Hugo von Hofmannsthals "Das Märchen der 672. Nacht". Zwischen Femme fatale und Femme enfant – Das Frauenbild in der Zeit der Wiener Moderne


Dossier / Travail, 2021

15 Pages


Extrait


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung: Inhalt und Fragestellungen dieserArbeit

2. Die Literatur in derJahrhundertwende
a. Die Wiener Moderne
b. Das Märchen der 672. Nacht als Literatur in der Wiener Moderne?

3. Weiblichkeitsentwürfe im Fin de Siècle
a. Der Fin de Siècle
b. Femme fatale
c. Femme enfant

4. FrauenbilderbeiHugovonHofmannsthal
a. Das Frauenbild in Das Märchen der672. Nacht

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Inhalt und Fragestellungen dieserArbeit

Inhalt dieser Arbeit soll das Weiblichkeitsprinzip und die Figur der Frau in der Zeit der Jahrhundertwende sein. Ewas genauer soll das Werk Das Märchen der672. Nacht1 von Hugo von Hofmannsthal betrachtet und analysiert werden. Dabei ist es entscheidend, zunächst genau aufdie vorherrschenden Rahmenbedingungen zu achten.

Was genau versteht man unter der WienerModerne? Was sind typische Merkmale der Literatur der Jahrhundertwende und welche Rolle spielten Frauen und Weiblichkeit in dieser Beziehung? Wichtig ist, das alles auch geschichtlich einzuordnen und aufdie Frauenbewegung zurZeitderJahrhundertwende einzugehen.

Dem eben schon kurz angesprochenen Werk von Hugo von Hofmannsthal soll dann eine größere Rolle zuteilwerden. Zunächst soll geklärt werden, ob man Das Märchen der 672. Nacht überhaupt als klassisches Werk der Wiener Moderne bezeichnen kann. Wichtig ist aber sicher auch, wie Hugo von Hofmannsthal die Figur der Frau sieht und vor allem in seinen Werken einbaut.

Nach diesergrundlegenden Einleitung soll es um die Weiblichkeitsprinzipien des Fin de Siècle gehen. Dabei stellen sich femme fatale, femme enfant und femme fragile gegenüber und sollen kritisch hinterfragt, verglichen und untersucht werden. Die Typisierung von Frauen und Weiblichkeit soll auf unterschiedlichen Wegen betrachtet werden. Auch dieser Punkt soll anschließend auf Hugo von Hofmannsthals oben erwähntes Werk bezogen werden und in einem weiteren Schritt auf das generelle Frauenbild Hugovon Hofmannsthal erweitert werden.

Abschließen wird diese Arbeit ein Fazit in dem offene Fragen geklärt werden und abschließende Worte gefunden werden sollen.

2. Die Literatur in der Jahrhundertwende

Zunächst einmal sollte geklärt werden, von welchem Zeitraum konkret gesprochen wird, wenn von derzeit derJahrhundertwende die Rede ist. Zeitlich kann man es auf die Jahre 1890 bis 1914 datieren. Mit historischem Hintergrund betrachtet, scheinen diese Daten plausibel. KaiserWilhelm II. wird 1888 zum Kaiser gekrönt und der Nationalitätskonflikt um die österreichische Doppelmonarchie gerät immer mehr in den Vordergrund. Um die nun neu aufkommenden zahlreichen antinaturalistischen Strömungen zusammenfassen zu können, entstand der Begriffder Jahrhundertwende. Allerdings kamen durch die vielen unterschiedlichen Strömungen auch zahlreiche Namen für diese zustande. Die Grenzen hierfür sind allerdings oft nicht klar auszumachen.

a. Die Wiener Moderne

Die Wiener Moderne beschreibt die Literatur, Kunst und Kultur in Wien um die Jahrhundertwende herum. Wien hatte bereits im späten 19. Jahrhundert eine immense Ausdehnung. Allerdings wuchs die österreichische Hauptstadt um die Jahrhundertwende enorm. Waren es im Jahr 1800 noch rund 270.000 Menschen, so lebten 1890 bereits 2,1 Millionen in Wien.2 Um diese Zahl einem adäquaten Vergleich zu unterzeihen: Im vergangenen Jahr (2020) beliefsich die Einwohnerzahl auf rund 1,9 Millionen. Nicht nur die Bevölkerungsdichte war bemerkenswert, Wien war bereits um die Jahrhundertwende die Hauptstadt der ÖsterreichischUngarischen Monarchie und genoss demnach international großes Ansehen.

WienerModerne ist nicht der einzige Begriff, der diese literarische Strömung beschreibt. Zahlreiche weitere Begriffe wie Ästhetizismus, Dasjunge Wien, Dekadenzliteratur oder auch Kaffeehausliteratur stehen synonym für die Wiener Moderne. Dichter und Schriftsteller trafen sich in Kaffeehäusern zum Gedankenaustausch und die Geschichten und Gedichte, die daraus entstanden, handelten meistens in und um Wien.

