Rassistische Diskriminierung im Alltag Jugendlicher. Machtlosigkeit und Empowerment im Kontext von Rassismus


Akademische Arbeit, 2021

11 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe

Inhalt

1 Einleitung

2 Normalitat von Rassismus

3 Jung, mannlich, fremd -eine „bedrohliche“ Kombination

4 Mikroaggressionen im Alltag

5 Selbstnormalisierung und Machtlosigkeit der Jugendlichen

6 Empowerment

7 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Die vorliegende Arbeit beschaftigt sich mit der Frage, wie Jugendliche rassistische Diskriminierungen im Alltag erleben und wie sie mit dieser umgehen. Zunachst wird der Begriff Diskriminierung definiert. Diskriminierung bedeutet, dass ein Mensch durch unterschiedliche Behandlung benachteiligt wird. Sie stellt Hierarchien zwischen Gruppen her und grenzt beziehungsweise benachteiligt bestimmte Personengruppen (Fischer et al., 2016). Vielmehr spricht man in Deutschland von den Begriffen Ungleichbehandlung, Ausgrenzung und Benachteiligung, da die Begriffe Diskriminierung und Rassismus abwertend konnotiert sind.

In dieser Arbeit wird zuerst die Normalitat des Rassismus dargestellt. Hierfur wird die Jugendphase mit den Merkmalen der Ethnizitat und dem Geschlecht in Verbindung gebracht, das bedrohlich behaftet ist (jung, fremd, mannlich). Hiernach werden alltagliche Mikroaggressionen beschrieben. Danach wird auf die Machtlosigkeit und Selbstnormalisierung der Jugendlichen eingegangen. Zuletzt wird aufgezeigt, dass Empowerment ein wichtiger Bestandteil ist, um Jugendliche in diesem Kontext zu aktivieren.

2 Normalitat von Rassismus

In Lebenskontexten der Jugendlichen, die als ,Andere‘ bzw. ,nicht-deutsch‘ eingruppiert werden, kann sich Rassismus manifestieren. Scharathow (2014) hat hierzu Jugendliche befragt, ob und wie sie Rassismus in der Schule erleben. Ein Ergebnis dieser Studie ist, dass Rassismus als „dominante Normalitatsvorstellung und eine als selbstverstandlich und legitim erscheinende soziale Ordnung“ (Scharathow 2014, S. 418) gesehen wird. Weiterhin kann gesagt werden, dass die Jugendlichen, wenn sie Rassismus erleben, diese nicht thematisieren. Dies fuhrt zur Bestatigung der vorliegenden sozialen Ordnung. Die Sicht der Diskriminierten wird ubersehen, wahrend andere das ,Wahre‘ reproduzieren. Hierbei hinterfragen sie ihre Worte/Taten nicht und verleugnen das Bestehen von Rassismus in Deutschland. Die, die im Kontext von Rassismus marginalisiert werden, haben keine Stimmen und werden nicht gesehen. Auch in den Lebenswelten der Jugendlichen wird die gesellschaftliche Ungleichheit normalisiert und selbstverstandlich wahrgenommen. Einerseits wird struktureller und institutioneller Rassismus von Jugendlichen bestatigt, andererseits werden kategoriale Verallgemeinerungen und soziale Bedeutungskonstruktionen aktiv reproduziert. Somit bleiben bestimmte soziale Wissensbestande, die wirkungsvoll definieren, wer oder was normal ist und wer Abweichungen zeigt, unhinterfragt gultig (Scharathow, 2014).

3 Jung, mannlich, fremd - eine „bedrohliche“ Kombination

Junge Manner mit einem Migrationshintergrund werden von der Gesellschaft mit Gewalt und delinquentem bzw. deviantem Verhalten in Verbindung gebracht. Seit den 1990er Jahren wird dieser Zusammenhang in wissenschaftlichen Diskursen im angloamerikanischen Raum stark diskutiert. Im Laufe der Zeit wird dieses Thema auch in der deutschen Wissenschaft prasenter. Besonders in Berichterstattungen in den Medien wird dieser Zusammenhang betont und in sozialwissenschaftlichen Studien wird bestatigt, dass junge Manner mit Migrationshintergrund besonders oft mit Gewalt und Kriminalitat in Verbindung gebracht werden (Huxel, 2014).

