und versuchen dahingehend einen Diskurs innerhalb der Organisation loszutreten. Durch die Innovation erhoffen sie sich entweder die Lösung oder die Verhinderung eines Problems, sie erkennen die Grenzen des bisher verfolgten Konzeptes oder wollen „ein Angebot an neuen Konzepten schaffen oder aufgreifen“ (ebd.: 198). Die Einschätzung der Befürworter kann auf sowohl auf objektiven als auch auf subjektiv wahrgenommenen Problemen beruhen (Fligstein 1985: 388; Berger/Luckmann 1986: 101 f.). In der Phase der Habitualisierung treffen die Initiatoren in einem mikropolitischen Duell auf Gegner, die am Status quo festhalten und Neuerungen verhindern wollen. Diese Einstellung kann unter anderem aus wirtschaftlichen Interessen, machtpolitischen Gründen oder persönlichen Präferenzen resultieren (Süß 2009: 198). Sofern sich die Befürworter des neuen Konzeptes durchsetzen, folgt die Habitualisierung desselben.

Beim Objektivationsspiel steht ein bereits habitualisiertes Konzept im Mittelpunkt, das es aus Sicht der Befürworter weiterzuverbreiten bzw. gegen Kritik zu verteidigen gilt bis es ein selbstverständlicher und akzeptierter Teil der Organisation ist (ebd.: 200). Da in dieser Phase noch keine Einigkeit erreicht ist, werden immer wieder Gegenstimmen laut, die die (fortschreitende) Verbreitung des neuen Konzeptes verhindern wollen. Das Objektivationsspiel endet, sobald in der Organisation ein Konsens über den Umgang mit dem neuen Konzept herrscht. Abhängig von der Durchsetzungskraft und den verfügbaren (Macht-)Ressourcen der beteiligten Akteure wird das neue Konzept wieder verworfen, seine Etablierung stagniert oder es folgt der Prozess der Sedimentation. In diesem Stadium spielen (mikro-)politische Prozesse nur noch eine untergeordnete Rolle, da der intraorganisationale Diskurs beendet ist (ebd.: 196).

2.3. Betriebliches Gesundheitsmanagement

Nachdem die Kapitel 2.1 und 2.2 ihren Schwerpunkt auf die theoretischen Aspekte der Legitimation legten, beschäftigt sich dieses Kapitel mit dem Anwendungsgebiet der Forschungsarbeit.

Dass sich die Gestaltung der Arbeit auf die Gesundheit auswirkt, ist heute wissenschaftlich gut belegt (Goldgruber/Ahrens 2010). Psychische Erkrankungen, wie Depressionen, Angststörungen oder Alkoholismus, treten am häufigsten bei der Gruppe der Arbeitslosen auf. Unter den Arbeitnehmenden ist die Branche ausschlaggebend, wenn es um die Häufigkeit von psychischen Erkrankungen geht. Darin zeigt sich die gesundheitliche Bedeutung und salutogenetische Wirkung von Arbeit (BKK Bundesverband 2008). Für deutsche Unternehmen sind die krankheitsbedingten Kosten immens (ca. 85 Milliarden Euro in 2018; Schätzung der BAuA). Sie setzen daher immer öfter auf BGM, um das Wohlbefinden und die Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu verbessern, die Sozialkosten zu senken und den Unternehmenserfolg zu erhöhen (Badura et al. 2010).

Im folgenden Abschnitt wird BGM genauer erläutert. Neben dem dahinterliegenden Grundverständnis und seinen Zielen und Motiven wird auch der dahinter liegende Kulturaspekt und Verbesserungsprozess beleuchtet. Abschließend wird auf die unterschiedlichen Akteure in diesem Kontext eingegangen. Inhalte und Maßnahmen von BGM sowie deren Wirksamkeit werden in dieser Arbeit nicht thematisiert, da für das Forschungsinteresse zwar die Wahrnehmung von BGM relevant ist, nicht aber die Interventionen an sich oder deren objektiver Erfolg (Beyer 1981).

2.3.1. Definition und Abgrenzung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement

Badura et al. (2010) definieren BGM als „die Entwicklung betrieblicher Strukturen und Prozesse, die die gesundheitsförderliche Gestaltung von Arbeit und Organisation und die Befähigung zum gesundheitsfördernden Verhalten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zum Ziel haben“ (ebd.: 33). Diese Definition weist auf die beiden Komponenten von BGM hin. Das Gebiet der Verhältnisprävention widmet sich der Gestaltung von Arbeit und Organisation, während die Verhaltensprävention das Ziel verfolgt, die Mitarbeitenden zu einem gesundheitsfördernden Verhalten zu befähigen (Tuomi/Ilmarinen 1999). Um BGM erfolgreich einzusetzen, ist eine Mischung unterschiedlicher Interventionen nötig, die auf die Komplexität und Bedarfe einer Organisation abgestimmt sind (Uhle/Treier 2015: 148 f.). Von elementarer Bedeutung erweist sich die Verhältnisprävention, deren Ziel eine ‚Gesundheitskultur‘ darstellt, durch die eine nachhaltige Verankerung von betrieblicher Gesundheit in der Organisation angestrebt wird. Verhältnispräventive Maßnahmen ergänzen das Konzept durch die unmittelbare Unterstützung der Beschäftigten (z. B. in Form von Bewegungs-, Ernährungs- und Entspannungsangeboten) (Brandenburg et al. 2000). Der Definition folgend können außerdem, neben expliziten BGM-Maßnahmen, auch Aktivitäten der Arbeitsmedizin, des Arbeits- und Gesundheitsschutzes (Neuner 2019: 5 f) sowie das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) (Giesert et al. 2013: 17) als Bestandteile des BGM verstanden werden.

An dieser Stelle ist Betriebliches Gesundheits management von Betrieblicher Gesundheits förderung (BGF) abzugrenzen. Darüber inwiefern sich die beiden Konzepte unterscheiden, sind sich die Wissenschaftler uneinig (Ghadiri et al. 2016; Struhs-Wehr 2017: 6). Faller (2017: 25) postuliert, BGF stelle ein ebenso integratives Konzept wie BGM dar, es beziehe nur keine Managementpraktiken ein. Dem gegenüber steht die geläufige Definition des European Network for Workplace Health Promotion (ENWHP 2007), dass unter BGF ausschließlich tätigkeitsunspezifische Maßnahmen zur Förderung und Erhaltung der individuellen Gesundheit (z. B. Raucherentwöhnung, Rückengymnastik, etc.) zu verstehen seien.

Betriebliches Gesundheitsmanagement stellt einen ganzheitlichen Ansatz dar, der die systematische Entwicklung von gesundheitsförderlichen organisationalen Rahmenbedingungen, Strukturen und Prozessen fokussiert, weshalb es als Managementansatz eingeordnet werden kann (Walter 2017: 114). Durch die Verankerung von Gesundheit als Unternehmensziel und die Nutzung und Integration von Managementstrategien wird BGM nachhaltig in ein bestehendes Organisationssystem implementiert (Faller 2017: 28). Des Weiteren erlaubt Gesundheitscontrolling die gezielte Steuerung und Qualitätssicherheit des BGM. Mithilfe von Kennzahlen, Wirtschaftlichkeitsmessungen, Gefährdungsbeurteilungen und dem Einsatz verschiedener Gesundheits-Scores kann die betriebliche Gesundheit systematisch überwacht und verbessert werden (Uhle/Treier 2015: 215 ff.).

2.3.2. Gesundheitsverständnis und grundlegende Modelle

Betriebliches Gesundheitsmanagement basiert auf verschiedenen grundlegenden Modellen, die sich in ihren Grundannahmen stark ähneln, sich jedoch unterschiedlichen Aspekten der Gesundheit zuwenden. Im Folgenden werden die relevantesten Ansätze kurz dargestellt.

Engels (1978) bio-psycho-soziales Modell grenzt sich erstmals deutlich vom Ansatz der klinischen Medizin ab (Badura et al. 2010). Letzterer führt pathologische Vorgänge hauptsächlich auf genetische Defekte und schädliche Umwelteinflüsse zurück, während sich das bio-psycho-soziale Modell auf eine ganzheitliche Betrachtung von Gesundheit bezieht. Es berücksichtigt sowohl biologische, psychologische als auch soziale Einflüsse (Egger 2008; Pauls 2013). Engel bezieht sich damit auf die erste positive Definition von Gesundheit, die 1948 von der World Health Organization (WHO) als Zustand „völligen psychischen, physischen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Freisein von Krankheit und Gebrechen“ formuliert wurde. Noch heute beruht das Verständnis von Prävention, Gesundheitsförderung und BGM auf dieser Definition (Lippke/Renneberg 2006).

Antonovskys Modell (1979) der Salutogenese basiert ebenfalls auf dieser Definition und ist heute populärer als das bio-psycho-soziale Modell (Engel 1978), dessen Grundgedanken es teilt und weiterführt. Die Salutogenese besteht in der Abgrenzung zur Pathogenese. Während Letztere den Fokus auf die Beseitigung von Krankheit richtet, zielt der salutogenetische Ansatz auf die Erhaltung von Gesundheit (Antonovsky 1979). Gesundheit und Krankheit sind nach diesem Verständnis als Kontinuum zu verstehen, wie Antonovsky mit seiner Aussage verdeutlicht: „Wir sind alle sterblich. Ebenso sind wir alle, solange noch ein Hauch von Leben in uns ist, in einem gewissen Ausmaß gesund“ (Antonovsky 1997: 22).

Zentral im salutogenetischen Modell ist der sogenannte sense of coherence, der eine Art innere Einstellung zum Leben beschreibt und die Wahrnehmung, Verarbeitung und Bewertung belastender Situationen bestimmt. Dieses Kohärenzgefühl setzt sich aus den folgenden drei Komponenten zusammen (Antonovky 1997, zitiert nach Goddemeier 2019): 1. Verstehbarkeit: Die Ereignisse und Zusammenhänge des Lebens sind erklärbar und können kognitiv sinnvoll eingeordnet werden. 2. Handhabbarkeit: Die Ressourcen zur Beeinflussung des eigenen Lebens sind vorhanden. 3. Sinnhaftigkeit/Bedeutsamkeit: Das Leben wird als sinnvoll betrachtet und emotional bedeutsam wahrgenommen.

Dem salutogenetischen Ansatz entspringt auch der Präventionsgedanke des BGM und dessen Intention die Erhaltung von Gesundheit, bzw. Vorbeugung von Krankheit (Primärprävention), die Früherkennung bzw. Verhinderung der Progredienz einer Erkrankung (Sekundärprävention) sowie die Vermeidung von Folgeerkrankungen oder der Verhinderung von Verschlimmerung einer bereits manifesten Erkrankung (Tertiärprävention) beinhaltet (Caplan 1964). Letztere integriert BGM insbesondere durch ein BEM-Verfahren, das der (Re-)Integration langzeiterkrankter Angestellter dient und auch im Sozialgesetzbuch verankert ist (§ 84, Abs. 2, SGB IX bis 2017, seit 2019 geregelt in § 167, Abs. 2, SGB IX).

Einen weiteren Grundstein für das Verständnis von Gesundheit bietet das Anforderungs-Ressourcen-Modell (SAR-Modell), nach dem der Gesundheitszustand eines Menschen maßgeblich von seiner Fähigkeit abhängt, interne und externe Anforderungen mit den verfügbaren Ressourcen zu bewältigen. Krankheit entsteht demnach immer in Situationen des Ungleichgewichts, während eine Balance die Gesundheit fördert (Becker et al. 1994; Becker et al. 2000). Interne Anforderungen entsprechen Bedürfnissen, die zu physischen und psychischen Pathologien führen können, sofern sie über einen längeren Zeitraum unerfüllt bleiben. Externe Anforderungen ergeben sich im Arbeitskontext beispielsweise aus Konflikten, Über- oder Unterforderung oder schlechten Arbeitsbedingungen. Durch interessante herausfordernde Arbeit, Weiterbildung, gute Beziehungen, Anerkennung und Wertschätzung kann die Arbeit aber auch Quell (externer) Ressourcen sein. Weitere (interne) Ressourcen ergeben sich u. a. aus bestimmten Persönlichkeitseigenschaften, Rollen und Positionen sowie einem guten Gesundheitszustand und körperlicher Fitness. Außerdem schaffen Intelligenz und spezifische Fertigkeiten kognitive Ressourcen (Becker 2006).

2.3.3. Ziele und Motive

Die Motive, mit denen Organisationen BGM verfolgen, entspringen unterschiedlichen Überlegungen. In einer Befragung zu den Motiven und Hemmnissen von BGM im Rahmen des IGA-Reports (Bechmann et al. 2011) gaben 90 % der Betriebe an, aus sozialer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitenden zu handeln. Doch auch ökonomische Motive spielen eine Rolle, vornehmlich durch die externe Unterstützung und Förderung von Krankenkassen oder anderen Trägern. Durch die Verbesserung der Gesundheit sowie der Produktivität und Leistungsfähigkeit erhoffen sich vor allem Betriebe mit hohen Fehlzeiten Vorteile durch das BGM. In manchen Fällen geht es aus (innerbetrieblichen) Forderungen des Betriebsarztes, Betriebsrates oder der Berufsgenossenschaft hervor. Außerdem setzen Betriebe BGM als Mittel der Legitimation bzw. der Imageverbesserung ein (Lück et al. 2010: 40). Zu diesem Zweck präsentieren sie sich als sozialverantwortliche Unternehmen und propagieren Mitarbeiterfreundlichkeit und Gesundheit.

Diese Erkenntnisse sind kongruent mit dem Ansatz des Sozialkapitals, der BGM als Investition in das Humankapital betrachtet, das auf indirektem Wege – durch die Erhöhung von Qualität, Produktivität und Ertrag – dem Unternehmenserfolg dient. Walter, Münch und Badura (2002) definieren auf dieser Basis die Aufgabenfelder von betrieblicher Gesundheitspolitik, die jeweils in unterschiedlichem Grad beeinflusst werden können. In absteigender Effizienz und Wirksamkeit können an erster Stelle das Sozialkapital, das Wohlbefinden, die Unternehmensbindung und die Beschäftigungsfähigkeit beeinflusst werden. Daran schließen sich Über- und Unterforderung, medizinische Risikofaktoren, Mobbing, innere Kündigung, Burnout und Präsentismus an. Zuletzt werden Absentismus sowie Wiedereingliederung und schließlich Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten genannt (ebd.).

2.3.4. Akteure im Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Im Folgenden werden die relevanten Akteure von BGM kurz vorgestellt. Da die Strukturen und Gegebenheiten in jeder Organisation individuell sind, dient die Zusammenfassung an dieser Stelle nur einem groben Überblick. An erster Stelle ist die Geschäftsleitung zu nennen, die in den meisten Betrieben (75 %) auch die Einführung von BGM initiiert (Lück et al. 2010: 40). Sie stellt die organisationalen Voraussetzungen sowie die langfristige Finanzierung von BGM sicher. Als Vermittler zwischen dem Management und der Belegschaft sind die (formellen und informellen) Führungskräfte von großer Bedeutung. Als Vertretung der Arbeitnehmenden spielt auch der Betriebsrat eine Rolle, der in gesundheitlichen Themen – das heißt auch bei BGM – mitbestimmungspflichtig ist (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).

Des Weiteren können die Personalabteilung, die BGM-Abteilung bzw. die BGM-beauftragte Person sowie die oder der Arbeitssicherheitsbeauftragte, die vor allem in kleinen Unternehmen aufgrund der inhaltlichen Nähe oftmals die Aufgaben des BGM übernimmt, die Umsetzung von BGM koordinieren (Lück et al. 2010: 40). Gefragt sind außerdem die Mitarbeitenden selbst, die die Zielgruppe von BGM darstellen. Zu guter Letzt können auch beratende Personen oder Kostenträger, wie Unfallversicherungen oder Krankenkassen, am BGM beteiligt sein.

2.3.5. Handlungsfelder

Betriebliches Gesundheitsmanagement zielt darauf ab, Ressourcen zu stärken und Risiken zu eliminieren bzw. zu minimieren (Uhle/Treier 2015). Melchart und Gronwald (2016: 2 ff.) bieten ein Modell, das die Ansatzpunkte für Gesundheit in die vier Teilbereiche Körper und Psyche, Anerkennung und Wertschätzung, soziale Beziehungen und Kontakte sowie Wissen, Werte, Können und Ziele gliedert. Innerhalb der Bereiche werden verschiedene (messbare) gesundheitsrelevante Faktoren aufgeführt, die auch untereinander in Beziehung stehen können. Anhand dieser Kennzahlen können Betriebe ihre Gesundheitssituation und -entwicklung detailliert analysieren und darauf aufbauend ihr BGM gezielt und kontinuierlich verbessern (Uhle/Treier 2015).

Sobald innerhalb eines bestimmten Bereichs Handlungsbedarf identifiziert wurde, ist es möglich, lösungsorientiert passende Maßnahmen abzuleiten. Sie umfassen beispielsweise strukturelle oder organisatorische Anpassungen, Workshops und Seminare zu bestimmten Themen oder individuelle Beratungsangebote. Da sich die geeigneten Maßnahmen je nach Situation und Betrieb deutlich unterscheiden können, kann an dieser Stelle kein abschließender Maßnahmenkatalog aufgeführt werden. Stattdessen wird eine mögliche Maßnahme kurz und beispielhaft skizziert: In einer Organisation, in der die Belegschaft zum Beispiel eine hohe emotionale Belastung durch schwierige Kundengespräche erfahren, können im Rahmen der Verhältnisprävention regelmäßige Feedback-Gespräche eingerichtet werden, bei denen die Mitarbeitenden Gelegenheit zum Austausch finden und bei schwierigen Situationen externe Unterstützung anfordern können. Ergänzend können zur Verhaltensprävention regelmäßige (freiwillige) Workshops angeboten werden, bei denen die Teilnehmenden ihren Umgang mit emotionalem Stress reflektieren und Tools zu deren Bewältigung erlernen können (Uhle/Treier 2015: 155 ff.).

2.3.6. Veränderungsprozesse im Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Betriebliches Gesundheitsmanagement ist als betriebliche Innovation zu begreifen (Walter 2010: 152). Im Sinne der Verhältnisänderung (siehe Abschnitt 2.3.1.) kann seine Einführung als kulturverändernde Maßnahme hin zu einer Kultur der Gesundheit angesehen werden (Klaffke/Bohlayer 2014; Uhle/Treier 2015: 151). Eine (Unternehmens-)Kultur umfasst – angelehnt an den ethnologischen Kulturbegriff – die Werte- und Denkmuster sowie die daraus entstandenen Symbolsysteme einer Organisation. Sie ist das Resultat standardisierten Denkens, Fühlens und Handelns und prägt durch spezifische Vorstellungs- und Orientierungsmuster nachhaltig das Verhalten ihrer Mitglieder (Schein 1984; Hansen 2003: 43 ff., zitiert nach Schreyögg/Geiger 2016: 318 f.).

Die Implementierung von BGM entspricht aus der kulturspezifischen Perspektive einem bewusst herbeigeführten, aktiv gesteuerten und fundamentalen Kulturwandel (Schreyögg/Geiger 2016: 343 ff.). Dieser Prozess vollzieht sich parallel bzw. teilweise anschließend an den Institutionalisierungsprozess (siehe Abschnitt 2.1.2.). Da beide Konzepte dasselbe Geschehen aus unterschiedlichen Perspektiven beschreiben, werden die Vorgänge eines Kulturwandels an dieser Stelle nur kurz skizziert. Der typische Verlauf eines Kulturwandels lässt sich anhand von sechs Phasen beschreiben (Dyer 1985: 211). Er beginnt mit den herkömmlichen Interpretations- und Handlungsmustern, die in die Krise führen (1). In der darauffolgenden Verunsicherung verlieren Symbole und Riten an Glaubwürdigkeit und werden kritisiert (2), woraufhin ‚Schattenkulturen‘ hervortreten oder sich eine neue Führungsmannschaft um die Konstruktion alternativer Orientierungsmuster bemüht (3). Konflikte zwischen alten und neuen Kulturen kommen auf (4) und sofern sich die Veränderung durchsetzen kann, wird sie von nun an akzeptiert (5). Daraufhin entfaltet sich die neue Kultur und es entstehen neue Symbole, Riten etc. (6) (ebd.: 211, übersetzt durch Geiger/Schreyögg 2016: 344). Insbesondere in den konfliktreichen Phasen treten mikropolitische Vorgänge auf den Plan und beeinflussen das ‚Duell‘ der beiden Kulturen (siehe Abschnitt 2.2.1.).

Während die Implementierung von BGM einem episodischen (Kultur-)Wandel gleicht, folgt nach der erfolgreichen Institutionalisierung von BGM ein kontinuierlicher Wandel im Sinne eines Kontinuierlichen Verbesserungsprozesses (KVP). Betriebliches Gesundheitsmanagement ist keine starre Praktik, sondern führt erst durch ständige kleine Verbesserungen zu langfristigem Erfolg. Die fünf Kernelemente des KVP oder Kaizen beinhalten die Standardisierung von Verbesserungen durch die Integration in den Betriebsalltag, die Nutzung und Einforderung von Kritik als Motor für Verbesserungen, Qualitätsorientierung, die die Standards für Produkte und Prozesse einschließt, die Orientierung an den Anspruchsgruppen sowie die Prozessorientierung (Imai 2007).

Ein BGM-Prozess erfordert ein ganzheitliches, präventives System, das in den betrieblichen Routinen und Führungsstrukturen verankert und auf ständige Verbesserungen ausgelegt ist (Walter 2017: 113). Bei der Umsetzung schlagen Uhle und Treier (2015: 222) die RADAR-Bewertungsmethodik vor. Zu Beginn eines Prozesskreislaufes werden die Ziele im Hinblick auf die Politik und Strategie des Unternehmens in Bezug auf die unterschiedlichen Anspruchsgruppen festgelegt (R esults) und anhand geeigneter Kennzahlen messbar gemacht. Anschließend werden Vorgehensweisen und Strategien zur Erreichung der vorher festgelegten Ziele entwickelt (A pproach). Die geplanten Maßnahmen und Vorgehensweisen werden systematisch und koordiniert anhand eines Maßnahmenplans umgesetzt (D eployment) und anschließend bewertet (A ssessment) und überprüft (R eview). Danach werden neue Ziele festgelegt, Maßnahmen abgeleitet usw. Dieser datengestützte Lernzyklus erlaubt eine kontinuierliche Verbesserung des BGM, wobei seine inhaltliche Ausrichtung und strategische Zielsetzung dem Unternehmen selbst überlassen wird.

2.4. Aktueller Forschungsstand zur Legitimität von Betrieblichem Gesundheitsmanagement

Dem Thema Legitimität von BGM haben sich bereits verschiedene Studien – direkt oder indirekt – gewidmet. Im Folgenden werden für das Forschungsvorhaben relevante Studien erläutert. Anschließend wird der aktuelle Forschungsstand kurz zusammengefasst und daraus das konkrete Forschungsvorhaben der vorliegenden Arbeit abgeleitet.

2.4.1. Abbildung der Studienlage

Im Rahmen einer ausführlichen Literaturrecherche wurden Studien zum Thema Legitimität von BGM ausfindig gemacht und in einer Evidenztabelle zusammengefasst. Die Suche konzentrierte sich auf Publikationen aus dem deutschsprachigen Raum, um etwaige Verzerrungen sowohl durch differierende rechtliche Rahmenbedingungen als auch durch kulturelle Einflüsse auf die Legitimität und Umsetzung von BGM zu vermeiden.

