Das Mäandern zwischen gesellschaftlicher Genussverachtung und schamlosen Auslebungsphantasien, zwischen Tabu und Tabubruch, dient als Anleitung zum Wiener Spiel des neckischen Verhüllens und Entblößens. Welchen immanenten, jedoch häufig geleugneten Wert Erotik und Pornografie gerade in der „Hauptstadt der Erotik“ Wien haben, sei Zentrum der literarischen Untersuchung. Alles in allem gilt: je restriktiver das Verbot, desto größer die erogene Zone einer Gesellschaft.
Zwischen Endzeit- und Aufbruchsstimmung, Weltschmerz und Euphorie, sowie Tradition und Traditionsbruch erweist sich das Fin de Siècle, die Jahrhundertwende oder, trefflicher und vor allem melancholischer ausgedrückt, das Ende des 19. Jahrhunderts als Epoche der Gegensätze. Gerade im österreichischen Raum und rund um die Bundeshauptstadt Wien fungiert das Fin de Siècle als apokalyptischer Paukenschlag. Ob bedrängt durch den Untergang der österreichischen Donaumonarchie, der wachsenden Industrialisierung oder der damit verbundenen sozialen und milieupolitischen Frage innerhalb der österreichischen Gesellschaft: Das Verständnis für die eigene Identität beginnt seine Klarheit zu verlieren. Unsicherheit wird zum steten Begleiter der Fortschrittseuphorie. Bewegen wir uns im deutschsprachigen Raum zwischen den Jahren 1890 und 1910, so entblößt die Epoche der Moderne eine Vielfalt an künstlerischen und literarischen Strömungen, Stilen und Begrifflichkeiten und damit auch verschiedene Herangehensweisen an die Kehrseite des rasanten wirtschaftlichen Fortschritts. Während in Deutschland der Naturalismus rein deskriptiv unter dem Mantel der Moderne hervorlugt und die Verwissenschaftlichung der Künste, sowie das Hässliche und Rohe ihre Bühne finden, steht der Mensch im Zentrum allen Tuns im Wien der Jahrhundertwende.
Er sucht nach den Wurzeln des menschlichen Seins, er verwandelt sich zurück in ein sinnliches und ewig identitätssuchendes Geflecht aus Nervenbahnen. Das Fragen nach und Neuerfinden von Identität gebiert im Fin de Siècle Wien eine Vielzahl menschlicher Errungenschaften. Kunst, Literatur, Musik, Psychologie und Medizin erleben eine Blütezeit und die Grenzen zwischen diesen Teildisziplinen gesellschaftlichen und akademischen Gedankenguts werden verwischt, nahezu unkenntlich gemacht, denn letztendlich münden alle Bereiche mit ihren Identitätsüberlegungen in der wohl identitätsbehaftesten Domäne der Menschheitsgeschichte: der Sexualität.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die sexualpolitische Utopie Wiens um 1900
- Das Element Weib: Eine erotische Wissenschaft
- Männerphantasien: Erotik in der literarischen Wiener Moderne
- Frauenbilder in Männeraugen
- Femme Fatale
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit untersucht die erotische Literatur in der Wiener Moderne und analysiert, wie sie sich mit den sexualpolitischen Debatten und Utopien der Zeit auseinandersetzt. Ziel ist es, die besondere Bedeutung der weiblichen Figur in der erotischen Literatur der Wiener Moderne zu beleuchten und ihre Darstellung in den Werken von männlichen Autoren zu analysieren.
- Sexualpolitik und Erotik in der Wiener Moderne
- Die Rolle der Frau in der erotischen Literatur
- Männliche Perspektiven auf weibliche Sexualität
- Das Verhältnis von Literatur und Gesellschaft
- Die Konstruktion von Geschlechterrollen in der Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung führt in die Thematik ein und stellt die Relevanz der Untersuchung dar. Sie skizziert den historischen Kontext und die literarischen Strömungen der Wiener Moderne.
- Das zweite Kapitel analysiert die sexualpolitische Utopie Wiens um 1900 und beleuchtet die Debatten um Sexualität, Geschlecht und Moral.
- Das dritte Kapitel beschäftigt sich mit der Darstellung der Frau in der erotischen Literatur. Es untersucht die verschiedenen Stereotypen und Klischees, die in der Literatur verwendet werden, um weibliche Sexualität zu konstruieren.
- Das vierte Kapitel fokussiert auf Männerphantasien und ihre Darstellung in der erotischen Literatur. Es analysiert, wie männliche Autoren Frauenbilder konstruieren und weibliche Sexualität aus ihrer Perspektive betrachten.
Schlüsselwörter
Wiener Moderne, erotische Literatur, Sexualpolitik, Frauenbilder, Gender, Männlichkeit, Weiblichkeit, Stereotypen, Klischees, Literatur und Gesellschaft.
- Quote paper
- Isabell Rieth (Author), 2020, Ein lüsterner Blick in das Chambre Séparée. Erotische Literatur in der Wiener Moderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1042583