Zweifelsohne gehörte Hugo von Hofmannsthal zu den bedeutendsten Dichtern dieser Zeit. Aber auch Arthur Schnitzler und viele weitere standen ihm in nichts nach.

Das Märchen der 672. Nacht als Literatur in der Wiener Moderne?

Im Folgenden soll nun geklärt werden, ob und wenn ja, wie weit Hugo von Hofmannsthals Märchen der672. Nacht ein klassisches Werk derWiener Moderne ist. Unbestritten ist Hugo von Hofmannsthal ein starker Vertreter der Wiener Moderne, was den Verdacht nahelegt, dass all seine Werke auch in dieses Schema passen. Um das herauszufinden, lohnt sich ein Blick aufdie Rahmenbedingungen und auch den Inhalt dieses Textes.

Das Märchen der672. Nacht wurde im November 1895 in derWienerWochenschrift „Die Zeit“ veröffentlicht. Als Buch wurde es erst zehn Jahre später (1905) veröffentlicht. Inhaltlich geht es um einen jungen Kaufmannssohn, dem es finanziell als auch gesundheitlich an nichts fehlt. Dennoch treibt ihn der Gedanke an den Tod umher und er kann sich seinen eigenen Tod nicht prunkvoll genug vorstellen. Als seine alte Haushälterin ein junges Mädchen ins Haus holt, scheint es dem Kaufmannssohn, der am liebsten ein einsames und isoliertes Leben führen würde, zu viel zu werden. Nachdem einer seiner Diener eines Verbrechens beschuldigt wird, macht er sich auf in die Stadt, um den Verantwortlichen zur Rede zu stellen. Statt dem Verantwortlichen findet er einen alten und schäbigen Juwelierladen und kauft seiner Haushälterin einen halb blinden Spiegel. In einem anderen Spiegel vermag er das Gesicht des Mädchens in seinem Haus zu sehen. Es zieht ihn weiter ins Innere des Ladens, bis er in einen Art Garten gerät. Ein junges Mädchen, das dem Mädchen in seinem Haus zu ähneln scheint, taucht auf. Aus Angst flüchtet er in das Glashaus, in das das Mädchen ihn einsperrt. Als er einen Ausgang findet, landet der Kaufmannssohn in einem Kasernenhof, in dem erqualvoll sterben wird. Ein Pferd tritt ihn nieder und er stirbt ganz anders als er sich das hätte träumen lassen mit einem „bösen Ausdruck“3 im Gesicht.

Klassisch für die Wiener Moderne hat auch Hofmannsthal in seinem Werk eine grundlegende pessimistische Weltansicht verankert. DerTod und das Scheitern des Ästhetizisten legen sich wie ein Mantel um den Text. Von Anfang an ist der Tod präsent und auch derTod des Protagonisten kündigt sich in einigen Passagen bereits an. Es „sind Anfang und Ende des Märchens der672. Nachtdurch den gewandelten Blick des Kaufmannssohnes verklammert und so gehört dieser Aspekt der Visualität zu den Konstituenten des antithetischen Aufbauprinzips der Erzählung“4. In diesem Sinne ist Das Märchen der672. Nacht also ein klassisches Werk der Wiener Moderne. Auch der um die Jahrhundertwende stark vertretene Impressionismus spiegelt sich im vorliegenden Text wider. Hierbei stehen subjektive Eindrücke und Empfindungen des Autors im Vordergrund.

Wie im Symbolismus klassisch, wendet sich auch Hofmannsthal in seinem Werk dem Morbiden und Mystischen zu. Auch hier trifft die Beschreibung eines Werks aus der Jahrhundertwende voll zu.

In welchem Punkt das Werk Hofmannsthals allerdings nicht ganz in die Zeit passt, ist die Dekadenz. Zwar ging man hier von einem baldigen Ende aus, allerdings feierte man den nahenden Untergang eherdurch eineVerschwendungssucht. Eine Untergangsstimmung ist zwar auch zu spüren (wie im Märchen der 672. Nacht), allerdings liegt der Schwerpunkt eigentlich bei der Genusssucht und dem Lebensüberdruss. Bei Hofmannsthal ist etwas ganz anderes zu erkennen. Und das ist „die zentrale Problematik der Dekadenz. Der Konflikt zwischen der Befangenheit im Zusammenhang und Sinn herstellenden ästhetischhermeneutischen Weltzugang der Dekadenz auf der einen und der Tendenz zur Befreiung aus ihrer lebensabwägenden Sterilität auf der anderen Seite ist Gegenstand der Jugendwerke Hofmannsthals und des Jungen Wien“5.

Also: Ja, Das Märchen der 672. Nacht ist sicher unter den klassischen Vorzeigewerken der Wiener Moderne aufzuführen. Wenn auch nicht alle zu der Zeit üblichen Strömungen integriert wurden, überwiegen die Gemeinsamkeiten zu den Ideen dieser Zeit doch.