In den aktuellen Forschungsstand wurden primär Studien eingeschlossen, die sich mit Legitimitätsdefiziten und -strategien auseinandersetzen. Da sich bisher kaum Studien mit der Legitimierung von BGM beschäftigen, wurden solche ausgewählt, die eine große inhaltliche Schnittmenge mit dieser Thematik aufweisen. Kern der dargestellten Arbeiten sind daher vor allem Hemmnisse und Widerstände im Zusammenhang mit BGM sowie Strategien und Faktoren, diese zu überwinden. Da es sich vornehmlich um Querschnittstudien handelt, kann in vielen Fällen keine Kausalität zwischen den Einflussfaktoren und dem Legitimitätsdefizit sichergestellt werden. Ob die Erkenntnisse nun Ursachen von Legitimitätsdefiziten oder Anzeichen dessen darstellen, ist häufig unklar. Im Folgenden werden die Studien kurz vorgestellt und die relevanten Erkenntnisse skizziert.

Jörn-Axel Meyer führte eine Untersuchung zu den Hintergründen von Widerständen bzgl. BGM durch, die 2008 von der Techniker Krankenkasse veröffentlicht wurde. Das Studiendesign umfasste drei Erhebungsschritte: eine explorative Vorstudie durch persönliche Expertenbefragungen (n = 12; Dezember 2006), eine Telefonbefragung von Entscheidern in KMU (n = 24) sowie eine quantitative branchenübergreifende Online-Befragung (n = 417; März/April 2007). Die Ergebnisse werden hinsichtlich der betreffenden Anspruchsgruppe differenziert. Widerstände der Geschäftsführung liegen in den hohen (Folge-)Kosten, in fehlender Zeit bzw. dem Vorrang des Tagesgeschäftes oder anderer Prioritäten begründet. Teilweise sind den Entscheidern keine Gesundheitsprobleme im Unternehmen bewusst oder der Krankenstand ist ohnehin gering. Unternehmer geben auch an, die Kosten stünden nicht im Verhältnis zum Nutzen. Weitere Widerstände weckt das schlechte Image der BGF. Bei den Beschäftigten entstehen Widerstände eher aus mangelndem Interesse, der Angst vor persönlichem Imageschaden sowie der Angst vor Überforderung. Dazu kommt die Unwissenheit bzgl. der Inhalte oder Maßnahmen von BGM. Kosten stehen beim BGM häufig im Vordergrund, während die Vorteile aufgrund schlechter Quantifizierbarkeit eher übersehen werden. Der mittel- und langfristige Nutzen kann schwer eingeschätzt werden, da es auch an Wissen über nutzbare Kennzahlen fehlt. Außerdem ist Gesundheit häufig nicht in der Unternehmensphilosophie verankert, was wiederum darauf hindeutet, dass die Bedeutung von Gesundheit für die Leistungsfähigkeit noch nicht erkannt wurde.

Ähnliche Ergebnisse brachte eine quantitative Studie, die von Bechmann et al. durchgeführt und im IGA-Report 20 (2011) veröffentlicht wurde. Für diese erfolgte eine Befragung von 500 deutschen Betrieben des produzierenden Gewerbes mit einer Größe zwischen 50 und 499 Angestellten. Im Fokus der Untersuchung standen die Motive und Hemmnisse für BGM. Befragt wurden jeweils Geschäftsführende, der Personalleitende oder Verantwortliche für BGM. Dabei gab nur ca. ein Drittel (36 %) der Unternehmen an, aktuell BGM durchzuführen. Unter diesen und jenen, die aktuell die Einführung von BGM planen, wurden die Hürden abgefragt, die die Teilnehmenden im Zusammenhang mit seiner Einführung oder Umsetzung wahrnahmen. Diese liegen insbesondere im ‚Vorrang des Tagesgeschäfts‘ (61 %), ‚fehlenden Ressourcen für BGM‘ (56 %), ‚fehlendem Wissen über die Umsetzung‘ (38 %) und fehlendem ‚persönlichen Engagement‘ (37 %). In einigen Fällen ist auch die Umsetzung zu kostspielig (34 %), es mangelt an ‚Wissen über externe Unterstützung‘ (33 %) oder ‚Motivation der Belegschaft‘ (33 %) sowie ‚Wissen zu Anbietern‘ (29 %). In nur 23 % der Unternehmen besteht ein Hindernis im unbekannten Bedarf von BGM (23 %) oder in der ‚mangelnden Unterstützung des Betriebsrates‘ (11 %; ebd.). Um die Hürden zu überwinden, wünschen sich Unternehmen vor allem Hilfestellung, um Wissensdefizite auszugleichen. Von den Betrieben wünschen sich 59 % ‚gute Beispiele anderer Unternehmen‘ sowie mehr ‚Informationen über steuerliche Vorteile‘ (56 %) und den ‚betriebswirtschaftlichen Nutzen‘ (48 %) (ebd.).

Auch Theresa Moll (2019) widmete sich im Rahmen des InnoSÜD-Teilprojektes den Schwierigkeiten bei der Umsetzung von BGM. Die quantitative Untersuchung basiert auf einer Online-Befragung von 281 Unternehmen in der Region des Hochschulverbandes InnoSÜD. Als maßgebliche Hindernisse wurden begrenzte Ressourcen, Widerstände bei den eigenen Führungskräften und fehlende Informationen bzw. fehlendes Wissen über bestehende Angebote und Fördermittel identifiziert.

Im Rahmen einer quantitativen Studie erforschten Ansmann et al. (2012) den Einfluss von Betriebsstrukturen auf BGM. Anhand einer telefonischen Befragung von 522 leitenden Managern aus Unternehmen der Informationstechnologie und Telekommunikation wurden unter Nutzung bivariater Analysen und multivariater logistischer Regressionsanalysen förderliche Faktoren identifiziert. Darunter fällt einerseits die Unternehmensgröße, die positiv mit der Umsetzung von BGM korreliert, und andererseits das Bestehen einer Interessenvertretung der Beschäftigten. Insgesamt lässt sich hinsichtlich betrieblicher Strukturen nur teilweise ein Einfluss auf das Vorhandensein von BGM nachweisen. Diese Erkenntnisse wurden durch eine systematische Datenbankrecherche von Faller (2018) zum Einfluss der Betriebsstruktur auf die Umsetzung von BGM bestätigt. Dabei wurden 16 Literaturquellen untersucht, die sich auf 13 Analysen beziehen. Die Studie thematisiert die unterschiedlichen Vorgehensweisen und Fragestellungen, die in der bisherigen Forschung zu unterschiedlichen und teilweise widersprüchlichen Ergebnissen führten. Trotzdem können einige Einflussfaktoren für die Bereitschaft zur Umsetzung von BGM oder BGF identifiziert werden. Darunter fallen die Betriebsgröße, das Vorhandensein einer Beschäftigtenvertretung sowie Probleme bei der Personalrekrutierung, die sich positiv auf die Umsetzung von BGM/BGF auswirken. Der Einfluss weiterer Faktoren, wie der Branchenzugehörigkeit, der Regionalität bei mehreren Standorten oder des wirtschaftlichen Drucks, bleiben unklar.

Eine quantitative Studie von Winter, Orthmann und Reichel (2015) untersucht die Akzeptanz der DIN SPEC 91020. Das Studiendesign umfasst eine repräsentative Online-Befragung (n = 95), die durch leitfadengestützte Experteninterviews mit Führungskräften privater und öffentlicher-rechtlicher bayerischer Unternehmen ergänzt wurde. Die zentralen Erkenntnisse verdeutlichen, dass die DIN SPEC 91020 in der Praxis unabhängig von Betriebsgröße und Entwicklungsstand des BGM kaum akzeptiert wird. Vielmehr wird der Wunsch nach einfachen und individuell zugeschnittenen BGM-Lösungen deutlich. Eine Zertifizierung wird höchstens aus Gründen der Öffentlichkeitswirksamkeit angestrebt.

Hallersleben veröffentlichte 2015 eine Fallstudie, die durch die Anwendung eines Methoden-Mix die Auswirkungen von institutionellen und kulturellen Bedingungen im Betrieb sowie soziale Barrieren im Zusammenhang mit BGM untersucht. Das Studiendesign umfasste die Dokumentenanalyse von vier Gesundheitsworkshops, teilnehmende Beobachtungen von Sitzungen des Lenkungsausschusses sowie leitfadengestützte Experteninterviews und Gruppendiskussionen mit den Mitarbeitenden (n = 24). Die Ergebnisse machen deutlich, dass insbesondere in der Anfangsphase von BGM das bloße Potenzial der Maßnahmen nicht genügt. Für die Legitimierung von BGM sind sichtbare Erfolge von Bedeutung. Diese wiederum lassen sich leichter durch individuelle als durch organisationale Interventionen erreichen. Hallersleben (2015: 336) postuliert: „Organisationsbezogene Interventionen sind komplex, politisch brisant, ein mit Fallstricken und Fußangeln durchzogenes Terrain, das man vielerorts lieber meidet.“

Eine quantitative Studie von Hillert, Koch und Voderholzer (2012) fokussiert die Ebene individueller Widerstände und untersucht die Nutzung und Akzeptanz von BGM-Angeboten von psychosomatisch erkrankten Beschäftigten. Befragt wurden 133 Patienten und Patientinnen der medizinisch-psychosomatischen Schön Klinik Roseneck, die zumeist unter Depressionen litten. Von den Teilnehmenden wies ca. die Hälfte eine erhebliche Distanz zum Arbeitgebenden auf. Da sie „u. a. primär nicht auf das Mitarbeiterwohl gerichtete Interessen und einen problematischen Umgang des Arbeitgebers mit der Schweigepflicht unterliegenden Daten“ vermuteten, nahmen sie nicht an BGM-Angeboten teil (ebd.).

Weitere individuelle Faktoren, die deren Nutzung beeinflussen, wurden im Rahmen einer quantitativen Studie von Dietrich et al. (2014) identifiziert. Sie umfasste schriftliche Befragungen im Erhebungszeitraum von Januar 2010 bis April 2011. Die gewichtete Stichprobe beinhaltete Pflegeeinrichtungen (n = 319) in Bayern, in denen je zehn Angestellte befragt wurden. Die Rücklaufquote der Fragebögen lag bei 73,2 % (n = 805 ausgefüllte Fragebögen). Die Befragungsdaten wiesen auf eine hohe positive Korrelation zwischen der regelmäßigen Nutzung von BGM-Angeboten und dem Alter der Befragten, der Möglichkeit zur Anrechnung auf die Arbeitszeit sowie den Arbeitsinhalten und dem damit verbunden Zeitdruck auf. Männliche Mitarbeiter nutzen die Angebote signifikant weniger. Die Varianzaufklärung des Modells liegt bei 28 %.

Im Rahmen einer Sekundäranalyse der Daten einer „Wiederholungsbefragung bei Führungskräften zur Betrieblichen Gesundheitsförderung im öffentlichen Dienst in Hessen und Thüringen“ (Gröben/Wenninger 2006a) analysierten Gröben und Wenninger (2006b) den Einfluss der Qualität von Maßnahmen aus dem Bereich ‚Sport und Bewegung‘. Im Zuge der ersten Befragungswelle (1999) wurden 356 öffentliche Einrichtungen befragt, bei der Wiederholungsbefragung waren es 153 (2004). Die Ergebnisse ließen Rückschlüsse auf die Faktoren zu, die die Akzeptanz von Mitarbeitenden und Führungskräften gegenüber den BGF-Maßnahmen fördern. Besonders relevant sind an dieser Stelle die hohe Qualität der Gesundheitsförderung sowie die nachweisbare Wirksamkeit. Weitere Erfolgsfaktoren sind bedürfnisorientierte Programme, eine qualifizierte Durchführung sowie Qualitätssicherung. Essenziell ist auch die Integration von BGF-Maßnahmen in ein Gesundheitsmanagement, das die Langfristigkeit der Angebote sicherstellt. Punktuelle Angebote sind nicht nur unwirksam, sie bergen auch die Gefahr einer Diskreditierung und Delegitimierung der gesamten Gesundheitsförderung. Obwohl die Untersuchung BGF fokussiert, sind ebendiese häufig Teil eines BGM-Systems. Daher ist davon auszugehen, dass die Ergebnisse auch auf BGM übertragbar sind.

Eine Sekundäranalyse von vier Fallstudien aus einem bundesweiten Modellprojekt der Gewerkschaft ver.di brachte weitergehende Erkenntnisse hinsichtlich der Erfolgsfaktoren von BGM. Laut Walter (2007) muss das Topmanagement BGM als Führungsaufgabe verstehen, um eine erfolgreiche Umsetzung zu ermöglichen. Wesentlich ist ebenso eine Kombination aus Top-down- und Bottom-up-Prozessen. Weitere Faktoren betreffen präzise, messbare Ziele sowie Ressourcenplanung und -bereitstellung. Positiv wirkt sich auch eine schriftliche Fixierung durch eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung sowie ein Steuerungsgremium und professionelle Prozessbegleitung aus. Die Qualifikation und Kompetenzen der handelnden Akteure beeinflussen den Erfolg von BGM ebenso wie externe Unterstützung durch Kostenträger. Essenziell ist weiterhin die Institutionalisierung, die BGM unabhängig von organisationalen Restrukturierungen und personellen Wechseln macht.

Badura und Steinke veröffentlichten 2009 die Zustandsanalyse Betrieblicher Gesundheitspolitik in der Kernverwaltung von Kommunen, die auf einer qualitativen Studie basierte. Durchgeführt wurde sie anhand von 19 leitfadengestützten Experteninterviews, die jeweils durch einen schriftlichen Fragebogen quantitativ angereichert und anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring ausgewertet wurden (Mayring 2010). Die Ergebnisse der Analyse attestierten der Betrieblichen Gesundheitspolitik erhebliche Verbesserungspotenziale. Zur Steigerung der Legitimität schlagen die Autoren die gemeinsame Diskussion und Entscheidung von Maßnahmen (z. B. innerhalb eines Gremiums) vor. Relevant für den Erfolg sind auch Machtpromotoren, Expertise und qualitativ hochwertige Interventionen sowie ausreichende Dateninfrastruktur und die Integration der Betroffenen.

Eine Studie von Menzel et al. (2015) bestätigte diese Ergebnisse. Die quantitative Untersuchung mit standardisierten Befragungen in 31 Unternehmen im Prä-post-Vergleich (n = 2471 Mitarbeitende) wurde mit telefonischen Interviews (n = 19 Verantwortliche) angereichert und anhand deskriptiven Statistiken, Chi²-Tests, McNemar- sowie Wilcoxon-Mann-Whitney-Tests ausgewertet. Die Ergebnisse zeigten auf, dass Betriebe, die die Bedürfnisse der Belegschaft berücksichtigten, erfolgreich Teilnehmer gewinnen konnten. Die Integration der Zielgruppe stellt folglich einen wesentlichen Erfolgsfaktor dar.

Im Jahr 2017 veröffentlichten Hamacher et al. eine qualitative Studie, die auf der Evaluation eines BGM-Projektes basiert. Im Zuge von 15 Experteninterviews, die anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (Mayring 2010) ausgewertet wurden, identifizierten die Forschenden Gründe für die Verzögerung bzw. den Nicht-Abschluss von Meilensteinen im BGM. Diese bezogen sich insbesondere auf die fehlende Bereitstellung wesentlicher Ressourcen, unklare Rahmenbedingungen sowie mangelnde Unterstützung des Managements und unterstützen damit die Ergebnisse weiterer Studien zu den Hindernissen bei BGM, die oben bereits dargestellt wurden. Die Autoren hielten auch förderliche Faktoren fest. Darunter fällt das Engagement der Projektteilnehmer/-innen, der Einsatz eines Gesundheitsmanagers, die Installation eines Arbeitskreises Gesundheit und die wissenschaftliche Unterstützung durch die TU Darmstadt. Im Zuge der Forschungsarbeit wurde auch eine Stakeholder-Analyse durchgeführt, die die unterschiedlichen Anspruchsgruppen von BGM erfasst und anhand ihres Machtpotenzials und der Legitimität ihrer Ansprüche klassifiziert. Dabei wird deutlich, dass besonders Führungskräfte, Controlling und Betriebsrat über ein großes Machtpotenzial verfügen, während die Beschäftigten, die die eigentliche Zielgruppe darstellen und legitime Ansprüche erheben, weniger Machtpotenzial aufweisen.

Im Rahmen eines Praxisforschungsprojektes in einem Großunternehmen untersuchten Auerbach et al. (2018) die Anschlussfähigkeit von BGM-Projekten. Verwendet wurde eine Vielzahl unterschiedlicher Methoden, wie Einzel- und Gruppeninterviews mit Mitarbeitenden und Führungskräften aller Berufsgruppen und Hierarchieebenen, SWOT-Analysen des BGM, der Erarbeitung einer Strategielandkarte und einer Mitarbeitenden-Befragung. Relevante Erkenntnisse lagen zum Beispiel in der Legitimierung von BGM durch die verwendeten Begrifflichkeiten. ‚Gesundheit‘ findet weniger Anklang als ‚Gesundheit und Leistungsfähigkeit‘, was auf die wirtschaftliche Perspektive des Managements hindeutet. Die Evidenz bzgl. Wirksamkeit von BGM scheint bei der Umsetzung zweitrangig, relevanter ist der spezifische Nutzen von BGM für das eigene Unternehmen (z. B. Return on Investments [ROI], Unternehmenskultur).

2.4.2. Ableitung des Forschungsvorhabens

Werden die bisherigen Studien zu BGM betrachtet, wird deutlich, dass die Legitimierung zwar eine herausragende Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung von BGM spielt und Legitimitätsdefizite schwerwiegende Folgen haben. Trotzdem beziehen sich die Forschungsfragen der Untersuchungen nur auf Themen an der Schnittstelle zur Legitimität. Auch die verschiedenen Anspruchsgruppen, die in Bezug auf differierende Machtressourcen einen großen Einfluss auf die Handlungsfähigkeit und das Bestehen von BGM haben, finden in der bisherigen Forschung kaum Berücksichtigung. Insgesamt entsteht der Eindruck, Erkenntnisse zur Legitimierung von BGM entsprächen eher einem Nebenprodukt anderer Forschungsarbeiten zu BGM. Fragen über den Verlauf der Legitimierung oder Delegitimierung von BGM bleiben bisher unbeantwortet. Das Auftreten von Legitimitätsdefiziten sowie die Hintergründe hinsichtlich der verschiedenen Anspruchsgruppen sollen daher im Fokus der vorliegenden Arbeit stehen.

Ziel der Untersuchung ist das Erlangen tiefergehender Erkenntnisse hinsichtlich des Phänomens, das im Mittelpunkt des Interesses steht, sowie relevanter Einflussfaktoren. Für die Umsetzung des Forschungsvorhabens sollen folgende Fragestellungen wegweisend sein:

FF1: Welche Faktoren verursachen oder begünstigen Legitimitätsdefizite in Bezug auf BGM?

FF2: Wie kann die Legitimität von BGM in der Organisation gesteigert werden?

Um die Beantwortung der Fragen zu ermöglichen, wurde ein Forschungsdesign erarbeitet, das die Erhebung der notwendigen Daten ermöglicht. Dieses wird im folgenden Abschnitt dargestellt.

3. Methodisches Vorgehen

Nach den theoretischen Erläuterungen wendet sich dieses Kapitel der ausführlichen Darstellung der methodischen Umsetzung zu. Der Untersuchungsgegenstand sowie die gewählte Fragestellung verlangen nach einem qualitativen Forschungsdesign, dessen Merkmale und Besonderheiten nachfolgend dargelegt werden. Es folgt die Darstellung der Methode der Grounded Theory, an der sich der gesamte Forschungsprozess im Wesentlichen orientiert. Darauf aufbauend wird die Erhebungsmethode der leitfadengestützten Interviews vorgestellt und es werden deren Chancen und Grenzen formuliert. Den Kern des methodischen Vorgehens bilden die detaillierten Ausführungen zur konkreten Vorgehensweise bei der Datenerhebung und -auswertung, die durch eine gründliche Argumentation legitimiert werden soll. Den Abschluss bildet die Darlegung und Anwendung qualitativer Gütekriterien, die die Einordnung der Qualität der Forschungsergebnisse ermöglichen sollen.

3.1. Qualitativer Forschungsansatz

Quantitative Analysen ermöglichen die Formulierung allgemeingültiger Zusammenhänge, indem sie Kausalitäten bestimmen, theoretische Zusammenhänge operationalisieren und Phänomene mess- und quantifizierbar. Dem gegenüber steht die qualitative Forschung, die entsprechend ihrer Beschaffenheit vorwiegend in den Sozialwissenschaften Anwendung findet. Sie ersetzt Repräsentativität und Standardisierung durch Reichhaltigkeit, Offenheit, Breite, Detaillierung sowie Expertise und verfolgt das Ziel, die zu betrachtenden Gegenstände „in ihrer Komplexität und Ganzheit in ihrem alltäglichen Kontext“ zu erfassen (Flick 2007: 30). Dabei ist sie bestrebt, „Lebenswelten von innen heraus aus der Sicht der handelnden Menschen zu beschreiben“, indem sie den Fokus auf Abläufe, Deutungsmuster und Strukturmerkmale richtet (Flick et al. 2017: 14).

Die qualitative Perspektive eignet sich für diese Arbeit insbesondere, da Legitimität im Kontext von BGM bisher kaum erforscht wurde. Folglich geht es bei der Erschließung dieses Forschungsgebietes im ersten Schritt um das Verstehen und die Rekonstruktion der Legitimitätssituation um BGM. Dabei können die Stärken eines qualitativen Ansatzes genutzt werden. Dieser ermöglicht z. B. die Ausarbeitung eines möglichst konkreten und plastisch gezeichneten Bildes des zu betrachtenden Gegenstandes (Flick 2007). Ein weiterer praktischer Vorteil besteht in der Offenheit der qualitativen Forschung, die sich einerseits auf eine methodische Vielfalt und andererseits auf die Wahl des Forschungsfeldes bezieht. Dadurch kann Forschung, je nach verfügbaren Ressourcen und Zugängen des Forschenden, im großen oder kleinen Stil stattfinden (ebd.).

3.2. Grounded Theory

Mit dem Ziel der datenbasierten Theoriegenerierung eignet sich ein Forschungsstil, der auf der Grounded Theory Methodology basiert. Diese entspricht einer Art Verfahrensanleitung, die einige Grundsätze der Forschungsarbeit festsetzt, gleichzeitig aber methodischen Freiraum gewährt (Strübing 2014: 457). Sie wurde von Barney Glaser und Anselm Strauss (1967) entwickelt, deren Verständnis sich aber in einigen Punkten unterschied (Strübing 2011). Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Version von Anselm Strauss, die bis heute von verschiedenen Forschern fortgeführt und weiterentwickelt wird. Die Grounded Theory verfolgt das Ziel der Theoriebildung und beinhaltet dafür eine Reihe von Verfahrensvorschlägen, die im Forschungsprozess flexibel angepasst werden können (Strauss 1991: 33). Zentral für das einzelanalytische Verfahren ist die Parallelisierung von Datenerhebung, -analyse und -auswertung, die die lineare Reihenfolge der Arbeitsschritte aufbricht und den einzelnen Tätigkeiten erlaubt, sich gegenseitig produktiv zu beeinflussen. Auch das Sampling wird erst im Zuge dieses Prozesses spezifiziert und festgesetzt. Aufgrund dessen ermöglicht dieses Vorgehen bereits nach der Analyse des ersten Falls, Aussagen über den Forschungsgegenstand zu treffen. Entsprechend bedeutsam ist auch die Auswahl des ersten zu analysierenden Falls, der den Beginn des Forschungsprozesses maßgeblich beeinflusst. Vor deren Hintergrund der abduktiven Theoriegenerierung kommt auch der kreativen Eigenleistung des Forschenden eine bedeutende Rolle zu. Um kreative Verstrickungen zu verhindern, bietet sich an dieser Stelle eine Zusammenarbeit mit anderen Forschenden an, die sich gegenseitig ergänzen und begrenzen können (ebd.: 68 ff.).

