Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Formen von Diskriminierung
2.1 Diskriminierung
2.2 Arten von Diskriminierung Ursachen und Folgen
2.3 Institutionelle Diskriminierung
3. Diskriminierung im dt. Bildungssystem
3.1 Institutionelle Diskriminierung in der Schule
3.1.1 Mechanismen indirekter Diskriminierung
3.1.2 Bildungsübergänge und schulische Selektion
4. Ausblick
4.1 Maßnahmen gegen (institutionelle) Diskriminierung
4.2 Diskriminierungsverbot
5. Fazit/Reflexion
6. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Diskriminierung geschieht zwischen vielerlei Gruppen: Frauen und Männern, Heterosexuellen und Homosexuellen, Behinderten und NichtBehinderten, Deutschen und Ausländern, ethnischen Gruppen und Religionen. Die große Gemeinsamkeit jedoch ist, dass Unterscheidungen, welche Unterschiede behaupten, sich in Ungleichheiten verwandeln, welche Benachteiligungen ermöglichen und rechtfertigen sollen und so zu Diskriminierung führen. Dadurch wird der Mensch nicht nur kategorisiert und mit negativ bewerteten Eigenschaften behaftet, ihm wird vielmehr sogar sein Status eines vollwertigen und gleichberechtigten Mitmenschen bestritten (Scherr, 2016b, S.VII).
Ausgehend des Referates „Gesellschaftliche Strukturen: Privilegien, Diskriminierung und Vorurteile“ mit dem Fokus auf die Thematik der Diskriminierung und Antidiskriminierung, stellte sich die Frage, wie ethnische Diskriminierung im institutionellen Rahmen des deutschen Bildungssystems aussieht, und welche Gegenmaßnahmen unternommen werden können, um dieser Form der Diskriminierung entgegenzuwirken. Die vorliegende Arbeit wird sich folglich diesem Thema widmen. Um eine übersichtliche Aufteilung zu gewährleisten, wurde sie daher in drei Themenbereiche unterteilt. Zunächst werden Formen von Diskriminierung erläutert. Dazu wird der Begriff der Diskriminierung definiert und anschließend verschiedene Arten von Benachteiligungen dargestellt. Zum Abschluss des Themenbereiches wird der Begriff der institutionellen Diskriminierung als bedeutend für den weiteren Verlauf der Arbeit hervorgehoben und erklärt. An späterer Stelle wird sie im zweiten Bereich in Hinblick auf das deutsche Bildungssystem aufgezeigt. Dazu wird zunächst die Bedeutung von Bildung und die daraus resultierenden Chancen dargestellt, und folgend erläutert, wie diese durch institutionelle Diskriminierung nicht jedem Schüler beziehungsweise jeder Schülerin zugänglich gemacht wird. Daraufhin folgt ein Ausblick, welcher Maßnahmen gegen Ungleichbehandlung darstellen soll. Zum Abschluss wird ein Fazit der Arbeit vorgenommen, welches sich mit den vorhergegangenen Schritten befasst und diese kritisch reflektiert.
2. Formen von Diskriminierung
Zunächst wird nun auf den Diskriminierungsbegriff eingegangen. Dazu soll seine Bedeutung dargestellt und anschließend verschiedene Arten von Ungleichbehandlung, ihre Ursachen und Folgen, erläutert werden. Abschließend wird der Fokus auf die institutionelle Diskriminierung gelegt, welche daraufhin durch Beispiele verinnerlicht werden soll.
2.1 Diskriminierung
Bei Diskriminierung handelt es sich um kategorial basierende Unterscheidungen, welche jene markieren, die sich vom angenommenen Normalfall des vollwertigen Gesellschaftsmitglieds differieren. Als angenommener Normalfall gilt der erwachsene, männliche, physisch wie psychisch gesunde Staatsbürger, welcher außerdem kulturell und äußerlich der Bevölkerungsmehrheit, beziehungsweise der dominanten gesellschaftlichen Gruppe angehört. Kategoriale Unterscheidungen sind Bestandteil historischer und gegenwärtiger gesellschaftlicher Machtverhältnisse und Ungleichheiten. Diese, die mit Diskriminierungen einhergehen, gelten als historisch veränderbar. Allerdings führt der gesellschaftliche Wandel keineswegs automatisch zur Überwindung von Diskriminierung. Hierzu bedarf es an gesellschaftlichen Lernprozessen, welche durch soziale Bewegungen angestoßen und durchgesetzt werden müssen (Scherr, 2016b, S. 8).