3. Weiblichkeitsentwürfe im Fin de Siècle

a. Der Fin de Siècle

Bevor man sich bestimmten Gesichtspunkten widmet, muss als erstes einmal der Begriff an sich untersucht und definiert werden. Unter dem Fin de Siècle versteht sich ein Begriff, der die Literatur, Kunst und das Lebensgefühl der letzten Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts bis hin zum ersten Weltkrieg zusammenfasst. Wir sprechen also von einer Zeitspanne von 1890 1914. Allerdings soll hier bewusst „ein“ Begriff fallen. Denn nicht nur Fin de Siècle beschreibt diese Zeit. Zahlreiche weitere Begriffe wie Décadence, Jahrhundertwende oder Belle Époque um nur einige Beispiele zu nennen beschreiben diese Zeit und deren wichtigen Umbrüche.

Während die moderne Forschung vor allem „die tiefen sozialen Spannungen und Spaltungen der Zeit, Unterdrückung und Emanzipationsversuche der Frauen, der Aufstieg neuer sozialerGruppen [...], die Modernisierung aller Lebensbereiche [...], Industrialisierung und Urbanisierung“6 untersucht, wurde das Bild der Frau auch deswegen „breiter und plastischer, weil Alltagsgeschichte und Äußerungen gewöhnlicher Zeitgenossen stärker in den Blick traten“7. Der Fin de Siècle beeinflusste zwar Literatur, Kunst und Musik, kann allerdings eher nicht als eigenständige Literaturepoche definiert werden.8

Interessant ist zudem, woher der Begriffdes Fin de Siècle stammt. Die Bezeichnung geht aufdas gleichnamige Theaterstück von Francis de Jouvenot aus dem Jahre 1886 zurück. Demnach lässt sich nicht nur der Ursprungsort, sondern auch die Wortfolge aufdas Französische zurückzuführen. Denn übersetzt bedeutet Fin de Siècle soviel wie Ende des Jahrhunderts. Der Begriff ist also eine pragmatische und logische Wahl. Ein weiterer zuvor angesprochener Begriff ist der der Dekadenz. Dieser ist in seiner Bedeutung durchaus relevant für die allgemeine Bedeutung der Zeit. Aufgrund von Veränderungen innerhalb der Gesellschaft verfällt eine ganze Gesellschaft. Das ist die Bedeutung von Dekadenz. Und diese Aussage passt genau in unser Bild derJahrhundertwende und in das Bild der hierzu betrachtenden Literatur.9

[...]


1 Vgl. Von Hofmannsthal, Hugo: Reitergeschichte und andere Erzählungen. Heinrich Bosse (Hrsg.), Ditzingen: Reclam Verlag, 2019. S.l.lm Folgenden zitiert als: Von Hofmannsthal, Hugo: Reitergeschichten und andere Erzählungen.

2 Wien, Stadt: Ein Service der Stadt Wien. Bevölkerung. Wien: 2021.

3 Hugo von Hofmannsthal: Reitergeschichte und andere Erzählungen. S. 3.

4 Barz, Christiane: Weltflucht und Lebensglaube. Aspekte der Dekadenz in derskandinavischen und deutschen Literaturder Moderne um 1900. Schwerin, 2003. S. 223. Im Folgenden zitiert als: Berz, Christiane: Weltflucht und Lebensglaube.

5 Barz, Christiane: Weltflucht und Lebensglaube. S. 213.

6 Pankau, Johannes G. (Hrsg.): Fin de Siècle, Epoche, Autoren, Werke. Darmstadt, 2013; S. 7. Im Folgenden zitiert als: Pankau, Johannes: Fin de Siècle.

7 Pankau, Johannes: Fin de Siècle. S. 7.

8 Hilmes, Carola: Dämonisierung des Weiblichen im Fin de siècle; Konstitutionsbedingungen und Bedeutungshorizontder Femmefatale. Stuttgart, 1990. S. 14.

9 Kreuzer, Helmut: Don Juan und Femme fatale. München, 1994. S. 155. Im Folgenden zitiert als: Don Juan und Femmefatale.

Fin de l'extrait de 15 pages

Résumé des informations

Titre
Hugo von Hofmannsthals "Das Märchen der 672. Nacht". Zwischen Femme fatale und Femme enfant – Das Frauenbild in der Zeit der Wiener Moderne
Auteur
Année
2021
Pages
15
N° de catalogue
V1043193
ISBN (ebook)
9783346464804
ISBN (Livre)
9783346464811
Langue
allemand
Mots clés
hugo, hofmannsthals, märchen, nacht, zwischen, femme, frauenbild, zeit, wiener, moderne
Citation du texte
Jessica Trescher (Auteur), 2021, Hugo von Hofmannsthals "Das Märchen der 672. Nacht". Zwischen Femme fatale und Femme enfant – Das Frauenbild in der Zeit der Wiener Moderne, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1043193

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