Die soziologische Jugendforschung hebt die Verschrankung von Geschlecht, Jugend und Ethnizitat bei dem Verstandnis von Jugend als soziale Konstruktion hervor. In der Jugendphase befinden sich vor allem „Prozesse sozialer Konstruktion und (Selbst)Positionierungen“ (Huxel 2014, S. 78), womit sie sich als Jugendlicher inszenieren und ihre Zugehorigkeit zu einer bestimmten Gruppe darstellen. Die Abgrenzung des Jugendalters von der Kindheit und dem Erwachsenenalter wird uneinheitlich vollzogen. Die Adoleszenz stellt mit ihrem Beginn und Ende die zeitliche Rahmung der Jugendphase, wobei der Zeitpunkt, wann eine Person jugendlich ist, weiterhin bestritten ist. Daher ist die Jugend „nicht Ergebnis eindeutiger biologischer (Reife-)Prozesse, sondern vor allem sozialer Eignungen“ (Huxel 2014, S. 79). Jugend ist also auch abhangig von sozialen Bedingungen und ist das Resultat gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse. Sie entwickelt sich aus gesellschaftlichen und individuellen Erfordernissen und Entwicklungen heraus (Huxel, 2014).

Jugend ist gepragt von uneinheitlichen und homogenen Verlaufen, denn Jugendliche haben weder zur gleichen Zeit die gleichen Entwicklungsaufgaben, noch durchlaufen sie die gleichen Phasen. Vielmehr kann die Jugend als eine Dimension von Zugehorigkeit gesehen werden, in der Jugendliche sich durch Inszenierungen, Praxen und Erzahlungen positionieren. Wie Huxel (2014) erlautert, stehen diese in Abhangigkeit mit den individuellen Lebensbedingungen der Jugendlichen und den sozialen und gesellschaftlichen Gegebenheiten, wie etwa Normvorstellungen und Anspruche an Jugendliche. Da die Lebensbedingungen sich stark unterscheiden konne, spricht Tamke (2008) nicht von Jugend, sondern Jugenden im Plural. Hiermit werden die Unterschiede in der Dynamik und Formen jugendlicher Praxis hervorgehoben (Huxel, 2014).

Wenn Jugend auf das Phanomen der Pubertat, also der geschlechtlichen Reifung und Entwicklung, reduziert wird, steht die Biologisierung des Verhaltens jugendlicher Menschen im Vordergrund. Aus dieser Perspektive sind Jugendliche „,trieb- oder hormongesteuert‘“ (Huxel 2014, S. 80). Der Fokus liegt auf der korperlichen Entwicklung und der sexuellen Reifung. Die Jugend zwischen der Kindheit und dem Erwachsenenalter stellt den Eintritt in sexuelle Aktivitaten dar (Huxel, 2014).

Nicht nur Jugend, sondern auch Geschlecht wird interaktiv hergestellt. Huxel (2014) betont erneut, dass die Orientierung am Angemessenen in der jugendlichen Praxis von Bedeutung ist, wobei sich ,angemessenes‘ Verhalten nicht nur auf das Alter, sondern auf ein bestimmtes Alter im Zusammenhang mit einer bestimmten geschlechtlichen Zugehorigkeit, bezieht. Die jugendliche Praxis und das Geschlecht sind also in Abhangigkeit voneinander. Hierbei muss gesagt werden, dass Jugend wie auch Mannlichkeit nicht durch ethnische oder kulturelle Aspekte determiniert sind. Die Kultur und Ethnizitat determinieren nicht die Ausgestaltung des Lebens der Jugendlichen. Huxel (2014) verweist dabei auf die gegebenen sozialen Bedingungen und subkulturellen Identifikationen. Aus ethnografischer Sicht weist Drackle auf die Bezeichnungen „,sehr fremd und einfach organisiert scheinende[n] Ethnien‘ gleichzeitig von jungen Menschen als ,wild‘ oder ,Wilde‘“ (Huxel 2014, S. 83). Die Bezeichnung ,fremd‘ wurde wegen der zugrundeliegenden rassistischen und kolonialistischen Besetzung inzwischen aufgegeben, aber der Begriff ,wild‘ wird weiterhin mit jungen Menschen anderer Herkunft zugeschrieben.