2.2 Arten von Diskriminierung Ursachen und Folgen
Neben der später genauer bestimmten institutioneller Diskriminierung, gibt es weitere Formen der Ungleichbehandlung sozialer Gruppen. Als eine davon kann die statistische Diskriminierung genannt werden. Hierbei werden Annahmen über bestimmte Gruppen herangezogen, welche dem jeweiligen Individuum zugerechnet werden, um so den Entscheidungsprozess, etwa bei der Vergabe einer Wohnung, zu erleichtern. Organisationelle Diskriminierung wiederum resultiert aus funktionalen Erfordernissen von Organisationen. So werden Ausbildungs und Arbeitsstellen bevorzugt an Bewerberinnen und Bewerber vergeben, denen keine soziokulturelle Distanz zur Betriebskultur unterstellt werden kann. Zuletzt kann die gesellschaftsstrukturelle Diskriminierung erwähnt werden. Hierbei führen etablierte Strukturen in gesellschaftlichen Teilsystemen wie Recht, Politik, Bildung und Ökonomie direkt oder indirekt zu gruppenbezogener Benachteiligung. Ein Beispiel ist etwa die ungleiche Verteilung von Bildungschancen migrantischer Schülerinnen und Schüler aufgrund des hierarchisch gegliederten und monolingualen Schulsystems (Scherr, 2016a). Bereits hier wird deutlich, wie facettenreich der Begriff der Diskriminierung sein muss. Ungleichbehandlung ist also nicht gleich Ungleichbehandlung und hat verschiedene Ursachen und Wirkungskreise. Sie erfolgt direkt oder indirekt und betrifft verschiedene soziale Gruppen. Als Folge kann in jedem Fall die Ungleichverteilung von Chancen, etwa bei der Wohnungsoder Arbeitssuche, aber auch im Bereich der Bildung, festgehalten werden.
2.3 Institutionelle Diskriminierung
Im Folgenden wird nun auf die zuvor bereits erwähnte institutionelle Diskriminierung eingegangen. Da sie im Verlauf der Arbeit genauer betrachtet wird, gilt es, ihre Begründungsstrukturen, Ursachen und Folgen besonders deutlich hervorzuheben.
„Als institutionelle Diskriminierung werden solche Benachteiligungen bezeichnet, die nicht auf individuell zurechenbare Handlungen oder Überzeugungen zurückgeführt werden können. Als Ursache werden vielmehr Strukturen und Verfahrensweisen von Institutionen in den Blick gerückt, die auch dann diskriminierende Auswirkungen haben, wenn die handelnden Personen in der Institution weder stereotype Vorstellungen über Eigenschaften von Gruppen noch benachteiligende Absichten haben. In Schulen, Betrieben und Hochschulen kommt institutionelle Diskriminierung zum Beispiel dann zustande, wenn muttersprachliche Kenntnisse der deutschen Sprache als Normalfall vorausgesetzt werden und deshalb keine Vorkehrungen getroffen werden, die Personen mit anderer Erstsprache darin unterstützen, ihre sprachlichen Fertigkeiten weiterzuentwickeln.“
(Scherr, 2016a)
Zusammenfassend kann institutionelle Diskriminierung also zunächst als eine Ungleichbehandlung festgehalten werden, welche auf Strukturen und Verfahrensweisen von Institutionen beruht. Es geht weniger um die Diskriminierung durch Personen, sondern vielmehr durch festgefahrene Strukturen und Muster, die es zu verändern gilt, um dieser Form der Benachteiligung entgegenzuwirken. Des Weiteren muss bei jeder Form von Ungleichbehandlung auch zwischen direkter und indirekter Diskriminierung unterschieden werden.
Als direkte oder unmittelbare Diskriminierung werden Regelungen und Maßnahmen bezeichnet, die explizit eine Ungleichbehandlung vorsehen. Eine direkte benachteiligende Handlung liegt demnach vor, wenn eine Person aufgrund ihrer nationalen Herkunft nicht angestellt, oder mit dem Hinweis auf ihre Hautfarbe, einem Lokal verwiesen wird. Eine indirekte oder auch mittelbare Diskriminierung bedeutet, dass eine Regelung oder eine Maßnahme zwar neutral formuliert ist, sie allerdings in ihrer konkreten Anwendung benachteiligende Auswirkungen auf eine bestimmte Gruppe hat. Bei einem Betrieb ohne 5 Aufstiegsmöglichkeiten für Teilzeitarbeitende, indem die Ausführung dieser Arbeit überwiegend durch Frauen ausgeführt wird, handelt es sich also um eine indirekte Diskriminierung von Frauen, da ihre Beförderungschancen gegenüber denen der vollzeitangestellten Männern, äußerst gering sind. Diese Form der Diskriminierung nachzuweisen gestaltet sich jedoch oft als schwierig (Human Rights, 2016).
