Wer kandidiert für Parteien?
1. Einleitung
Wer sind die Parlamentarier, die an einer Gesetzgebung mitwirken, die unser Leben mitbestimmt und aus deren Reihen sich die Exekutive rekrutiert? Mit welcher kleinen Auswahl haben wir es zu tun und wie sieht der Prozeß der Kandidatenauslese aus?
Wenn wir von unserem aktiven Wahlrecht Gebrauch machen, wählen wir nur noch unter den in einem komplexen Selektionsprozeß ausgewählten Parteikandidaten. Der Zugang zu politischen Führungsämtern, der im normativen Sinn demokratisch und damit allen interessierten Bürgern offen sein sollte, erweist sich als wenig par- tizipationsfreundlich. Immer noch Aktualität haben Dietrich Herzogs Worte: „Doch formale Offenheit ist bekanntlich in allen demokratischen Systemen eine Fiktion, bestenfalls ein Postulat. In Wirklichkeit ist der Prozeß der politischen Führungs- auswahl restiktiv.“1
Der politische Aufstieg ist aus zu erläuternden Gründen nur für wenige optional. So erklärt sich auch die Tatsache, daß die Parlamente auch nicht ansatzweise die soziale Zusammensetzung der Gesellschaft reflektieren. Der enge Weg in die poli- tische Klasse und die Karriere innerhalb der politischen Klasse bedarf einer klaren und möglichst frühen Ausrichtung, einer Professionalisierung in zunehmendem Maße und ist meist ein lebenslanger Prozeß. Als Begründung dafür, daß keine Feierabend-Parlamentarier sondern spezialisierte Profis gebraucht werden, wer- den die Aufgabenfülle und die speziellen Anforderungen genannt. Anders als in den USA oder Kanada ist im deutschen System der Personaltransfer zwischen privat wirtschaftlichem Bereich und politischer Klasse unbedeutend. Eine parteipo- litische Bewährung bis auf wenige Ausnahmen ist Grundvoraussetzung für einen Eintritt in die politische Klasse.
Als Untersuchungsgegenstand habe ich mich im wesentlichen für den Bundestag als höchstes Verfassungsorgan entschieden und stelle zunächst die Sozialstruktur in Kapitel zwei dar. Warum die Sozialstruktur so ist erklärt sich bei Betrachtung der Karrierestruktur und der Voraussetzungen für eine Kandidatur im dritten Kapitel.
Auch intendiere ich, die innerparteilichen Rekrutierungswege, die beiden in unserem Wahlsystem festgelegten Formen der Kandidatur, Direktkandidatur im Wahlkreis und die von der Forschung etwas vernachlässigte Kandidatur über eine Landesliste näher zu beleuchten.
Nachdem wir das statistische Profil des typischen Parlamentarier (männlich, Akademiker, 50 Jahre) kennengelernt haben stelle ich in Kapitel 3.2 die typischen Karrieremuster dar.
Den zunehmenden Professionalisierungstendenzen in der Politik wende ich mich in Kapitel 3.3 zu.
2. Wer kandidiert? Die Kandidaten und Nominierten für den deutschen Bundestag anhand der Variablen Geschlecht, Alter, Bildung und Beruf
2.1 Frauen im Parlament
Bis vor 83 Jahren war ein quantitativ und qualitativ bedeutender Teil der Bevölke- rung von politischen Ämtern ausgesperrt. Seither sind Frauen berechtigt zu wäh- len und gewählt zu werden. In den vergangenen Jahrzehnten war die Frauenrolle starken Wandlungen ausgesetzt. Einst nur auf den privaten Raum beschränkt können Frauen den Sprung ins öffentliche Leben nun zumindest schaffen und in politischen Gremien Präsenz zeigen. Der Zugang zu politischen Ämtern steht Frauen theoretisch offen. Nach einem signifikanten Anstieg der weiblichen Partei- mitglieder in den 70er Jahren lag der Frauenanteil 1984 in Bundestag und Landta- gen bei etwa 10%, ist seit 1969 kontinuierlich gestiegen und liegt derzeit bei be- achtlichen 30,9%. Damit kommt Deutschland im Ranking der EU-Staaten nach den Skandinavischen Ländern und den Niederlanden, die einen Frauenanteil im Parlament zwischen 30 und 40% aufweisen. In allen anderen EU-Staaten sind Frauen viel drastischer unterrepräsentiert, keines der Länder kommt in die Nähe der 30% Marke.
Hinzuweisen ist auf die deutlichen Differenzen zwischen den Parteien. Schlußlicht aller Parteien hinsichtlich der innerparteilichen Frauenförderung ist die CSU. Bei CDU und FDP beschränken sich die Maßnahmen auf freiwillige Selbstverpflich- tungen. Eine weitaus frauenfreundlichere Rekrutierungspolitik praktizieren die Par-teien des „linken“ Spektrums mit satzungsmäßig verankerten Maßnahmen zur Gleichstellung der Frauen. In der SPD gilt die 40% Quote. Jedes Geschlecht muß zu mindestens 40% mit Ämtern und Mandaten vertreten sein. Bei den Grünen be- steht neben weiteren Regelungen zur Förderung der Frauen in der Partei eine Quote von 50%. Die PDS hat ebenfalls eine paritätische Regelung umgesetzt. Der Erfolg dieser innerparteilichen Beschlüsse zur Gleichstellung von Mann und Frau ist unübersehbar. Nach Einführung der Quotierung in der SPD 1988 sprang der Frauenanteil bei den darauf folgenden Wahlen um über 10%.
Tabelle 1
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: http://www.bundestag.de/mdb14/mdbinfo/132/1322.html
Die eben beschriebene tendenziell positive Entwicklung soll nicht darüber hinweg täuschen, daß der Frauenanteil in der politischen Klasse immer noch alles andere als proportional zum Verhältnis von Frauen und Männern in der Gesellschaft ist. Nach wie vor sind Frauen Restriktionen ausgesetzt, die ihnen die Übernahme eines politischen Mandats erschweren:
Die Vereinbarung von Beruf und Familie stellt an sich schon einen Hochseilakt dar. Wie sollen Frauen noch Zeit für ehrenamtliche Parteiarbeit aufbringen sowie Popularität im Wahlkreis aufbauen und bei Vereinen und Verbänden gelegentliche Präsenz zeigen? Einen weiterer Aspekt ist die deutlich schlechtere Repräsentation von Frauen in den typischen politiknahen Rekrutierungsberufen (höherer öffentlicher Dienst, freie Rechtsberufe).
In den großen Parteien sind Frauen im Durchschnitt schlechter auf den Landeslis- ten plaziert als Männer. Wahlkreismandate stellen bei Frauen eher die Ausnahme dar, die meisten werden über die Listen gewählt. Bei der Wahlkreisnominierung ist also eine starke Benachteiligung der weiblichen Kandidaten festzustellen.
Bei der Bundestagswahl 1980 kamen von 1209 kandidierenden Männern von Union, SPD und FDP 37,7% ins Parlament. Von den 224 Kandidatinnen schafften nur 18,3% den Einzug.2 Die Erfolgschance einer Kandidatur für Frauen war also nur halb so groß wie für Männer. Ursache dafür ist, daß Frauen meist nicht auf den sicheren sondern auf den ungünstigeren Plätzen der Landeslisten aufgestellt werden. Die großen Parteien unterscheiden sich insofern, als daß von den für die U- nion kandidierenden Frauen ein wesentlich geringerer Anteil in den Bundestag gewählt wird als von den SPD-Frauen.