Somit gilt die Jugend als gefahrdend fur Andere sowie gefahrdet, aufgrund des Status als Jugendliche/r und stellt eine risikoreiche ,wilde‘ Lebensphase dar, die die Jugendlichen uberwinden mussen. Vor allem werden Jugendliche „als besonders bedrohlich wahrgenommen, wenn sie mannlich und auch noch ,fremd‘ sind bzw. wenn ihnen Fremdheit in Ethnisierungsprozessen zugeschrieben wird“ (Huxel 2014, S. 83). So wird ,Wildheit‘ verdreifacht (jugendlich, mannlich, fremd).

4 Mikroaggressionen im Alltag

Wenn man sich mit Formen der Diskriminierung beschaftigt, dann zahlt hierzu die Beteiligung an Mikroaggressionen. Diese sind kleine und alltagliche behaviorale sowie verbale Demutigungen im Lebens- und Berufsalltag, die meist unabsichtlich, rassistische AuBerungen gegenuber ethnischen Minderheiten ausdrucken. Jugendliche mit Migrationshintergrund werden des Ofteren von foreigner objectification“ (Buchmann & Steinhoff 2018, S. 365), einer Art von Mikroaggression, konfrontiert. Buchmann & Steinhoff (2018) beziehen sich auf Deutschland und bemerken die Behandlung als Nicht-Deutsch, obwohl der Geburtsort in Deutschland ist und die Familie seit mehreren Generationen in Deutschland lebt. In diesem Zusammenhang kommt oft die vermeintlich harmlose Frage „Wo kommst du eigentlich her?“. Hiermit kann assoziiert werden, dass diejenigen, die gefragt werden, nicht nach Deutschland passen und eher zu der Gruppe der ,Anderen‘ gehoren. Diese Frage hat keine bewusste diskriminierende Botschaft inne. Dennoch zahlt dieser zu den verletzenden Mikroaggressionen (Buchmann & Steinhoff, 2018). Es herrscht die „Alltaglichkeit struktureller Gewalt-, Macht- und Herrschaftsverhaltnisse, wie z.B. Rassismus und weiBe Uberlegenheit“ (Nguyen 2013, S. 22). Der Psychologe Derald Wing Sue unterscheidet in diesem Kontext Erfahrungen als bewusste Mikroangriffe, unbewusste Mikrobeleidigungen oder als unbewusste Mikroentwertungen, die die Betroffenen bewusst wahrnehmen. Diese haben einen negativen Einfluss z.B. auf das Wohlbefinden in der Schule oder am Arbeitsplatz. Auch hat die Studie laut Nguyen (2013) bewiesen, dass die Erfahrung von Mikroaggressionen nachhaltige seelisch- korperliche Schaden verursachen kann. Vor allem „schulisch-institutionelle[n] Rassismuserfahrungen konnen ferner zur Folge haben, dass freilich keine gute, positive und produktive Lernbasis und -atmosphare in der Schullaufbahn kreiert wird oder wurde“ (Nguyen 2013, S. 23).