3. Diskriminierung im dt. Bildungssystem
Im Anschluss wird nun die zuvor erläuterte institutionelle Diskriminierung auf das deutsche Schulwesen bezogen. Hierbei sollen unter anderem die Fragen geklärt werden, ob und in welcher Form benachteiligt wird, und welche Konsequenzen diese für den weiteren Bildungsverlauf des Diskriminierten haben.
3.1 Institutionelle Diskriminierung in der Schule
Bildung gilt als zentrale Ressource für die Teilnahme am ökonomischen, gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Leben. Ein guter Bildungsabschluss lässt sich in entsprechende Lebenschancen umsetzen und minimiert so gesellschaftliche Risiken wie Arbeitslosigkeit, Armut, Krankheit oder Kriminalisierung. Das nach meritokratischen Prinzipien geleitetete Bildungssystem orientiert sich in Bezug auf Chancengleichheit am Leistungsprinzip. Allen soll die gleiche Chance auf eine Bildungskarriere garantiert sein, welche ihren individuellen Fähigkeiten und Leistungen entspricht. Dabei dürfen soziale Kriterien wie Herkunft und Ethnie keine Rolle spielen. An dieser Stelle gilt es jedoch zu beachten, dass auch Indikatoren, die zur Leistungsmessung herangezogen werden, bereits durch leistungsfremde Einflüsse bestimmt sein können. So spiegeln Testergebnisse bestimmte Fähigkeiten durchaus besser wider, als Schulnoten. Diese wiederum werden auch von sozialen Kriterien beeinflusst, welche mit den Testleistungen nichts zu tun haben. Als weiteres Problem kann das Leistungspotenzial festgehalten werden. Dieses entwickelt sich im Verlauf des Sozialisationsprozesses. Im jungen Alter geschieht dies also besonders in den Familien und (vor)schulischen Einrichtungen, wobei sie ungleichen familialen und schulischen Sozialisations und Lernbedingungen ausgesetzt sind, die unter anderem mit ihrem sozioökonomischen Status und ihrer ethnischen Herkunft zusammenhängen. Hierbei wird in einigen Gruppen die Entwicklung des Leistungspotentials begünstigt, in anderen jedoch gehemmt (Geißler & WebesMenges, 2008).
„Ein nicht unbedeutender Teil der Ungleichheit in der Bildungsbeteiligung von deutschen im Vergleich mit nichtdeutschen Schülern lässt sich so lautet die These nicht auf die Eigenschaften der Kinder und ihre migrationsbedingten Startnachteile zurechnen, sondern wird in der Organisation Schule selbst erzeugt.“
(Gomolla & Radke, 2009, S.20f.)
Nach folgender These spielen also nicht nur der sozioökonomischer Status und die ethnische Herkunft eine Rolle in Bezug auf Ungleichbehandlung in der Bildungsbeteiligung, sondern vielmehr die Schule selbst, welche diese selbst erzeugt. Hierbei stellt sich nun natürlich die Frage, wie und in welcher Form das deutsche Bildungssystem beziehungsweise die Schule, solche Nachteile erzeugt. Weitreichende Folgen können eine durch die Chancenungleichheit begünstigte Armut sein, aber auch Arbeitslosigkeit, Kriminalisierung und Krankheit kommen als Resultat in Frage.
3.1.1 Mechanismen indirekter Diskriminierung
Die Anwendung gleicher Regeln auf Migrantenkinder wie auf ihre deutschen Mitschüler/innen resultiert in Mechanismen indirekter Diskriminierung. Dies stellt eine strukturelle Benachteiligung von Zweitsprachler/innen dar, weil dadurch spezifische Lernvoraussetzungen und Lebensbedingungen unberücksichtigt werden. Auch hier steht hinter dem Prinzip der Gleichbehandlung die strategische Absicht der Homogenisierung von Lerngruppen und zur Minimierung von „Problemen“. So werden bei der Einschulung Zurückstellungen von Migrantenkindern in den Schulkindergarten zum Erwerb von Deutschkenntnissen, ausdrücklich abgelehnt. Diese Kinder werden jedoch in denselben Schulen dann mit anderen Begründungen verstärkt zurückgestellt (Gomolla & Radke, 2009, S. 281).
Wie das Beispiel verdeutlicht, werden Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen eingeschult, statt ihnen erst einmal die Sprache näherzubringen. Wie soll ein Migrantenkind also dieselben Startchancen besitzen, wenn nicht einmal die Sprachkenntnisse gesichert sind? Wieso wird ein Kind eingeschult, bei dem abzusehen ist, dass es aufgrund seiner Sprachdefizite auch Leistungsdefizite haben wird? Allein dieses Beispiel bestätigt die oben erwähnte These, Schule erzeuge Bildungsbenachteiligung selbst. In diesem Beispiel sogar bereits vor der Einschulung.
[...]