Tabelle 2 belegt das Verhältnis von Kandidatinnen und Parlamentarierinnen in vier Bundestagen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Beate Hoecker: Innerparteiliche Frauenförderung in Großbritannien und Deutsch land, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 27 (1996), S. 642-657, S. 646.
Was den Frauenanteil in Spitzenpositionen des Bundestags anbelangt sind Frauen außer bei den Grünen deutlich schwächer in Führungsgremien der Fraktionen und Ausschüsse vertreten und werden später in den Bundestag gewählt.3 Um einen Aufstieg in der politischen Klasse zu erreichen müssen sich Frauen den männlichen Karrieremustern anpassen.4
2.2 Die Altersstruktur:
Tabelle 3a:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: http://www.bundestag.de/mdb14/mdbinfo/132/1326.html
Über das Alter der Bewerber um ein Mandat sind keine Daten vorhanden. Um dennoch eine Vorstellung zu bekommen werde ich das Eintrittsalter der erfolgrei- chen Kandidaten in den Bundestag anführen. Die Hälfte der Abgeordneten, die in den 13. Bundestag gewählt worden befand sich im Alter von 40-49 Jahren. Das durchschnittliche Eintrittsalter der Abgeordneten aller Wahlperioden liegt bei ca. 42 Jahren. Die Chance für jüngere Kandidaten ins Parlament zu gelangen hat sich seit Bestehen es Bundestags nicht verbessert. Der Bevölkerungsanteil der unter 40-jährigen ist nach wie vor unterrepräsentiert.
Absolut dominant sind im 14. Bundestag die Jahrgänge 1941-1950. Die nimmt sowohl nach oben als auch nach unten hin immer mehr ab. Die 65-jährigen sowie die unter 35-jährigen erweisen sich als äußerst schwach vertreten. Die gesellschaftliche Altersstruktur reflektiert der Bundestag mit seinem enormen Übergewicht der älteren Jahrgänge nicht. Der Anteil der Erwachsenen in der Be- völkerung unter 40 Jahren ist etwa doppelt so hoch wie der Anteil von Mitgliedern des Bundestags (MdB) dieser Altersgruppe.5 Nur 1,4% der MdB des 13. Bundes- tags waren jünger als 36 Jahre. Einen deutlich jüngeren Altersdurchschnitt als die übrigen Fraktionen weisen Bündnis90/die Grünen und die PDS auf. Das Durch- schnittsalter grüner Abgeordneter belief sich in den letzten Wahlperioden auf 5-9 Jahre weniger.
Im Gegensatz zur Variable Geschlecht stellt sich der Trend bei der Altersschichtung weniger positiv dar. Die Altersstruktur weist von einigen kleineren Abweichungen abgesehen6 eine relative Kontinuität auf.
Tabelle 3b: Altersschichtung der Bundestagsfraktionen, 13. Wahlperiode (alte Bundeslämder) in Prozent
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Datensatz 13. Wahlperiode
2.3 Der Bildungsgrad:
Im deutschen Bundestag überwiegen diejenigen mit höherer Schulbildung und Hochschulabschluß. Der Anteil, der in der 2. Wahlperiode noch unter 50% war, wuchs stetig und beträgt in der 13. Wahlperiode 76,9%. Eine besonders starke Akademisierung fand in der SPD statt, die während der ersten Wahlperioden gemäß ihrer Tradition einen höheren Arbeiteranteil verbuchen konnte. Sie steigerte sich von einer geringen Akademikerzahl von 22,8% auf 76,2% und befindet sich somit auf dem nahezu gleichen Niveau wie die Union. Von den Volksparteien unterscheiden sich die kleinen Parteien FDP und Bündnis90/Grüne insofern, als ihr Anteil an Hochschulabsolventen merklich höher liegt. In beiden Parteien besaßen im 13. Bundestag über 80% die Hochschulreife.7
Es läßt sich folgern, daß der Akademikeranteil im Parlament rund doppelt so hoch ist wie der Anteil in der Bevölkerung.
2.4 Berufsprofil:
Der deutsche Bundestag ist immer noch ein von Beamten des öffentlichen Dienstes dominiertes Parlament. Mit einem ziemlich konstanten Durchschnitt von 45% ist der öffentliche Dienst in den bisherigen Bundestagen am stärksten vertreten gewesen.8 Noch bis Mitte der 70er Jahre waren die Hälfte der MdB mit Hochschulabschluß Rechtswissenschaftler. Die enorme Zahl der Juristen nahm dann etwas ab zugunsten anderer Fachrichtungen.
Eine auch in der SPD verschwindende Gruppe ist die der Arbeiter.
Tabelle 4: The social background of candidates and legislators; 1994 federal elections
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Wessels, Bernhard: Germany, in: Norris, Pippa (Hg.): Passages to Power, Cambridge 1997, S. 89.
Wie die Tabelle zeigt dominieren unter den Kandidaten der Wahl zum 13. Bundes- tag Angestellte. Viele Kandidaten sind Lehrer, Techniker und Wirtschaftswissen- schaftler. Unter den Amtsinhabern und den ins Parlament gewählten findet man allerdings nur noch zu einem geringen Anteil Angestellte, dafür um so mehr Juris- ten (14,3% der 1994 gewählten), Lehrer (14,0%) und Techniker mit 13,3% der Nominierten. Es werden eindeutig bestimmte Berufsgruppen bevorzugt, denn die Berufsprofile der Kandidaten entsprechen nicht denen der Amtierenden und No- minierten.
Das Standardexemplar der Mitglieder des deutschen Bundestags ist männlich, 50 Jahre und hat einen Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluß, hat gut 6 Jahre in Gemeinde- oder Stadträten verbracht und Parteiämter übernommen.
Die soziale Zusammensetzung des Parlaments reflektiert in keiner Hinsicht die Gesellschaftsstruktur. In allen Punkten außer Frauenverhältnis ist die Entwicklung sogar rückläufig, die gesellschaftliche Zusammensetzung wird also immer schwä- cher repräsentiert.
Bereits die sozialen Kriterien bewirken eine erhebliche Vorselektion, die zur forma- lisierten Kandidatenauslese innerhalb der Partei hinzukommt. Das Bildungskriteri- um, ein Hochschulabschluß, der sich als de facto Standard zu etablieren scheint, klammert einen überwiegenden Bevölkerungsteil aus. Dieses, wie auch die ande- ren Kriterien fördern eine gezielte Lebensplanung, die bereits sehr früh auf die Annahme des Berufs des Politikers ausgerichtet ist. Dadurch wird eine Geschlos- senheit erzeugt, die durch die parteiinterne Rekrutierungspraxis noch Verstärkung findet. Gegenüber den im folgenden zu erläuternden innerparteilichen Auslesekri- terien treten die sozialen Variablen sogar ins Abseits, was die Wahlaussichten angeht.
3. Politische Karrieren
3.1 Die Partei als Rekrutierungsmonopol
Anders als in den USA wo Selbstrekrutierung stattfindet, wird in Deutschland poli- tisches Personal von den Parteien, die als Rekrutierungskanäle fungieren, nomi- niert. Kandidaturen sind folglich fast ausschließlich für Parteimitglieder über Par- teien möglich. Für parteilose Bewerber besteht praktisch keine Chance in den Bundestag zu gelangen. Für die fünf parteilosen Kandidaten, die zwischen 1949 und 1979 ins Parlament einzogen gilt, daß sie nicht wirklich parteilos waren, son- dern (noch ohne Parteibuch) die Unterstützung einer Partei genossen. Es gibt zwei Wege der Kandidatu, zum einen die Direktkandidatur im Wahlkreis und zum anderen die Listenkandidatur.
Aufstellung von Wahlkreiskandidaten:
Das Recht zur Aufstellung von Wahlkreiskandidaten gibt §21 Abs. 1 des Bundeswahlgesetzes den Parteigliederungen im Wahlkreis. Absatz 4 gibt den Landesvorständen die Möglichkeit eines suspensiven Vetos.
§22,1 beinhalten, daß Mitglieder bzw. in der Praxis Vertreter aus dem Wahlkreis in geheimer Abstimmung aus ihrer Mitte den Wahlkreiskandidaten wählen müssen. Über die Bestimmung, die Anzahl und Zusammensetzung der Delegierten existie- ren in dem Gesetz keine Vorschriften, genau so wenig wie über das Vorschlags- recht und die Wahl der Bewerber9, außer, daß sie geheim zu wählen sind. Für Nä- heres verweisen sowohl Bundeswahlgesetz als auch Parteiengesetz auf die Sat- zungen der einzelnen Parteien.
Die Wahlkreiskandidatur ist in erster Linie Sache der beiden großen Parteien, da die kleineren Parteien nur in Ausnahmefällen mit ihren Kandidaten die Mehrheit der Stimmen in einem Wahlkreis erobern können. Die PDS, die vier Direktmanda- te in Berlin errungen hat, stellt einen Sonderfall dar. Die Aufteilung der Wahlkreise unter den beiden großen Parteien ist regional sehr verschieden. Bei der Bundes- tagswahl 1998 ging die CDU in den Stadtstaaten, in Schleswig-Holstein, Saarland, Brandenburg und Sachsen-Anhalt vollkommen leer aus und gewann in Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen nur einen äußerst geringen Teil der Wahlkreise. In Bayern, Baden-Württemberg und Sachsen ist die Situation zugunsten der CDU bzw. CSU verlagert. In Bayern erhielt die SPD nur 7 der 27 vergebenen Direktmandate. Hier hat es für Sozialdemokraten kaum Bedeutung für einen Wahlkreis zu kandidieren. Allein entscheidend ist ein guter Listenplatz.
In den meisten Wahlkreisen läuft das Auswahlverfahren folgendermaßen ab: Die Unterbezirks- bzw. Kreisvorstände diskutieren ihre Ideen und geben ihren Vor- schlag weiter an die Ortsvereinsvorsitzenden. Diese wiederum halten Rückspra- che mit ihren Ortsvereinen. Das O.K. geht zurück an die Unterbezirksvorstände und der Kandidat gilt als offizieller Vorschlag für die Vertreterversammlung und wird dort in der Regel auch angenommen. Im Falle des Bundestagswahlkreises Erlangen, der geographisch dem SPD Unterbezirk Erlangen entspricht sind es die beiden Kreise Erlangen Stadt und Land, die sich auf einen Kandidaten einigen müssen. Der hoch offizielle Teil des Verfahrens zur Bestimmung der Direktkandi- daten sieht dann folgendermaßen aus: Delegierte aus den Wahlkreisen benennen in geheimer Wahl auf dem in der Literatur meist Wahlkreisvertreterversammlung genannten10, in der SPD Bundeswahlkreiskonferenz genannten Delegiertentreffen die Wahlkreiskandidaten. Theoretisch ist besonders in kleineren Wahlkreisen die direkte Bestimmung durch die Mitglieder auf einer Wahlkreismitgliederversamm- lung möglich. Diese Wahl ist aber insbesondere bei den Parteivorständen nicht sehr beliebt, weil es zu neuen, nicht den Absprachen entsprechenden Vorschlä- gen kommen kann und der Nominierungsprozeß an Vorhersehbarkeit und Steuer- barkeit verliert.
Während der Vorschlag in sicheren Wahlkreisen ausschließlich von der kommuna- len Ebene stammt, da aufgrund der Gewißheit des Mandats keine Unterstützung von außen erforderlich ist, müssen in unsicheren Wahlkreisen die örtlichen Partei- instanzen mit den höheren über eine Absicherung auf der Landesliste verhandeln. Dadurch entsteht den höheren Parteigremien Bezirk und Landesverband eine Möglichkeit der Einflußnahme. Der Einfluß der Parteivorstände im Prozeß der Kandidatenauswahl steht außer Frage. Diese besondere Stellung der Unterbe- zirksvorstände zeigt sich nicht nur in ihrem Mitspracherecht sondern auch in ihrem besonderen Privileg: Ist ein Mitglied des Vorstands gewillt selbst im Wahlkreis zu kandidieren, so findet das i.d.R. allgemeine Akzeptanz und kein anderer Bewerber kandidiert gegen ihn.
Bei unsicheren Wahlkreisen ist die Doppelkandidatur in Union und SPD zur Regel geworden. Als sicher gilt ein Wahlkreis dann, wenn die Partei bei der letzten Wahl mehr als 55% der Stimmen auf sich vereinigen konnte bzw. bei mehr Wahlerfol- gen hintereinander kann die Prozentzahl der Stimmen niedriger sein. Die sicheren Wahlkreise, wie sie die SPD in vielen urbanen Gegenden und geographisch in den nördlichen und westlichen Regionen Deutschlands hat und die CDU/CSU im ländlichen Gefilden und dem südlichen Teil des Landes, bewirkt, daß „für die weit- aus größte Zahl der Kandidaten bereits bei ihrer Nominierung feststeht, ob sie Ab-geordnete werden oder nicht.“11 Eingehender betrachtet im Kontext der politischen Karrieremuster wird der Faktor Wiederwahl in Kapitel 3.2 .
Aufstellung von Listenkandidaten:
Die Aufstellung von Listenkandidaten ist nicht bundeseinheitlich12 geregelt, nicht verbindlich im Bundeswahlgesetz und nicht normiert, sondern wird in den Satzungen der Landesparteien festgelegt.
Das Verfahren der Kandidatenauswahl sieht in etwa so aus:
Der Landesverband und die örtliche Ebene (Kreis-, Ortsverband, Unterbezirk oder Bezirk) machen die Vorschläge, dem Bundesverband kommt kaum Mitsprache- recht zu. An die Vorentscheidung durch die Vorstände schließt sich die formale Beschlußfassung auf der Landesvertreterversammlung an. Hier finden die Nomi- nierung der Listenkandidaten und der Beschluß der Listenreihenfolge durch ge- wählte Vertreter der Kreis-/Unterbezirksverbände, sogenannte Landesdelegierte, statt.
Die Landeslisten sind so aufgebaut, daß die ersten fünf Spitzenplätze der Landes- prominenz, primär dem Kanzler und den Ministern vorbehalten sind und erfüllen eine Art Schaufensterfunktion. Die übrigen Namen erscheinen ohnehin nicht auf den Wahlzetteln. Auf den Listen fand immer eine Berücksichtigung von regionalen Interessen, Wählergruppen wie Gewerkschaften, Ausschüssen, von Landwirt- schaft und Frauen statt. Als groß wird der Verbändeeinfluß in der CDU angese- hen weil dem Gruppenproporz eine besondere Bedeutung zufällt. Bei den Grup- pen handelt es sich meist um Sozialausschüsse, Wirtschaftsrat, Mittelstands- und Frauenvereinigung sowie die Junge Union. In der SPD dagegen ist der Einfluß der unteren Parteiinstanzen bedeutender.13 Die meisten Parteistatuten legen fest, daß über die ersten ca. 15 Plätze einzeln abgestimmt wird, über die folgenden Plätze nur noch blockweise.
Besondere Berücksichtigung erhalten die Kandidaten, die auch einen Wahlkreis haben. Die Absicherung der Direktkandidaten in nicht sicheren Wahlkreisen läßt sich durchaus als Hauptfunktion der Landeslisten begreifen.14
Versuche der Einflußnahme und deren Erfolg sind schwer dokumentierbar.
Parteiexterne Einflußnahme erfolgt mündlich und schriftlich, von Verbänden oder Privatpersonen, die einen guten Platz für einen Kandidaten aus ihren Reihen er- zielen wollen. Teilweise wird mit einer kleinen Gegenleistung wie einer Partei- spende gelockt. Aus dem parteiinternen Bereich kommen Versuche der Einfluß- nahme von Einzelpersonen, Parteigliederungen und Arbeitsgemeinschaften.
Um noch mehr Licht in die parteiinterne Methode Kandidatenauswahl zu bringen gehe ich im folgenden auf die Praxis in der SPD ein.
In der SPD wird zunächst auf den Bezirksversammlungen über die Landeslisten verhandelt. Die Vorschläge gehen an den Landesvorstand und werden auf der Landesvertreterkonferenz mit nur wenigen Ausnahmen bestätigt.15 Die grundle- genden Prinzipien nach denen in der SPD die Listen zusammengestellt werden, sind der Regionalproporz und das „Reißverschlußverfahren“. Letzteres dient der Einhaltung der Quote und erfordert, daß abwechselnd ein Mann und eine Frau auf der Liste plaziert wird, bis keine Frau mehr zur Verfügung steht. Der Regionalpro- porz ist unumgänglich, er sichert die proporzmäßige Berücksichtigung aller Bezir- ke. Eine Nichtbeachtung würde zu Chaos und Regionalkonflikten führen. In Bay- ern erhalten durch den Regionalproporz Oberbayern 10 Listenplätze und die an- deren Bezirke je 4 Plätze.
Ein Kriterium, das noch keinerlei Wirkung zeigt weil es lediglich eine Empfehlung oder ein Appell des SPD-Generalsekretärs darstellt, ist die sogenannte „Müntefering-Quote“, die besagt, daß 30 Kandidaten jünger als 40 Jahre sein sollen. Weitere formelle Regelungen zur Belegung der Listenplätze existieren nicht.
Wie bei der Bestimmung der Wahlkreiskandidaten ist der Einfluß der örtlichen und regionalen Parteivorstände bei der Listenaufstellung groß.
Alf Mintzel konstatiert in seiner interessanten Analyse des Vorgehens der CSU bei der Listenaufstellung, daß eine Willensbildung von unten nur Schein sei, tatsächlich aber bei den Nominierungssitzungen nur die Vorschläge des Vorstands [im Falle der CSU: Landesvorstand, Anm. d. Verf.] bestätigt würden.16
Ein Beispiel dafür, daß die unteren Parteigliederungen bei der Kandidatenauswahl die Oberhand haben ist Otto Schily, der von der Bundespartei dem Wahlkreis München Land zugewiesen wurde, jedoch von der Basis nur Listenplatz 29 bekam (bei 32 Plätzen, die in den Bundestag kamen!). Mit seinem auf Konsens mit der Union ausgerichteten Entwurf für ein Zuwanderungsgesetz hat er sich auch für die 2002er-Wahl bei seinen bayerischen Parteigenossen nicht besser gestellt.
3.2 Karrieremuster
Die Karriere ist eine „Sequenz von Positionen, die ein Individuum sukzessive durchläuft.“17 In diesem Kapitel möchte ich die politische Karriere und die Voraus- setzungen dafür betrachten sowie typische Karrieremuster sichtbar machen.
Ein grundsätzliches Kriterium für den Weg ins Parlament ist die Abkömmlichkeit vom Beruf für den zeitintensiven Marsch durch die Parteiinstitutionen, mit anfangs ehrenamtlichen politischen Tätigkeiten. Ferner ist eine finanzielle Absicherung durch die privatberufliche Tätigkeit erforderlich, bis man so weit ist, von der Politik leben zu können, was mit dem Eintritt in ein Landesparlament oder den Bundestag erreicht ist. Eine hauptamtliche Tätigkeit als Parteifunktionär sichert zwar den Le- bensunterhalt, diese Positionen gelten jedoch nicht als Kandidatenpool. Aus or- ganisationstechnischen und personalpolitischen Gründen stehen die Chancen für Parteiangestellte auf ein Abgeordnetenmandat nicht besonders gut.18
Einen überragenden Vorteil genießen öffentlicher Dienst und Rechtsberufe. Zum einen sind es politiknahe Bereiche, in denen die Ausübenden in für einen politi- schen Aufstieg nützlichen Fähigkeiten geschult werden. Außerdem ist mit der Auf- gabe des bisherigen Jobs kaum ein Risiko verbunden. Ein Mandatsverlust läßt sich leicht verschmerzen, denn der Staat sichert seinen Beamten eine Rückkehr in die alte oder in eine mindestens gleichwertige Position zu. Anwälten steht die bei Abgeordneten sehr beliebte Möglichkeit einer passiven Tätigkeit in ihrer bisherigen Anwaltsozietät offen, die sich jederzeit wieder in eine aktive umwandeln läßt. Ei- nen weiteren Anreiz für Beamte, insbesondere Lehrer stellt die Karrieremöglichkeit dar, die ihnen der Eintritt in die Politik bietet, während die Beamtenkarriere zu- meist in der mittleren Einkommenskategorie endet.
Unabdingbare Voraussetzung für eine politische Karriere ist die kontinuierliche und intensive Mitarbeit in den lokalen Führungsgremien der Parteien, die nicht durch Auszeiten oder Wohnortwechsel unterbrochen werden darf, da sonst der innerparteiliche Rückhalt verloren geht. Die gesellschaftliche und innerparteiliche Hausmachtsverankerung ist für Bewerber und auch bereits gewählte Abgeordnete von enormer Bedeutung. Ohne Unterstützung aus den eigenen Reihen und Popularität im Wahlkreis läßt sich kein Mandat gewinnen.
Nachfolgende Tabelle zeigt, welche Ämter auf welchen Ebenen als die gängigen Startlöcher für den Sprung in den Bundestag betrachtet werden können. Allerdings muß man hierbei eine Unterscheidung durchführen zwischen den bei- den Volksparteien und dem Rest. Bei den großen Parteien Union und SPD sind Vorstandsämter in örtlichen Gliederungen wichtig aufgrund der Wahlkreiskandida- tur. Die politische Karriere beginnt also vorwiegend in Basisfunktionen ( Kreis- bzw. UB-Vorständen und/oder einem Amt in Stadtrat oder Kreistag).
Parteifunktion vor Nominierung:19
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei FDP und Bündnis90/Grüne ist ein Landesvorstandsamt bestimmend, weil der Einzug ins Parlament nur über die Landesliste möglich ist und ein aussichtsreicher Platz auf der Liste innerparteiliche Profilierung auf Landesebene erfordert. Die Zeit, bis man das erste Vorstandsamt erreicht hat unterscheidet sich deutlich. Bei Bündnis90/Grüne braucht man durchschnittlich vier Jahren, in den Volksparteien sind hingegen durchschnittlich neun Jahre zu kalkulieren.
Eigene Beobachtungen in der Bayern-SPD bestätigen, daß UnterbezirksVorsitzende sich in der Regel durch ihre Parteiarbeit für eine BundestagsKandidatur legitimieren.
Der Vorsitzende des UB München Land gilt schon lange als sicherer Nachfolger des Wahlkreiskandidaten und Innenministers Otto Schily. Da dieser wider erwarten mit seinen 70 Jahren noch einmal antritt, muß der Nachfolger sich allerdings bis 2006 gedulden.
Ulrich von Alemann hat unter der Überschrift „Wie macht man in der Politik Karriere?“ den optimalen Karriereablauf in sechs Schritte unterteilt dargestellt:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
nach: von Alemann 1995, S. 44
Im folgenden skizziere ich meine Ergebnisse der Suche nach Determinanten für die politische Karriere. Wieviel Einfluß auf die politischen Aufstieg haben die Ju- gendorganisationen der Parteien? 1/3 der Mitglieder des 13. Bundestages hatten einst eine Vorstandsfunktion im jeweiligen Jugendverband inne. Bei den Frakti- onsangehörigen der Union waren es gleich 50%, bei der SPD-Fraktion 28%. Von den Jugendorganisationen der beiden Volkspartei ist also nur die Junge Union als Karrieresprungbrett zu bezeichnen. Die mit ihrer Mutterpartei nicht so konformen Jusos sind wegen Festhalten an politisch-ideologischen Minderheitspositionen innerhalb der Partei marginalisiert und werden bei der Vergabe von Listenplätzen kaum berücksichtigt.
Der Parteibeitritt findet mit durchschnittlich 25 Jahren statt und zwischen dem Bei- tritt und dem Einzug in den Bundestag stehen durchschnittlich17 Jahre Mitglied- schaft mit gleichbleibend hohem Engagement. Diese meist mit „Ochsentour“ be- zeichnete Zeit der Profilierung innerhalb der Partei impliziert die Bewährung in ein bis zwei Vorstandsämtern, die i.d.R. ausschlaggebend für eine Kandidatur ist. Die Karriere wird maßgeblich davon bestimmt, wann welche Parteiämter über- nommen werden und in welchem Ausmaß diese kumuliert werden. Je früher die Übernahme des ersten Amts erfolgt, je höher das Amt und je mehr andere Ämter hinzukommen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß einmal eine parlamen- tarische Führungsposition erlangt wird.
Das so unbedeutend klingende öffentliche Amt auf kommunaler Ebene nimmt im Karriereverlauf eines angehenden Abgeordneten eine nicht unwichtige Stellung ein.
Bemerkenswerte 57% der MdB der 13. Legislaturperiode haben ihre politische Laufbahn in eben einem solchen Amt mit Anfang 30 Jahren begonnen. Um als Wahlkreiskandidat nominiert zu werden ist die lokale Bekanntheit entscheidend, die Qualifikation dagegen spielt eine geringere Rolle. Das kommunalpolitische Mandat wird in kleineren Städten und Gemeinden meist während der Abgeordne- tentätigkeit beibehalten, da es die Wahlkreisbindung fördert. Zu zeitaufwendig und damit inkompatibel mit dem Bundestagsmandat ist die Stadtratstätigkeit in größe- ren Städten.
Das häufigste Karrieremuster in den beiden großen Fraktionen ist der Weg über Kommunalpolitik und Parteiämter in den lokalen Gliederungen der Partei.
Für den überwiegenden Teil der politischen Klasse ist der politische Aufstieg eine zweite Karriere nach erfolgreich ausgeübter privat-beruflicher Tätigkeit, von Her- zog als Standardkarriere bezeichnet. Seine Studie von 1975 ermittelt 60% der MdB als zugehörig zu dieser Kategorie. Eine Cross-Over-Karriere, d.h. einen di- rekten Wechsel von einer beruflichen Spitzenposition in eine politische Spitzenpo- sition erlebten nur ca.10% und die übrigen Abgeordneten waren sogenannte Be- rufspolitiker mit einer rein politischen Karriere ohne vorherige berufliche Karriere.20
Den hohen Stellenwert den Seniorität und Anciennität besitzen stellte Heino Kaack schon 1965 bei der Wahl zum Bundestag fest: Je ungünstiger der Wahlkreis bzw. je aussichtsloser die Listenplätze, desto höher ist der Anteil an Neulingen.21 Ent- scheidend ist dabei aber weniger das Lebensalter, als die damit verbundene lange Dauer der bisherigen Parteiarbeit. Eine langjährige Mitarbeit in der Partei ist fast ausnahmslos Voraussetzung dafür, auf einem chancenreichen Platz aufgestellt zu werden und damit ein Mandat zu erlangen wie auch weitere politische Spitzenpositionen. Quereinsteiger, die mit einem überraschenden Sieg zu Amt und Mandat kommen, sind ein äußerst seltenes Phänomen. Beispielhaft ist der auffallend junge Grünen-Abgeordnete Matthias Berninger, der auf der Landesliste Nordrhein-Westfalen sogar auf Platz vier, nur zwei Plätze hinter Joschka Fischer kandidieren durfte.
Als generelles Auswahlkriterium für Direktkandidaten gilt die politische Bewährung. Darunter läßt sich eine Tätigkeit im Wahlkreis, entweder eine Parteitätigkeit, ein kommunalpolitisches Mandat, eine Mitgliedschaft in Landesparlament oder Landesregierung oder in Bundestag, oder Bundesregierung verstehen.
Zwischen Partei- und Parlamentskarrieren besteht eine Interdependenz22. Der Aufstieg in der Partei geht mit einem Mandatserwerb einher und umgekehrt. Der Erwerb eines Bundestagsmandat beschleunigt die innerparteiliche Karriere. 75% der westdeutschen Parlamentarier haben Vorsitzenden- und Vorstandsfunktionen auf den unterschiedlichen Organisationshöhen ihrer Parteien inne. In ihrer Person verschränkt sich die innerparteiliche mit der innerparlamentarischen Willensbil- dung.23
Beispiele aus der SPD in der aktuellen Periode: Anke Fuchs (Bundestagsvizepräsidentin und Mitglied im Bundesvorstand), Wolfgang Thierse (Bundestagspräsident und Mitglied im Bundesvorstand), Joachim Poß und Ludwig Stiegler (beide stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Vorstandsmitglieder).
Bernhard Wessels kam in seiner mit den Variablen Geschlecht, Alter, Angestellter, Jurist, Doppelkandidat, Amtinhaber und Seniorität durchgeführten Regressions- analyse der Wahlaussichten und des Wahlerfolgs zu folgendem Ergebnis: „The results show that political experience (as measured by incumbency and seniority) together with the dummy for double cancidate have the strongest and most signifi- cant impact on electoral prospects, and even more on electoral success.“
Die größtmögliche Chance auf eine erfolgreiche Kandidatur stellt die Wiederwahl dar. Die Abgeordnetentätigkeit ist eigentlich schon von vornherein auf Dauer aus- gelegt und Kandidaten, die eine Wiederwahl anstreben, genießen ein Vorrecht. Über die Parteigrenzen hinweg ist es verbreitet, daß ein Abgeordneter, der beab- sichtigt ein weiteres Mal anzutreten in den meisten Fällen auch die Unterstützung der Partei erhält. Der Großteil der Kandidaten weiß also a priori, daß er in den Bundestag einziehen wird, da ihm die Partei einen sicheren Wahlkreis oder einen guten Listenplatz zuteilt. Es existieren kaum MdB, die nach einer Wahlperiode freiwillig zurücktreten.
Die Wahlkreisvorstände empfehlen auch meistens die Wiederwahl eines Abge- ordneten. Vorteile sind, daß ein erfolgreicher Direktkandidat wahrscheinlich an den bisherigen Erfolg anknüpfen kann, zumindest aber seine Wahlkampferfahrung und finanzielle Wahlkampfrücklagen nützen kann, daß ein MdB im Laufe der vier Jahre seine Stellung ausbauen konnte und durch sein Amt über einen Bekanntheitsgrad verfügt, den ein frischer Bewerber nicht bieten kann. So hat Deutschland eine im internationalen Vergleich relativ hohe Wiederwahlquote von 78%.24 Die Gründe für das Streben der Abgeordneten nach Wiederwahl sind vielseitiger Art und auch aber nicht nur an den Pensionsansprüchen festzumachen.
Das folgende auf Landtagswahlen bezogene Statement von Ulrich von Alemann läßt sich gleichermaßen auf Bundestagswahlen übertragen:„Einmal gewählten Landtagsabgeordneten wird die erneute Kandidatur kaum streitig gemacht, sofern sie die mit ihrem Mandat verbundenen Möglichkeiten - Bekanntheitsgrad, Prestige, Einflußmöglichkeiten - nutzen und in der Parteiorganisation ihres Wahlkreises aktiv bleiben. Kampfkandidaturen gegen „Platzhirsche“ sind selten und haben wenig Erfolgschancen.“25 „Die Auffassung der Mandatsträger, daß eine erneute Kandidatur eigentlich selbstverständlich sei, solange man nicht zu erkennen gebe, daß man ausscheiden wolle, und daß eine solche Kandidatur in der Kontinuität der politischen Arbeit begründet liege, dürfte nicht nur den Bewerbern selbst, sondern weitgehend auch den Parteidelegierten eigen sein.“26
Von Bundestag zu Bundestag gibt es tendenziell immer weniger personelle Ver- änderungen. Die durchschnittliche Verweildauer liegt bei 14 Jahren. Ein ursächlicher Faktor mag das Streben nach Kontinuität und Stabilität im politi- schen System sein, das sowohl die Entscheidungsträger in der Partei als auch die Wähler zur wiederholten Unterstützung eines Abgeordneten veranlassen.
Wahlkreiskandidaten der Bundestagswahlen 1976 bis 1990
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Kremer 1992, S. 49.
Mit dem Erkennen der Parteien als erfolgsversprechende Karriereinstrumente ver- festigen sich die innerparteilichen Karrieremuster.27 Erfolgreiche Karrieren finden Nachahmer, so daß die politische Karriere häufig als Alternative zur Berufskarriere begriffen wird und damit ideologische Gründe bei einem Parteibeitritt im Hinter- grund stehen. Weithin bekannt als Partei, die wegen ihrer geringen Personaldecke gute und schnelle Aufstiegschancen bietet, ist die FDP. Den relativ neuen Politi- kertypus, der schnellen Schrittes durch die Ämterhierarchie rauscht, werde ich in Kapitel 3.3 skizzieren.
3.3 Professionalisierung
Von einer Professionalisierung spricht man, so bald man ein Einkommen für eine politische Tätigkeit bezieht, das vom bisherigen Beruf unabhängig macht. Max Weber unterschied zwischen Politikern, die „für die Politik leben“ und solchen die (auch) „von der Politik leben“. Von zuletzt erwähnter Art ist, „wer danach strebt, daraus eine dauernde Einnahmequelle zu machen“, bei Politikern der ersten Gruppe ist das nicht der Fall.
Inzwischen sind in allen Parlamenten Berufspolitiker vorzufinden. Die Aufgabenfülle und der Zeitaufwand, von im Bundestag in Sitzungswochen ca. 50 Wochenarbeitsstunden und in Wahlkreiswochen etwas weniger, bedingen einen Abschied von anderen Tätigkeiten. Ab der Wahl in den Bundestag ist eine private Berufstätigkeit i.d.R. nicht mehr möglich. Man entfernt sich in zunehmendem Maße vom ursprünglich ausgeübten Beruf. Je länger die politische Karriere und höher Positionen im der politischen Ämterhierarchie, desto geringer wird die Wahrscheinlichkeit auf eine Rückkehr in den privaten Beruf.
Renommiertes Schema für den Prozeß der Elitenbildung in der deutschen For- schung ist das Prozeßmodell nach Herzog28. In der Phase der politischen Soziali- sation geschieht die politische Vorprägung in Kindheit- und Jugendzeit durch El- tern, Schule und Freunde. Die politische Rekrutierung beginnt mit Beitritt in einer Partei oder deren Jugendorganisation und ist schon Teil des Selektionssystems. Ein nur geringer Teil derer, die politische Werte und Normen wie auch die Organi- sationen kennengelernt haben läßt sich von einer Institution rekrutieren. Ein noch wesentlich geringerer Teil durchgeht die folgende Phase der politischen Karriere, die mit der Übernahme des ersten politischen Amtes beginnt. Der Wechsel von der ehrenamtlichen in die hauptamtliche politische Tätigkeit markiert den Beginn der Professionalisierung. Politik wird zur materiellen Existenzgrundlage und man erwirbt im Zuge der Professionalisierung in höherem Maße als zuvor spezielle Kenntnisse und Fähigkeiten. Das Modell schließt mit der Phase der Elitenrekrutie- rung, die durch die Übernahme von Spitzenfunktionen in Partei- und Fraktionsvor- ständen, Regierung und anderen Spitzenpositionen gekennzeichnet ist.
Ein Mandat im Bundestag oder einem Landesparlament ist zu einer Vollbeschäftigung mit entsprechender Entlohnung geworden. Deutschland letztes Feierabendparlament ohne Berufspolitiker war die bis 1996 in dieser Form existierende Hamburger Bürgerschaft. Das Land sah für die Ehrenamtlichen eine Aufwandsentschädigung von DM 650 im Monat vor.
Es deutet alles auf eine zunehmende Professionalisierung der Parlamente hin. Auf einen Trend zum Berufspolitiker, für den die politische Karriere nicht mehr eine zweite Karriere, nach einer privaten Berufstätigkeit ist, sondern gleich nach Been- digung der (Hochschul-)Ausbildung ergriffen wird. Der 13. Bundestag bestand be- reits zu 27% aus pofessionals. Prominente Beispiele für diese Art der Abgeordne- ten sind Kerstin Müller von den Bündnisgrünen, von der CDU Geißler, Bohl und Wissmann, Gerhard und Möllemann von der FDP und Norbert Gansel von den Sozialdemokraten. Für das Berufspolitikertum spricht denn auch die Erfahrung. Je jünger man bei Eintritt in den Bundestag ist, desto größer ist die Wahrscheinlich- keit, daß die Karriere nicht in einer der hinteren Bänke endet sondern Spitzenfunk- tionen erreicht werden. Die Professionalisierung ist größer, je politiknäher und kür- zer die berufliche Tätigkeit war und je früher sich der Wechsel in die hauptamtliche Politik vollzieht.29
4. Schlußgedanken und Perspektiven:
Wie wir gesehen haben ist die Auswahlmöglichkeit des Wählers sehr begrenzt. Er kann seine Erststimme nur noch einem bereits im voraus bestimmten Kandidaten geben. Mit der Zweitstimme kann sich der wahlberechtigte Bürger lediglich für eine Partei entscheiden unter Kenntnisnahme der fünf ersten Namen, die auch als Stimmenfänger fungieren. Die restlichen Listenkandidaten, wie auch die Reihen- folge ist dem Wähler unbekannt und er hat innerhalb einer Partei keine Alterna- tivkandidaten zur Auswahl. Weniger als 3% der wahlberechtigten Bevölkerung beherrschen die Wahlen und Parlamente ausschließlich, weil sie Parteimitglieder sind und 97% werden praktisch zu Vollstreckern vorgefertigter Entscheidungen.30
Zu einer weiteren Eingrenzung kommt es, „wenn die Realität des innerparteilichen Willensbildungsprozesses berücksichtigt wird.“31 Es sind nicht alle Parteimitglieder an der Kandidatenaufstellung beteiligt und stimmberechtigt sondern nur ein Anteil von ungefähr 10 -15%. Unter Berücksichtigung der parteiinternen Auslese kommen wir daher zu den Ergebnis, daß letztendlich nur 0,15% der Wahlberechtigten die Auswahl der Parlamentsbewerber vornehmen.32 Ein Ergebnis, das einen äußerst niedrigen Repräsentationsgrad impliziert.
An der Form der Kandidatenauswahl, der innerhalb der Parteioligarchie stattfindenden Aushandlung, entzündet sich auch die Kritik.
Die Herkömmliche Auffassung meint, daß die Kandidatenaufstellung einerseits dem Sachzusammenhang nach eine Materie des staatlichen Wahlrechts sei, an- dererseits rechtssystematisch eine Angelegenheit der inneren Ordnung der Par- teien darstelle.33
Die Eckpunkte innerparteilicher Demokratie in Bezug auf die Kandidatenaufstel- lung sind zwar in Parteiengesetz, Wahlgesetzen und Parteisatzungen geregelt. Eine Nominierung hat durch gewählte Delegierte zu erfolgen. Dennoch, soviel wurde klar, sind die wenigsten Abstimmungsergebnisse Überraschungen, sondern bestätigen nur die a priori getroffenen Absprachen. Offensichtlich wurde auch das Vorhandensein einer nicht zu unterschätzenden Autorität der Parteivorstände in den Wahlkreisen. Über die genauen Ausmaße der Autorität vermag ich im Rah- men dieser Arbeit nichts detailliertes zu sagen. Dazu wären Untersuchungen in den einzelnen Parteien, die doch sehr unterschiedlich strukturiert sind, ange- bracht.
Die Kandidatenauslese findet in Deutschland, bedingt durch die starke Parteien- macht, in einem geschlossenen System statt. Dadurch entgehen dem Staat eine Reihe von Potentials mit vorzüglicher Eignung, die aber nicht parteilich organisiert sind. Andere weniger geeignete Parteigänger erreichen durch Beharrlichkeit, nicht unbedingt durch Befähigung eine Position in Parlament und Regierung. Die Fähig-keiten eines professionellen Politikers bestehen auch weniger aus fachspezifi- schem Expertenwissen als aus kommunikativen Fähigkeiten wie Redegeschick und der richtigen Selbstvermarktung. Der Trend zur Professionalisierung wirkt in dem Sinne noch verstärkend. Der für innerparteiliche Demokratie notwendige Per- sonalwechsel ist nicht mehr gegeben, stattdessen verkrusten und hierarchisieren die Machtverhältnisse. Die Geschlossenheit im Parteiensystem bewirkt ein Desin- teresse an Politik in der Bevölkerung. Nur wenige partizipieren an den politischen Entscheidungprozessen, da nur selten jemand bereits in seiner Jugend die Wei- chen für eine politische Karriere stellt.
Literaturverzeichnis:
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http://www.bundestag.de/mdb14/mdbinfo/132/1324.html [10.07.01]
Altersgliederung: Online im Internet: URL:
http://www.bundestag.de/mdb14/mdbinfo/132/1326.html [10.07.01]
[...]
1 Herzog, Dietrich: Politische Karrieren, Opladen 1975, S. 12.
2 Hoecker, Beate: Frauen in der Politik, Opladen 1987, S. 76.
3 Vgl. Golsch, Lutz: Die politische Klasse im Parlament, Baden-Baden 1998, S. 118ff.
4 Hoecker, Beate: Frauen in der Politik, Opladen 1987, S. 133.
5 Vgl. Norris: passages to power, S. 83.
6 1.-4. Wahlperiode zunehmender Anteil der älteren Abgeordneten, 5.-9. Verjüngung, seither wieder steigendes Alter
7 Angaben beziehen sich ebenfalls auf 13. BuT und entstammen folgender Quelle: Schindler: Da- tenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949-1999, CDRom, Berlin 1999, S. 669.
8 Vgl. Wessels, Bernhard: Germany, in: Norris, Pippa: Passages to Power, Cambridge 1997, S. 84. 7
9 Vgl. Schröder, Heinrich Josef: Die Kandidatenaufstellung und das Verhältnis des Kandidaten zu seiner Partei in Deutschland und Frankreich, Berlin 1971, S. 84f.
10 u.a. in Schröder (1971), Kremer (1992)
11 a.a.O. S. 78.
12 Weil nicht in den Satzungen der Bundesparteien geregelt. Ausnahme: Quotierung politischer Ämter zugunsten von Frauen.
13 Vgl. a.a.O. S. 109.
14 Vgl. Kaack, Heino: Geschichte und Struktur des deutschen Parteiensystems, a.a.O., S. 621f. In: Mintzel, Alf: Listenaufstellung in der CSU, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 11 (1980), S. 19.