Ziel der Grounded Theory ist die Lösung eines Problems durch die Bildung einer Theorie, die Ursachen, Kontextfaktoren und Strategien einschließt. Die vorliegende Forschungsarbeit dreht sich um das Phänomen des Legitimitätsdefizites in Bezug auf BGM innerhalb einer Institution. In Anbetracht der ökonomischen und sozialen Chancen, die BGM für die verschiedenen Anspruchsgruppen bereithält, ist es dringend nötig, sich mit auftretenden Legitimitätslücken konstruktiv auseinanderzusetzen. Eine Theorie über die Legitimierung von BGM soll zur Aufklärung der Legitimitätskrisen beitragen, relevante Faktoren abbilden und Legitimierungsstrategien identifizieren, um auf diesem Weg zu einer praktischen Problemlösung beizutragen.

Während des Forschungsprozesses folgte die Autorin dieser Arbeit Strauss‘ Empfehlung, Forschung als kollektiven Prozess zu organisieren, indem sie sich kontinuierlich mit den Personen ihres direkten Umfeldes über die aktuellen Schritte austauschte (ebd.: 68 ff.). In den Phasen der Auswertungsarbeit wurden auch immer wieder Mitstudierende sowie andere Forschende konsultiert.

3.3. Leitfadengestützte Interviews

Legitimität ist ein Phänomen, das – in Bezug auf die gestellte Forschungsfrage – innerhalb eines Systems stattfindet, von außen aber schwer zu fassen ist. Interviews mit Subjekten innerhalb dieses Systems sollen den Zugang zu relevanten Erkenntnissen über das Forschungsgebiet eröffnen. Durch ein erweitertes Verständnis und die Interpretation von Erlebtem und Wahrgenommenem der Befragten kann ein tiefergehendes Verständnis für die Legitimität von BGM geschaffen werden, das es erlaubt die relevanten Einflussfaktoren für die Legitimität zu identifizieren und mögliche Wechselbeziehungen aufzudecken.

Die Wahl des Erhebungsinstrumentes fiel auf leitfadengestützte Interviews. Auf diese Weise kann sichergestellt werden, dass alle für das Untersuchungsobjekt relevanten Aspekte abgebildet werden und den Befragten gleichzeitig genug Raum bleibt, um eigene Perspektiven und individuelle Bewertungen zum Ausdruck zu bringen.

Die Einzelinterviews konzentrieren sich auf BGM-Beauftragte, die als Angestellte oder beratende Personen das BGM in einer Organisation gestalten und daher über einen reichhaltigen Erfahrungsschatz sowie einen guten Überblick über die Einstellungen und Prozesse verfügen. Fragen zu den Anspruchsgruppen von BGM sowie deren Erwartungen und die Thematisierung von Widerständen und Erfolgen im BGM-Prozess dienen dazu, die Wahrnehmungen und Erfahrungen bezüglich des Untersuchungsgegenstandes zu erfassen.

Vor dem Hintergrund großer Distanzen zwischen den Befragungsteilnehmern werden telefonische Interviews als attraktive Alternative gegenüber Face-to-Face-Befragungen bevorzugt. Aufgrund der fortschreitenden Veralltäglichung telefonischer und digitaler Kommunikation werden hierdurch keine negativen Effekte erwartet.

Um im systematischen Befragungsprozess eine höchstmögliche Transparenz und Objektivität zu erlangen, wird ein regelgeleitetes Verfahren auf Basis der Grounded Theory verfolgt (Strauss 1991). Zusätzlich findet eine ausführliche Verfahrensdokumentation statt (Lamnek/Krell 2016: 40 ff.).

3.4. Forschungsfeld und theoretisches Sampling

Im Rahmen der Auswahl des Forschungsfeldes fand die Methode des ständigen Vergleichens Anwendung, die darauf abzielt, Erkenntnisse aus beobachteten Übereinstimmungen und Differenzen zu gewinnen (Strübing 2014: 463 f.). Angewandt auf das Phänomen der Legitimierung von BGM bedeutet das neben Fällen von Legitimitätsdefiziten auch die Analyse von Fällen, in denen das BGM Legitimation erfährt. Beim Vergleich der Phänomene von Legitimitätszusprechung und Delegitimierung sowie den jeweiligen Kontexten können Unterschiede identifiziert werden, denen legitimierungsrelevante Faktoren zugrunde liegen. Die minimale Kontrastierung ermöglicht durch die Analyse weiterer homogener Fälle die Identifikation stabiler Ausprägungen, die wiederum grundlegend für die Entwicklung des theoretischen Kernkonzeptes sind. Weitere heterogene Vergleiche liefern Hinweise auf die Reichweite des jeweiligen Konzeptes sowie dessen Geltungsbereich. Die Ergebnisse aus den Vergleichen bilden das Fundament der Theoriebildung, die das Kernelement der Grounded Theory darstellt (ebd.: 463 f.).

Um ausschlaggebende Faktoren für die Legitimierung hervorzubringen, werden sowohl Situationen der Legitimierung als auch der Delegitimierung hinterfragt und in ihren jeweiligen Kontexten miteinander vergleichen. Das theoretische Sampling der Forschungsarbeit wurde gemäß der Grounded Theory zu Beginn nur grob skizziert und erst im weiteren Verlauf spezifiziert. Der Datenerhebung liegt eine nicht probabilistische Stichprobenstrategie zugrunde, um eine möglichst umfassende inhaltliche Bandbreite des Forschungsgebietes abzubilden (Flick 2007). Befragt wurden einerseits Mitarbeitende, die in ihrem Unternehmen BGM umsetzen und dort sowohl strategisch als auch operativ eingebunden und verantwortlich sind. Diese Beschäftigten, die im Folgenden BGM-Beauftragte genannt werden, haben tiefgehende Kenntnisse bezüglich des internen BGM-Prozesses und wissen auch von möglichen mikropolitischen Prozessen in diesem Zusammenhang. Andererseits besteht die Gefahr von Betriebsblindheit und mangelnder Objektivität, da diese Personen selbst Teil des Unternehmens sind. Um diese Erkenntnislücke zu schließen, werden auch externe Beratende befragt, die Organisationen bei der Umsetzung von BGM unterstützen. Diese spezifische Gruppe wird im Weiteren als ‚BGM-Beratende‘ bezeichnet. Sie verfügen zwar über weniger betriebsspezifisches Wissen, haben dafür aber einen objektiveren Blick auf die Situation im Unternehmen.

Um zu prüfen, ob die Teilnehmenden hinsichtlich des definierten Forschungsziels für die Befragung geeignet sind, wurden einige Kriterien aufgestellt, die sowohl die befragte Person, als auch das BGM der Institution betreffen. In Bezug auf die Institution selbst wurden kaum Einschränkungen bezüglich Größe oder Branche festgesetzt, da BGM immer auf der Ebene kleiner Organisationseinheiten (z. B. Abteilungen) stattfindet. Die Größe eines Unternehmens hat zwar einen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit, dass BGM durchgeführt wird (Ansmann et al. 2012; Faller 2018), jedoch ist zu vermuten, dass die Unternehmensgröße nur wenig Einfluss auf Legitimität und Wahrnehmung seitens der verschiedenen Anspruchsgruppen hat. Lediglich Konzerne werden an dieser Stelle aufgrund ihres differierenden Organisationsgefüges ausgeschlossen. Auch BGM-Beauftragte kommunaler Organisationen kommen als Interviewte infrage. Der Begriff ‚BGM-Verantwortliche‘ soll im Text beide Befragungsgruppen adressieren.

Um ihre fachliche Eignung und die Qualität des BGM-Prozesses im Unternehmen sicherzustellen, müssen alle Befragten über eine BGM-spezifische Qualifikation (Studium, Weiterbildung etc.) verfügen. Zusätzlich sollten sie mindestens ein Jahr Erfahrung in ihrem aktuellen Arbeitsumfeld als BGM-Verantwortliche haben. Nur dann besitzen sie die nötigen Kenntnisse zu unternehmensinternen Prozessen des BGM und können Auskunft über legitimitätsrelevante Aspekte geben. Um länderspezifische Einflüsse auszuschließen, begrenzt sich die Datenerhebung auf Deutschland. Hinsichtlich des Alters, des Geschlechts, der Herkunft, des beruflichen Hintergrunds oder der Position im Unternehmen werden keine Eingrenzungen vorgenommen. Die Diversität zwischen den Befragten wird als Chance zu weiterführendem Erkenntnisgewinn gesehen.

Betreffend des BGM-Prozesses in einem Unternehmen wird geprüft, ob es sich tatsächlich um BGM handelt, das prozesshaft aufgebaut ist und über Gesundheitsförderung hinausgeht (siehe Abschnitt 2.3.1.). Im Ergebnis des BGM besteht explizit kein Ausschlusskriterium, da dieser einerseits schwer zu definieren ist und andererseits der Erfolg oder Misserfolg an sich Rückschlüsse auf die Legitimität von BGM in diesem Unternehmen zulässt. Aufgrund der Individualität der Institutionen (Kultur, Ziele, Umfeld etc.) bestehen keinerlei Einschränkungen bezüglich der konkreten Ausgestaltung des BGM.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle2: Übersicht über die durchgeführten Einzelinterviews (n = 10; Quelle: eigene Darstellung)

Um für den ersten zu analysierenden Fall eine möglichst hohe Erkenntnisdichte zu gewährleisten, wurde eine Beraterin ausgewählt, die der Autorin dieser Arbeit schon im Vorfeld von einigen Erfahrungen mit Legitimitätskrisen im BGM berichtet hat. Mit diesem Interview (A) begann sowohl die Datenerhebung als auch der Auswertungs- und Analyseprozess. Die Datenerhebung endete, als eine relative – im Rahmen dieser Forschungsarbeit mögliche – theoretische Sättigung erreicht war und kein zusätzlicher Erkenntnisgewinn durch weitere Befragungen abzusehen war. Insgesamt wurden im Zeitraum vom 29.01. bis 06.04.2020 zehn Einzelinterviews mit fünf externen Beraterinnen und vier internen BGM-Beauftragten durchgeführt; eine Probandin erfüllte beide Rollen. Alle Teilnehmenden erfüllten die oben genannten Kriterien (siehe Tabelle 2).

Aufgrund der teilweise engen Zeitplanung innerhalb der Befragungsphase wurden die Interviews in vier Analysewellen transkribiert und ausgewertet. Tabelle 2 zeigt eine Übersicht über die geführten Interviews.

3.5. Planung und Durchführung der Interviews

Im folgenden Abschnitt werden die verschiedenen Aspekte der Planung und Durchführung der Interviews thematisiert, darunter der Feldzugang, die Erstellung des Leitfadens sowie die Details der Datenerhebung selbst. Abschließend wird das gewählte Transkriptionsverfahren kurz erläutert und die geführten Interviews werden reflektiert.

3.5.1. Feldzugang und Akquise der Interviewten

Der Feldzugang erfolge durch ein Empfehlungssystem, das über private und berufliche Kontakte startete, die jeweils weitere Zugänge ermöglichten (Przyborsky/Wohlrab-Sahr 2008). Um die Datenqualität zu erhöhen, wurden keine (ehemaligen) Kolleginnen und Kollegen oder Personen aus dem Freundeskreis befragt, bei denen systematische Verzerrungen durch Einflüsse der Befragungssituation (Intervieweffekte) äußerst wahrscheinlich wären (Glantz/Michael 2014).

Der Zugang über soziale Kontakte zum Feld verlief vielversprechend. Die erste Kontaktaufnahme war meist telefonisch und schaffte sofort ein gewisses Vertrauensverhältnis. Die Teilnehmer zeigten großes Interesse an der Forschungsarbeit und baten teilweise auch um die Information über die Forschungsergebnisse. Alle (empfohlenen) Kontakte erklärten sich zu einem Interview bereit. Die Freiwilligkeit der Befragten war in diesem Prozess von großer Bedeutung. Die Probandinnen und Probanden wurden über die Aufzeichnung und Dokumentation der Interviews aufgeklärt und stimmten dieser schriftlich zu. Nach der Transkription erhielt der jeweilige Teilnehmende die Chance, das Transkript zu überprüfen. Einige Teilnehmende äußerten Bedenken zur Preisgabe sensibler Informationen; diese konnten aber schnell aufgelöst werden, da alle Daten vertraulich behandelt und die Interviews anonymisiert wurden. Zwei Probanden bestanden darauf, die Interviewfragen zu erhalten, wodurch sie einen groben Überblick zu den Befragungsthemen erhielten.

Die gewählte Akquise-Methode birgt die Gefahr einer gewissen Homogenität durch ähnliche berufliche und soziale Hintergründe. So haben acht der neun Befragten eine Weiterbildung zum systemischen Prozessberatenden für BGM an der TH Deggendorf absolviert. Trotzdem wurde darauf geachtet, dass die Interviewten möglichst aus verschiedenen Branchen kommen und auch durch unterschiedliche Umfelder und Netzwerke geprägt wurden. Da die Akquise über soziale Netzwerke (z. B. Xing) und direktes Nachfragen bei Unternehmen ohne vorherigen Zugangskontakt keinen Erfolg brachte, muss diese methodische Einschränkung hingenommen werden.

3.5.2. Interviewleitfaden

Für die teilstrukturierten Interviews mit internen und externen BGM-Beauftragten werden jeweils Leitfäden als Interviewinstrument genutzt (Bortz/Döring 2016: 359). Offene Interviewfragen sollen möglichst reichhaltiges verbales Rohmaterial generieren und gemäß dem Prinzip der Offenheit die Identifikation von unerwarteten Aspekten ermöglichen. Auf diesem Weg wird auch die Gegenstandsangemessenheit des Vorgehens bei der Datenerhebung gesichert (ebd.: 26).

Die Interviewleitfäden werden anhand der SPSS-Methode zur Leitfadenerstellung konzipiert (ausführlich: Helfferich 2011: 178 ff.) und anhand von zwei Pre-Tests auf ihre Eignung geprüft und spezifiziert. Im Zuge der Datenerhebung wurden immer wieder kleinere Anpassungen an den Leitfäden durchgeführt. Die Operationalisierung der Leitfragen erfolgt anhand theoretischer und empirischer Vorkenntnisse. Von Relevanz ist hierbei die Erfassung der Legitimitätssituation von BGM im jeweiligen Kontext. Zur Operationalisierung eignen sich die Anzeichen von Legitimitätsdefiziten (Hindernisse, Widerstände etc.) und Legitimation (Erfolg, Akzeptanz etc.), die vor dem Hintergrund des jeweiligen Kontextes Auskunft über die Legitimierung des BGM geben. Ebenso lassen sich Legitimierungsstrategien und Einflussfaktoren für die Legitimität identifizieren.

Den Empfehlungen folgend umfassen die Leitfäden jeweils eine Ein- und Ausstiegsfrage, fünf bis sieben Hauptfragen sowie Nachfragen. Sensible Fragen werden gegen Ende des Interviews gestellt, wenn bereits eine möglichst vertrauensvolle Gesprächsatmosphäre herrscht (Helfferich 2014: 565 ff.). Teilweise wird explizit nach der Einschätzung gegenüber dem BGM in anderen Unternehmen gefragt, um eine gewisse Distanz zum eigenen Mitwirken zu schaffen und dadurch eine größere Offenheit zu erlangen. Die Fragen beziehen sich auf die übergeordneten Themen: Anspruchsgruppen von BGM, Erwartungen, Hindernisse und Widerstände sowie Legitimierungsstrategien. Einfache, präzise und alltagsnahe Formulierungen erleichtern die Gesprächsführung sowie die Akzeptanz bei den Probanden (Lück/Landrock 2014: 403 ff.). Die Interviewdauer soll ca. 30–45 Minuten umfassen, um sowohl Raum für einen Gesprächsfluss zu gewähren als auch Ausschweifungen abseits des Interviewziels zu minimieren.

3.5.3. Datenerhebung

Die Entscheidung, die Interviews hauptsächlich telefonisch zu führen, ist in der räumlichen Verteilung der Probanden in ganz Deutschland begründet. Sie ermöglichte aber auch einen niedrigschwelligen Zugang, da die Befragten zum Teil auch während ihrer Arbeitszeit interviewt werden konnten. Bei dem Telefonat wurde zuerst durch alltägliche Gesprächsthemen ein möglichst natürliches und vertrauensvolles Gesprächsumfeld kreiert, bevor das Interview mit einer kurzen Instruktion begann. Im Zuge der Instruktion wurden die Teilnehmer über die Anonymisierung der Daten sowie deren vertrauliche Behandlung aufgeklärt und erhielten die Möglichkeit, im Vorfeld des Interviews noch Fragen zu stellen.

Das Gespräch wurde mithilfe einer Handy-App aufgezeichnet, nachdem die Befragten dem ausdrücklich zugestimmt hatten.

Während des Interviews hielt sich die Forschende im Gespräch weitestgehend zurück und ermöglichte den Befragten, ihre Gedanken und Erfahrungen zu den jeweiligen Themen umfassend darzulegen. Durch aktives Zuhören wurde der Gesprächsfluss des Gegenübers unterstützt, ohne ihn in eine Richtung zu manipulieren. Bedeutsam für den Erkenntnisgewinn eines Interviews erwies sich auch das Zulassen von Gesprächspausen, die dem Befragten Zeit zum Nachdenken gaben und denen meistens noch weitere inhaltliche Ausführungen folgten. Durch die ruhige und neutrale Interviewführung konnten Intervieweffekte weitestgehend vermieden werden (Glantz/Michael 2014).

Nach einem herzlichen Dank am Ende des Interviews folgte noch eine kurze Einschätzung der Interviewsituation durch die Probanden.

Von den Aufnahmen wurden einfache Transkripte nach den Transkriptionsregeln von Kuckartz et al. (2008) angefertigt. Zur besseren Verständlichkeit der Texte wurden Laute des aktiven Zuhörens (Hm, ja, etc.) nicht in das Transkript aufgenommen. Anschließend hatten die Befragten die Möglichkeit, die Verschriftlichung auf Richtigkeit zu überprüfen, bevor die Datenauswertung erfolgte.

3.5.4. Reflektion der Interviews

In den Interviews wurden zahlreiche erwartete Aspekte genannt, aber auch einige neue Perspektiven eröffnet. Nach jedem Gespräch wurde die Situation in Bezug auf das Handeln im Feld und der Rolle als Interviewerin kritisch reflektiert. Eine Auseinandersetzung mit ungewöhnlichen Verhaltensweisen und etwaigen Einfluss- oder Störfaktoren ermöglichte die Identifikation möglicher Intervieweffekte und führte in einigen Fällen zur Anpassung der Gesprächssituation bei weiteren Interviews. Eine Befragte, die sich während des Gesprächs an ihrem Arbeitsplatz befand, machte den Eindruck, aufgrund informeller Verhaltensregeln oder betrieblicher Zwänge nicht vollkommen offen sprechen zu können. Daraufhin wurden die anderen Probanden gebeten, sich für das Interview an einen geschützten Raum, möglichst zuhause, zu begeben.

Vereinzelt traten Intervieweffekte auf, die sich vor allem auf zögerliche Auskunftsbereitschaft (Eisberg-Effekt) und die Kompensation von Gemütszuständen (Katharsis-Effekt) bezogen (Glantz/Michael 2014). Dies betraf aber nur wenige Situationen, die sich im Laufe des Interviews wieder auflösten. An einigen Stellen reduzierten auch Interviewfehler – vor allem durch das zu schnelle Eingreifen bei Gesprächspausen – das generierte Datenmaterial (Lück/Landrock 2014). Ergänzende Erklärungen bezüglich der Interviewfragen waren kaum nötig, daher kann von einer guten Verständlichkeit und Handhabbarkeit der Fragestellungen ausgegangen werden. Explizite und teilweise ungeplante Nachfragen an den richtigen Stellen erlaubten das Vertiefen angesprochener Themenschwerpunkte und trugen zum weiteren Erkenntnisgewinn bei.

Hervorzuheben ist außerdem die entspannte Atmosphäre während der Gespräche, die einerseits auf den kontaktbezogenen Feldzugang, aber auch auf die telefonische Umsetzung der Interviews zurückzuführen ist. Die Probandinnen und Probanden waren während des Telefonats keinem sichtbaren Aufnahmegerät ausgesetzt und wirkten allesamt offen. Einige Teilnehmende formulierten diese Beobachtung auch im Nachgespräch.

An einigen Stellen wurden relevante Aspekte angesprochen, bei denen die Interviewerin die Möglichkeit verpasst hat, nachzuhaken und dadurch noch tiefergehende Erkenntnisse zu gewinnen.

3.6. Auswertungsstrategie

Die im qualitativen Forschungsprozess gewonnenen Erkenntnisse zeichnen sich durch ein hohes Maß an Reichhaltigkeit, Offenheit, Breite, Detailreichtum und Expertise aus, wodurch sie eine umfassende Beleuchtung des Untersuchungsgegenstandes erlauben (Flick et al. 2017). Das aus den Interviews generierte Datenmaterial in Form von Transkripten wird gemäß der Grounded Theory in drei Schritten ausgewertet (Strauss 1991: 57 ff.).

Beim offenen Kodieren werden die Transkripte auf ihren Erkenntnisgewinn bezüglich des Untersuchungsobjektes hin geprüft und besonders relevante Abschnitte werden detailliert analysiert. Bei einigen besonders komplexen Materialstücken oder beim erstmaligen Erfassen eines Aspekts wird eine Line-by-Line-Analyse angewendet, um mögliche weitere Sinndimensionen des Textes zu erfassen (Strauss/Corbin 1996: 45; Kurt/Herbrik 2014). Resultat dieses Kodiervorgangs ist die Bildung von Konzepten (Strübing 2014: 465 f.). Die Arbeit am Text erfordert in dieser Phase eine besondere theoretische Sensibilität, um die Bedeutung der Daten erfassen und einordnen zu können (Strauss 1991: 54 ff.). Zusätzlich werden immer wieder Vergleiche zu ähnlichen und verschiedenen Phänomenen aus Theorie und Empirie gezogen, wodurch die spezifischen Eigenschaften eines Konzeptes offenbart werden.

Es folgt das axiale Kodieren, das die Frage nach den Ursachen, Kontexten, Bedingungen und Konsequenzen rund um die identifizierten Konzepte in den Mittelpunkt rückt. Durch die inhaltliche Ausgestaltung dieser Kategorien ergeben sich Bedeutungsnetzwerke, die bereits erste Hypothesen betreffend des Untersuchungsgegenstandes ermöglichen (Strübing 2014: 467f). Festgehalten wird dieser Vorgang anhand eines Kodierparadigmas, das alle relevanten Kategorien umfasst (Strauss/Corbin 1996: 78 ff.). Aus den entstandenen Theorie-Miniaturen wird im Zuge des selektiven Kodierens eine in sich konsistente Theorie entworfen. Gefragt sind dabei vor allem Kreativität und eine Entscheidung der Forschenden für ein zentrales Konzept, das sich für die Lösung am besten eignet. Aus der übergeordneten Betrachtung aller Konzepte und Beziehungen wird abschließend eine Theorie entwickelt, mit der Forschende in der Lage sind, die Forschungsfrage zu beantworten (Strauss 1991: 63). Diese fungiert von nun an als übergeordnetes Erklärungsmodell und geht über die Rekonstruktion individueller Sichtweisen hinaus. Um eine möglichst hohe Konsistenz herzustellen, werden die bisherigen Kodierungen an einigen Stellen überarbeitet und es wird eine Rekodierung vorgenommen (Strübing 2014: 468 f.).

Während des gesamten Auswertungs- und Analyseprozesses werden Memos verfasst, sobald etwas Auffälliges, Ungewöhnliches oder Besonderes auftritt. Dieses Vorgehen erleichtert und strukturiert den Prozess der Theoriebildung und dient der Dokumentation der Gedankengänge der Forschenden.

4. Empirische Ergebnisse

In diesem Kapitel werden die Ergebnisse der Datenauswertung dargestellt sowie die daraus generierte Theorie detailliert erläutert.

4.1. Darstellung der Ergebnisse

4.1.1. Ergebnisse aus den einzelnen Kategorien

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Kodierparadigma (Quelle: eigene Darstellung)

Im Rahmen des oben erläuterten Auswertungsprozesses wurde das Datenmaterial analysiert, mit 796 Codes versehen und 76 unterschiedlichen Konzepten zugeordnet. Die dazugehörigen Oberkategorien dienen der Übersichtlichkeit und entsprechen denen des Kodierparadigmas: ursächliche Bedingungen für ein Legitimitätsdefizit, Anzeichen für ein Legitimitätsdefizit, Kontext, Legitimierungsstrategien und Konsequenz. Die Grafik (Abbildung 1) visualisiert die verschiedenen Bereiche des Kodierparadigmas sowie die dahinterstehenden Konzepte, um ein möglichst umfassendes Verständnis des Phänomens ‚Legitimitätsdefizite von BGM‘ zu ermöglichen. Die in Klammern gesetzte Anzahl der Codes für das jeweilige Konzept erleichtert die Einschätzung bezüglich der Relevanz für die Befragten. Diese werden durch Situationen im Graubereich zwischen Legitimität und Legitimitätslücke ergänzt. Die gewählte Aufteilung dient der detaillierten Aufschlüsselung des Kernkonzeptes ‚Legitimitätsdefizit‘, das inhaltlich von verschiedenen Konzepten getragen wird.

Akteure und Anspruchsgruppen

Bei einer Analyse von Legitimierungsprozessen ist es unabdingbar, sich im ersten Schritt mit den Akteuren und Anspruchsgruppen zu befassen, von deren Legitimierung BGM abhängig ist. In der Praxis wird zur Umsetzung des BGM häufig ein ‚Steuerkreis‘ gebildet, in dem Vertreter der verschiedenen Akteure und Anspruchsgruppen die Belange des BGM besprechen und Entscheidungen getroffen werden. Um Letzteres zu ermöglichen, betonen die Befragten die Teilnahme der obersten Leitung bzw. eines Entscheidungsberechtigten. So berichtet eine Befragte von einem früheren Gremium, in dem die Teilnehmer mangels eines Entscheiders „viel mehr einfach nur berichtet und dann […] vielleicht ein bisschen diskutiert“ (I11) haben, ohne das wesentliche Entscheidungen getroffen werden konnten. Insbesondere bei Institutionen mit mehreren Standorten werden aus diesem Grund häufig auch Führungskräfte in den Steuerkreis eingeladen, um dort Entscheidungen im Rahmen ihrer Befugnisse zu treffen und als Schnittstelle zur Belegschaft zu fungieren. Außerdem erleichtern anwesende Entscheidungsträgerinnen und -träger den Steuerungsprozess, indem sie diskutierte Maßnahmen auf ihre Operationalisierbarkeit hin überprüfen können. Des Weiteren sind auch der oder die BGM-Verantwortlichen bedeutsame Akteure im BGM, „wenn es nicht der Chef selber ist“ (H7). Diejenigen, die „für das BGM zuständig sind und Ansprechpartner sind und dementsprechend auch alle Aktionen koordinieren und teilweise vielleicht auch selber Workshops mit durchführen, aber halt dann auch mit den ganzen Externen das zusammen bearbeiten“ (J11). Letztere können auch ein wesentlicher Bestandteil des BGM-Prozesses sein. Inwieweit eine Institution bei der Umsetzung von BGM auf externe Unterstützung zurückgreift, ist individuell. Während manche Beratende den gesamten Prozess koordinieren, verfügen andere Organisationen über „einen großen Referentenpool mit dem [sie] dann eben solche Dinge, wie z. B. BGM-Akquise, abdecken“ (A9). Neben der bedeutendsten Zielgruppe von BGM, den Mitarbeitenden, besteht, sofern vorhanden, eine weitere Anspruchsgruppe im Betriebs- oder Personalrat sowie anderen Arbeitnehmenden-Vertretungen, wie der „Vertretung der schwerbehinderten Personen, die Gleichstellungsbeauftragte, auch Personen […] vom ärztlichen Dienst, vom berufspsychologischen Service und von der technischen Beratung“ (C5). Häufig ist auch die Personalabteilung am BGM beteiligt, insbesondere dann, wenn „Personalverantwortliche sich dem Thema annehmen […] und sagen: […] Das wäre was für unsere Mitarbeiter“ (A11). Aufgrund der fachlichen Nähe übernimmt in zahlreichen Fällen die Personalabteilung die Rolle des BGM-Verantwortlichen.

Auch in Bezug auf die Rolle des Arbeitsschutzes als wesentlicher Akteur im BGM sind sich die Befragten einig. In erster Linie begründen sie dies durch die rechtliche Verankerung von BGM, das „durch die Vorgabe vom Arbeitsschutzgesetz her, durch die psychische Gefährdungsbeurteilung“ wesentlich geprägt wird (D11). Gleiches gilt auch für den Betriebsarzt. Je nach Unternehmen sind außerdem verschiedene Fachpersonen, wie Psychologinnen und Psychologen, sowie Vertreterinnen und Vertreter aus dem Qualitätsmanagement eingebunden.

Erwartungen der Anspruchsgruppen

Im Hinblick auf den neo-institutionalistischen Hintergrund des Konzeptes, das für diese Arbeit von Interesse ist, wurden auch die Erwartungen der verschiedenen Anspruchsgruppen erfragt. Diese sind nicht an die Rolle des Akteurs geknüpft, sondern individuell verschieden. Folglich können die Erwartungen der einzelnen Akteure auch innerhalb einer Partei variieren. Eine wesentliche Erwartung an BGM bzw. die verantwortliche Person, besteht in der Präsenz. Diese drückt sich beispielsweise durch die Forderung aus, „dass sich etwas tut“ (C19) und „dass tatsächlich auch Angebote gemacht werden“ (C21). Auch die Wirksamkeit von BGM bildet eine Erwartung, die sich aber eher auf grundsätzliche Verbesserungen als auf konkrete Vorstellungen bezieht. Eine Beraterin formuliert die Erwartungshaltung ihr gegenüber wie folgt: „Also an mich, glaube ich, wird die Erwartung gestellt, dass eine Veränderung erzeugt wird, oder dass eben eine Verbesserung da ist, wenn Belastungen vorhanden sind“ (D19).

Weitere Erwartungen betreffen einerseits die arbeitgebenden und andererseits die arbeitnehmenden Anspruchsgruppen. Auf der Seite der Arbeitgebenden berichten vier Befragte von betriebswirtschaftlichen Vorteilen, die sich darauf beziehen, „dass die Mitarbeiter gesund und fit bleiben, dementsprechend natürlich auch ihre Leistung bringen können, um auch wieder, ja, die Produktivität zu steigern“ (J29). Auch die Arbeitsunfähigkeits- und Fluktuationsrate soll so gesenkt werden.

Ebenso wird BGM als Möglichkeit gesehen, um durch steigende Attraktivität der Institution dem Fachkräftemangel zu begegnen, da „teilweise Firmen wirklich da unter Druck stehen und wirklich auch etwas machen müssen, weil […] die Nachfrage oder die Anfrage von den Absolventen auch kommt oder von / von den Leuten, die sich bewerben“ (29).

Außerdem besteht „die Erwartung, dass die Zufriedenheit bei den Mitarbeitern steigt durch solche Maßnahmen. […] Die wollen, dass die Mitarbeiter vor allem in […] den Brandherden wieder zufriedener sind“ (E21).

Des Weiteren soll BGM dazu genutzt werden bestehende Prozesse zu optimieren, damit „die Arbeitsabläufe wieder besser funktionieren“ (C23). Eine wesentliche Anforderung den Beschäftigten und Führungskräften gegenüber besteht in der Akzeptanz und der aktiven Mitarbeit, die symbolisiert, dass das BGM-Angebot „ernst genommen wird und […] versucht wird, das umzusetzen, was […] erarbeitet wurde“ (D19). Eine Interview-Teilnehmerin nennt auch die gesetzlichen Vorgaben, „nicht nur die klassische Gefährdungsbeurteilung, sondern eben auch die psychische Gefährdungsbeurteilung zu machen“ (J29). Diese sollen im Rahmen des BGM erfüllt werden.

Auf der anderen Seite steht die Zielgruppe von BGM – die Beschäftigten –, die aufgrund der hohen Zahl eine höhere Diversität beinhaltet als andere Akteurinnen und Akteure, weshalb die Erwartungen der Mitarbeitenden gegenüber BGM nicht pauschalisiert werden können. Trotzdem ist es möglich, einige Erwartungen seitens der Arbeitnehmenden zu identifizieren. Sie „wollen BGM als wertschätzende Maßnahme für die Leistung, die [sie] bringen“ (E19). Dabei ist besonders wesentlich, „dass die Mitarbeiter sich ernst genommen fühlen, dass ihnen auch einmal zugehört wird, dass die Ideen von ihnen einmal weitergegeben werden und daraus auch sich etwas entwickelt“ (F19).

Passend zu diesem Wunsch nach Partizipation berichtet eine Befragte von dem Wunsch nach Kommunikation und Information im BGM-Prozess und betont dabei die Relevanz der zeitnahen Präsentation von Befragungsergebnissen (J27). Dem gegenüber stehen Akteure, die ausdrücklich oder implizit keine Erwartungen mit der Umsetzung von BGM verknüpfen. Dies kann sowohl die Geschäftsführung als auch Beschäftigte betreffen. Eine Befragte argumentiert die offene Erwartungshaltung der Geschäftsführung folgendermaßen: „Wichtig ist denen, denke ich einmal, dass man die Erwartungen auch nicht so hoch schürt. […] Also, dass die jetzt nicht irgendwie glauben, durch ein paar kleine BGF-Maßnahmen wird jetzt der Krankenstand gesenkt, oder werden wirklich elementare Probleme […] gelöst“ (I23).

Anzeichen für Legitimitätsdefizite

In den nächsten Abschnitten sollen die Befunde aus der Datenanalyse erläutert werden. Bei der Analyse des Phänomens wurden die Anzeichen für Legitimitätsdefizite im BGM erfasst, um das Phänomen und seine Ausprägungen besser verstehen zu können. Sie werden nun differenziert nach Verhaltens- und Einstellungsebene dargestellt. Defizitäre Legitimitätszusprechung seitens der obersten Leitung äußert sich hauptsächlich in der mangelnden Ressourcenbereitstellung für BGM. Eine Beraterin erläutert, es wäre „primär einmal ein Kostenfaktor für die Geschäftsführung, […] ich kann mir das jetzt gerade nicht leisten. Oder wiederum sie leisten es sich einmal, weil gerade Geld übrig ist, und dann ist es eben irgendwann nicht mehr da und sie streichen das BGM als allererste[s]“ (H25). Das führt dazu, dass Mitarbeiter häufig neben ihrer Hauptbeschäftigung das BGM „nur so ein bisschen am Rande mitmachen“ (F27). „In der Praxis fehlt [dann] einfach die Zeit“ (E7), um BGM wirkungsvoll umzusetzen.

Die Zurückweisung von Verantwortung verdeutlicht ebenso mangelnde Legitimität von BGM im Unternehmen. Dieses Verhalten kann sich auf verschiedene Akteurinnen und Akteure sowie Anspruchsgruppen beziehen. Die Beteiligten „entziehen sich eigentlich dieser Verantwortung“ (A15) und haben keinen eigenen Anteil am Gelingen von BGM.

Passend dazu können sich auch Einzelne oder ganze Gruppen aus dem BGM-Prozess zurückziehen. Eine Befragte schildert eine solche Situation folgendermaßen: „Es wurde dann leider nicht mehr so kommuniziert […]. Also die Führungskraft hat dann eher zugemacht, sozusagen, und die Mitarbeiter haben sich auch nicht mehr getraut, das dann anzusprechen, das wurde mehr oder weniger totgeschwiegen“ (D33). In manchen Fällen wird der Widerstand auch artikuliert und die Betroffenen sagen es „ins Gesicht“ (B23).

Seitens der Belegschaft äußert sich ein Legitimitätsdefizit hauptsächlich durch mangelnde Akzeptanz von Angeboten. Das betrifft einerseits „Informationsveranstaltungen, wo einfach die Beteiligung sehr schlecht [ist]“ (E31), andererseits auch konkrete Angebote und Maßnahmen, die „nicht so gut angenommen werden“ (C27). Eine Beraterin fasst die fehlende BGM-Kultur in Unternehmen zusammen: „Es steht oft viel geschrieben in den Broschüren, aber wenn man da ein wenig nachfragt, dann heißt es: Ja, aber so richtig leben tun wir es nicht. Es wird viel geredet, aber eigentlich nicht umgesetzt“ (J49). Auf Ebene der Einstellung findet sich in solchen Fällen häufig auch mangelnde Unterstützung des BGM seitens der Leitungsfunktionen. In dem Fall wird der BGM-Prozess beispielsweise „seitens der Leitungskraft […] blockiert“ (B23) oder die entsprechende Person will „den Prozess […] nicht mehr fortführen“ (D47).

Weniger offensive Anzeichen für ein Legitimitätsdefizit sind mangelnde Motivation und generelles Desinteresse bezüglich des BGM. Eine Befragte beschreibt das Phänomen wie folgt: „Dass es dann einfach zu einer gewissen Demotivation kommt oder vielleicht auch dieses Wurschtigkeits-Gefühl oder dieses gerade so viel arbeiten, wie ich halt arbeiten muss, also dass vielleicht dann auch diese Verbundenheit zum Unternehmen auch vielleicht nachlässt“ (J33). Eine Beraterin stößt bereits bei der Akquise auf derartige Hindernisse, wenn „die obere Hierarchieebene häufig kein Interesse zeigt“ (A11).

Dies steht häufig in Verbindung mit einer tieferliegenden Skepsis, wenn „die Beschäftigten […] ein gewisses Misstrauen und gewisse Vorbehalte haben“ (E11). Diese Einstellung, der zugrunde liegt, „dass […] den Mitarbeitern quasi über das BGM nicht etwas Gutes passiert“ (H11), manifestiert sich in Aussagen, wie „das bringt eh nichts, was wir jetzt hier machen. Ja, da bin ich aber gespannt, was da herauskommt, ob man da noch einmal etwas hört“ (E16).

Im weiteren Prozess kann sich diese negative Haltung gegenüber BGM noch weiter steigern, wenn Beteiligte sagen, „ja wir haben es ja gleich gesagt. […] hat eh alles nichts gebracht“ (E27). Diese Frustration wird einerseits darüber geäußert, dass sie unter Kollegen „tatsächlich artikulieren, dass sie enttäuscht sind“ (H23), oder die entsprechenden Personen „gehen auf Konfrontation“ (H23).

Kontextfaktoren

Im jeweiligen Kontext der Legitimitätsdefizite wurden vier verschiedene Faktoren identifiziert, die Einfluss auf die Ausprägung des interessierenden Phänomens haben können.

Das gilt zum Beispiel für die für BGM verfügbaren Ressourcen. Ausreichende Ressourcen ermöglichen entsprechende Weiterbildungen für BGM-Verantwortliche, um „das Knowhow intern“ zu haben (D11). Ebenso erleichtert es den Umgang mit Hindernissen im Prozess. Dabei sollten die Betroffenen „Zeit dafür einräumen, die Mitarbeiter schulen, ihnen auch Zeit geben […], um sich einmal ein bisschen ausprobieren zu können“ (F37). Im Gegensatz dazu wirken sich Ressourcenmängel negativ auf die Ausgestaltung und Nachhaltigkeit von BGM aus. Dazu berichtet eine Beraterin, dass es für eine große Zahl von Organisationen „schwierig [ist,] erst einmal etwas zu investieren […] bevor etwas herauskommen kann“ (A19). Der aus dem Sparkurs resultierende Mangel an fachkundigem Personal und verfügbarer Zeit für BGM-Verantwortliche und Mitarbeitende führt zwangsläufig zu einer Unsicherheit im Prozess, „weil das Projekt einfach so groß ist und weil […] keiner [weiß], wo die Reise hingeht“ (B23). Daraus entspringt häufig eine Überforderung für die Beteiligten. Ein Befragter berichtet von einem Fall, in dem eine Führungskraft blockierte. Sie empfand „einfach eine Überforderung […] und die reißt sich für die Altenpflege halt wirklich den […] Arsch auf und gibt alles und arbeitet wie ein Pferd, und wenn man dann so hört, das ist jetzt blöd, und das stimmt nicht, und dann spürt sie aber auch anderen Druck noch […] Dass sie einfach da total überfordert war“ (B25).

Auch ein Mangel an (struktureller) Macht, wenn BGM beispielsweise „in der falschen Abteilung oder beim falschen Vorgesetzten […] hängt“ (I43), beeinflusst den Erfolg von BGM. Das gleiche gilt auch andere organisationale Rahmenbedingungen, wie der aktiven Beteiligung von Entscheidern am BGM-Prozess, da „am Ende vor allem die Geschäftsführung […] die Entscheidungen trifft“ (C15). Ebenso macht es einen Unterschied, wo in einer Organisation BGM verankert ist, bestenfalls dort, „wo die Leute auch Lust darauf haben“ (I43).

Ein weiterer wesentlicher Kontextfaktor ist die Einstellung der Führungskräfte und anderer mächtiger Parteien in der Institution. Diese haben eine Schlüsselposition inne, denn wenn sich derjenige „hinstellt und sagt, hey, er findet das cool, macht das mit. Und dann die Führungskräfte also gerade in der mittleren Führungsebene, das gleiche sagen, dann funktioniert die Kiste und […] solange die noch nicht dabei waren, ging es natürlich gar nicht“ (B17). Gleiches gilt auch für die Arbeitnehmenden-Vertretungen, wie ein Befragter erläutert. Er beschreibt den positiven Verlauf von BGM-Schulungen und äußert sich dazu wie folgt: „Es hat sich jedes Mal auch […] der Personalratsvorstand mit dazu gehockt […] und hat sich dann auch immer bei den Versammlungen für diese ganze Geschichte ausgesprochen. Also, die […] haben uns wirklich sehr den Rücken gestärkt“ (B11). Ebenso scheint es relevant zu sein, ob Beteiligte aus eigenem Interesse involviert sind, oder sie „Eher so ein bisschen verpflichtet [wurden], da auch mitzugestalten“ (F17).

Außerdem wirkt sich die Organisationskultur auf das BGM aus. Konkret geht es hauptsächlich um die Flexibilität einer Organisation, d. h. wie diese auf neue Situationen und mögliche Hindernisse reagiert. Dies betrifft zum Beispiel die Wahl der Zugänge zu den Mitarbeitenden (B23), die Art der Befragung (D49), den Prozess-Ablauf (E31; J25), die Finanzierung (F43) sowie eine generelle Fehlerkultur, die es den Beteiligten erlaubt, „sich einmal ein bisschen ausprobieren zu können. Dass vielleicht einmal die Dinge nicht im ersten Moment zu 100 Prozent super sind“ (F37). Trotzdem sollte BGM innerhalb der Institution ernst genommen werden. In einem Fall, so schildert ein Interview-Teilnehmer, hat die Geschäftsführung „einfach ziemlich radikal verordnet. Das hat natürlich das Ganze sehr, sehr einfach gemacht“ (B13).

Ursächliche Bedingungen

Legitimitätsdefizite manifestieren sich häufig in Widerständen seitens der delegitimierenden Akteure. Im Rahmen des Forschungsprozesses wurden verschiedene ursächliche Bedingungen festgestellt, die neben Prozessfehlern einerseits das schlechte Image von BGM, andererseits fehlendes Vertrauen aufgrund von Enttäuschungen aus der Vergangenheit sowie mikropolitische Prozesse betreffen.

Betriebliches Gesundheitsmanagement leidet häufig unter einem schlechten Image. Organisationen priorisieren oftmals das Tagesgeschäft gegenüber der Umsetzung von BGM, das „Kapazitäten und Zeit bündelt, die man vielleicht […], gerade als Geschäftsführung, kurzfristig wiederum eher woanders einsetzen möchte“ (C37). Eine BGM-Beauftragte beschreibt derartige Widerstände in ihrem eigenen Umfeld, wo BGM „von vielen, als nicht so sinnvoll erachtet wird […], dass das halt wirklich etwas bringt in der täglichen Arbeit, wird von manchen nicht so verstanden. Und deswegen wird es auch von manchen nicht so mitgetragen und das ist etwas, was schwierig ist“ (F15).

Ein weiterer Punkt ist die Ungewissheit gegenüber den Auswirkungen von BGM, die Entscheider dazu bewegen „sich dem großen Schritt […] noch nicht anzunehmen“ (A19).

Außerdem erwarten viele bei BGM Maßnahmen der Gesundheitsförderung, „dass man halt klassischerweise einen Gesundheitstag macht, oder einzelne, ja, Untersuchungsangebote stellt und so weiter. […] man muss da eben sehen, dass BGM ja auch viel mehr ist“ (C21).

Hinzu kommt die unrealistische Erwartung zahlreicher Unternehmen, dass, „wenn sie ein paar Kurse anbieten, dass das das Wahre ist oder, dass das ausreichend ist“ (D39). Auch die kurzfristige Verbesserung bestimmter Kennzahlen kann BGM nicht leisten. Eine Beraterin äußert sich dazu wie folgt: „Das sind aus meinen Augen aber wirklich so harte Fakten, die sich erst über Jahre, wenn das BGM mal eingeführt wurde und das wirklich ordnungsgemäß eingeführt worden ist, zeigen können“ (A19).

Die dargestellten Erwartungen führen folglich fast zwangsläufig zu einer Enttäuschung, die die Widerstände gegenüber BGM wiederum wachsen lässt. Enttäuschungen, die Widerstände nach sich ziehen, lassen sich in den meisten Fällen auf schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit zurückführen. Sechs der zehn Befragten berichteten von derartigen Situationen. Eine Beraterin erzählte von Beschäftigten, die „mitbekommen [haben], dass da Dinge versprochen wurden, die nicht umgesetzt wurden, langfristig. Und die tragen das immer noch mit sich herum und haben das immer noch im Kopf“ (E13). Ein solcher Vertrauensverlust führt außerdem dazu, dass positive Absichten angezweifelt werden. Wenn dann BGM in der Organisation implementiert werden soll, wird das „von vielen nicht geglaubt“ (E29). Sollte im BGM-Prozess selbst eine gravierende Enttäuschung auftreten, „dann ist die Tür für alles weitere einfach einmal zu. Dann hat man seinen Vertrauensvorschuss einfach einmal verspielt“ (B33), prophezeit ein Befragungsteilnehmer.

Die mikropolitische Situation in einer Institution birgt weitere Gefahren für Widerstände im BGM-Prozess. Dabei geht es insbesondere um „die Ängste, […] Dinge aufzudecken“ (A5). Vor allem bei Mitarbeitenden-Befragungen sehen Beteiligte die Gefahr, dass kritische Themen aufgedeckt werden und danach nicht mehr ignoriert werden können. „[…] dann ist ja irgendwie die Zahnpasta schon aus der Tube herausgeschlüpft“ (B33), beschreibt ein Befragter.

Eng verbunden mit dieser Angst ist eine persönliche Kränkung durch Kritik. Diese trifft häufig Führungskräfte, die teilweise das Feedback nicht konstruktiv annehmen können und „die Ergebnisse sehr persönlich“ nehmen (D27).

Auch die Eigeninteressen der Akteure führen teilweise zu Blockaden im BGM-Prozess, wenn Beteiligte versuchen, „halt irgendwie die eigenen Interessen durchzuboxen“ (F15). Auch die Ausweitung der eigenen Macht kann dabei ein Thema sein. Eine BGM-Verantwortliche berichtet von einem solchen Fall: „[…] ich bin auch […] von meinem Vorgesetzten […] hängen gelassen worden […], weil dieser eine Standortleiter hat solch eine Macht und hat halt einfach mich durch den Kakao gezogen […]. Es war halt eine Riesensauerei“ (G35).

Manche Akteure handeln auch mikropolitisch, „weil [sie] einfach an ihrer Person nichts verändern wollen, an ihrem Verhalten“ (A29), aber möglicherweise im Rahmen eines BGM dazu gezwungen wären, es zu hinterfragen.

In einzelnen Fällen blockieren auch persönliche Konflikte den BGM-Prozess.

Auf der anderen Seite können auch Prozessfehler ursächlich für Legitimitätsdefizite sein. Darunter zählen zum Beispiel mangelnde Kommunikation und Partizipation: „[…] oftmals ist es eben wirklich so, dass dann Maßnahmen zwar in den Steuerungskreisen beschlossen werden, weil man meint, es sind die Dinge, die die Mitarbeiter wollen. Aber sind sie das wirklich?“ (C41), beschreibt eine BGM-Verantwortliche die Problematik. Wenn Informationen nicht richtig transportiert werden, wirkt das BGM möglicherweise „aus Kraft so von oben herab“ umgesetzt, und die Beschäftigten haben das Gefühl, „dass man das einfach aufstülpt“ (I43).

Ein weiterer kritischer Faktor besteht im Prozessverlauf. Wenn „viele Dinge sehr lange brauchen, […] für Abstimmungen keine Zeit ist, […] [die Beteiligten] oft nicht weitermachen können“ (F23), dann stagniert der BGM-Prozess. Diese Gefahr besteht besonders an kritischen Stellen im Prozess, wie nach einer Mitarbeitenden-Befragung, wenn „mit den Ergebnissen […] nicht weitergearbeitet wird“ (H15). Auch wenn die zeitlichen Abstände zwischen einzelnen Prozessschritten oder Maßnahmen zu groß sind, führt das zu Frustration unter den Beteiligten. Davon berichtet eine Beraterin: „Problem ist, dass das immer relativ lange dauert. Also als in den Workshops gesagt wurde, […] es wird ein Gesundheitstag geplant […], aber das ist halt ein Jahr her. […], das frustriert natürlich die Leute“ (E25).

Isolierte Angebote, die entweder aus einem mangelnden Verständnis oder aus Prozessfehlern resultieren, gefährden ebenso die Legitimierung, da diese meist einmalig angeboten werden und der Effekt folglich nicht nachhaltig ist (H25).

Ein zusätzlicher Grund für Legitimitätsdefizite kann sein, „dass es noch nicht so gut gelungen ist, im Vorfeld zu erklären, warum machen wir das, warum ist das wichtig“ (C25). Die Vorarbeit vor der Umsetzung von BGM wird in vielen Fällen vernachlässigt. Ein Befragter sieht die Gefahr, „wenn die Leute sich da nicht diese Zeit nehmen […]. Dann glaube ich, braucht nur einer auf der Station sagen, so ein Schmarrn, und schon bricht das Ganze zusammen“ (B33).

Legitimierungsstrategien

Während der Interviews berichteten die Befragten auch von den Strategien, die dazu dienen, die Legitimierung von BGM zu fördern. Dabei wurde eine hohe Prozessqualität durch systematisches Vorgehen genannt. Weitere Strategien betreffen das Erreichen und die Motivation der Zielgruppen. Die Unterstützung durch Externe sowie der konstruktive Umgang mit Kritik sind weitere essenzielle Faktoren.

Alle zehn Befragten stimmten bei der Bedeutung des systematischen Vorgehens überein. Der erste Schritt besteht dabei in der Planung und Vorarbeit. Dazu gehört, festzulegen, „wo wollen wir hin“ und welche Ziele durch BGM verfolgt werden. Daraufhin gilt es, zu entscheiden, „was macht Sinn“ und wie können diese Ziele erreicht werden (G49). Insgesamt gilt, „dass man sich Zeit nimmt“ und „kein blinder Aktionismus“ aufkommt.

Bevor ein Unternehmen den BGM-Prozess, zum Beispiel mit einer Befragung, in Gang setzt, ist es essenziell, „dass der Anschluss von dem Prozess […] sauber geplant ist und, dass die [Geschäftsleitung und Führungskräfte] ebenso vorbereitet werden, dass sie voll und ganz dahinterstehen (D41). „ […]nur, wenn ich die Führungskräfte und die Mitarbeiter vorher mitgenommen habe, wissen die auch, was mit den Ergebnissen anzufangen, oder verstehen, warum sie das überhaupt machen sollten, warum sie überhaupt an der Befragung teilnehmen sollten“ (H31) Vor der Umsetzung von Maßnahmen ist es gleichermaßen relevant, „über verschiedene Kanäle, die man hat […] Mitarbeiter überhaupt zu informieren“ (C25) und „dem ganzen wirklich Raum und Zeit [zu geben], da alle Ängste und Sorgen abzubauen“ (B33).

Die Interviewten betonen immer wieder die Bedeutung von Promotoren und Multiplikatoren im BGM-Prozess. Insbesondere die oberste Leitung sowie die Führungskräfte sollten „eine Multiplikatoren-Rolle oder Vorbildfunktion einnehmen“ (I43). Die Unterstützung der obersten Leitung ist dabei unverzichtbar, da diese „irgendwann den Geldbeutel aufmachen muss“ (B37). Doch der Einfluss von „Persönlichkeiten im Unternehmen“ geht weit über die Bereitstellung von Ressourcen hinaus, da diese auch „Motivatoren“ sein können (J47). Die Beteiligten müssen „die Leute für das BGM begeistern, beziehungsweise diese Notwendigkeit „einfach auch herüberbringen“ (J25). Denn „wenn die Mitarbeiter nicht sehen, dass Geschäftsführung und Führungskräfte dahinterstehen, werden die selber auch nichts machen“ (H27). Sollten diese jedoch BGM „komplett unterstützen und befürworten, dann feuert das den ganzen Prozess an“ (H13). Diese Multiplikatoren-Rolle ist keineswegs auf Personen mit Führungsverantwortung begrenzt. Auch das Engagement der Beschäftigten ist bedeutsam, „weil [das BGM] sonst relativ schnell, ja, tot sein kann“ (C31), berichtet eine Befragte.

Im weiteren Prozess besteht ein wesentlicher Erfolgsfaktor darin, dranzubleiben und bei Bedarf nachzuhaken. Eine Befragte formuliert das folgendermaßen: „Also es ist kein Prozess, den ich einmal anstoße und dann ist das ein Selbstläufer, sondern, man muss da einfach immer wieder weiterarbeiten“ (H25). Im Umgang mit Widerständen rät ein BGM-Beauftragter „behutsam auf die Leute zuzugehen“ (B27). Damit stimmt auch eine Beraterin überein, die dazu anhält „sich mit den Widerständen auseinandersetzen, um zu verstehen, woher kommen die Widerstände. […] [Es ist] kein Grund das BGM wieder komplett abzusagen oder komplett zunichtezumachen, sondern es ist ein Punkt, an dem man arbeiten muss“ (H35).

Der Beginn mit kleinen Schritten kann ebenfalls zur Legitimierung von BGM beitragen. Dabei gilt es, ein individuelles Vorgehen für jede Organisation zu implementieren. Dazu berichtet eine Beraterin: „[Einige] haben halt sofort die Analyse gemacht und die anderen eher in kleinen Schritten, aber sie haben sich dem Thema angenommen“ (A15). Das kann beispielsweise im Setting eines „Pilotprojektes“ angegangen werden, indem BGM zuerst einmal in nur einem Teil der Organisation getestet wird (J35). Alternativ kann das Unternehmen auch im ersten Schritt versuchen, „für die zwei, drei dringendsten Probleme […] Lösungsansätze zu entwickeln“ (E3). Im Prinzip geht es darum, „klein anzufangen und dann einfach nach dem Trial-and-Error-Prinzip sich immer Stück für Stück zu verbessern“ (I43).

Die zeitliche Planung spielt ebenfalls eine Rolle, denn „für den Mitarbeitenden [ist es] ganz, ganz wichtig, dass die einfach sehen, dass da auch etwas vorangeht“ (J27). Daher ist „die zeitliche Planung […] das A und O. Dass sich das eben nicht so lange zieht“ (D41).

Um das Thema BGM in einer Organisation präsent zu halten, sollten die Beteiligten regelmäßig „über die Probleme […] reden und das nicht einfach […] herunterfallen lassen. […] Und da auch wieder am Ball bleiben“ (D33). Auch im Rahmen der Problemanalyse hilft es, „mit verschiedenen Personengruppen in den Austausch gehen und […] daran [zu] arbeiten und am besten […] das dann auch zusammen angehen“ (J55).

Neben dem systematischen Vorgehen wurden von jedem Befragten das Erreichen und Motivieren der Zielgruppe betont. Bemühungen auf der qualitativen Ebene zielen auf „die Schaffung von Sensibilität bei den Führungskräften, […] bei der Unternehmensleitung, […] die müssen ein Verständnis entwickeln“ (E41). Ebenso sollten die Verantwortlichen „die Mitarbeiter dann eben versuchen zu überzeugen, durch Aufklärung, durch Aufzeigen, was [BGM] bewirken kann, was das für Auswirkungen hat“ (F35). Die Mitarbeitenden werden in Bezug auf das Thema Gesundheit abgeholt, mitgenommen und bestenfalls „so ein bisschen angesteckt werden […] mit diesem Thema“ (J41).

Dies funktioniert, indem auf die Bedürfnisse der Beschäftigten eingegangen wird. Dazu gilt es herauszufinden, „was wollen die Mitarbeiter halt wirklich […], weil das ja auch wieder ein Schritt dahin sein kann, dass die Mitarbeiter das dann am Ende besser annehmen, was auch angeboten wird“ (C27). Dazu ist es unumgänglich, dass „man mit den Mitarbeitern spricht“ (D39). Die Befragten setzen dabei auf verschiedene Arten von Analysen (C27) oder Befragungen (A33; D49).

Des Weiteren wird während der Interviews immer wieder betont, wie unerlässlich ehrliche und transparente Kommunikation im BGM-Prozess ist: „Du musst halt so Schritt für Schritt sagen, wie es weitergeht, was der nächste Punkt ist, wie das Vorgehen ist. Was auch bei einzelnen Befragungen, bei einzelnen Workshops vielleicht auch herausgekommen ist“ (A31). Eine Beraterin empfiehlt dahingehend „mit offenen Karten [zu] spielen und […] dem Prozess gegenüber einfach sehr offen [zu] sein. Und das auch den Mitarbeitern weitergeben, zu sagen, okay, lasst uns das gemeinsam machen, wir können daraus lernen“. Diese von Unvoreingenommenheit und Neugier geprägte Einstellung ist „der Schlüssel […] dazu, Vertrauen zu gewinnen“ (E39).

Die Vertrauensbildung nimmt ebenso eine essenzielle Rolle im Legitimierungsprozess ein. Um relevante Veränderungen initiieren zu können, ist es nötig, einen vertrauensvollen Umgang zu erreichen, sodass die Beteiligten „ihre Punkte sagen, […] was vielleicht für Störfaktoren da sind, oder […] welche Verbesserungsvorschläge es gibt“ (J25). Hilfreich kann an diesem Punkt die Zusammenarbeit mit einer beratenden Person sein, die als „Vertrauensperson“ fungiert (J67).

Auch Partizipation dient der Legitimierung von BGM. Um dafür zu sorgen, „dass das BGM auch wirklich gelebt wird“ (C41), ist es von Bedeutung, „so früh wie möglich die Mitarbeiter mit einzubeziehen“ (I35). Erfolge sind ebenso wesentlich für die Legitimierung von BGM dar, da damit „diese letzten Unsicherheiten“ ausgeschaltet werden können (B13). Positive Erwartungen werden somit erfüllt (D21) und das Thema BGM wird positiv besetzt. „[…] da haben die [Beteiligten] natürlich auch mehr Lust, an dem Thema zu arbeiten“ (I15).

Gesundheit betrifft jeden Einzelnen und im BGM-Prozess ist es unabdingbar, dass jeder einzelne die Verantwortung für sich selbst übernimmt. Eine Befragte setzt darauf, die Mitarbeitenden im ersten Schritt „im Sinne der Gesundheitskompetenz“ zu empowern, damit sie „überhaupt verstehen […], warum das eben wichtig ist“ (C25). Insbesondere Führungskräfte sollten verstehen, „dass sie auch einmal so bei sich selber erst einmal anfangen müssen“ (J55).

Neben diesen qualitativen Strategien helfen andere Aspekte auf der quantitativen Ebene bei der Legitimierung von BGM. Das Ziel auf dieser Ebene ist es, die Mehrheit an Personen innerhalb der Institution zu überzeugen. An dieser Stelle sind die Promotoren und Multiplikatoren gefragt, „die müssen immer wieder das Ganze supporten und immer wieder sagen, okay, das ist ein guter Prozess“ (H25). Damit soll erreicht werden, „dass man auch über dieses Thema spricht, […], dass es nicht nur zwei, drei, vier Personen sind, die jetzt da sich nur mit dem Thema beschäftigen“ (J41). Erst „wenn die Mehrheit diejenigen sind, die sagen, Mensch, das ist eine tolle Sache, wir wollen da mitgehen, das bewirkt etwas“, kann die Einstellung der Gruppe einzelne Widerstände auffangen (A29).

Dafür muss innerhalb einer Institution „die Werbetrommel gerührt werden“ (B15). Eine Befragte äußert sich zu diesem Thema, wie folgt: „Da musst dann auch wirklich schon wie Marketing betreiben […], um das dann auch so geschickt und attraktiv und […] darzustellen […], damit es auch nicht irgendwie untergeht bei den 1000 Informationen, die es eben in einem Unternehmen natürlich gibt“ (I41).

Dazu gehört auch die Niedrigschwelligkeit von Angeboten. Denn je bequemer Angebote gestaltet sind, desto leichter ist es damit, mehr Menschen zu erreichen (I15).

Ein BGM-Verantwortlicher berichtet auch von einem „Konkurrenzkampf“ in seiner Organisation, bei der die Beteiligten sich gegenseitig an ihrer Beteiligungsquote bei einer Mitarbeiterbefragung gemessen haben, woraufhin sie „aus dem Quark gekommen“ sind (B15).

Eine andere Strategie setzt statt nur auf Überzeugungsarbeit auf die Verpflichtung zur Teilnahme am BGM. Die „[…] geforderte Teilnahme an gewissen Aktionen“ (J25) erleichtert den Zugang zur Zielgruppe ungemein (B13).

Um die Legitimität von BGM zu steigern, kann es auch hilfreich sein, auf Externe zurückzugreifen, die die Relevanz von BGM verdeutlichen (A41) oder bei der Aufarbeitung kritischer Punkte helfen (D37). Auch im Hinblick auf die Finanzierung kann die Zusammenarbeit mit externen Trägern in Betracht gezogen werden. Eine BGM-Beauftragte berichtet aus ihrer Organisation: „Mit der Krankenkasse zum Beispiel haben wir eben auch einen Kurs organisiert zum Thema Stressprävention. Also, man spart sich halt die Kosten für die Vorträge, das ist, denke ich einmal, schon auch ein wichtiger Punkt. Und man kann sich auch anderes Wissen noch einmal mit einholen in das Unternehmen“ (F43).

Widerstände und Rückschläge sind besonders bei der Einführung von BGM kaum zu verhindern. Doch sie lassen sich auch positiv zur Legitimierung des Themas nutzen, indem die Organisation konstruktiv mit ihnen umgeht. „Und da muss man einfach kritisch hinterfragen, wo ist der Fehler passiert, vielleicht auch mein Fehler passiert und wer ist gerade nicht mehr im Boot“ (H23). Bei Konfliktfällen besteht durch eine Mediation beispielsweise die Chance, den Konfliktherd nachhaltig aufzuarbeiten und Widerstände langfristig abzubauen (D45).

Konsequenz: Anzeichen der Legitimierung

Genauso wie ein Legitimitätsdefizit lässt sich auch erfolgreiche Legitimierung sowohl auf der Ebene der Einstellungen als auch auf Verhaltensebene feststellen. Anzeichen im Bereich der Einstellungen sind das Interesse und die Begeisterung, „dass die Leute auch Lust haben zu dem Thema“ (J57). Eine Beraterin berichtet: „Wir hatten vereinzelt Unternehmen, die waren wirklich begeistert und haben gesagt, ist eine tolle Sache, und dort wurde sich dem Thema auch angenommen“ (A15). Auch der Umgang mit Widerständen verändert sich, wie ein Befragter schildert: „Das haben dann die Teams intern einfach selber gelöst. Die haben dann, wenn dann einer zu vehement immer dagegen war, dann […] haben die sich den selber gekauft und haben gesagt, jetzt nerv nicht, jetzt lass uns das einmal machen“ (B37). Auch Chancen werden eher erkannt, wenn BGM in der Institution legitimiert ist. Wenn Beteiligte „die positiven Effekte“ erlebt haben, verändern sich auch die Sichtweisen (D21).

Auf der Verhaltensebene lässt sich erfolgreiche Legitimierung erkennen, wenn BGM-Aspekte in der Organisation „wirklich gelebt“ werden (C41). Konkret geht es um Themen wie Wertschätzung seitens der Arbeitgebenden (J49), aber auch der Unterstützung in Krisenzeiten (J57). Eine Beraterin betont in diesem Zusammenhang „diese Innen- und Außenwirkung, die ich habe als Unternehmen, wenn ich das auch dann lebe. Es geht ja immer auch darum, wenn ich es jetzt zum Beispiel als Wert oder als Leitbild […] mit aufführe, das Thema Gesundheit im Betrieb oder gesunder Betrieb. Dass ich das jetzt nicht nur da stehen habe, sondern, dass ich es wirklich auch lebe, dass es nicht nur auf dem Plakat steht, oder […] auf meiner Homepage oder in meinem Geschäftsbericht, sondern, dass ich es wirklich auch durchführe und aktiv bearbeite oder aktiv lebe“ (J49)

Wenn BGM seitens der obersten Leitung legitimiert ist, lässt sich das auch an den bereitgestellten Ressourcen erkennen. Insbesondere zeitliche und finanzielle Ressourcen sind oftmals begrenzt, und es spricht für eine aktive Unterstützung, wenn diese für BGM freigemacht werden (I17; J11).

Auf der Seite der Arbeitnehmenden wird Legitimität dort deutlich, „wo das Engagement tatsächlich sehr groß ist, wo die Mitarbeitervertretungen sehr aktiv arbeiten und motiviert sind und natürlich auch die Geschäftsleitung dahintersteht, dass sich da auch viel tun kann und sich da dann auch die Mitarbeiter noch verstärkt mit einbringen, ohne dass es jetzt noch einmal […] extra Bemühungen geben muss“ (C13). Auch eine hohe Akzeptanz der angebotenen Maßnahmen spricht für erfolgreiche Legitimierung (G27).

Zwischen Legitimität und Legitimitätsdefizit

Die Situationen und Begebenheiten, die die Befragten schildern, lassen sich nicht alle einer gelungenen oder misslungenen Legitimierung zuweisen. Trotzdem wird der Bezug zur Legitimität deutlich, daher wurde der genannte Graubereich differenziert erfasst. Zum Beispiel wird an verschiedenen Stellen deutlich, dass selbst wenn BGM wenig Zuspruch erfährt, es meistens trotzdem positive Aspekte beinhaltet. Eine Beraterin äußert sich zu einem solchen Fall folgendermaßen: „Es ist Gott sei Dank nicht so, dass es gar nichts gebracht hat, also es werden schon Dinge umgesetzt, aber halt teilweise und schrittweise“ (E27).

Gerade zu Beginn wenden sich viele dem Thema BGM erst einmal neutral und beobachtend zu, „die schauen sich das halt auch an […]. Es ist halt irgendwie ganz etwas Neues und, ja, sie schauen halt. Also […] es kommt nichts Negatives oder nichts Positives, man schaut halt“ (G21). Diese Neutralität erkennt auch eine andere Befragte: „Ich denke einmal, negativ besetzt ist das Thema nirgends. Entweder ist es einfach noch nicht so bekannt oder haben vielleicht noch nicht so viel gespürt davon, oder es ist wirklich auch sehr positiv besetzt und es wird auch positiv wahrgenommen und auch so, dass der Arbeitgeber eben viel in dem Bereich macht“ (I15).

Einige Angebote werden auch gut angenommen, allerdings nicht von der eigentlichen Zielgruppe. „[…] aber ist natürlich auch immer eine Sache, wenn man sagt, […] ich möchte gerne die erreichen, die jetzt am wenigsten gesundheitsbewusst sind, aber ich kriege jetzt vielleicht immer nur [die] in die Angebote, […], die sowieso schon gesundheitsaffin sind“ (I41).

Diese Aussagen machen deutlich, dass Legitimität kein ‚Entweder-oder‘ ist, sondern eine Bandbreite an Einstellungen umfasst, die BGM von unterschiedlichsten Personen und Gruppen gegenüber gebracht werden.

4.1.2. Zusammenfassung und Beantwortung der Forschungsfragen

Im folgenden Abschnitt werden die relevanten Studienergebnisse in Bezug auf die Forschungsfragen kurz zusammengefasst. Zur Beantwortung der ersten Fragestellung wurden vier zentrale Faktoren identifiziert, die das Auftreten von Legitimitätsdefiziten verursachen oder diese begünstigen.

Ein wesentlicher Faktor betrifft fehlendes Vertrauen in der Organisation. Insbesondere das Vertrauen der Arbeitnehmenden in den Arbeitgebenden und dessen Vertreter bestimmt das Maß an Basislegitimität gegenüber BGM. Gelebtes Vertrauen innerhalb der Institution führt zu einer größeren Offenheit gegenüber Veränderungen, da sie auf der Einstellung basiert, die Entscheider besäßen alle nötigen Fähigkeiten, agierten integer und seien den Arbeitnehmenden gegenüber wohlwollend eingestellt (Mayer et al. 1995: 712). In Bezug auf die Legitimitätsdefizite von BGM führen schlechte Erfahrungen und Enttäuschungen aus der Vergangenheit zu Legitimitätslücken neuer Veränderungen. Diese Problematik wird noch verstärkt, wenn im BGM-Prozess zu wenig Transparenz, Kommunikation und Partizipation gelebt wird. Der Bereich der Unwissenheit wird dann mit negativen Annahmen über das BGM gefüllt, anstatt die Vorteile und Chancen zu erkennen. Obwohl Widerstände vor diesem Hintergrund legitim erscheinen können, verhindern sie die nachhaltige Veränderung, die BGM bewirken könnte. Die bestehende Kultur und das vorherrschende Misstrauen replizieren sich somit selbst.

Legitimitätsdefizite können auch vor dem Hintergrund (mikro-)politischen Handelns entstehen. Beteiligte fühlen sich von BGM bedroht, da sie beispielsweise persönliche Konsequenzen oder Gesichtsverlust durch die Aufdeckung kritischer Themen fürchten. Auch ein Gefühl der Kränkung durch Kritik im Rahmen von BGM-Maßnahmen kann ein Grund für Widerstand sein.

Eine weitere Ursache besteht im problematischen Image von BGM. Es wird häufig aus einem falschen Verständnis heraus abgelehnt. Während die Beschäftigten sich im Grundsatz eine Verbesserung der Arbeitsverhältnisse wünschen, sehen sie BGM als oberflächliche Maßnahme bestehend aus Obstschalen und Sport-Kursen. Dieses Bild verspricht einerseits keine Lösung der Probleme, die sie für sich identifiziert haben und steht andererseits im Widerspruch zum Selbstbild der Mitarbeitenden, die nicht auf Hilfe durch derartige Angebote angewiesen sind. Im Zusammenhang mit einem negativen Verständnis von BGM wird weder der spezifische Nutzen für die Organisation noch für das Individuum klar. Die Anspruchsgruppen halten ihre Unterstützung sowie die Zuteilung relevanter Ressourcen zurück, bis die ersten Erfolge sichtbar werden. Konkrete messbare Erfolge werden jedoch in den meisten Fällen nicht definiert, was wiederum weitere Unsicherheiten auslöst. Ohne die nötigen Ressourcen ist es schwierig, im BGM-Prozess relevante Erfolge zu erzielen, die von den Anspruchsgruppen wiederum als Beweis für den Nutzen und die Wirksamkeit von BGM akzeptiert werden. Somit verstärken sich die bestehenden Legitimitätsdefizite immer weiter.

Auch strukturelle Abhängigkeiten im Kontext von BGM spielen eine große Rolle bei der Legitimierung. Betriebliches Gesundheitsmanagement wird unter den bestehenden Machtverhältnissen häufig nicht ernst genommen und entweder als Unterstützungsfunktion in der Organisation oder als Incentivierung wahrgenommen. Dementsprechend wenig Entscheidungskompetenz obliegt den BGM-Verantwortlichen, die im Vergleich zu den erwarteten Zielen von BGM unter großem zeitlichen und finanziellen Ressourcenmangel leiden. Entscheidungen über Strategien, Interventionen oder Investitionen unterstehen in den meisten Fällen nicht dem qualifizierten BGM-Verantwortlichen, sondern Entscheidern einer höheren Hierarchieebene. Diese Abhängigkeit führt zu erheblichen Einschränkungen hinschlich der Handlungsfähigkeit von BGM, die in der Beschränkung von BGM-Aktivitäten und damit dem Ausbleiben von Erfolgen resultiert.

Die Untersuchungsergebnisse erlauben auch die Beantwortung der zweiten Forschungsfrage. Im Hinblick auf geeignete Wege und Methoden zur Stärkung der Legitimität wurden drei wesentliche Aspekte festgestellt. Sie betreffen die Prozess-, Verhaltens- und Einstellungsebene. Auf der Prozessebene gilt es, die bekannten Qualitätsstandards von BGM (Badura et al. 2010) zu beachten. Dazu gehört neben einer sauberen Planung und der Implementierung eines strukturierten Prozesses auch der Aufbau von Vertrauen, wozu unter anderem hohe Transparenz im Prozess, intensive Kommunikation und Partizipationsmöglichkeiten dienen. Die Gewinnung von Multiplikatoren und der Einsatz von Promotoren fördert die Verbreitung und Überzeugung von BGM. Regelmäßiger Austausch unter den Beteiligten dient neben der strategischen Planung auch der Diskussion und Aufarbeitung gemeinsamer Zielvorstellungen, Hindernisse und Fortschritte. Dies wird zum Beispiel im Rahmen eines sog. Gesundheitszirkels umgesetzt.

Darüber hinaus sollten jedoch auch Legitimierungsstrategien auf der Verhaltensebene eingesetzt werden, die dazu dienen, die Zielgruppe und andere Anspruchsgruppen zu erreichen und zur aktiven Mitarbeit zu motivieren. Dafür werden qualitative Methoden verwendet, die darauf abzielen, die Beteiligten hinsichtlich BGM zu sensibilisieren und zu überzeugen. Ebenso wird die Verbreitung des Themas durch Werbung oder Ähnliches gefördert. Des Weiteren gilt es, einen konstruktiven Umgang mit Widerständen zu finden. Dabei dürfen Widerstände und Kritik nicht persönlich genommen werden, sondern sie sind vielmehr als Feedback zu nutzen, um den Veränderungsprozess zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen.

Auch die Einstellung ist relevant, wenn der implementierte BGM-Prozess langfristig Bestand haben soll. Um ihn erfolgreich zu verankern, ist es nötig, Ausdauer zu beweisen und auftretenden Hindernissen zu trotzen. Es ist eine gewisse Hartnäckigkeit vonnöten, um die Ernsthaftigkeit der Veränderung unter Beweis zu stellen. An einigen Stellen kann es auch sinnvoll sein, externe Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Dies kann die Einbeziehung von Kostenträgern zur Finanzierung von Angeboten und Maßnahmen betreffen, wie auch externe Beratende, die spezifisches Wissen oder Kompetenzen einbringen.

4.2. Diskussion der Ergebnisse

Der folgende Abschnitt widmet sich der Diskussion der Untersuchungsergebnisse. Nach deren Einbettung in den wissenschaftlichen Kenntnisstand werden die zentralen Erkenntnisse und Hypothesen vorgestellt und erläutert. Anschließend wird die verwendete Methodik diskutiert und es werden Implikationen für Forschung und Praxis abgeleitet.

4.2.1. Einbettung in den wissenschaftlichen Kenntnisstand

Um die Kongruenz mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand zur Legitimierung von BGM zu überprüfen, werden die Ergebnisse der Untersuchung mit dem aktuellen Forschungsstand abgeglichen. An Stellen, an denen bisher keine ausreichende Erkenntnisdichte vorherrscht, wurde auf Forschung zu (Kultur-)Veränderungsprozessen zurückgegriffen, deren Ergebnisse in großen Teilen auf BGM übertragbar sind.

Die Anspruchsgruppen von BGM, die die vorliegende Untersuchung hervorbrachten, entsprechen denen, die auch Hamacher et al. (2017) in ihrer Stakeholder-Analyse identifizieren. Abweichungen hinsichtlich weiterer Akteure, wie einer Schwerbehindertenvertretung oder spezifischen Fachexperten sind je nach Organisation individuell. Wissenschaftliche Erkenntnisse deuten darauf hin, dass sich eine große Anzahl von Anspruchsgruppen tendenziell negativ auf die Legitimierung auswirkt, da die Gefahr divergierender Erwartungen entsprechen höher ist (Scott 2001). Unter Berücksichtigung der Vielzahl rollengebundener sowie individueller Erwartungshaltungen scheint sich diese Annahme in Hinblick auf die vorliegenden Ergebnisse zu bestätigen.

Im Bereich der Anzeichen für Legitimitätsdefizite treten vor allem Widerstände auf. In den vorliegenden Fällen wird Widerstand nur in wenigen Fällen aktiv artikuliert. Er tritt eher durch die Einstellung gegenüber dem BGM-Prozess zutage, die einerseits von Desinteresse und andererseits von Skepsis und Frustration geprägt ist. Doppler und Lauterburg (2008: 338 f.) kategorisieren verschiedene Arten von Widerständen, die sich aktiv oder passiv sowie verbal oder nonverbal äußern. Konkret betreffen die Widerstände hauptsächlich mangelnde bzw. unterlassene Unterstützung durch die Anspruchsgruppen. Bei der Implementierung von BGM lassen sich Widerstände einerseits durch eine neo-institutionalistische Betrachtungsweise erklären, die die Ursache von Widerständen in den unberechenbaren Auswirkungen kulturabhängiger Praktiken sieht (Nesterkin 2013). Andererseits eignet sich die Betrachtung von Widerständen aus der Perspektive der Mikropolitik. Vor diesem Hintergrund resultieren sie aus einer Neuverteilung von Machtressourcen, woraus eine gewisse Konkurrenzsituation entsteht (Clegg et al. 2007: 190–227; Neuberger 2006). Das beobachtete Verhalten bestätigt die Erkenntnisse von Süß (2009: 196 ff.), die darauf hinwiesen, dass mikropolitische Handlungen einen Veränderungsprozess so lange begleiten, bis der intraorganisationale Diskurs beendet ist und die Innovation institutionalisiert wurde.

Mikropolitisches Handeln dient dazu, eigene Interessen durchzusetzen (Neuberger 2006). Die identifizierten Handlungen können auf unterschiedliche Handlungsarten zurückgeführt werden. So entspricht die ungenügende Ausstattung mit Ressourcen einer wirtschaftlichen und technischen Handlung, der Rückzug von Verantwortlichen aus dem Prozess hingegen autoritativ-administrativem Handeln und das Zurückweisen von Verantwortung einer kommunikativen Handlung (Ortmann/Becker 1995: 60).

Eine subtile Art des Widerstands äußert sich z. B. durch eine fehlende BGM-Kultur. Hier eignet sich ein neo-institutionalistischer Erklärungsansatz. Häufig wird dem BGM oberflächlich zugestimmt, während die entsprechenden Attribute nicht gelebt werden. Derartige Täuschungen beschreiben auch Abrahamson (1996) und Kiser (1997), indem sie auf Trends hinweisen, die nur aufgrund von strukturangleichenden Prozessen verfolgt werden. Laut Subramony (2006) führt dies zu einer scheinbaren Umsetzung von Trends, in diesem Fall BGM, ohne jedoch dessen Potenziale auszuschöpfen. Obwohl die konkreten Zusammenhänge der nicht gelebten BGM-Kultur in den vorliegenden Ergebnissen nicht völlig klar sind, ist ein derartiger Mechanismus wahrscheinlich, weshalb eine Konsistenz der Ergebnisse mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand festgestellt werden kann.

Die Legitimierung von BGM unterliegt außerdem relevanten Kontextfaktoren. Dies betrifft zum Beispiel die verfügbaren Ressourcen. Diese sind in diesem Zusammenhang als Spiegel der Macht zu verstehen, die die Handlungsfähigkeit von BGM mitbestimmt (Pettigrew 1973; Morgan 2006). Dieser Einfluss wird auch von Studien zu den Hindernissen bei der Umsetzung von BGM bestätigt (Moll 2019; Hamacher et al. 2017; Bechmann et al. 2011; Meyer 2008; Walter 2007). Die vorliegenden Ergebnisse decken sich folglich mit den Erkenntnissen bisheriger Forschung.

Im Kontext der Legitimierung ist auch die Einstellung mächtiger Akteure relevant. Sie bestimmen das mikropolitische Spiel um BGM (Pettigrew 1973; Morgan 2006). Die Ergebnisse der Untersuchung bestätigen in diesem Zusammenhang aktuelle Forschungsergebnisse, indem sie insbesondere auf den Einfluss folgender Akteure hinweisen. Die Geschäftsleitung (Moll 2019; Hamacher et al. 2017; Walter 2007) trifft wegweisende Entscheidungen, die Rahmenbedingungen von BGM festlegen, was ihr ein erhebliches Maß an Macht verleiht (Neuberger 2006). Die Führungskräfte (Meyer 2008) befinden sich ebenso wie die Beschäftigtenvertretung (Faller 2018; Ansmann et al. 2012) in der Position, über hohes Ansehen und informellen Einfluss zu verfügen, was ihnen Macht verleiht (Schreyögg/Geiger 2016: 299 f.). Besonders interessant scheint die Rolle der Beschäftigtenvertretung. Die Ergebnisse weisen an dieser Stelle erhebliche Unterschiede auf, die sich auch im wissenschaftlichen Kenntnisstand widerspiegelt. In einigen Fällen unterstützt die Beschäftigtenvertretung das BGM und wirkt positiv auf dessen Legitimierung ein. Diesen Einfluss bestätigen auch Studien von Faller (2018) und Ansmann et al. (2012). In anderen Fällen jedoch nimmt sie die Rolle der Opposition zum Arbeitgebenden ein (H11; I29,31; J37) und steht dem BGM skeptisch gegenüber. Dies lässt sich beispielsweise durch Konkurrenzdenken oder einem Profilierungsdruck erklären, wie Badurda und Steinke (2009: 49) argumentieren.

Die Einstellung der genannten Akteure prägt aufgrund ihrer Macht-(Ressourcen) die Legitimierung von BGM, das dahingehend in einem Abhängigkeitsverhältnis steht.

Des Weiteren ist die Organisationskultur, die bei der Einführung von BGM vorherrschend ist, ausschlaggebend für die Legitimierung. Auch hier sind die vorliegenden Ergebnisse konsistent mit den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu Veränderungsprozessen. Flexibilität und Offenheit erleichtern Innovationen. Sie trägt dazu bei, Widerstände gegenüber der Einführung von BGM abzumildern (Nesterkin 2013). Dies bestätigt auch Auerbach et al. (2018), der postuliert, dass der wahrgenommene Nutzen von BGM in Zusammenhang mit der Unternehmenskultur steht.

Zu guter Letzt sind es noch die organisationalen Rahmenbedingungen, die den Kontext zur Legitimierung von BGM bilden. Darunter fällt insbesondere die Verankerung in der Organisation, durch die BGM ein gewisses Maß an struktureller Macht zuteilwird, wie auch die bisherige Forschung zu Machtverhältnissen und Mikropolitik bestätigt. Betriebliches Gesundheitsmanagement gewinnt an Selbstverständlichkeit und ist weniger auf Rechtfertigungen etc. angewiesen (Foucault 1983). Auch die jeweilige BGM-verantwortliche Person verfügt über individuelle Macht und persönliches Ansehen, das sich wiederum auf die Legitimierung von BGM auswirken kann (Süß 2009: 188). Dieser Mechanismus spiegelt sich ebenfalls in den Ergebnissen der Untersuchung wider. Auch die Gestaltung des Entscheidungsprozesses wurde insbesondere im Hinblick auf die Beteiligung der Entscheider bzw. der obersten Führung als relevante Rahmenbedingung identifiziert und ist damit konsistent mit anderen Forschungsergebnissen zu den Erfolgsfaktoren von BGM (Walter 2007). Nur so können bedeutsame Entscheidungen schnell getroffen und die Handlungsfähigkeit von BGM gewährleistet werden.

Nach den Kontextfaktoren sollen nun die Ergebnisse zu den ursächlichen Bedingungen für Legitimitätsdefizite mit dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand abgeglichen werden. Die Ergebnisse weisen auf das problematische Image von BGM hin. Damit sind sie mit denen anderen Studien zu BGM und BGF konsistent (Hübner/Gröben 2008; Meyer 2008). Konkret liegt diesem Image ein mangelndes Verständnis von BGM zugrunde, weshalb der Nutzen von Angeboten und Maßnahmen nicht erkannt wird (Nöhammer et al. 2009). Aus mikropolitischer Sicht verspricht die Legitimierung von BGM keinerlei Vorteile für die Akteure, sofern es sie nicht in der Durchsetzung eigener Interessen unterstützt (Neuberger 2006). Letztere liegen in erster Linie in der Erhaltung der Kontinuität und Stabilität, da sie Sicherheit bedeuten, während ein Veränderungsprozess immer auch Chaos und Verwirrung mit sich bringt (Gersick 1991; Romanelli/Tushman 1994). Dass in diesem Zusammenhang die Relevanz des Tagesgeschäftes betont wird, könnte auf einen Frustrations-Regressions-Effekt hinweisen, durch den die Veränderung als Angriff oder Delegitimierung bisheriger Anstrengungen wahrgenommen wird (Schreyögg/Geiger 2016: 363). Im Zusammenhang mit dem schlechten Image des BGM versuchen die Betroffenen zusätzlich sowohl ihr eigenes Selbstbild als auch ihr persönliches Image zu schützen (Meyer 2008). Der daraus resultierende Widerstand entspricht einer mikropolitischen Handlung, da individuelle Motive für die Beteiligten handlungsweisend sind (Morgan 2006: 149 ff.; Neuberger 2006).

Eine weitere Ursache konnte in fehlendem Vertrauen in der Organisation ausgemacht werden. Dieser Faktor wurde in bisherigen Studien zu Legitimitätsdefiziten bzw. Hindernissen bei BGM noch nicht eindeutig bestätigt. Lediglich eine Untersuchung weist auf Misstrauen bzgl. BGM hin, sofern die Betroffenen vermuten, dass die Interessen der Geschäftsleitung nicht auf das Wohl der Beschäftigten gerichtet sind (Hillert et al. 2012). Die Ergebnisse weisen jedoch vielmehr auf schlechte Vorerfahrungen und unerfüllte Erwartungen hin, lassen sich allerdings auf der Grundlage der neo-institutionalistischen Organisationstheorie erklären. Demnach sind Erwartungen die Basis der Legitimität und entsprechen einer Art Vorschussvertrauen. Werden diese Erwartungen enttäuscht oder haben sich Enttäuschungen aus der Vergangenheit festgesetzt, führt das zu einer Delegitimierung. Insbesondere bei divergierenden oder unrealistischen Erwartungen sind Enttäuschungen und damit auch Legitimitätslücken wahrscheinlich (Suchman 1995; Scott 2001).

Auch auf mikropolitischer Ebene entstehen Legitimitätsdefizite. In diesem Zusammenhang führen Eigeninteressen der Beteiligten zu einer negativen Einstellung gegenüber BGM (Morgan 2006: 149 ff.; Neuberger 2006). Diese können im Ausbau der eigenen Machtressourcen oder auch in der Beibehaltung gewohnter Verhaltensmuster liegen. Die Ergebnisse weisen zusätzlich auf Kränkungen durch Kritik hin, die im Rahmen des BGM-Prozesses geübt wird, sowie auf die Angst vor der Aufdeckung kritischer Themen. Beide Aspekte sind hinsichtlich der Widerstände in Veränderungsprozessen bekannt (Armenakis/Bedeian 1999: 304 ff.), wurden in der aktuellen Forschung zu BGM jedoch noch nicht detailliert diskutiert.

Auch hinsichtlich Abweichungen von den Qualitätsstandards von BGM (Badura/Steinke 2009) stimmen die Ergebnisse mit dem Forschungsstand überein. Derartige Prozessfehler gefährden die Legitimierung (Gröben/Wenninger 2006a; Zelfel et al. 2009). Die relevanten Inhalte der Qualitätssicherung eines BGM-Prozesses werden im nächsten Abschnitt genauer hinsichtlich ihrer Konsistenz mit bisherigen Untersuchungen erörtert.

In der Prozessqualität besteht eine weitere wesentliche Strategie, die Legitimierung direkt und indirekt zu fördern (Gröben/Wenninger 2006a). Hier spiegeln die Ergebnisse die Grundlagen des BGM wider (Badura/Steinke 2009; Uhle/Treier 2015). Dies beinhaltet unter anderem einen prozesshaften Ansatz, ausreichend Planung, den Einsatz von Multiplikatoren und Promotoren sowie die Implementierung eines Steuerungsgremiums. Aktuelle Forschungsarbeiten bestätigen die Schlüsselfunktion von Führungskräften, die als Multiplikatoren im BGM-Prozess fungieren (Moll 2019; Walter 2007). Auch hinsichtlich der Einrichtung sog. Steuergremien oder Gesundheitszirkel entsprechen die vorliegenden Ergebnisse den Empfehlungen anderer Untersuchungen (Hamacher et al. 2017; Badura/Steinke 2009; Walter 2007). Die Implementierung von BGM in kleinen Schritten ist ebenfalls Teil der Ergebnisse. Dieser Ansatz wird auch in der wissenschaftlichen Literatur zu Veränderungsprozessen empfohlen. Insbesondere bei der Umsetzung eines BGM-Prozesses in einer kleinen Organisationseinheit in Form eines Pilotprojektes kann innerhalb eines begrenzten Rahmens experimentiert und es können Strategien getestet werden, während es möglich ist, die daraus resultierenden Lerneffekte auf die Einführung in der gesamten Organisation zu transferieren (Boscherini et al. 2010). Auch in diesem Punkt sind die Ergebnisse mit dem wissenschaftlichen Kenntnisstand konsistent.

Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass durch sichtbare Aktivität und geringe Zeitabstände zwischen den Prozessschritten und Maßnahmen BGM-Verantwortliche versuchen, den Erwartungen nach Präsenz und Wirksamkeit gerecht zu werden. Dieses Vorgehen entspricht der neo-institutionalistischen Legitimitätsstrategie der Konformität mit den Anforderungen der Anspruchsgruppen (Oliver 1991: 152 ff.; Suchman 1995: 600). In der Forschung zur Legitimierung für BGM spielt dieser Aspekt bisher eine untergeordnete entscheidende Rolle.

Die Ergebnisse stellen verschiedenen Wege dar, die Zielgruppe von BGM zu erreichen und zur aktiven Mitarbeit zu motivieren. Obwohl nach der neo-institutionalistischen Organisationstheorie Erklärungen und Rechtfertigungen (Berger/Luckmann 1986: 100) den Hauptbestandteil des Legitimierungsprozesses bilden, deuten die Ergebnisse auf andere Methoden hin. Diese stellen die Sensibilisierung der Mitarbeitenden gegenüber gesundheitlichen Themen in den Fokus. Dieses Vorgehen ist konsistent mit Forschungsergebnissen zu BGF (Hirtenlehner/Sebinger 2004). Bei der Gestaltung des Prozesses sowie der Angebote stehen ebenfalls die Bedürfnisse und Bedarfe der Zielgruppe im Mittelpunkt, was sich wiederum mit Erkenntnissen bzgl. des Erfolges von BGM deckt (Gröben/Wenninger 2006a; Zelfel et al. 2009; Menzel et al. 2015). Selbiges trifft auch auf andere identifizierte Legitimierungsstrategien zu, wie die transparente Kommunikation im BGM-Prozess (Hirtenlehner/Sebinger 2004; Lück et al. 2008), Möglichkeiten der Partizipation (Walter 2007; Lück et al. 2008; Badura/Steinke 2009; Menzel et al. 2015) sowie die Niedrigschwelligkeit der Angebote und Maßnahmen (Nöhammer et al. 2009; Dietrich et al. 2014; Auerbach et al. 2018). All diese Strategien vereint ein mikropolitischer Ansatz, der darauf abzielt, die Eigeninteressen der Zielgruppe dahingehend zu beeinflussen, dass sie möglichst kongruent mit denen des BGM sind (Neuberger 2006: 256, 283). In diesem Zusammenhang weisen die Ergebnisse der vorliegenden Studie auch auf gezieltes Erwartungsmanagement hin, um unrealistische Erwartungen zu relativieren. Dadurch können kleine Erfolge im BGM-Prozess ebenso wertgeschätzt werden und es kommt zu weniger Enttäuschungen. Während dieser Aspekt in der bisherigen Forschung zu BGM nicht fokussiert wird, bestätigen Studien zu psychologischen Arbeitsverträgen diesen Zusammenhang (Morrison/Robinson 1997; Raeder/Grote 2004). Auch die Stärkung der Eigenverantwortung in Form von Empowerment wird in den Ergebnissen thematisiert und ist konsistent mit aktueller Forschung (Tuomi/Ilmarinen 1999; Artz/Rieger 2013;).

Wie die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dienen auch schnelle und sichtbare Erfolge dazu, Widerstände und Frustration abzumildern und die Veränderung zu rechtfertigen (Hallersleben 2015). Hier wird ebenfalls die Strategie der Konformität angewandt, und es wird durch die Erfüllung von Erwartungen Legitimität erzeugt (Oliver 1991: 152 ff.; Suchman 1995: 600). Elementar sind dabei allerdings die richtige Darstellung und Kommunikation der Erfolge, die in den vorliegenden Ergebnissen unberücksichtigt bleibt (Kotter 1996: 101; Pfannenberg 2007).

Der Einsatz von Werbung lässt sich der neo-institutionalistischen Strategie der Manipulation zuordnen (Oliver 1991: 152 ff.; Suchman 1995: 600). Neben der vorliegenden Studie wird Werbung auch in anderen Untersuchungen zu BGM thematisiert. Denn nur bei ausreichender Präsenz von BGM wird die Auseinandersetzung mit der Thematik und damit potenzieller Chancen ermöglicht (Bechmann et al. 2011; Walter 2007: 205).

Laut den vorliegenden Ergebnissen kann auch die Förderung von Wettbewerb unter den Beteiligten zur Legitimation beitragen, sofern die Beteiligten, wie im Beispiel eines Befragten, positiv auf die Konkurrenzsituation reagieren. Derartige Strategien können im Rahmen eines Projektes zu einer Art kompetitiver Kooperation führen, von der der Veränderungsprozess profitieren kann (Pongratz 2009). Diese Ergebnisse sind jedoch nur bedingt replizierbar und erfordern ein hohes Maß an Verständnis für die herrschende Organisationskultur und ihre Individuen. Denkbar ist auch, dass derartige Interventionen das Konkurrenzverhältnis im Rahmen der Machtneuverteilung des Veränderungsprozesses und mikropolitisches Handeln zusätzlich verschärfen (Küpper/Felsch 2000).

Insgesamt kann nur durch die Ausübung der Weisungsmacht und der Verpflichtung der Zielgruppe zur Teilnahme am BGM-Prozess die Notwendigkeit der Sensibilisierung und Motivation der Beteiligten ersetzen (Ledjaev/Huterer 2014). Diese Maßnahme wird von der BGM-Forschung bisher weitestgehend vernachlässigt.

Auf individueller Ebene gilt es, einen konstruktiven Umgang mit Widerständen zu finden und dadurch Legitimitätsdefizite abzumildern. Die aktive Auseinandersetzung erlaubt einen detaillierten Einblick in die Interessen der Beteiligten und die Hintergründe der Widerstände, denen in den meisten Fällen eher ein gruppendynamischer Effekt als vorsätzliche Gegnerschaft zugrunde liegt (Lewin 1947; Prongratz 2009). So lässt sich auch die einheitliche Unterstützung von BGM erklären, die eintritt, sobald die Mehrheit der Beteiligten überzeugt ist. Die Gruppe strebt nach innerer Homogenität, woraus sich ein Konformitätsdruck ergibt, der BGM-Gegnern mit Delegitimierung straft, sofern sie sich nicht der Gruppe beugen (Neuberger 1995: 144 ff.; Blickle 2004: 85).

Aus den spezifischen Erkenntnissen zu den Widerständen lassen sich außerdem passende Legitimierungsstrategien ableiten (Oliver 1991: 152 ff.; Suchman 1995: 600). Forschungsergebnisse zeigen, dass sich eine „konstruktive Opposition“ äußerst positiv auf die Qualität und damit auch den Erfolg eines Veränderungsprozesses auswirken kann (Dent/Goldberg 1999; Piderit 2000; Mirow et al. 2007: 105).

Die Ergebnisse weisen auch auf externe Unterstützung als legitimitätsstärkenden Faktor hin. Die BGM-Forschung bestätigt diesen Zusammenhang. Positiv wirken sowohl zusätzliche Kompetenz und Qualität als auch Finanzierungshilfen und Förderangebote (Walter 2007; Zelfel et al. 2009; Ansmann et al. 2012; Hamacher et al. 2017; Moll 2019). Letztere wirken sich insbesondere positiv auf die Legitimierung seitens des Arbeitsgebenden aus (Walter 2007).

Bei der Umsetzung der genannten Strategien bedarf es des Weiteren ein gewisses Maß an Ausdauer und Hartnäckigkeit, wie die Ergebnisse zeigen. Obwohl Untersuchungen zu BGM diesen Aspekt kaum integrieren, belegt die Forschungslage diesen Faktor, der für alle Maßnahmen gilt, die sich auf Kultveränderungsprozesse beziehen (Schreyögg/Geiger 2016: 343 ff.)

Auch hinsichtlich der Anzeichen erfolgreicher Legitimierung brachte die vorliegende Untersuchung verschiedene Ergebnisse hervor, während sich die aktuelle Forschung zu BGM dieser Perspektive bisher nur indirekt angenähert hat. Laut den Ergebnissen wird Legitimität zum Beispiel durch das Engagement der Beteiligten ausgedrückt, wie die Ergebnisse zeigen und die Definition von Legitimität bestätigt (Meyer/Rowan 1977; Zucker 1987; Meyer/Scott 1992). Die aktuelle BGM-Forschung identifiziert diesen Aspekt weiterhin als wesentlichen Einflussfaktor (Bechmann et al. 2011; Hamacher et al. 2017). Dieser Aspekt führt auf einer übergeordneten Ebene dazu, dass BGM-Attribute im Unternehmen gelebt werden. Auch hier bestätigen die vorliegenden Ergebnisse die Forschung zum Institutionalisierungsprozess (Tolbert/Zucker 1999: 185; Süß 2009: 196). Das Gleiche gilt für die ausreichende Ausstattung mit relevanten Ressourcen, die die Unterstützung seitens der obersten Leitung verdeutlichen (ebd.).

Auf der Einstellungsebene weisen die Ergebnisse auf ein gesteigertes Interesse und eine zunehmende Begeisterung für die Themen des BGM hin. Auch die Wahrnehmung verändert sich hin zu einer Chancen- und Potenzialorientierung. Dabei wird deutlich, dass die Legitimierung weniger vom objektiven Nutzen abhängt als vielmehr von der individuellen Wahrnehmung und Bewertung (Beyer 1981). Da einige Legitimitätsmaßnahmen die Veränderung der Wahrnehmung von BGM durch die Anspruchsgruppen zum Ziel haben, können derartige Anzeichen auf die erfolgreiche Umsetzung und Wirksamkeit der angewandten Strategien hindeuten (Oliver 1991; Suchman 1995). Insgesamt lässt sich eine Konsistenz der Ergebnisse mit aktueller Forschung und theoretischem Hintergrund feststellen. Lediglich einige Aspekte wurden von der BGM-Forschung bisher noch nicht explizit untersucht.

4.2.2. Zentrale Erkenntnisse

Aufgrund des offenen Vorgehens brachten die erhobenen Daten weiterführende Erkenntnisse hervor. Diese werden im folgenden Abschnitt kurz dargestellt und inhaltlich umrissen.

Legitimität ist ein Kontinuum, in dem sich die Anspruchsgruppen dynamisch bewegen

Wenn sich eine Institution für die Einführung von BGM entscheidet, spricht das, zumindest in Bezug auf die Entscheidungsträger, für ein gewisses Mindestmaß an Legitimität gegenüber BGM. Erst im weiteren Verlauf der Umsetzung findet dann eine Legitimierung seitens anderer Akteure statt. Wenn die Legitimität erfasst wird, bildet sie jedoch immer eine „Momentaufnahme der Anerkennung durch Andere“ ab, was wiederum ihre Dynamik verdeutlicht (Koch 2018). Diese Dynamik und Flexibilität ist auch auf mikropolitische Spiele zurückzuführen, die vor allem im Kontext von Veränderungsprozessen auftreten (Süß 2009: 196). Es besteht keine klare Grenze zwischen der Existenz und dem Fehlen von Legitimität. Vielmehr handelt es sich um ein Kontinuum, zwischen dessen Polen sich die verschiedenen Beteiligten bewegen, indem sie BGM die Rechtmäßigkeit zusprechen oder entziehen. Dafür spricht auch der Ausdruck ‚Legitimitätsdefizit‘ oder ‚Legitimitätslücke‘, der offenlässt, wie groß der Mangel an Legitimität ist. Dieses Kontinuum wird auch bei den Befragungsergebnissen deutlich. Alle Interviewten berichteten sowohl von Anzeichen der Legitimität als auch von Legitimitätslücken. Selbst in Organisationen, in denen BGM erfolgreich implementiert wurde und sich Erfolge eingestellt haben, sind an verschiedenen Stellen noch Legitimierungsbedarfe festzustellen (vgl. Interview B). Auch im Fall von großen Legitimitätsdefiziten stehen diese in keinem Fall für vollumfängliche Illegitimität. Solange es BGM im Unternehmen gibt, gibt es auch immer jemanden, der sich für dessen Legitimierung einsetzt, wie die Ergebnisse deutlich zeigen. Das wird vor allem dort deutlich, wo BGM-Verantwortliche mit großen Hindernissen zu kämpfen haben, die sie Stück für Stück bewältigen. Sie zeigen damit, dass die Legitimitätssituation in einer Organisation nicht statisch, sondern dynamisch ist. Sie kann aktiv beeinflusst werden, indem Widerstände angegangen und Legitimierungsstrategien angewandt werden.

Das Ausmaß der Basislegitimität sowie der weitere Verlauf der Legitimierung hängt von unterschiedlichen Faktoren ab (siehe Abschnitt 4.1.).

Ressourcenverfügbarkeit und Legitimität beeinflussen sich wechselseitig

Wenn in einer Organisation ein Veränderungsprozess angestoßen wird oder eine Veränderung in die Phase der festen Eingliederung in die Kultur übergeht, ist diese Teil eines Diskurses zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren, die von der Veränderung betroffen sind. Neben den Errungenschaften einer solchen Veränderung stehen vor allem auch die damit verbundenen Kosten in Form von nötigen Ressourcen im Mittelpunkt des organisationalen Diskurses.

Für die Bereitstellung von Ressourcen ist in erster Linie die oberste Leitung einer Organisation verantwortlich. Daher ist anzunehmen, dass die verfügbaren Ressourcen für BGM die Legitimierung seitens dieser Person widerspiegeln. Die Befragungsergebnisse deuten auf den teilweise massiven Mangel an finanziellen, personellen, fachlichen und zeitlichen Ressourcen hin. Die fehlende Unterstützung kann aber auch die Ursache eingeschränkter Handlungsfähigkeit sein, woraus sich wiederum Legitimitätsdefizite aufgrund mangelnder Aktivität und Erfolge generieren. Es ist daher anzunehmen, dass eine wechselseitige Beeinflussung zwischen den verfügbaren Ressourcen und der Legitimierung seitens der Anspruchsgruppen, insbesondere der obersten Leitung, vorliegt.

Differierende Legitimierungsverläufe bei Entscheidern und Mitarbeitenden gefährden den Erfolg von BGM

Die Ergebnisse der Studie erlauben Rückschlüsse zu einer möglichen Kernproblematik. Das Stagnieren und Scheitern eines BGM-Prozesses liegt an differierenden Legitimierungsverläufen der Anspruchsgruppen. Seitens der obersten Leitung verläuft die Legitimierung gegenläufig zu den Erwartungen, die an BGM gestellt werden. Im ersten Schritt prägt die Erwartung nach betriebswirtschaftlichen Vorteilen die Legitimität, die BGM zugesprochen wird (Baumanns/Münch 2010: 170). Arbeitgebende Akteure, wie Geschäftsleitung, Management etc., tendieren folglich dazu, die Legitimierung von BGM an dessen betriebswirtschaftliche Erfolge zu knüpfen (Suchman 1995; Massey 2001: 156). Dieser Mechanismus beinhaltet zwei Schwierigkeiten. Einerseits erlauben die strukturellen Rahmenbedingungen von BGM in den meisten Organisationen keine angemessene Evaluation der Wirksamkeit. Dadurch entsteht der Eindruck, der betriebswirtschaftliche Erfolg von BGM sei nicht nachzuweisen (Walter 2010). Andererseits können – bei dem aufgrund der niedrigen Basislegitimität geringen Ressourceneinsatz – in der Implementierungsphase kaum größere Erfolge eintreten. Eine hohe Prozessqualität in Verbindung mit internem Marketing und langfristiger Zielorientierung sind essenziell, um positive Effekte auf betriebswirtschaftlicher Ebene zu generieren (siehe Abschnitt 4.1).

Anstatt die nötige Unterstützung sicherzustellen, verhalten sich Entscheider an zahlreichen Stellen so, als stünde der Ressourceneinsatz in einem linearen Verhältnis zum Erfolg von BGM. Sie neigen dazu, BGM in kleinen Schritten zu implementieren. Die Interviewten berichten von den Vorteilen, wenn BGM zu Beginn erst in einer Organisationseinheit umgesetzt wird oder sich die Beteiligten am Anfang nur eines spezifischen Themas annehmen.

Dieses Vorgehen vernachlässigt allerdings die differierenden Legitimationsprozesse seitens der Beschäftigten. Diese erwarten im Zuge der Einführung von BGM primär sichtbare und spürbare Angebote und Veränderungen in Verbindung mit intensiver Kommunikation. Diese Erwartung speist zu Beginn des BGM-Prozesses die Basislegitimität. Während die Akteure auf der Seite des Arbeitgebenden es langsam angehen lassen und BGM mit geringen Ressourcen ausstatten, verläuft die Legitimation seitens der Mitarbeitenden negativ. Deren Erwartungen nach zeitnaher Umsetzung können aufgrund vorsichtiger kleiner Prozessschritte und geringem Ressourcenvolumen nicht erfüllt werden. Die daraus resultierende Enttäuschung führt zu einer rückläufigen Legitimierung. Diese führt im nächsten Schritt dazu, dass die Angebote, die gemacht werden, von der Zielgruppe ausgeschlagen oder ignoriert werden, woraufhin die Erwartung der obersten Leitung nach Erfolgen wiederum enttäuscht wird. Der entstandene Kreislauf endet in der Delegitimierung von BGM durch die Anspruchsgruppen beider Seiten.

BGM braucht Macht, um Legitimität zu generieren

Neben den bereits genannten Ressourcen spielt auch Macht eine tragende Rolle. Diese wird zum einen durch die organisationale Verankerung von BGM und zum anderen durch die Unterstützung machtvoller Akteure deutlich. Ersteres wird insbesondere dann offensichtlich, wenn BGM an wenig machtvollen Stellen, z. B. als Nebenaufgabe einzelner Beschäftigter in der Organisation, angegliedert ist. Die Legitimitätslücken sind – aufgrund von mangelnder Präsenz und Aktion – folglich auf ein Defizit an Macht zurückzuführen. Um die Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit zu gewährleisten, ist auch die Unterstützung und Einbindung wesentlicher Entscheidungsträgerinnen und -träger existenziell für das Bestehen und Wirken von BGM. Dies betrifft z. B. auch die Arbeitnehmenden-Vertretung, die in gesundheitlichen Belangen über die formelle Macht der gesetzlichen Mitbestimmungspflicht verfügt (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).

Machvolle Akteure, die den Prozess befürworten – auch Change-Agenten genannt –, treiben den Veränderungsprozess aktiv voran, indem sie ihren Status und ihr Ansehen nutzen, um die Veränderung aktiv zu unterstützen. Die Forschungsergebnisse machen deutlich, dass sie auch in einem BGM-Prozess unverzichtbar sind. Oberste Leitung, Führungskräfte und Interessenvertretungen können als Promotoren fungieren, die sowohl die Präsenz von BGM in der Organisation steigern als auch Motivation wecken und aufkommende Widerstände auffangen.

Auch die Anwendung legitimitätssteigernder Maßnahmen verlangt die Ausübung von Macht. Je nach Strategie ist ein variierendes Maß an Machtausübung nötig (Ledjaev/Huterer 2014). Während der Weg der Sensibilisierung und Kollaboration wenig Machteinsatz benötigt, beinhalten andere Strategien, z. B. Überzeugungsarbeit, implizite Erwartungshaltungen oder auch Verpflichtung, einen höheren Grad an Machtausübung. Je nach den Machtressourcen, auf die BGM innerhalb der Organisation zugreifen kann, ist die Wahl an Legitimitätsstrategien daher für die BGM-Verantwortlichen begrenzt.

Ziel der BGM-Verantwortlichen ist es, mächtige Akteure von BGM zu überzeugen und eine Führungskoalition aufzubauen (Pfannenberg 2007). So können fehlende Macht-Ressourcen ausgeglichen und die Legitimierung von BGM vorangetrieben werden. Wenn dieses Vorhaben scheitert oder die Koordination von Change-Agenten misslingt, birgt dies ein großes Risiko für die Legitimierung von BGM.

Interne und externe BGM-Verantwortliche können sich ergänzen

Im Mittelpunkt des Veränderungsprozesses stehen die BGM-Verantwortlichen, die für die Implementierung eines effizienten und wirksamen BGM-Prozesses zuständig sind. Diese Position wird in der Praxis entweder durch einen Beschäftigten oder durch eine externe beratende Person bzw. einer Kombination aus beiden besetzt. Diese Konstellationen zeigen jeweils spezifische Vorteile und Herausforderungen. Interne Beschäftigte kennen ihre Organisation häufig gut und ihnen sind potenziell kritische Themen bewusst. Sie sind aber auch Teil der Organisation und verfügen daher nicht über den unvoreingenommenen und offenen Blick, den eine beratende Person mitbringt. Eine solche wiederum hat ein Interesse daran, weiterhin von der Organisation gebucht zu werden und agiert daher möglicherweise auch auf (mikro-)politischer Ebene (Mingers 1996; Iding 2001). Trotzdem kann der BGM-Prozess von der Unterstützung durch externe Beratende profitieren (Mohr 1997: 111 ff.). Dies bestätigen auch die vorliegenden Untersuchungsergebnisse, die darauf hinweisen, dass externe Fachexperten zur Legitimierung von BGM beitragen können. Durch ihre Expertise kontribuieren sie z. B. zu einem besseren Verständnis von BGM. Außerdem können sie ermutigende Best Practices liefern und durch ihre Erfahrungswerte wertvolle Impulse zur Lösung von Problemen geben. Durch ihren Expertenstatus und ihre Neutralität unterstützen sie die Legitimierung. Insbesondere Kooperationen mit Sozialversicherungsträgern und anderen Förderern ermöglichen eine Ausweitung der BGM-Angebote, ohne dass dafür weitere Ressourcen eingesetzt werden müssen.

Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, wie individuell die konkrete Rolle eines externen Beratenden ausfällt. Sie umfasst ein Spektrum zwischen operationeller Umsetzung von BGM und beratender Unterstützung der internen BGM-Verantwortlichen. Die Auswertung der Befragungsdaten ergab keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der internen und externen BGM-Verantwortlichen. Lediglich die Rolle und der Nutzen einer beratenden Person werden von ebendiesen häufiger thematisiert (4 von 6).

4.2.3. Methodische Diskussion

Bei der Bewertung qualitativer Forschungsmethoden besteht kein wissenschaftlicher Konsens über diejenigen Kriterien, die zur Einschätzung qualitativer Forschung heranzuziehen sind. Vielmehr befindet sich der Forschende in der Verantwortung, das eigene Forschungsdesign, die Methodenauswahl sowie das Vorgehen im Forschungsprozess selbstkritisch zu hinterfragen, um die wissenschaftstheoretische Qualitätssicherung des Forschungsvorhabens zu gewährleisten. Die Reflexion ist dabei nicht auf einen Schritt im Forschungsprozess beschränkt. Stattdessen ist sie ständig präsent, indem der Forschende sein Vorgehen kontinuierlich auf methodische Mängel hin überprüft (Flick 2007).

Das leitfadengestützte Interview als Erhebungsinstrument erwies sich für die gewählte Forschungsfrage als geeignet. Durch die offene Vorgehensweise wurde eine Bandbreite an Datenmaterial erhoben, das vielfältige und teilweise unerwartete Ergebnisse in ausreichender Breite und Tiefe hervorbrachte. Hinsichtlich der Ergebnisse ist es von Relevanz, diese unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass sie die subjektive Sichtweise der BGM-Beauftragten widerspiegeln, die wiederum nur eine Anspruchsgruppe des BGM darstellen.

Die offene Konzeption der Leitfäden erwies sich als äußerst vorteilhaft. Da bisher kaum Forschung zu den Legitimierungsprozessen von BGM publiziert wurde, war die ganzheitliche Herangehensweise für die Thematik nötig, um ausreichend Kontext zum Phänomen zu erfassen, das in dieser Arbeit betrachtet wurde, und eine Theoriebildung zu ermöglichen. Eine Herausforderung bei der Konzeption der Leitfäden war die Operationalisierung der Legitimität von BGM, die durch Aspekte wie Einstellung und Akzeptanz gegenüber BGM annähernd erreicht wurde, jedoch ist das Konzept der Legitimität deutlich tiefergehend. Die Konzentration auf die Legitimierung durch eine einzelne Anspruchsgruppe hätte an dieser Stelle eine tiefergehende Auseinandersetzung ermöglicht.

An einigen Punkten der Interviews wäre die Erhebung tieferer und detaillierterer Erkenntnisse möglich gewesen. Die Forschende hätte zu Aspekten von Interesse mehr konkrete Nachfragen stellen können, da diese durch die tendenziell eher kurze Interviewdauer in den zeitlichen Rahmen gepasst hätten. Ebenso hätten die Leitfäden zwischen den einzelnen Interviews auf Grundlage der gemachten Erfahrungen stärker modifiziert werden können. Dies erwies sich jedoch als schwierig, da alle Teilnehmenden unterschiedlich auf die Fragestellungen reagierten und keine klare Richtung zur Optimierung des Leitfadens deutlich wurde. Um im Zuge der Interviews weitergehende Aussagen zu den unterschiedlichen Befragungsgruppen zu generieren, hätten die Leitfäden spezifischer auf die jeweilige Gruppe angepasst werden müssen, was möglicherweise die Vergleichbarkeit gefährdet hätte.