5 Selbstnormalisierung und Machtlosigkeit der Jugendlichen

Das ,Schweigen‘ der Jugendlichen verhindert, dass „ihre Perspektiven, Erfahrungen, Verletzungen, Irritationen und Unsicherheiten“ (Scharathow 2014, S. 423) nicht gesehen und gehort werden, was wiederum zur Normalisierung der rassistischen Perspektive fuhrt. Somit kennzeichnet eine rassistisch strukturierte soziale Machtordnung das Leben vieler Jugendlicher. Scharathow (2014) beschreibt, dass Personen, die ihr diskriminierendes Verhalten gespiegelt bekommen, oft weder ernst nehmen noch das eigene Wissen und Handeln hinterfragen, Sie versuchen ihr Verhalten zu legitimieren, indem ihre „Kulturalisierungen lediglich ,gut gemeintes‘ Interesse seien“ (Scharathow 2014, S. 424). Hiermit versuchen sie sich dem impliziten Rassismusvorwurf zu distanzieren und abzuwehren. So wendet sich der Blick von den Empfindungen des Betroffenen ab und geht uber zu den Motiven des Handelnden. In diesem Zusammenhang erleben Jugendliche auch eine „Opferumkehr (,blaming the victim‘), indem nach ihrem Handeln als mogliche Ursache fur Ausgrenzungserfahrungen gefragt wird“ (Scharathow 2014, S. 424). Somit sind Negationen, die Abwehr und Bagatellisierung mogliche Risiken des Sprechens uber rassistische Erfahrungen. Wenn Jugendliche sich gegen bestimmte Aussagen oder Handlungen positionieren, dann bedeutet das, dass sie die Position des ,Anderen‘ einnehmen und eine Nicht-Zugehorigkeit markieren. Der Wunsch nach Zugehorigkeit und ,Selbstnormalisierung‘ steht meist im Vordergrund, was zur Nicht- Thematisierung ihrer Erfahrungen fuhrt. Dieses Schweigen jedoch fuhrt dazu, dass die Moglichkeiten des Widerstandes erschwert werden, da Rassismus weiterhin ein dethematisiertes und tabuisiertes, in seiner ,offiziellen‘ Definition nicht den Erfahrungen der von ihm Marginalisierten entsprechendes, fur eine machtvolle Mehrheit ,unsichtbares‘, weil normalisiertes Phanomen bleibt, das jenseits seiner radikalen AuBerungsformen, die ,am Rande‘ verortet werden, kaum Aufmerksamkeit und Anerkennung als problematischer Teil gesellschaftlicher Wirklichkeit erfahrt - was wiederum das Sprechen erschwert. Ein Teufelskreis. (Scharathow 2014, S. 427f.)

Jugendliche versuchen sich oft von ausgrenzenden Mechanismen zu schutzen und mochten ,so wie die Anderen sein‘. Deshalb versuchen sie oftmals Merkmale, die nicht zu den ,Anderen‘ passen, durch verbale Arten des Relativierens, Ignorierens oder Negierens, des Sich- Distanzierens von Rassismus(erfahrungen) zu verstecken. Mit dieser Praxis schaffen sich Jugendliche oft eine Zugehorigkeit zur ,anerkannten‘ Gruppe, aber relativieren gleichzeitig „die Tragik der eigenen marginalisierten Position“ (Scharathow 2014, S. 431).

Somit lassen sich Jugendliche oft in „komplexe und widerspruchliche soziale und gesellschaftliche Spannungs- und Machtverhaltnisse ein“ (Scharathow 2014, S. 432), welche restriktiv die Moglichkeiten der Jugendlichen beeinflussen konnen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 11 Seiten

Details

Titel
Rassistische Diskriminierung im Alltag Jugendlicher. Machtlosigkeit und Empowerment im Kontext von Rassismus
Hochschule
Technische Universität Dortmund
Note
1,3
Autor
Jahr
2021
Seiten
11
Katalognummer
V1043525
ISBN (eBook)
9783346470188
ISBN (Buch)
9783346470195
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rassismus, Alltag, Jugendliche, rassistisch, Mikroaggression, Jugend, Männlich, fremd, bedrohlich, Machtlosigkeit, Empowerment, Selbstnormalisierung, Normalisierung, rassistisch im Alltag, Rassismus im Alltag, Alltagsrassismus, Diskriminierung, Schwarz, diskriminiert, nicht-deutsch, Ungleichheit, Migration, Migrationshintergrund, Jugendphase, Herrschaftsverhältnis
Arbeit zitieren
Nazile Karagöz (Autor:in), 2021, Rassistische Diskriminierung im Alltag Jugendlicher. Machtlosigkeit und Empowerment im Kontext von Rassismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1043525

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Im eBook lesen
Titel: Rassistische Diskriminierung im Alltag Jugendlicher. Machtlosigkeit und Empowerment im Kontext von Rassismus



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden