Inhaltsverzeichnis
1. Grundlegendes?
1.1 Allgemeine Zielsetzungen für das Klassenmusizieren
1.2 Pädagogische Ziele des Unterrichts in der Oberstufe
1.3 Aufgabe und Zielstellung des Musikunterrichts heute
2. Zielsetzungen des Klassenmusizierens
2.1 Klassenmusizieren aus Freude am Musikmachen
2.2 Klassenmusizieren als methodische und affektive Hinführung zu bisher unbekannter Musik
2.3 Klassenmusizieren zur Förderung des musikalischen Spracherwerbs
2.4 Klassenmusizieren zur Entwicklung schöpferischer Potentiale
2.5 Klassenmusizieren als Hinführung zum Instrumentalspiel
3. Fazit
4. Literatur
1. Grundlegendes
Im Allgemeinen wird unter Klassenmusizieren verstanden, dass sich einer musikalischen Thematik über das handlungsorientierte Lernen genähert wird. Die musikalische Thematik kann viele Bereiche in allen Jahrgangsstufen umfassen: z.B. die Grundlagen der Musiktheorie, das Improvisieren im Jazz oder die Auseinandersetzung mit wichtigen Werken der klassischen Musik, der neuen Musik und auch der Unterhaltungsmusik. Die Einsatzbereiche für das Klassenmusizieren sind ebenfalls vielfältiger Art und nicht nur allein auf das Musizieren als Selbstzweck beschränkt. Auch zum Themeneinstieg, ebenso zur Wiederholung oder zur Vertiefung erlernten Stoffes kann das Klassenmusizieren förderlich sein.
Die praktisch-musikalische Arbeit ist deswegen für mich ein sehr wichtiger Bestandteil des Musikunterrichts. Hier lassen sich handlungsorientiertes Lernen und soziales Lernen miteinander vereinen.
Der Unterricht in der Oberstufe baut auf das musiktheoretische Grundwissen der Unter- und Mittelstufe auf, was auch für das Klassenmusizieren gilt. Dies muss deshalb möglichst früh beginnen, weil dann nicht nur die Befangenheit, sich mit einem neuen Gegenstand auseinanderzusetzen, noch wesentlich geringer ist, sondern das "Musikwissen wird so viel leichter und nachhaltiger gelernt als im 'theoretischen' Unterricht." Deswegen werde ich Zielsetzungen der praktisch-musikalischen Arbeit aus der Unter- und Mittelstufe vorstellen und versuchen, ihnen einen Bezug zur Arbeit in der Sekundarstufe II zu geben.
Ich behalte den Terminus Klassenmusizieren bei, obwohl er in der Oberstufe Kursmusizieren heißen sollte. Unter Kurs versteht man aber im Allgemeinen eine homogene Gruppe, die in etwa gleiche Interessen und Fähigkeiten aufweisen kann. Das ist aber in der Oberstufe nicht immer der Fall, so dass ich deswegen von Klassenmusizieren spreche.
Soweit nicht besonders aufgeführt, umfasst die Bezeichnung Schüler beziehungsweise Lehrer sowohl das weibliche als auch das männliche Geschlecht.
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1.1 Allgemeine Zielsetzungen für das Klassenmusizieren
Die Einsatzmöglichkeiten für das Klassenmusizieren sind zahlreich, dennoch muss immer gewährleistet sein, dass das zu Musizierende sowohl vom Spielpraktischen her als auch vom Lehrplanbezug durchführbar ist. Damit ist in erster Linie der Sinn und Zweck des Musizierens gemeint. Denn ein Musizieren 'nur zum Spaß' kann zwar zu Beginn die Motivation fördern, es muss aber ein konkreter Lernzusammenhang für die Schüler sichtbar bleiben, der mit einer Steigerung der Anforderung einher geht und sicherstellt, dass die Klasse oder der Kurs nicht in Ersatzformen und vereinfachten Schemata stecken bleibt. Der Musikunterricht darf auch nicht nur auf die rein psycho- motorische Lernform beschränkt werden, so wie es geschehen würde, wenn er nur zum Erlernen eines Instrumentes und dem anschließenden gemeinsamen Musizierens verstanden werden würde.
Der große Vorteil des Klassenmusizierens besteht darin, dass die unterschiedlichen Stärken und Schwächen der Schüler beim Musizieren berücksichtigt werden können und ihnen die Möglichkeit gegeben wird, sich in den Produktionsprozess des Musizierens adäquat zu integrieren.
In einer sehr heterogenen Klasse kann das Klassenmusizieren also dazu beitragen, dass die Schüler die Stärken und Schwächen der einzelnen Mitschüler erkennen und zum einen durch die Binnendifferenzierung in der Lage sind, trotz unterschiedlicher Voraussetzungen, gemeinsam zu lernen. Zum anderen besteht die Möglichkeit, dass die Schüler sich Sachverhalte untereinander selbst beibringen, so dass der lehrerzentrierte Unterricht nicht mehr so stark ins Gewicht fallen würde.
Sicherlich bedarf es dazu einiger Anleitung und auch Gewöhnung seitens der Schüler, aber es gibt viele Möglichkeiten, in denen die Assistenz von Schülern bei der Vermittlung von Sachverhalten, die vor allem durch Gruppenarbeit erreicht werden sollen, gerade im Musikunterricht besonders gut geeignet ist. Dies erklärt sich vor allem daraus, dass Schüler, die privaten Instrumentalunterricht erhalten, in den meisten Fällen dem Feld der Klasse gerade im Bezug auf die motorischen Fähigkeiten für das Klassenmusizieren weit voraus sind. Da ist es dann nur sinnvoll, ihre Kapazitäten zu nutzen und sie gewinnbringend dabei einzusetzen. Dadurch kann auch eine Unterforderung dieser Schüler vermieden werden.
Generell gelten für das Klassenmusizieren folgende Erfahrungen, unabhängig in welcher Art und Weise und mit welchem Zweck es praktiziert wird: Das aktive Musizieren erweitert den musikalischen Horizont der Schüler und fördert die Toleranz gegenüber unbekannter musikalischer Phänomene. Ihnen werden quasi im Unterbewusstsein Grundzüge der Musiktheorie vermittelt, welche sie dadurch auch verstehen.
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1.2 Pädagogische Ziele des Unterrichts in der Oberstufe
Anhand des Lehrplans für Musik in der gymnasialen Oberstufe, hier für das Land Nordrhein- Westfalen, lässt sich ein allgemeines Bildungsziel des Unterrichts in der Sekundarstufe II ableiten: Als oberstes Ziel soll durch Unterricht und Erziehung in der Oberstufe eine 'dynamische Gesamtverfassung' erreicht werden. Konkreter heißt dies: Neben einer 'wissenschafts- propädeutischen Ausbildung' soll auch die Fähigkeit zur 'Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung' erworben beziehungsweise vermittelt werden. Durch Motivationen, Erkenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten soll also der Schüler Verantwortung für seine Mitmenschen übernehmen, mündig werden und ein Verhältnis zu sich selbst und zur Welt erwerben, welches der aktuellen Vorstellung entspricht.
Diese Lerninhalte, die für die gesamte gymnasiale Oberstufe gelten, werden schließlich durch Feinziele, welche sich auf jedes einzelne Fach beschränken und nach Möglichkeit verschiedene Bereich des Lernens umfassen, näher bestimmt.
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1.3 Aufgabe und Zielstellung des Musikunterrichts heute
Wulf Dieter Lugert zitiert in seinem "Grundriß einer neuen Musikdidaktik" aus dem Lehrerhandbuch Sequenzen, S. 0.9: "Musik gehört zum menschlichen und sozialen Bereich der Wahrnehmung und der Kommunikation. Musikunterricht wird damit zu einem Teil der Wahrnehmungserziehung." Er gibt hier den entscheidenden Ansatz wieder, wie Musikunterricht heute zu verstehen ist.