Auch das Forschungsgebiet an sich beinhaltet einige methodische Herausforderungen, die im Forschungsprozess nicht gänzlich kontrolliert werden konnten. Es ist davon auszugehen, dass die Qualität eines BGM-Prozesses durch die erzielten Erfolge auch die Legitimierung beeinflusst. Dieser Aspekt wurde jedoch auf die fachliche Ausbildung der BGM-Verantwortlichen reduziert, da die Feststellung der Qualität von BGM nur mit hohem Aufwand und detailliertem Hintergrundwissen möglich ist. Selbiges gilt auch für die Implementierungsphase, in der sich die jeweilige Organisation befindet. Unter den Befragten war ein Großteil im Aufbau eines BGM-Prozesses. Es ist davon auszugehen, dass der jeweilige Stand gerade im Hinblick der differierenden Einstellungen in Veränderungsprozessen die Legitimierung maßgeblich prägt. Außerdem liegen der jeweiligen Organisationskultur individuelle Bewertungsmaßstäbe zugrunde, die von außen nur schwer zu erfassen sind, die Legitimierung aber maßgeblich mitbestimmen.

In der subjektiven Sichtweise der Befragten liegen ebenfalls limitierende Faktoren. Ihre fachlichen und organisationalen Vorerfahrungen sowie Eigeninteressen prägen ihre Sichtweise bzw. ihre Äußerungen bezüglich des Untersuchungsgebietes. Manche Aussagen der Befragten deuten darauf hin, dass sie die Legitimationsverhältnisse in ihrer Organisation nicht reflektieren und relevante Hintergründe dieser komplexen Thematik, insbesondere mikropolitische Vorgänge in der Organisation, nicht vollständig durchdringen.

Im folgenden Abschnitt werden aus den gesammelten Erkenntnissen, die auf Grundlage der reflektierten Methodik erhoben wurden, Implikationen für die Praxis des BGM erläutert und weiterer Forschungsbedarf abgeleitet.

4.2.4. Implikationen für Forschung und Praxis

Implikationen für die Forschung

In der vorliegenden Arbeit wurden aufgrund zeitlicher Restriktionen einige Aspekte des Legitimierungsprozesses von BGM nicht näher beleuchtet. Die künftige BGM-Forschung sollte sich daher den spezifischen Einflussfaktoren auf die Legitimierung widmen. Dazu gehören insbesondere die Beziehungen und Machtverhältnisse unter den Anspruchsgruppen von BGM, die vor dem Hintergrund des mikropolitischen Geschehens innerhalb einer Organisation auch die Legitimierung prägen. Weiterer Forschungsbedarf besteht im Einfluss des Auftretens, der Persönlichkeitsstruktur sowie der spezifischen Kompetenzen des BGM-Beauftragten. Auch der Einfluss der herrschenden Organisationskultur auf die Legitimierung von BGM ist unbestreitbar, bleibt aber im Detail zu erforschen. Des Weiteren gilt es, die Legitimierung hinsichtlich der verschiedenen Implementierungsphasen des BGM-Prozesses sowie der langfristigen Entwicklung, zum Beispiel in Form einer Längsschnittstudie, zu untersuchen. Ähnlich verhält es sich mit der Qualität des BGM-Prozesses und den (wahrgenommenen) Erfolgen, die auf die Legitimierung einwirken. Um die Kausalität zwischen den identifizierten Einflussfaktoren und dem Legitimierungsverlauf zu bestätigen und in diesem Bereich spezifischer Aussagen tätigen zu können, eignen sich Längsschnittstudien.

Aufgrund der qualitativen und offenen Herangehensweise sind die vorliegenden Ergebnisse durch weitere Forschungsarbeit zu spezifischen Aspekten der Ergebnisse zu ergänzen. Insbesondere die Einstellungen und das Verhalten der einzelnen Anspruchsgruppen können durch weitere (qualitative) Untersuchen tiefer durchdrungen werden, was wiederum Rückschlüsse auf die Gesamtlegitimierung zulassen würde.

Angrenzend an das Phänomen der Legitimitätsdefizite werfen die Ergebnisse der Forschungsarbeit weitere Fragen auf. Diese betreffen zum Beispiel die Wirksamkeit der verschiedenen Legitimierungsstrategien. Auffällig ist außerdem der Überhang weiblicher BGM-Beauftragter. Neun von zehn Interviewten waren weiblich, während die Leitungspositionen der Organisationen in den meisten Fällen mit Männern besetzt waren. Dies entspricht sowohl dem subjektiven Eindruck, der im Feld von BGM gewonnen wird, als auch den wissenschaftlichen Erkenntnissen, die belegen, dass Frauen sich tendenziell eher in sozialen Belangen engagieren (Leitner 2001). Fraglich ist, ob und inwieweit diese weibliche Besetzung der BGM-Stellen die Legitimierung von BGM beeinflusst. Im BGM-Prozess sind Attribute wie Sichtbarkeit und ein gewisses Maß an Hartnäckigkeit essenziell. Aktuelle Forschung weist hingegen darauf hin, dass sich Frauen in einem Dilemma zwischen Professionalität und Weiblichkeit befinden, das verhindert, dass sie durch selbstsicheres und souveränes Auftreten in ihrer Organisation sichtbar werden (Rastetter/Jüngling 2018: 30 f.). Inwiefern sich Rollenerwartungen oder andere genderbasierte Mechanismen auswirken, gilt es weiter zu untersuchen.

Implikationen für die Praxis

Auf Basis der empirischen Daten konnten neue Erkenntnisse zur Legitimierung von BGM in Organisationen gewonnen werden, aus denen es möglich war, konkrete Handlungsempfehlungen für die BGM-Praxis abzuleiten. Deutlich wird dabei vor allem die Bedeutung der Legitimität für den Erfolg und den Bestand eines BGM, die die bewusste Auseinandersetzung mit der Thematik erforderlich macht.

Um die Legitimierung gezielt und effizient zu beeinflussen, ist es im ersten Schritt nötig, die aktuelle Legitimitätssituation bezüglich BGM in der Organisation zu analysieren (Holzheimer 2019). Die Analyse wird im Optimalfall in die Vorbereitung zur Implementation eines BGM-Prozesses integriert und im laufenden Prozess stetig hinterfragt und – wenn erforderlich – korrigiert.

Der erste Schritt beinhaltet die Identifikation der Anspruchsgruppen von BGM in der Organisation. Da BGM als ganzheitlicher Managementansatz fungiert, sind die Anspruchsgruppen vielfältig. Sie können den übergeordneten Positionen Arbeitgebender (Geschäftsleitung, Management etc.), Führungskräfte, Arbeitnehmende und Arbeitnehmenden-Vertretungen, wie Betriebs-/Personalrat, Schwerbehindertenvertretung etc. zugewiesen werden. Die wegweisenden Fragen, nach der die Anspruchsgruppen identifiziert werden können, lauten: Wer ist direkt oder indirekt am BGM-Prozess beteiligt? Wer hat einen Einfluss auf den Erfolg und das langfristige Bestehen von BGM in der Organisation?

Anschließend gilt es, die Anforderungen der identifizierten Anspruchsgruppen zu erheben. Die Erwartungen, die an BGM gestellt werden, werden sich im weiteren Verlauf je nach Erfüllung positiv oder negativ auf die Legitimierung der jeweiligen Anspruchsgruppe auswirken. Daher kann es auch sinnvoll sein, neben den qualitativen Zielen von BGM, wie gesteigerter Arbeitszufriedenheit, auch die Erwartungen im Blick zu haben, und derartige Erfolge an die entsprechende Anspruchsgruppe zu kommunizieren. Um die Erwartungen zu erheben, können verschiedene Wege genutzt werden, deren Kernelement in der Kommunikation besteht. In Befragungen, Gesprächen oder Workshops können Anspruchshaltungen transparent gemacht werden und es kann gleichzeitig eine Sensibilisierung hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen von BGM stattfinden. Hilfreiche Fragestellungen im Dialog oder zur Reflexion sind zum Beispiel: Welche rollenspezifischen Erwartungen werden an die Anspruchsgruppe gestellt? Welche Ziele verfolgt die Person oder die Anspruchsgruppe? Welche BGM-Erfolge würde die Person oder Anspruchsgruppe wertschätzen?

Es folgt die Analyse der Verteilung von Machtressourcen in der Organisation. Dies betrifft den Einfluss, den die verschiedenen Anspruchsgruppen auf das BGM haben. Legitimitätslücken können gravierende Auswirkungen nach sich ziehen, wenn sie von machtvollen Anspruchsgruppen herrühren. Sie manifestieren sich zum Beispiel in verwehrter Unterstützung, mangelnder Ressourcenversorgung, eingeschränkter Handlungsfähigkeit und der negativen Beeinflussung anderer Akteure. Im schlimmsten Fall droht die Einstellung des BGM-Prozesses. Umso wesentlicher ist es, die machtvollen Anspruchsgruppen zu erkennen und diese, insbesondere bei differierenden Interessen, in Bezug auf effiziente Legitimierungsstrategien zu priorisieren. Um Machtverteilungen zu visualisieren, helfen folgende Fragestellungen: Von wem ist der Erfolg und das Bestehen von BGM in der Organisation abhängig? Wie nehmen die verschiedenen Anspruchsgruppen die Machtverhältnisse untereinander wahr?

Im letzten Schritt werden aus den gesammelten Informationen über die Anspruchsgruppen, deren Anforderungen und die Machtverteilung Legitimitätsstrategien abgeleitet. Widerstände sind überaus komplex und weisen meist äußerst diffuse Symptome auf, die erst entschlüsselt werden müssen, bevor ihr Ursprung identifiziert und der Widerstand überwunden werden können (Dent/Goldberg 1999). Die Ursache von Widerständen kann in der Organisation oder in einem Individuum bestehen (Schreyögg/Geiger 2016: 361 ff.).

Bei Widerständen einzelner Personen gilt es im ersten Schritt immer ein offenes Gespräch zu suchen. Ziel des Dialogs soll nicht die Überzeugung des Kritikers sein, sondern auf wertschätzende Art den Inhalt der Kritik bzw. den Grund des Widerstandes zu erörtern. Denn nur, wenn sich Gegner des BGM ernst genommen und gesehen fühlen, kann einerseits die konstruktive Kritik zur Verbesserung des BGM genutzt werden und andererseits wird die Bildung einer emotionsgetriebenen Opposition verhindert, die keinerlei Kooperation mehr zulässt. Dabei sollte sich die BGM-verantwortliche Person vor Augen halten, dass ehrliche Kritik und heterogene Einstellungen den BGM-Prozess lebendig halten und auch eine stetige Auseinandersetzung und Präsenz in der Organisation generieren. Widerstände dürfen nicht verteufelt oder ignoriert werden, es gilt vielmehr, eine empathische und wertschätzende Perspektive dazu einzunehmen.

Im Umgang mit Widerständen auf organisationaler Ebene kann es sinnvoll sein, verschiedene Wege und Legitimitätsarten anzusprechen (Oliver 1991: 152 ff.; Suchman 1995: 600), um nicht von der Effizienz einer einzelnen Strategie abhängig zu sein und die Legitimierung nachhaltig zu verbessern.

Handlungsempfehlungen

Im Folgenden sollen konkrete Handlungsempfehlungen erläutert werden, die sich aus den vorliegenden Untersuchungsergebnissen ergeben. Bei der Umsetzung der Empfehlungen sollten die BGM-verantwortlichen Personen die spezifischen Eigenschaften und individuelle (Umwelt-)Faktoren berücksichtigen, die die Umsetzbarkeit und den Erfolg beeinflussen können.

Schon zu Beginn eines BGM-Prozesses können Organisationen durch die organisationale Verankerung von BGM die Legitimierung aktiv beeinflussen. Sofern keine eigene Abteilung eingerichtet wird, kann BGM an verschiedenen Stellen in einer Organisation, wie zum Beispiel als Stabsstelle der obersten Leitung, in der Personalabteilung oder bei der Arbeitssicherheit angegliedert werden. Dabei gilt es die vorhandenen Strukturen sollten bestmöglich zu nutzen und gleichzeitig maximale (Macht-)Ressourcen für BGM zu gewinnen, indem die Organisation die hohe Legitimität bestehender Arbeitsbereiche für die Legitimierung von BGM nutzt. Dies kann auch durch die Kooperation mit anderen einflussreichen Akteuren oder der Unterstützung externer Beratender geschehen.

Essenziell zur Steigerung der Legitimität ist die Ermöglichung und Darstellung von Erfolgen. Dafür ist eine hohe Prozess- und Angebotsqualität essenziell. Erstere verlangt die Berücksichtigung vielfältiger Faktoren und Vorgehensweisen, die in der Literatur bereits ausführlich beschrieben wurde. Praxisorientierte Hilfestellungen bieten die Veröffentlichungen von Uhle und Treier (2015) sowie Badura et al. (2010). Hochwertige Angebote und Interventionen verlangen spezifische Kenntnisse zu den Bedarfen der Organisation und ihren Mitgliedern, wofür im BGM-Prozess die Bedarfserhebung genutzt wird. An dieser Stelle sollte der Fokus auf eine stärkere Verbindung zur Zielgruppe gelegt werden. Neben einem klassischen Erhebungsinstrument, wie einer Mitarbeitenden-Befragung oder stichprobenartigen Interviews, können Workshops, Arbeitsgruppen interessierter Personen oder interne Kommunikationsplattformen zum Austausch und zur gemeinsamen Erarbeitung geeigneter Angebote und Maßnahmen genutzt werden. Das aktive Einholen von Feedback sowie regelmäßige Evaluierungen verdeutlichen einerseits die Ernsthaftigkeit mit der BGM verfolgt wird und beinhalten andererseits das Potenzial stetiger Verbesserungen. Wenn sich in diesem Prozess einzelne Mitarbeitende besonders engagiert zeigen, kann es sich auszahlen, diese Personen besonders in den Prozess zu integrieren, wodurch sie zu Multiplikatoren oder Promotoren des BGM werden und ihre positive Einstellung weitertragen. In vielen Fällen müssen sich nicht immer alle Mitarbeitenden aktiv am BGM beteiligen. Bedeutsamer kann es sein, diejenigen zu erreichen, die am meisten Belastungen erleben und daher am meisten von den Angeboten und Interventionen profitieren können.

Damit die erzielten Erfolge von den Anspruchsgruppen anerkannt werden und damit zur Legitimierung beitragen können, gilt es sie ansprechend darzustellen und zu kommunizieren. Um dies zu ermöglichen müssen im ersten Schritt Ziele formuliert werden, die in den meisten Fällen von Seiten der Arbeitgebenden vorgegeben werden. Hilfreich kann es sein, bereits im Vorfeld Meilensteine zu definieren, die mit hoher Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Dafür ist es nötig, die Erfolge von BGM mithilfe geeigneter Kennzahlen messbar zu machen und ein Gesundheitscontrolling zu implementieren. Bei der Wahl eines geeigneten Kennzahlensystems können die Arbeiten von Uhle und Treier (2015; 2019) als Hilfestellung dienen.

Für die BGM-Verantwortlichen ist es wichtig zu versehen, dass die jeweilige Anspruchsgruppe bestimmt, worin ein Erfolg besteht. Auch an dieser Stelle zahlt es sich also aus, die Erwartungen der Akteure genau zu kennen, da die BGM-Verantwortlichen so die Leistungen und den Nutzen von BGM entsprechen aufbereiten können. Verschiedene Anspruchsgruppen können in diesem Zusammenhang auch unterschiedlich angesprochen werden, solange die Inhalte nicht stark voneinander abweichen und dadurch Irritationen vermieden werden. Die Darstellung von Erfolgen kann z. B. auf der Grundlage betriebswirtschaftlicher Kennzahlen, ethischer Unternehmenswerte oder gemeinsamer Ziele und Visionen basieren.

Derartige Argumentationen dienen auch dazu Ressourcen für BGM zu gewinnen. Doch neben der Zuteilung durch die Entscheider der Organisation können auch andere Quellen genutzt werden. Neben staatlichen Förderprogrammen können auch Kostenträger, wie Krankenkassen und Unfallversicherungen auf Zuschüsse angesprochen werden. Neben finanziellen Ressourcen bieten diese häufig auch fachliche Unterstützung in Form von Gesundheitstagen, Vorträgen oder ähnlichen Angeboten an. Derartige Kooperationen sind ein ressourcenschonender Weg das BGM-Angebot zu erweitern.

Interne Werbung für BGM verstärkt durch gezielte Darstellung und Steigerung der Präsenz die Auseinandersetzung mit BGM in der Organisation und der spezifische Nutzen kann überhaupt erst wahrgenommen werden. Dafür können klassische Kampagnen in den organisationsinternen Kommunikationsnetzen ebenso genutzt werden wie kreative Ansätze aus dem Marketing.

Insbesondere zu Beginn des BGM-Prozesses sollte die Beziehung der verschiedenen Anspruchsgruppen zum BGM im Vordergrund stehen. Sobald das Vertrauen und die Legitimität gefestigt ist können auch tiefergehende Veränderungen angestoßen werden. Ein Vertrauensverhältnis wird in erster Linie durch transparente und kontinuierliche Information und Kommunikation geschaffen. Für BGM-Verantwortliche bedeutet das, die Zielgruppe ‚hinter die Kulissen‘ blicken zu lassen. Der offene Umgang mit aktuellem Stand, Zielen und der Planung von BGM-Angeboten sowie Informationen zu Hintergrundprozessen und aktuellen Herausforderungen schaffen Nähe und Vertrauen.

Gleichzeitig müssen BGM-Verantwortliche einen konstruktiven Umgang mit Rückschlägen und Kritik finden. Diese treten in einem gelebten Prozess immer wieder auf und sollten daher als Chance für Verbesserungen aufgefasst werden. Aktive Kommunikation auf Augenhöhe ermöglicht Gegnern des BGM ihre Position zu verändern ohne Angst vor einem Gesichtsverlust haben zu müssen. Diese Einstellung lässt sich auch auf die Prozessebene übertragen, die die BGM-Verantwortlichen aus der Perspektive kontinuierlicher Weiterentwicklung mit Neugier und Experimentierfreude betrachten sollten. Auch ein gewisses Feingefühl für die Vorgänge in der Organisation ist hilfreich, um den Prozess an der einen Stelle durch eine gewisse Hartnäckigkeit und Ausdauer voranzutreiben und gleichzeitig Raum für die kontinuierliche Entwicklung zu lassen. Von der Einführung eines BGM-Prozesses bis zur vollständigen Institutionalisierung kann einige Zeit vergehen, weshalb eine aktive und kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Legitimierung unerlässlich ist, um auftretende Legitimitätsdefizite schnell identifizieren und beheben zu können.

5. Ausblick und Fazit

Bei der Implementierung und Umsetzung von BGM ist die Legitimität elementar, die ihm von seinen Anspruchsgruppen zugesprochen wird. Die vorliegende Forschung zeigt auf, welche schwerwiegenden Folgen Legitimitätsdefizite haben können. Diese reichen von Desinteresse über mangelnde Unterstützung bis hin zur aktiven Blockierung des BGM-Prozesses. Der daraus resultierende Mangel an (Macht-)Ressourcen, Unterstützung und Handlungsfähigkeit gefährdet langfristig den Erfolg und das Bestehen von BGM. Umso bedeutsamer ist es, die wesentlichen Einflussfaktoren zu berücksichtigen, die die Entstehung von Legitimitätslücken begünstigen. Die vorliegenden Ergebnisse identifizieren an dieser Stelle das fehlende Vertrauen in der Organisation, das problematische Image von BGM sowie dessen strukturelle Abhängigkeit.

Fehlendes Vertrauen liegt häufig in der Kultur der Organisation begründet, das durch Enttäuschungen aus der Vergangenheit geprägt ist. Diese Vorerfahrungen werden auf BGM projiziert und ziehen sowohl Misstrauen als auch Ängste nach sich. Ein Mangel an Transparenz, Kommunikation und Partizipation verstärkt diese Situation, und Widerstände sind die Folge. Auch das problematische Image von BGM, das von mangelndem Verständnis der Zusammenhänge zeugt, verhindert die Legitimierung. Oftmals wird der spezifische Nutzen von BGM nicht erkannt, weshalb die Beteiligten zuerst Erfolge als Beweis für die Wirksamkeit fordern, bevor sie die Veränderung unterstützen. Des Weiteren wirkt sich die strukturelle Abhängigkeit, der BGM unterliegt, negativ auf die Legitimierung aus. Bestehende Machtverhältnisse, die Ressourcenverteilung und der Mangel an Entscheidungskompetenzen behindern die Handlungsfähigkeit von BGM. Letzteres wird als reine Unterstützungsfunktion in der Organisation wahrgenommen und daher nicht ernstgenommen.

Um Legitimitätsstrategien abzuleiten, ist es unumgänglich, die Hintergründe der Legitimitätsdefizite zu verstehen. Im Umgang mit differierenden Interessen und Machtverteilungen zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen muss eine umfassende Analyse der Legitimitätssituation der Strategieentwicklung vorausgehen. Nur so können die (Macht-)Ressourcen der Organisation für das BGM genutzt werden und die ausgewählten Strategien und Maßnahmen zur Legitimierung beitragen.

Während sich die vorliegende Untersuchung auf die Legitimierung von BGM innerhalb der Organisation fokussiert hat, können auch Faktoren außerhalb der Organisation auf die Legitimierung von BGM Einfluss nehmen. Einerseits versuchen Organisationen, sich selbst zu legitimieren, indem sie BGM implementieren, um sich als werteorientierte Organisation darzustellen und beispielsweise ihre Arbeitgebenden-Attraktivität zu steigern oder die Kundenbindung zu erhöhen (Frohwein 2014: 83 ff.; Lück et al. 2009).

Auch die aktuelle Entwicklung bedingt durch die COVID-19-Pandemie kann zur Legitimierung von BGM beitragen. Das Thema Gesundheit rückt in den Fokus von Organisationen und Gesellschaft. Allein durch die vermehrte Auseinandersetzung kommen mehr Organisationen in Kontakt mit den Chancen von BGM, während bestehende BGM-Prozesse zur Umsetzung von Schutzmaßnahmen genutzt werden können. Betriebliches Gesundheitsmanagement erhält durch die Pandemie die Chance, sich zu beweisen. Investitionen in den Gesundheitsschutz werden getätigt und umgesetzte Maßnahmen vielfach gefordert und begrüßt. In den Augen der Anspruchsgruppen steigen der Nutzen sowie die Potenziale von BGM und damit auch die Legitimität. Um diese Nachfrage hinsichtlich einer langfristigen Institutionalisierung von BGM zu nutzen, gilt es, die aktuelle Aufmerksamkeit für den Aufbau bzw. das Vorantreiben eines nachhaltigen BGM-Prozesses zu nutzen. Sofern das Handlungsfeld von BGM über den aktuellen Infektionsschutz hinaus ausgedehnt werden kann, ist dies, unter Berücksichtigung relevanter Legitimationsfaktoren, ein wesentlicher Schritt hin zu einem nachhaltigen und ganzheitlichen BGM-Prozess.

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Excerpt out of 93 pages

Details

Title
Die Legitimierung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement
Subtitle
Welche Faktoren verursachen oder begünstigen Legitimitätsdefizite?
College
University of Hamburg
Grade
1,0
Author
Year
2020
Pages
93
Catalog Number
V1042202
ISBN (eBook)
9783346462688
ISBN (Book)
9783346462695
Language
German
Keywords
Betriebliche Gesundheit, Betriebliches Gesundheitsmanagement, Legitimität, Legitimierung, Veränderunsprozess, Change Management, Neoinstitutionalismus, Akzeptanz
Quote paper
Lena Görlich (Author), 2020, Die Legitimierung von Betrieblichem Gesundheitsmanagement, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1042202

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