15 Laut Auskunft eines wissenschaftlichen Mitarbeiters der SPD Erlangen.
16 Mintzel, Alf: Listenaufstellung in der CSU, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 11 (1980), S. 37.
17 Herzog, Dietrich: Politische Karrieren, Opladen 1975, S. 44.
18 Herzog führt das Eigeninteresse der Parteien an ihr Personal zu behalten und die Beobachtung, daß sie die erforderliche „Ausfüllung von Führungsrollen im lokalen /regionalen Parteivorstand“ kaum erfüllen können. Vgl. Herzog, Dietrich: Partei- und Parlamentskarrieren im Spiegel der Zah- len für die Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 7 (1997), S. 25-42, S.27.
19 Zahlen aus: Golsch, Lutz: Die politische Klasse im Parlament, Baden Baden 1998, S. 153.
20 Vgl.Herzog, Dietrich: Politische Karrieren, Opladen 1975.
21 Kaack, Heino: Wahlkreisgeographie und Kandidatenauslese, Bonn 1969, S. 73.
22 Herzog, Dietrich: Partei- und Parlamentskarrieren im Spiegel der Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 7 (1997), S. 25-42, S. 30.
23 Patzelt, Werner J.: Deutschlands Abgeordnete: Profil eines Berufsstandes, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 27 (1996), S. 462-502, S. 488.
24 Boll, Bernhard/Römmele, Andrea: Strukturelle Vorteile der Amtsinhaber?, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 25 (1994), S. 543-556, S. 544.
25 Alemann, Ulrich von (Hrsg.): Parteien und Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Mainz 1985, S. 185. 20
26 Horn, Wolfgang/ Kühr, Herbert: Kandidaten im Wahlkampf, Meisenheim 1978, S. 70.
27 Vgl. Herzog, Dietrich: Partei- und Parlamentskarrieren im Spiegel der Zahlen für die Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für Parlamentsfragen 7 (1997), S. 25-42, S. 27.
28 Herzog, Dietrich: Politische Karrieren, Opladen 1975, S. 47.
29 Golsch, Lutz: Die politische Klasse im Parlament, Baden-Baden 1998. S. 123.
30 Schröder, Heinrich Josef: Die Kandidatenaufstellung und das Verhältnis des Kandidaten zu seiner Partei in Deutschland und Frankreich, Berlin 1971, S. 82.
31 Alemann, Ulrich von (Hrsg.): Parteien und Wahlen in Nordrhein-Westfalen, Mainz 1985, S. 183.
32 Zeuner, Bodo: Kandidatenaufstellung zur Bundestagswahl 1965, Den Haag 1970, S. 6, in: Horn, Wolfgang/Kühr, Herbert: Kandidaten im Wahlkampf, Meisenheim 1978, S. 56.
Häufig gestellte Fragen
Worum geht es in "Wer kandidiert für Parteien?"?
Die Abhandlung untersucht, wer für politische Parteien kandidiert, insbesondere für den Deutschen Bundestag. Sie analysiert die Sozialstruktur der Parlamentarier, die Rekrutierungswege innerhalb der Parteien und die zunehmende Professionalisierung in der Politik.
Welche Aspekte der Sozialstruktur werden untersucht?
Die Untersuchung konzentriert sich auf Geschlecht, Alter, Bildung und Beruf der Kandidaten und Nominierten für den Deutschen Bundestag. Dabei wird der Fokus auf die Repräsentation von Frauen im Parlament, die Altersstruktur, den Bildungsgrad und die vorherrschenden Berufsprofile der Abgeordneten gelegt.
Wie steht es um die Frauenrepräsentation im Bundestag?
Obwohl der Frauenanteil in den letzten Jahrzehnten gestiegen ist, sind Frauen in der politischen Klasse immer noch unterrepräsentiert im Vergleich zum Gesamtanteil der Frauen in der Gesellschaft. Es gibt Unterschiede zwischen den Parteien hinsichtlich der innerparteilichen Frauenförderung.
Wie ist die Altersstruktur im Bundestag?
Die Altersstruktur im Bundestag spiegelt nicht die gesellschaftliche Altersstruktur wider. Es gibt ein Übergewicht älterer Jahrgänge, während die unter 40-jährigen unterrepräsentiert sind. Jüngere Kandidaten haben es seit Bestehen des Bundestags nicht leichter.
Wie ist der Bildungsgrad der Bundestagsabgeordneten?
Der Anteil der Abgeordneten mit höherer Schulbildung und Hochschulabschluss ist im Bundestag sehr hoch. Er ist deutlich höher als der Akademikeranteil in der Gesamtbevölkerung.
Welche Berufsprofile dominieren im Bundestag?
Der Bundestag ist immer noch stark von Beamten des öffentlichen Dienstes geprägt. Auch Rechtswissenschaftler sind überproportional vertreten. Arbeiter sind hingegen eine schwindende Gruppe.
Wie funktioniert die Kandidatenauslese in den Parteien?
Die Kandidatenauslese erfolgt in der Regel über die Parteien. Es gibt zwei Wege der Kandidatur: Direktkandidatur im Wahlkreis und Listenkandidatur. Die genauen Verfahren sind in den Satzungen der einzelnen Parteien geregelt.
Welche Rolle spielen die Wahlkreise bei der Kandidatenauslese?
Die Aufstellung von Wahlkreiskandidaten ist Sache der Parteigliederungen im Wahlkreis. Die Kreisvorstände spielen eine wichtige Rolle bei der Auswahl der Kandidaten. In sicheren Wahlkreisen ist die kommunale Ebene entscheidend, während in unsicheren Wahlkreisen auch die höheren Parteigremien Einfluss nehmen.
Wie werden Listenkandidaten aufgestellt?
Die Aufstellung von Listenkandidaten ist nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern wird in den Satzungen der Landesparteien festgelegt. Die Landesverbände und die örtliche Ebene machen die Vorschläge, und die Landesvertreterversammlung beschließt die Listenreihenfolge.
Welche Karrieremuster gibt es in der Politik?
Ein grundsätzliches Kriterium für den Weg ins Parlament ist die Abkömmlichkeit vom Beruf. Eine kontinuierliche und intensive Mitarbeit in den lokalen Führungsgremien der Parteien ist ebenfalls wichtig. Häufige Karrieremuster beinhalten eine Tätigkeit in der Kommunalpolitik und in Parteiämtern.
Was bedeutet Professionalisierung in der Politik?
Professionalisierung bedeutet, dass man ein Einkommen für eine politische Tätigkeit bezieht, das vom bisherigen Beruf unabhängig macht. Inzwischen sind in allen Parlamenten Berufspolitiker vorzufinden.
Welche Kritikpunkte werden an der Kandidatenauswahl geäußert?
Kritisiert wird, dass weniger als 3% der wahlberechtigten Bevölkerung die Wahlen und Parlamente ausschließlich beherrschen, weil sie Parteimitglieder sind. Auch wird die Form der Kandidatenauswahl, die innerhalb der Parteioligarchie stattfindet, kritisiert. Es gibt Bedenken hinsichtlich des Repräsentationsgrads.
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- Nina Glasow (Author), 2001, Wer kandidiert für Parteien?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/104279