Die Wahrnehmungserziehung fußt auf der Erkenntnis, dass die Masse der Bevölkerung zum Typ des Unterhaltungshörers gehört. Adorno hatte sich bereits 1962 dazu geäußert, indem er den Unterhaltungstypus wie folgt definiert: "Musik ist ihm nicht Sinnzusammenhang, sondern Reizquelle."
Musik ist in der heutigen Welt zwar omnipräsent, wird aber vor allem konsumiert und nur von wenigen produziert. Für Lugert liegt die Aufgabe des Musikunterrichts darin, dass er die Einseitigkeit durchbrechen und die Schüler insoweit befähigen soll, dass sie sich selbst die Musik vielfältiger gestalten können und sich vielfältig mit ihr auseinandersetzen. Sie sollen die Musik in ihrer Lebensgestaltung benutzen.
Die Musik wird als eine Ausdrucksform des Menschen begriffen. Sie ist eine Kommunikationsform, welche durch den Musikunterricht erkannt und erworben werden muss. Der Schüler muss demnach im Musikunterricht lernen, den musikalischen Ausdruck anderer zu verstehen, aber er muss auch lernen, sich selbst mit den Mitteln der Musik ausdrücken zu können.
Die Befähigung zu einer Reflexion des Gehörten und die aktive Auseinandersetzung mit der Produktion von Musik müssen Bestandteil des Musikunterrichts sein, denn sie bedingen einander.
Neben der Befähigung zum musikalischen Ausdruck kann das Beherrschen eines Instruments auch der Befriedigung musikalischer Bedürfnisse dienen. Daher rührt auch die Forderung Lugerts, Instrumentalunterricht in der allgemeinbildenden Schule anzubieten.
Aber wenn das Klassenmusizieren als Teil des normalen Musikunterrichts schon auf Probleme in der Durchführung stößt, so ist ein schulischer Instrumentalunterricht noch diffiziler in der Durchführung. Eine Reihe von Fragestellungen müssen dafür im Vorfeld geklärt werden, so zum Beispiel die Wahl der Instrumente, die Durchführbarkeit in der gegebenen Klassenstärke, die Vermittlung der Spieltechnik und schließlich auch die Beschaffung der Instrumente. Neben diesen Vorüberlegungen muss auch das Ziel des Instrumentalunterrichts klar bleiben: Der Instrumentalunterricht an einer allgemeinbildenden Schule kann, wenn er denn stattfinden sollte, nicht zur Aufgabe haben, eine neue Generation von Berufsmusikern hervorzubringen, sondern muss die musikalische Ausdrucksfähigkeit als Mittel zur Reflexion und die Befriedigung musikalischer Bedürfnisse auch im späteren Berufsleben als wesentliche Ziele haben.
Lugert beschränkt sich auf die Ausdrucksfähigkeit durch die Musik, welche von Menschen beherrscht werden soll, damit sie miteinander kommunizieren können. Ortwin Nimczik hat in seinem Aufsatz "Pädagogischer Umgang mit Musik" noch einen wesentlich höheren Ansatz zur Daseinsberechtigung des Musikunterrichts aufgestellt: Musikunterricht soll "Beispiel geben für einen menschlichen Umgang miteinander. Er soll im sensiblen Bereich der Kommunikation zum Modell gelingenden Zusammenseins werden." Musikunterricht bezieht sich hier auf das gesellschaftliche Problem des Pluralismus und der Vielschichtigkeit in der Musikkultur, deren Verhältnis zu den zwischenmenschlichen Kommunikationsbeziehungen im Musikunterricht geklärt werden soll, indem die Schüler "vielseitig auf die immer in Lebenszusammenhängen eingebettete Musik aufmerksam zu machen" sind. Darunter ist das Hören von Musik, das Machen von Musik und das Untersuchen und Deuten von Musik zu verstehen.
Die eben genannten Ansichten bilden sich in den "Richtlinien für die gymnasiale Oberstufe des Landes Nordrhein-Westfalen. Musik" wie folgt ab: "Der Musikunterricht hat die Aufgabe, Hilfen zur Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung zu geben"
Die theoretischen Überlegungen haben somit ihren Weg in die Praxis gefunden. Es bliebe jetzt nur zu untersuchen, inwiefern sie zum einen durchführbar sind und zum anderen ob sie durchgeführt werden.
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2. Zielsetzungen des Klassenmusizierens
Im Abschnitt 1.1 hatte ich bereits das Feld, welches Klassenmusizieren umreißen kann, vorgestellt. Nun sollen die einzelnen methodischen Ansätze musikalisch-praktischer Unterrichtsarbeit in aller Ausführlichkeit vorgestellt werden. Anhand von Unterrichtsbeispielen möchte ich dann dessen Relevanz für den Musikunterricht allgemein und speziell für die Oberstufe bewerten. Die Zielsetzungen und methodischen Ansätze habe ich dabei dem Artikel "Musizieren im Klassenverband - der neue Königsweg der Musikpädagogik?" von Mechthild Fuchs entnommen.
Die Unterrichtsbeispiele sollen ein möglichst breites Bild der musik-praktischen Arbeitsmöglichkeiten wiedergeben. Deswegen gebe ich nicht nur ausformulierte Unterrichtseinheiten wieder, sondern auch Aufgaben aus einem Oberstufen-Schulbuch. Die Beispiele umfassen insgesamt die Klassen 5 bis 13, so dass auch hier der Ansatz gegeben ist, eine breite Anwendung der Unterrichtsmethode zu vermitteln.
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2.1 Klassenmusizieren aus Freude am Musikmachen
Der Spaß an der eigenen Produktivität - durch die Betätigung mit allen Sinnen - steht hierbei im Vordergrund. Spaß und körperlich-sinnliche Erfahrung kommen im normalen Schulalltag und auch im Musikunterricht meistens zu kurz. Deswegen ist es um so wichtiger, diesen Ansatz nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Wenn das Klassenmusizieren nicht nur allein des Spaßes wegen stattfindet, so ist es auch gut dafür geeignet, das Kennenlernen einer Klasse zu fördern, eine Stunde oder eine Feier abzurunden.
Die 'öffentliche Präsentation' darf aber nicht zur alleinigen Daseinsberechtigung des Klassenmusizierens verkümmern, denn es besteht die Gefahr, dass ein Musizieren dann keinen Anreiz mehr gibt, wenn die Schüler ihre erworbene Spielpraxis erst wieder zur nächsten Feier anwenden dürfen.
Das Musizieren als Selbstzweck kann jedoch auch noch eine ganz andere Funktion impliziert bekommen. Ott und Günther beschreiben dieses in ihrem Buch "Musikmachen im Klassenunterricht - 10 Unterrichtsreihen aus der Praxis":
"Immer wieder erhofft man sich vom Musizieren auch individuelle und soziale Wirkungen, die mit Musik und musikalischem Verhalten gar nichts mehr zu tun haben. Am bekanntesten ist in dieser Hinsicht wohl die Vorstellung von der gemeinschaftsbildenden Kraft des Musizierens, lange Zeit eines der zentral legitimierenden Argumente für schulischen Musikunterricht überhaupt, . . ."
Das reine Musizieren aus Spaß an der Freude ist sicherlich recht selten, obwohl hier doch wesentliche Lernprozesse im Untergrund stattfinden, die wiederum für weitere musikpraktische Einheiten förderlich sind.
Zu nennen wären zum Beispiel die Entwicklung der psychomotorischen Fähigkeiten durch das Spiel an Instrumenten; aber auch die Integration der Schüler zu einer Gruppe erfolgt wesentlich einfacher durch das gemeinsame Musizieren. Wobei hier die Erwartungen nicht zu hoch gesteckt werden dürfen, denn die bestehenden Vorurteile und/oder Konflikte werden nicht automatisch damit ausgelöscht.
Durch das Musizieren von Musik, welche nicht aus dem Umfeld der Schüler kommt, können die Schüler dafür sensibilisiert werden, so dass es im weiteren Unterricht beim Behandeln des betreffenden Stiles zu einem 'Aha-Effekt' kommen kann, der die Motivation der Schüler steigern kann.
Die Hoffnungen, die an das Verstehen durch das bloße Musizieren geknüpft sind, dürfen nicht zu hoch gesteckt werden, denn das Lernen bedarf immer auch der Reflexion und nicht nur der praktischen Auseinandersetzung. Der oben beschriebene Aha-Effekt ist aber sicherlich nicht unerheblich und lässt vielleicht auch solche Musiklehrer hoffen, die sonst einer freieren Betrachtungsweise von Unterrichtsprojekten, die als einziges Ziel den Spaß haben, kritisch gegenüberstehen.
Nicht nur die Lernziele können bei dieser Art, musikpraktischen Unterricht zu vollziehen, sehr unterschiedlich sein, sondern auch die Motivationen dazu. Aufgrund dessen gibt es auch nahezu keine dokumentierten Unterrichtseinheiten, die das bloße Musizieren als Selbstzweck haben. Weil es hier unter anderem besonders stark von den verschiedenen Voraussetzungen abhängt (z. B. Ausstattung mit Instrumenten, spielpraktische Vorkenntnisse der Schüler etc.), verzichte ich auf ein Unterrichtsbeispiel.
Es ist jedoch sicherlich möglich und auch angebracht, diese musikpraktische Unterrichtsmethode nicht nur den Unter- und Mittelstufen vorzubehalten, sondern dies auch in der Oberstufe zu praktizieren. Dabei ist jedoch einiges zu bedenken: Schüler der Oberstufe haben wesentlich größere Hemmungen, sich öffentlich, damit ist auch der Musikkurs gemeint, zu präsentieren. Die Bereitschaft zum Musizieren ist hier insgesamt geringer - gleichgültig über welche Methode das Klassenmusizieren zum Einsatz kommen soll.
Hinzu kommt, dass die Unterschiede zwischen Schülern, die privat ein Instrument erlernen, und Schülern ohne Instrumentenkenntnisse in der Oberstufe wesentlich größer sein können, welches ein weiteres Hemmnis für die Durchführung des Musizierens ist. Hier gibt es aber auch wiederum eine Möglichkeit, diese Schüler stärker in die Ausgestaltung des Musikwerkes einzubeziehen, indem zum Beispiel die Arrangements für die vorhandenen oder zu benutzenden Instrumente von den Schülern selbst erstellt werden und nicht nur die einzelnen Stimmen vom Lehrer verteilt werden.
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2.2 Klassenmusizieren als methodische und affektive Hinführung zu bisher unbekannter Musik
Dieser Ansatz ist in der Lage, Berührungsängste mit Musik, die nicht aus dem unmittelbaren Erfahrungsbereich der Schüler und Schülerinnen stammen, auf einfachste Weise abzubauen. Das aktive Musizieren verschafft den Schülern einen affektiven Zugang zu der Musik. Dies ermöglicht ihnen, in die Thematik des Stückes einzudringen und sich für musikalische Erfahrungen zu öffnen.
Dabei müssen aber zwei verschiedene Methoden unterschieden werden, wie dieser Ansatz durchgeführt werden soll: Die Arbeit kann zum einen eng am Original liegen. Die Schüler üben vom Original die leichteren Parts - so genannte oder extra eingerichtete Mit-Spiel-Parts - und spielen diese dann zusammen mit der Originalaufnahme. Das zentrale Lehrziel ist hier die Realisation der eigenen Stimme, gekoppelt an das genaue Hinhören und an die genaue Koordination des vorgegebenen Tempos.
Zum anderen kann aber auch ein vereinfachtes Arrangement verwandt werden, in welchem die wichtigsten Charakterzüge und Themen des Werkes noch erhalten sind. Hier kann die Lerngruppe die Modalitäten bezüglich der Ausführung selbst bestimmen und ist dadurch weitgehend unabhängig vom Original.
Das Musizieren in der Klasse dient also auch der Hinführung zu bisher unbekannter Musik. Dabei ist das Musizieren eines unbekannten Stückes nur eine mögliche Methode unter vielen für die Werkbetrachtung. Siegmar Keil schlägt in seiner Schrift "Werkbetrachtung im Musikunterricht" für die Klassen 5 bis 7 folgende 'methodische Überlegungen' vor:
Werkbetrachtung kann von der direkten Konfrontation, vom Typischen dieser Erscheinungen, von der Epoche, vom Komponisten, von kulturellen und/oder soziologischen Zusammenhängen und Entwicklungen, von anderen Künsten, von der Technik, vom Text bei Vokalwerken und sowohl vom Musizieren und von der Bewegung als auch von der Improvisation aus betrieben werden.
Ein Beispiel für das behutsame Heranführen an bisher unbekannte Musik sowie an aktuelle Musik, zeigt das Unterrichtsbeispiel in dem von Günther und Ott verfassten Buch "Musikmachen im Klassenunterricht - 10 Unterrichtsreihen aus der Praxis."
Diese für eine elfte Klasse konzipierte Unterrichtseinheit hatte "Musik à la Steve Reich. Tonbandmusik als 'elektronische' Instrumentalmusik" als Thema. Es sollte durch dieses Thema versucht werden, "mit Hilfe des Musikmachens auf Körper- und Schlaginstrumenten eine Brücke zwischen zeitgenössischer Kunstmusik und rhythmisch akzentuierter populärer Musik zu schlagen."
Als methodische Grundlage war hier die gebundene Gruppenimprovisation vorgesehen, welche den Schülern zum einen Gestaltungsmöglichkeiten aber auch die Identifikation mit der zu musizierenden Musik, ihrer Gestaltung und ihrem Instrumentarium geben sollte.
Die wichtigsten musikalischen und pädagogischen Ziele beziehen sich auf das Musikmachen trotz geringer musikalischer und psychomotorischer Voraussetzungen, das Kennenlernen der gebundenen Improvisation, Erfahrungen innerhalb von Gruppenarbeit sowie die unmittelbare Teilhabe an der Produktion zeitgenössischer Musik.
Grundlage dieser zwei Doppelstunden umfassenden Unterrichtseinheit war das Stück 'Clapping Music' von Steve Reich, welches, von zwei Spielern geklatscht, aus einander überlagernden Abwandlungen eines Grundrhythmus' besteht.
Der Reiz an dem Stück lag darin, dass es mit relativ einfachem und nur wenig zu übendem Ausgangsmaterial innerhalb relativ kurzer Zeit möglich war, interessante, hochkomplexe und 'kunstvolle' musikalische Strukturen herzustellen. Schul-Musik und Kunst-Musik konnten so ideal angenähert werden.
Der geklatschte Rhythmus wurde im Verlauf der Unterrichtsreihe auf Xylophone und mit pentatonischen Stäben versehene Glockenspiele, auf Congas, Bongos und Trommeln übertragen. Der recht komplizierte Grundrhythmus wurde auf drei Gruppen verteilt. Die Schüler sollten zunächst den Rhythmus gemeinsam realisieren und dabei bereits erste Veränderungen vornehmen.
Als nächsten Schritt ging es an die Mikrophonaufnahme auf Bandschleifen. Dabei sollte synchron zu laufenden Tonbandgeräten Musik produziert werden, die wie Musik von Reich klingt. Dies wurde schließlich auf Tonband aufgenommen. Anschließend wurde die Ergebnisse beziehungsweise die verschiedenen Versionen verglichen, die zum abschließenden Hören von originaler Musik von Steve Reich hinführte, welche die Schüler nun mit einer veränderten Höreinstellung hören konnten.
Das Unterrichtsbeispiel hatte nicht nur als Ziel, den Schülern neue Musik, die nicht aus ihrem normalen Umfeld kommt, näherzubringen, sondern sie hatte noch das überlagerte Ziel, Schülern, die gerade erst mit sehr unterschiedlichen Vorkenntnissen in die Oberstufe gekommen sind, ohne großen instrumentellen und Übe-Aufwand das Musizieren zu ermöglichen.
Durch die recht einfache Struktur des zu musizierenden Materials war es möglich, dass nicht erst mehrere Stunden dazu aufgewandt werden mussten, es zu erlernen, sondern dass unmittelbar nach dem ersten Erlernen auch Veränderungen eingeführt werden konnten, die das eigentliche Element dieser Musik ausmachten.
Interessant ist bei dieser Unterrichtseinheit auch noch der hier durch ein Zitat dokumentierte 'positive Nebeneffekt': "Was ich alleine spielte, fand ich banal, aber das Zusammenspiel war interessant."
Innerhalb des Musizierens konnten die Schüler mehr oder weniger unbewusst auch erfahren, dass das Musizieren stark vom Zusammenwirken der Gruppe abhängt, weil nur dies ein einheitliches Klangergebnis ergibt.
Auch hier gilt es wieder, das spezielle Element dieser musikpraktischen Unterrichtsart für die Oberstufe hervorzuheben. Das Unterrichtsbeispiel läuft ja in der Sekundarstufe II ab, dennoch ist es wichtig, dies noch einmal herauszukristallisieren, warum gerade diese Einheit auch für die Oberstufe so wichtig ist.
Die Schüler neigen dazu, sich durch ihre eigene Musik von der ihnen unbekannten Musik abzuschotten. Dies ist besonders in der Mittelstufe zu beobachten. Aber auch in der Oberstufe ist die Reserviertheit gegenüber fremder Musik sehr stark ausgeprägt. Deswegen ist die Verwendung von musik-praktischer Arbeit für die Hinführung zu fremder Musik auch in der Sekundarstufe II wichtig.
Allerdings sollte die methodische Umsetzung genau überlegt werden. Die Möglichkeit, zum Original zu musizieren ist in der Sekundarstufe II sicherlich nicht mehr altersgemäß. Die Schüler sollten hier schon in der Lage sein, sich das Klangergebnis eines Stückes insoweit vorzustellen, dass sie auch ohne die stete Präsenz des Originals musizieren können. Hinzu kommt, dass die methodische Umsetzung durch ein vereinfachtes Arrangement stärker die individuellen Fähigkeiten der Schüler berücksichtigen kann, was soweit führen kann, dass das Arrangement von den Schülern selbst erstellt wird.
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2.3 Klassenmusizieren zur Förderung des musikalischen Spracherwerbs
Die permanente Präsenz der Musik prägt die Umgebung der Schüler. Aber obwohl sie heutzutage quasi ständig von Musik umgeben sind, sind Schüler dennoch nur in seltenen Fällen in der Lage, sich aktiv mit Musik auszudrücken. Ziel des heutigen Musikunterrichts ist es, zu einem sinnvollen Umgang mit Musik hinzuführen. Dazu kann die aktive Musizierpraxis beitragen.
Wolfgang Beck und Werner Fröhlich fordern daher in ihrem Buch "Musik machen - Musik verstehen": "Um zu verstehen, was Musik ist, was sie bedeutet, was sie zu sagen hat und wie sie es ausdrückt, sollte man auch wissen, wie man Musik zum Erklingen bringt, wie sich das Ergebnis anhört, was man dabei empfindet, wie man Musik niederschreibt, wie das Ergebnis zu lesen ist, wie man sich musikalisch ausdrückt und wie man andere mit Musik ansprechen kann."
Für diese Unterrichtsmethode möchte ich zwei kurze Unterrichtsvorschläge wiedergeben. Sie finden sich in dem Schulbuch "Musik um uns" für das 11.-13. Schuljahr.
Das erste Beispiel entstammt dem Kapitel 'Funktionen von Musik' und befasst sich mit der 'Wirkung' von Musik. In einem Überblick werden die verschiedenen Ebenen der Wirkung dargestellt. Unter anderem wird hier auch die Art des Vortrages als ein wichtiger Punkt für Wirkung von Musik angegeben und es werden Beispiele aufgezeigt, womit die Wirkung eines Musikstückes verfälscht werden kann, wenn man "z.B. ein falsch gewähltes Tempo, unsaubere Töne, widersinnige Dynamik und Agogik . . . sowie willkürlich gesetzte Akzente" in einem Vortrag bemerkt. Diese Fehler deformieren ein Stück und beeinflussen das 'Wirkungsergebnis'.
Ausgehend von dieser Erklärung, erhalten die Schüler folgende Aufgabenstellung: "Deformieren Sie eine bekannte Melodie durch einige der oben angeführten Möglichkeiten und beschreiben Sie die Wirkung. Welches Detail scheint ihnen dabei besonders ausschlaggebend zu sein?"
Hier ist zu beachten, dass nicht nur die reine Wirkung von Musik auf den musizierenden Schüler gefragt ist, sondern davon ausgegangen wird, dass die Wirkung im 'Urzustand', dadurch dass ja eine bekannte Melodie gewählt werden sollte, bereits bekannt ist. Es wird von den Schülern also ein gewisses Maß an Abstraktionsvermögen verlangt, um die Wirkung des veränderten Musikstückes beurteilen zu können.
Das Beispiel ermöglicht den Schülern gleich mehrere Ansätze, die sie für die Zielvorstellung, sich kritisch mit gehörter Musik auseinandersetzen zu können, später anwenden können: Durch das Musizieren erlangen sie zum einen Spielpraxis, durch Ableistung der angeführten Möglichkeiten ist auch sichergestellt, dass sie nicht nur 'blind' ans Musizieren gehen können, sondern müssen sich zum anderen auch theoretisch mit der 'Deformierung' auseinandersetzen, indem sie planen, was sie wo machen wollen. Außerdem wird ein ästhetisches Empfinden für das 'richtige Maß' dieser Melodie oder dieses Stückes entwickelt, indem zum Beispiel durch das Ausprobieren der Extreme (sehr laut - sehr leise, sehr schnell - sehr langsam etc.) dies nahezu automatisch erfolgt.
Das zweite Beispiel, welches ich hier ansprechen möchte, ist dem Kapitel "Kompositionswerkstatt" entnommen. Im Abschnitt "Harmonik" werden in der Anknüpfung an den vorangehenden Kontrapunkt- Abschnitt Polyphonie und Homophonie gegenübergestellt. Die "Kompositionswerkstatt" hat einen sehr starken musikpraktischen Bezug, deshalb sollen die Schüler anhand eines polyphonen Satzes - nach den Regeln des Kontrapunkts - und eines homophonen Satzes - nach den Regeln der Harmonielehre - durch Singen und Spielen derselben einen Vergleich der beiden Kompositionsstile erstellen. Auch hier sind die Anforderungen an die Schüler nicht unerheblich: Das polyphone Beispiel ist zweistimmig, das homophone Beispiel umfasst vierstimmige Akkorde, die nach den Stimmführungsregeln angeordnet sind. Der einzelne Schüler muss zum Nachspielen also entweder bereits über recht gute Instrumentenkenntnisse verfügen, oder aber die Gruppe muss untereinander die Stimmenverteilung festlegen.
Gerade bei diesem Beispiel kann die Gruppenarbeit besonders fruchtbar sein, denn die Schüler können hierbei Polyphonie und Homophonie direkt erfahren. Der vorgegebene polyphone Satz ist sehr nach der Melodie orientiert, welche nach kurzer Zeit gesungen werden kann und dadurch eine gute Einprägsamkeit erhält. Beim homophonen Beispiel ist jedoch keine Melodie zu erkennen. Es ist im Prinzip auch kein auskomponiertes Stück, sondern weist nur einzelne Akkorde auf, so dass der Rhythmus, auch ein wesentliches Element für die Eingängigkeit eines Stückes, nicht relevant wird.
Durch die unterschiedlichen Charaktere der beiden Beispiele werden die Schüler beim Musizieren sicherlich schnell das Strenge des homophonen Satzes gegen das Verspielte des polyphonen Satzes erkennen. Durch das Musizieren und auch durch die Schritte, bis es zum endgültigen Spielergebnis gekommen ist, haben sie dadurch einen Bezug zu diesen Punkten bekommen, den sie beim späteren Musizieren oder auch Hören von vergleichbarer Musik wiedererkennen und anwenden können.
Die beiden Beispiele zeigen, dass das Musizieren im Kurs oder in der Klasse nicht unbedingt eine komplette Unterrichtseinheit umfassen muss, sondern dass das Klassenmusizieren in erster Linie auch dazu da sein kann, mit wenig Aufwand den Schülern Möglichkeit zu geben, über die praktische Arbeit einen Sinnzusammenhang zu verstehen, der in der Stunde erreicht werden soll.
Sie zeigen aber auch, dass die Unterrichtsmethode des musikalischen Spracherwerbs auch in der Oberstufe ihren begründeten Sitz hat und auch zur Anwendung kommen sollte. Denn gerade der sinnvolle Umgang mit Musik, eines der wesentlichen Ziele heutigen Musikunterrichts, kann erst in der Oberstufe selbständig von den Schülern erkannt werden; in den unteren Klassen geschieht dies im wesentlichen noch durch den Lehrer.
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2.4 Klassenmusizieren zur Entwicklung schöpferischer Potentiale
Die Auseinandersetzung mit praktischer musikalischer Arbeit kann, wenn sie in einem freien Rahmen stattfindet, also ohne die auf bloße Reproduktion des Notenbildes beschränkte musikalische Wiedergabe, Anregungen für eigene Musikerfindung geben.
Solch einen Ansatz verfolgt zum Beispiel das Schulwerk von Carl Orff, welches nicht als Sammlung von fertigen Stücken, die einfach nur nachgespielt werden sollen, konzipiert wurde, sondern eben solche Anregungen für die eigene Musikerfindung geben möchte.
Ausgehend vom Schulwerk aber auch aus anderen Richtungen, wurde das Improvisieren und Neuerfinden von Musik verstärkt seit den 70er Jahren integraler Bestandteil schulischer Richtlinien und Lehrpläne. Der Ansatz zur Entwicklung schöpferischer Potentiale wird zwar von den Richtlinien und Lehrplänen gefordert, jedoch ist die Frage einer Umsetzung eine andere. Heutzutage kommen die stärksten Impulse für die musikalische Produktivität aus der Rockmusik- und der Jazzdidaktik, da hier die Improvisation bereits wesentliches konstitutives Stilmerkmal sei.
Neben der Improvisation als Möglichkeit musikpraktischer Arbeit - ausgehend von einem vorgegebenen Schema -, gibt es auch noch die Möglichkeit der Produktion von neuen Musikstücken.
Solch ein Beispiel möchte ich als nächstes anführen.
In einer 10. Klasse eines Berliner Gymnasiums soll für drei bis vier Doppelstunden das Thema HipHop auf dem Stundenplan stehen. Dieser Musikstil erfreut sich nach Aussage des Lehrers Arno Eberhard, der seine Unterrichtseinheit in der Zeitschrift "Musik und Unterricht. Heft 52, 1998" unter dem Titel "HipHop, eine Jugendkultur aus dem Underground im Klassenzimmer" veröffentlicht hat, bei der dortigen Jugend großer Beliebtheit.
Vorbereitend für die Unterrichtseinheit fand ein Besuch eines HipHop-Mobils statt, in welchem zu den Themen Rap, Breakdance, Graffiti, DJ-ing oder Sampling Projekte durchgeführt werden. Hier hatten sie erste Möglichkeiten, sich die kleinen technischen Tricks aber auch bestimmte Schrittbewegungen anzueignen.
Die Schüler sollten durch dieses Unterrichtsprojekt dazu befähigt werden, einen Rap selbständig zu produzieren. Die Einheit fand in Kleingruppen von je 3-5 Schülern statt, welche zunächst im Brainstorming-Verfahren den Themenbereich und dazu passende Stichworte und Gedanken finden sollten, die später im Rap umzusetzen waren.
Die Funktion und die Wirkung, die der Rap haben kann, wurde gemeinsam besprochen, anschließend wurden erste Interpretationsversuche ohne Musik in der Kleingruppe ausprobiert. Für die musikalische Umsetzung des Raps wurde auf Vorschlag der Schüler der Groove von einem 'instrumental mix', wie er auf vielen Maxi-Single CDs des entsprechenden Genres zu finden ist, genommen.
Bei der Produktion eines neuen Rap-Stückes als Unterrichtsgegenstand wurde auf die Kreativität der Schüler bei der Konzeption des Textes und der Auswahl bereits vorhandener Musik als Hintergrundgroove besonders viel Wert gelegt. Musiziert im eigentlichen Sinne wurde lediglich beim Rappen selbst, dies geschah im Wesentlichen durch das Singen, welches ebenfalls Bestandteil musikpraktischer Arbeit ist.
Hier wurde also nicht improvisiert zu einem Musikstück, welches im Hintergrund läuft oder von den Mitschülern musiziert wird, sondern hier wurde auf Grundlage bekannter Stücke - zum Beispiel vom Lieblingsrapper - ein neues Stück produziert, welches sich jedoch durch den fertigen Groove im Hintergrund nur begrenzt vom Original entfernen konnte.
Durch die Auseinandersetzung mit dem emotionalen Gehalt, welcher der Rapgesang haben musste, konnten die Schüler ihnen bekannte Musik nach deren Gehalt reflektieren.
Dadurch, dass sie den Themenbereich, in dem sich ihr Rap bewegen sollte, selbst festlegen durften, konnten sie ihre persönlichen Erfahrungen und Empfindungen zum Unterrichtsgegenstand machen und damit kreativ arbeiten.
Das Unterrichtsbeispiel fand in einer 10. Klasse statt, kann es ohne Änderungen auch als Konzept in die Oberstufe übertragen werden?
Die Grundintention, dass Schüler in der Lage sein sollen, einen bestimmten Musikstil zu beherrschen, kann sicherlich in die Oberstufe übertragen werden, denn es soll dort ja nicht nur eine Ausbildung, die auf die Wissenschaft vorbereitet, stattfinden; sondern die Erziehung in der Oberstufe soll ja auch die Fähigkeit zu einer Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung herausbilden. Und diese Selbstverwirklichung kann hier vonstatten gehen, weil sich die Schüler nicht nur in erster Linie mit ihrer eigenen Musik auseinandersetzen, sondern auch deswegen, weil HipHop als Musik des Underground verstanden wird.
So ist es sinnvoll, sich mit aktuellen Musikstilen wie HipHop auseinanderzusetzen, weil den Schülern dadurch bewusst gemacht werden kann, welche Vorstellungen mit HipHop verbunden sind. Indem sie ihn selbst produziert haben, konnten sie sich damit kritisch auseinandersetzen und dazu ein Verhältnis bilden, welches ihnen erlaubt, gegenüber Mitschülern, die vielleicht der HipHop-Szene angehören, Verständnis entgegenzubringen.
Ein weiterer wichtiger Punkt, der für die Übertragung dieses Beispiels in die Oberstufe spricht, ist die kreative Auseinandersetzung mit eigenen, selbstgewählten Themen. Sie können ihre persönlichen Erfahrungen im Unterricht verarbeiten, wodurch sie nicht nur ihre eigenen Probleme reflexieren können, sondern auch noch Einblick in die Erfahrungen der Mitschüler bekommen, so dass sie für deren Probleme sensibilisiert werden und dadurch eher bereit sind, die Verantwortung für Mitmenschen zu übernehmen, wie sie von den Rahmenrichtlinien gefordert wird.
Ansatzweise bliebe jedoch zu überlegen, ob die Reflexion über diesen Musikstil nicht noch stärker über die Analyse einhergehen sollte, damit auch hier der Anspruch der Wissenschaftspropädeutik erfüllt werden kann.
Grundsätzlich ist von diesem Verständnis musikpraktischer Arbeit folgendes für die Oberstufe zu sagen: Klassenmusizieren zur Entwicklung schöpferischer Potentiale ist sicherlich auch noch in der Oberstufe wichtig, denn es ermöglicht den Schülern Erfahrungen ihrer eigenen Person. Aber besonders für diese Methode gilt, dass sehr genau überprüft werden muss, was damit erreicht werden soll. Hinzu kommt, dass nicht erst in der Oberstufe damit begonnen werden kann, das schöpferische Potential zu entwickeln, sondern dass es hier besonders wichtig ist, dass die Basis schon in der Unterstufe und der Mittelstufe gelegt wurde.
Das Erfinden von Melodien, Texten oder auch kompletter Musikstücke ist auch im Oberstufenunterricht noch relevant, wie mehrere Beispiele in dem Lehrbuch "Musik um uns" zeigen. Aber die Möglichkeiten für solch eine methodische Umsetzung schwanken sicherlich von Thema zu Thema.
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2.5 Klassenmusizieren als Hinführung zum Instrumentalspiel
Der Aufbau und die Einrichtung von Klassenorchestern, wie es zum Beispiel in den USA gang und gäbe ist, ist ebenfalls eine Alternative, um Schülern die Auseinandersetzung mit praktischer musikalischer Arbeit zu ermöglichen. Das Klassenmusizieren beschränkt sich hierbei nicht nur auf ein einzelnes Stundenprojekt, sondern wird zu einer regelmäßigen Hinführung zum Instrumentalspiel, in der die Schüler vor allem mit dem Instrument und seinen Spieltechniken vertraut werden sollen. Die psychomotorisch klassifizierten Lernziele bekommen eine deutlich höhere Gewichtung, als ihnen im bisherigen Musikunterricht zugekommen ist, weil die körperlich-sinnliche Erfahrung als die Basis für weitergehende musikalische Lernprozesse gesehen wird.
Die Musik ist in dem Fächerkanon der allgemeinbildenden Schulen fest integriert, sie hat zum Ziel, die Schüler für eine bewussten Umgang mit ihrem von Musik angefüllten Umfeld zu erziehen. Bewertet man diesen bewussten Umgang mit Musik vor allem aus dem Gesichtspunkt, dass die Schüler sich nicht nur durch das bloße Hören damit auseinandersetzen, sondern auch durch das selbsttätige Musizieren ihren eigenen musikalischen Geschmack bilden und sich dadurch für sie fremder oder unbekannter Musik öffnen sollen, so erhält das verstärkte Instrumentalspiel in der allgemeinbildenden Schule seine Berechtigung. Dennoch hat der Instrumentalunterricht in der Schule in erster Linie der Auseinandersetzung mit Musik und ihren Mitteln zu dienen und dafür ist es ausreichend, "mit den von ihm im Durchschnitt erreichbaren musikalischen Mitteln umzugehen und sich mit ihnen ausdrücken zu können."
Für diese Unterrichtszielsetzung möchte ich den Modellversuch "Klassenorchester" wiedergeben, wie er in der Zeitschrift "Musik und Unterricht" abgedruckt ist. Ausgehend von der Prämisse, dass musikalisches Handeln im Musikunterricht sowohl Selbstzweck als auch Mittel zur Erarbeitung musikalischer Phänomene sein kann, wird hier gezielt daran gearbeitet, dass Schüler für das musikalische Handeln entsprechende Handlungskompetenz im Musikunterricht erwerben.
Diese Handlungskompetenz wird im wesentlichen durch die Fähigkeit, sich musikalisch ausdrücken zu können, bestimmt, welches durch grundlegende Fertigkeiten auf einem Instrument gewährleistet werden könnte.
Soweit die Begründung für die Einrichtung dieses Modellversuchs. Im Modellversuch hat jeder Schüler ab der fünften Klasse für zwei Jahre ein Instrument und lernt und spielt es im regulären Musikunterricht gemeinsam mit der Klasse. Als Instrumente wurden hier Blasinstrumente, wie sie in Blasorchestern oder Collegebands zu finden sind, von der Schule zur Verfügung gestellt. Alle 14 Tage kommen drei Instrumentallehrer der örtlichen Musikschule in den regulären Musikunterricht und geben spieltechnische Anleitungen.
Wichtig zu betonen ist, dass nicht jeder Schüler, der in die fünfte Klasse dieser Schule eintritt, automatisch ein Instrument lernen muss, sondern dass zu Beginn des Schuljahres eine Klasse aus am Projekt interessierten Schülern gebildet wird. Spätestens nach zwei Jahren besteht für die Schüler die Möglichkeit an freiwilligen schulischen Musiziergruppen teilzunehmen.
Der normale Lehrplan, wie er für diese Schulstufe gefordert wird, tritt stark in den Hintergrund. Es wird ausschließlich am Instrument gelernt, indem zum einen Vortragsstücke erarbeitet werden, zum anderen aber auch "Musiktheorie am konkreten Beispiel betrieben" wird. Dabei richtet sich der Lehrer nach einem vorgeplanten Lehrgang, wie er zum Beispiel von Yamaha erarbeitet wurde.
Sehr stark im Vordergrund stehen bei dem Projekt die öffentlichen Auftritte, welche Lernzielkontrolle und Motivation zugleich sein sollen. Erste Aufführungen sind durch die "Methode Bläser Klasse" bereits nach wenigen Monaten möglich. Zielorientierung des Unterrichts ist die Teilnahme an Wettbewerben wie "Schulen musizieren", dem Austausch mit anderen Schulen, sowie die musikalische Untermalung (außer)schulischer Veranstaltungen. Diese Zielorientierung dient dabei der "Öffnung von Schulen".
Zum Schluss des Berichtes wird ein Fazit gezogen, welches die Bläser Klasse als den Beweis für die Leistungssteigerung der Klasse sieht: Das Unterrichts- und Arbeitsklima seien sehr angenehm geworden, besonders stark sei das 'Wir-Gefühl', welches das soziale Lernen begünstige.
Das vorgestellte Unterrichtsbeispiel hat als Ziel, Schülern die Möglichkeit zu geben, ein Instrument zu erlernen, damit sie in der Lage sind, sich musikalisch auszudrücken. Die Kenntnisse sollen schließlich im weiteren Musikunterricht angewandt werden, indem mit Hilfe des Klassenmusizierens zu vermittelnde Sachverhalte dargestellt werden können.
Aufgrund dieser Tatsache kann man die Zielvorstellung, Klassenmusizieren als Hinführung zum Instrumentalspiel zu verstehen, sozusagen als Grundvoraussetzung für jede weitere Umsetzung musikpraktischer Arbeit in der Schule sehen, weil sie dann auf einem ganz anderen Niveau ablaufen kann.
Die Frage ist jedoch, wie hoch das Niveau in der Tat ist. Der beschriebene Modellversuch baut sehr stark auf die Außenwirkung des Klassenorchesters, welche durch Teilnahmen an Wettbewerben und anderen öffentlichen Auftritten erreicht wird. Hier besteht in meinen Augen die Gefahr, dass die Wettbewerbe nicht nur die Motivation zum Erlernen des Instruments fördern sollen - wofür die Auftritte eigentlich gedacht waren -, sondern dass sich die Schule mit ihren Klassenorchestern profilieren will.
Meine Bedenken bestätigen sich bereits durch den Text, wo nämlich beschrieben wird, dass es mittlerweile mehr Anmeldungen für das Klassenorchester gäbe, als Plätze vorhanden seien, und diese deshalb ausgelost werden müssten. Es gilt zu überdenken, ob durch den Druck durch die Wettbewerbe der vorgeschriebene Lehrplan nicht noch stärker eingeschränkt wird, als es sowieso schon der Fall ist.
Im Bericht heißt es, dass anhand des Musizierens die theoretischen Sachverhalte erklärt werden.
Aber wie sieht es zum Beispiel mit Musik aus, die nicht selbst musiziert werden kann, aber dennoch vermittelt werden muss? Hinzu kommt, dass die Reflexion von Musik zwar zum Teil besser vonstatten gehen kann, wenn man die Musik auch selbst spielt, aber die Bedeutung des reinen Hörens von Musik darf hier nicht zu gering geschätzt werden.
Im vorgestellten Praxisbericht wird leider nicht beschrieben, welche Art beziehungsweise welche Arten von Musik musiziert werden. Durch die Auswahl von Blasinstrumenten ist die Möglichkeit, mehrere Arten von Musik abzudecken, recht groß, aber die Musik, die die Kinder unmittelbar umgeben wird, nämlich ihre eigene, bevorzugte Musikrichtung, wird damit dennoch nicht musiziert werden können. Natürlich darf hier nicht das prägende Element der Identifizierung mit der selbst-gespielten Musik verkannt werden, so dass es zu einer Adaption der selben kommt, aber sicherlich bleibt unterschwellig das Bedürfnis, die eigene Musik auszuleben und zu musizieren.
In der Betrachtung dieser Zielrichtung des Klassenmusizierens für die Oberstufe sehe ich hier noch größere Probleme in der Durchführung als es in dem Praxisbericht beschrieben wurde.
In meinen Augen würde die Zielsetzung der Oberstufe, die Schüler auf Studium und Wissenschaft vorzubereiten dabei verloren gehen. Würde der Instrumentalunterricht parallel zum normalen Musikunterricht ablaufen, wäre das sicherlich ein anderes. Aber in der oben beschriebenen Weise wäre der Anteil an theoretischem Unterricht einfach zu gering.
Dies gilt meines Erachtens nach auch für das beschriebene Modell. Ein begleitender Instrumentalunterricht in der fünften und sechsten Klasse, auf den dann im weiteren Schulverlauf drauf aufgebaut werden kann, bietet nahezu ideale Bedingungen für einen verstärkt handlungsorientierten Unterricht.
Da ist es dann nur noch problematisch, dass spätestens in der Oberstufe die Klassen so vermischt werden, dass es, geht man nach dem beschriebenen Modell, Schüler gäbe, die kein Instrument beherrschen und solche, die ein Instrument beherrschen. Somit bliebe die jedoch die in meinen Augen nicht durchführbare Folgerung, dass jeder Schüler in einer bestimmten Schulstufe und für eine bestimmte Zeit ein Instrument lernen müsste, damit auch später noch gleiche Voraussetzungen gelten.
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3. Fazit
Beck und Fröhlich fordern in ihrem Buch "Musik machen - Musik verstehen": "Musikmachen sollte gegenüber dem Reden über Musik Vorrang haben." Dieser Forderung kann ich mich nicht anschließen, denn ich sehe darin die Gefahr, dass die wichtige Reflexion der Musik, die vor allem über das Reden über Musik möglich wird, zu stark in den Hintergrund gerät und die Schüler nur über das Musikmachen keinen Bezug zu der Musik herstellen können, weil dabei nämlich die theoretischen Hintergründe verborgen blieben.
Die Anforderungen an die Schüler, gerade in der Oberstufe, werden immer höher, weil immer mehr Stoff zu bewältigen ist, und verlangen deshalb nach einem Ausgleich innerhalb der Schule. Dieser Ausgleich kann durch einen stärker am Musizieren orientierten Musikunterricht erreicht werden. Jedoch muss auch in solch einem 'neuen' Musikunterricht die Mischung zwischen wissenschaftspropädeutischem Arbeiten und körperlich-sinnlicher Erfahrung gesichert sein.
Die enorme Stoffmenge verlangt einen Methodenmix, damit die Schüler immer wieder auf neue Art und Weise an den Stoff herangeführt werden, denn nur so lässt sich eine Ermüdung und ein
Motivationsabbau bei den Schülern vermeiden. Da ist es dann sinnvoll, wenn im Musikunterricht ein gut sortiertes Instrumentarium zur Verfügung steht, dass dem Lehrer ermöglicht, einen zu vermittelnden Sachverhalt auch durch das Klassenmusizieren nahezubringen und somit auf den Frontalunterricht als eine gängige Unterrichtsmethode zu verzichten.
Für die Oberstufe sollte in meinen Augen folgendes Verständnis gelten: Die musikpraktische Arbeit hat auch in der Oberstufe eine wichtige methodische Unterrichtsart zu sein, die Sachverhalte darstellen und vermitteln kann, jedoch besonders in der Oberstufe des theoretischen Bezugs bedarf.
Für diese Unterrichtsmethode ist es besonders wichtig, dass sie möglichst früh im Unterricht eingesetzt wird, damit die Schüler damit vertraut sind. Denn ich sehe die Hemmungen, die Heranwachsende bei der Produktion ihrer eigenen Person, wozu ich auch das Musizieren zähle, haben, als recht hoch an. Solche Hemmungen können durch eine Gewöhnung an die Methode in der Unter- und Mittelstufe abgebaut werden, so dass auch Oberstufenschüler noch Spaß am Klassenmusizieren haben können und nicht darüber nachdenken, wie das beim Banknachbarn 'ankommt'.
Allgemein lässt sich zum Klassenmusizieren sagen, dass die Binnendifferenzierung eine gelungene Möglichkeit ist, stärkere und schwächere Schüler in das gemeinsame Musizieren einzubinden, welches gerade im Musikunterricht vonnöten ist, weil hier die Unterschiede besonders groß sein können. Das gelungene Klassenmusizieren kann auch zu einer gesammelten, im besten Falle sogar beglückten Atmosphäre führen, der die Schüler den Zwangcharakter schulischen Unterrichts für kurze Momente vergessen läßt.
Schließlich darf der Gebrauchswert des gemeinsamen Musizierens nicht verkannt werden, der im üblichen Musikunterricht nicht immer zu erkennen ist. Dieser Gebrauchswert lässt sich im wesentlichen daran festmachen, dass eine geglückte Aufführung oder auch nur ein klingendes Produkt ein Ergebnis ist, auf welches man stolz sein kann.
Der Lehrer muss sich jedoch der Wirkungsweise der praktisch-musikalischen Arbeit bewusst sein und nicht nur 'einfach drauflos' musizieren lassen, denn das trägt nicht zur Motivationssteigerung bei. Es kommt also nicht nur auf die Vielfalt der Unterrichtsmethoden an, sondern auch auf die genaue Abwägung der Zielsetzung der einzelnen Methoden.
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4. Literatur
Beck, Wolfgang und Fröhlich, Werner D.: "Musik machen - Musik verstehen. Psychologische Aspekte des handlungsorientierten Musikunterrichts im Klassenverband", Mainz et al, 1992
Binkowski, Bernhard et al. (Hg.): "Musik um uns. 11.-13. Schuljahr", Stuttgart, 21991
Dethlefs, Beate Christiane: " 'To Change My Point Of View'. Umgang mit heterogenen Voraussetzungen im Grundkurs 11.1" in: "Musik und Unterricht" 49 (1998), S. 20-25
Eberhard, Arno: "HipHop, eine Jugendkultur aus dem Underground im Klassenzimmer. Ein Erfahrungsbericht" in "Musik und Unterricht" 52 (1998), S. 31-35
Feuerborn, Wolfgang: "Bläser Klasse" in: "Musik und Unterricht" 49 (1998), S. 60-62
Fuchs, Mechthild: "Musizieren im Klassenverband - der neue Königsweg der Musikpädagogik" in: "Musik und Unterricht" 49 (1998), S. 4-9
Günther, Ulrich und Ott, Thomas: "Musikmachen im Klassenunterricht - 10 Unterrichtsreihen aus der Praxis", Wolfenbüttel und Zürich, 1984
Keil, Siegmar: "Werkbetrachtung im Musikunterricht (Klasse 5-7)", Hamburg, 1972
Lugert, Wulf Dieter: "Grundriß einer neuen Musikdidaktik", Stuttgart, 1975
Nimczik, Ortwin: "Pädagogischer Umgang mit Musik. Auf der Suche nach Perspektiven für den Musikunterricht heute" in: Schatt, Peter W. (Hg.): "Form und Kultur. Studien zur musikalischen Bildung", aus der Reihe "Folkwang Texte, Band 11", Essen, 1995, S.13-62
Orgass, Stefan: "Vermittlung kategorialer Bildung durch Formanalyse im Musikunterricht der
Sekundarstufe II?" in: Schatt, Peter W. (Hg.): "Form und Kultur. Studien zur musikalischen Bildung", aus der Reihe "Folkwang Texte, Band 11", Essen, 1995, S. 119-178
Häufig gestellte Fragen
Was ist Klassenmusizieren im Allgemeinen?
Klassenmusizieren bedeutet, sich einer musikalischen Thematik durch handlungsorientiertes Lernen zu nähern. Dies kann Grundlagen der Musiktheorie, Improvisation im Jazz oder die Auseinandersetzung mit klassischer, neuer oder Unterhaltungsmusik umfassen. Es kann zum Themeneinstieg, zur Wiederholung oder zur Vertiefung verwendet werden.
Welche allgemeinen Zielsetzungen gibt es für das Klassenmusizieren?
Das Musizieren muss vom Spielpraktischen her und vom Lehrplanbezug durchführbar sein. Es soll nicht nur zum Spaß dienen, sondern einen konkreten Lernzusammenhang für die Schüler sichtbar machen. Es berücksichtigt die Stärken und Schwächen der Schüler und integriert sie in den Produktionsprozess.
Welche pädagogischen Ziele hat der Musikunterricht in der Oberstufe?
Als oberstes Ziel soll eine 'dynamische Gesamtverfassung' erreicht werden, also eine 'wissenschaftspropädeutische Ausbildung' und die Fähigkeit zur 'Selbstverwirklichung in sozialer Verantwortung'. Schüler sollen Verantwortung übernehmen, mündig werden und ein Verhältnis zu sich selbst und zur Welt erwerben.
Welche Aufgabe und Zielstellung hat der Musikunterricht heute?
Musikunterricht ist ein Teil der Wahrnehmungserziehung und soll die Einseitigkeit des Konsums durchbrechen. Schüler sollen Musik vielfältiger gestalten und sich mit ihr auseinandersetzen, sie als Ausdrucksform nutzen und lernen, musikalischen Ausdruck zu verstehen und sich selbst musikalisch auszudrücken. Auch Instrumentalunterricht kann sinnvoll sein, ist aber schwierig durchzuführen.
Welche Zielsetzungen hat das Klassenmusizieren?
Es gibt verschiedene methodische Ansätze, z.B. Klassenmusizieren aus Freude am Musikmachen, als Hinführung zu unbekannter Musik, zur Förderung des musikalischen Spracherwerbs, zur Entwicklung schöpferischer Potentiale und als Hinführung zum Instrumentalspiel.
Was bedeutet Klassenmusizieren aus Freude am Musikmachen?
Hier steht der Spaß an der eigenen Produktivität im Vordergrund. Es kann das Kennenlernen einer Klasse fördern oder eine Feier abrunden. Es ist aber wichtig, dass es nicht zur alleinigen Daseinsberechtigung des Klassenmusizierens wird.
Wie kann Klassenmusizieren zur Hinführung zu bisher unbekannter Musik dienen?
Es kann Berührungsängste abbauen, indem Schüler aktiv musizieren und einen affektiven Zugang zur Musik erhalten. Es gibt die Möglichkeit, eng am Original zu arbeiten oder ein vereinfachtes Arrangement zu verwenden.
Wie kann Klassenmusizieren den musikalischen Spracherwerb fördern?
Schüler sind oft nicht in der Lage, sich aktiv mit Musik auszudrücken. Durch das Musizieren sollen sie lernen, wie man Musik zum Erklingen bringt, wie sich das Ergebnis anhört und wie man sich musikalisch ausdrückt.
Wie kann Klassenmusizieren zur Entwicklung schöpferischer Potentiale beitragen?
Es kann Anregungen für eigene Musikerfindung geben, z.B. durch Improvisation oder die Produktion neuer Musikstücke, wie im HipHop-Beispiel.
Was bedeutet Klassenmusizieren als Hinführung zum Instrumentalspiel?
Der Aufbau von Klassenorchestern ist eine Möglichkeit, Schülern die Auseinandersetzung mit praktischer musikalischer Arbeit zu ermöglichen. Es soll eine regelmäßige Hinführung zum Instrumentalspiel sein, in der die Schüler mit dem Instrument und seinen Spieltechniken vertraut werden.
Was ist das Fazit zum Klassenmusizieren?
Die Reflexion der Musik, die durch das Reden über Musik möglich wird, sollte nicht zu stark in den Hintergrund geraten. Es muss eine Mischung aus wissenschaftspropädeutischem Arbeiten und körperlich-sinnlicher Erfahrung sichergestellt werden.
Welche Literatur wird in diesem Text zitiert?
Es werden mehrere Bücher und Artikel zitiert, darunter Werke von Wolfgang Beck und Werner D. Fröhlich, Bernhard Binkowski, Beate Christiane Dethlefs, Arno Eberhard, Wolfgang Feuerborn, Mechthild Fuchs, Ulrich Günther und Thomas Ott, Siegmar Keil, Wulf Dieter Lugert, Ortwin Nimczik, Stefan Orgass. Diese dienen zur Untermauerung der Argumente und geben Einblick in verschiedene Ansätze des Musikunterrichts.
- Citar trabajo
- Sonja Seidel (Autor), 1999, Zielsetzungen musikpraktischer Arbeit und ihre Relevanz für die Sekundarstufe II, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104244